Zum Abschuss bereit

Preußischblau hat einen banalen Anklang. Das ist eine laute Farbe, die gleichzeitig wenig erzählt, so strahlend geheimnislos auftritt, zum Abschuss bereit. Ich ziele mit Gelbtönen, Orange und Rosa, was dieses Strahlen etwas dimmt.

Aber, um einen richtigen Farbkampf entbrennen zu lassen, muss ich diese Überlegungen vergessen. Und dann kommen doch wieder Erzählinhalte hinzu, von denen ich mich mit den Tanglingblue entfernen wollte.

Es ist Sonntag. Am Morgen beschäftigte ich mich wieder etwas mit dem Spitital und mit Ladakh. Die Bilder an den Klosterwänden haben einen westlicheren Buchmalereianklang. Man erkennt griechische und vorislamisch-persische Einflüsse. Die Berggottheiten, die sich mit dem Buddhismus verbanden, sind wild und fremd. Sie sind zumeist als Tonfiguren geformt und sehr farbig bemalt. Viele Altäre bieten Arsenale hinduistischer Anklänge und schamanistischer Einflüsse.

Lisbeth Gruwez

In der vergangenen Woche sah ich einen Tanzabend im Mousonturm, der mir spontan sehr gefallen hatte. Lisbeth Gruwez, eine Tänzerin und Choreografin aus der belgischen Theatertradition, zeigte das Stück „Ist going worse and worse and worse, my friend“. Gesten und Tanzhaltungen entsprachen Wortfetzen, die wiederholt und unterschiedlich aneinandergereiht wurden. Jedes Wort, wird mit der entstehenden Geste langsam erfunden, dann aber auch wieder zerstört oder aufgefressen. Diese Worte entstammten einer Rede des ultrakonservativen amerikanischen Fernsehpredigers Jimmy Swaggart. Gruwez zeigt, wie die Worte langsam Besitz von ihren Zuhörern ergreifen. Das Ganze geht mit einer Musik zusammen, die sich vom Tanz ernährt aber ihn auch bestimmt. Ein Geben und Nehmen also.

Jetzt, ein paar Tage später hat sich meine Begeisterung etwas relativiert, weil die Langzeitwirkung des Abends etwas kürzer ausgefallen ist, als ich mir es dachte.

Gestern habe ich an der Malerei auf einem der Reliefs weiter gearbeitet. Preußisch Blau trug ich auf die Schwünge und dunklen Rasterflächen auf. Die nächste Schicht changiert vielleicht zwischen Rosa und Orange.

Tanglingblue

Ein paar Tage schwebte mir ein „Tanglingblue“ vor um etwas von den alten Geschichten des Väterprojektes auszuruhen. Vergessen und ein wenig wandern in der Gegenwart, wegen mir die Umrisse der Scherben aus den Scherbengerichten nachgehend in der Stadt, Rad schlagend mit der verkrümmten Wirbelsäule.

Gestern fotografierte ich eine fünfzehn Meter hohe, unwirklich rote Backsteinwand vor einem intensiven Blau des hohen Himmels.

Die Farbigkeiten des Schellacks und des Graphits sind wie eine Zwangsjacke. Wenn ich sie los bin, sind die Arme immer noch am Oberkörper eng angelegt. Dabei sind die Buchmalereien ja schon Befreiungsschläge.

Im Gärtchen schnitt ich den ärmlichen Holunder zurück, der viel mehr Erde brauchte. Ich habe aber nur die, die auf den Beton aufgeschüttet ist – so muss er klein bleiben, bis ich wieder etwas mehr Erde besorgt habe und sie ihm zu Füßen lege.

Fluchtareale

Weil die Tage so warm sind und mich die Nachwehen des Blend – Festivals ablenken, gelingen mir derzeit nur die Tätigkeiten rund um das Arbeitstagebuch und dessen bescheidene Weiterentwicklungen.

Aus den Frottagen entstehen ja zumeist durchaus stimmungsgeladene Malereien, die manchmal auch mit dem Inhalt der Texte zutun haben. So ist es jedenfalls derzeit.

Draußen vor dem Atelier steht auf der Fläche, wo zuvor unsere Wiese war, ein Laster mit Anhänger. An seiner Seite wühlt sich ein Gabelstapler durch die übrig gebliebene Erde, um die Zaunfelder des Ereignisses, wofür das Tevesgelände vermietet worden ist, aufzuladen. Wo nun eigentlich die Blüten der Kräuter die seltener werdenden Insekten anziehen sollten, liegt ein staubiges Brachfeld.

Die Gewalt eines rollenden Festivals, walzt auch die Bedenken von Ökoexperten nieder, die der Stadtnatur schützend beistehen wollten. Wäre die Wiese abgedeckt worden, wie es Andreas Malten in seinem Gutachten als notwendig bezeichnete, würden nun die jungen Mauereidechsen Fluchtareale und Verstecke finden, die sie außerhalb der Brutzonen benötigen, um die ersten Wochen ihres Lebens zu überstehen.

Plünderung

Die Verwüstungen der Veranstaltung, die für dieses Gelände überflüssig und schädlich gewesen ist, werden nun langsam beseitigt. Gänzlich beseitigt ist auch der Charakter der Wiese, die ich seit 15 Jahren vorsichtig entstehen ließ und gepflegt habe. Eine der neuen, gerade geschlüpften Mauereidechsen flüchtete sich schon in mein Atelier, weil die Fluchtflächen und Verstecke auf der Wiese nun fehlen. Dort schaut nun wieder der Schotter hervor, wie vor vielen Jahren. Ein Sinnbild für das gesamte, von wem auch immer vermietete und geplünderte Gelände, demütigend für alle, die sich um eine stetige, kontinuierliche und nachhaltige Entwicklung der Fläche kümmerten.

In den letzten Tagen traten Zeichen wie von Steinmetzen in die Buchmalereien ein. An weitere Konzentration, an die Fortführung der Väter-Arbeit war wegen der Beeinträchtigungen nicht zu denken.

Und die Konsolidierung des Geländes zieht sich hin. Wochenlange Vorbereitungen und nun die Aufräumarbeiten…

Labyrinth

Auf Rolle 6 probierte ich einige Strukturen, von denen Ich noch nicht wissen kann, wohin sie mich führen werden. Jedenfalls helfen sie mir, trotz des Festivalaufbaus in eine Konzentration zu kommen. Sie führt nach innen.

Wenn ich mir meine Erinnerungen als Räume mit Türen vorstelle, von denen aus ich weitere Erinnerungsräume betreten kann, entsteht die labyrinthartige Architektur, aus der ich nur mit dem Ariadnefaden, der in der Gegenwart festgebunden ist, wieder herausfinde.

Meine Eidechsen sammeln sich alle auf der Fläche meines kleinen Gärtchens. Die anderen Außenflächen sind belegt von den vielen Menschen und Materialien, den Bühnen, den Aufbauten und den Getränkestapeln, die die Grundfinanzierung des Events bilden werden. Schon jetzt liegen überall ausgetrunkene Schnapsflaschen, leere Drogentütchen und Jointreste herum.

Die benachbarte Ausbildungswerkstatt ist mit großen Holzwänden zugestellt. Die Lehrlinge sitzen im Dunkeln. Alle Arbeiten, die wir unternehmen, sind in Mitleidenschaft gezogen.

Schnüre

Nach einer Tanzvorstellung im Mousonturm trafen wir danach am Biertisch im Garten Mathias Pees, die Künstler und ein paar Leute, die in aller Welt gelebt haben. Das war ein Abend, wie in der Kantine des Heidelberger Stadttheaters vor 30 Jahren.

Die Bühne zeigte eine Schnurkonstruktion in der sowohl der Tänzer, als auch eine lebensgroße Marionette hingen. Beide waren so miteinander verbunden, dass sie ähnliche Bewegungen machten.

Hinter dem aufwendigen Schnurkonzept steht, wie ich glaube, ein mathematisch – ornamentales Denken. Im Zusammenhang mit Bewegung und Musik, fällt mir immer öfter auf, dass es einem Gegensatz zwischen der Rhythmik beider Teile bedarf, der die Spannung auslöst, die das Ganze braucht. Ein gleichmäßig zuckender Körper benötigt die wabernde, musikalische Wolke. Der Walzer beispielsweise illustriert sich gegenseitig in Tanz und Musik.

Auf Rolle 6 entstehen Frottagen. Und aus denen Tuschelinien und deren Überlagerungen. Ein meditativer Kontrapunkt zum Festivalaufbau vor dem Atelier.

Kinästhetik

Die Bauarbeiten für das „Blendfestival“ auf Teves West nehmen an Intensität zu. Europaletten werden zu Skaterlandschaften gestapelt. Krachend fallen die Holzkonstruktionen zu Boden und werden von jungen Männern zusammengeschraubt.

Neue Begriffe schrauben sich in meinem Denken zusammen:

Kinästhetik,

raumanalytisches Modell,

Körper-Sprache.

Auch in den Buchmalereien kommt es zu impulsiven Raumformungen, die mit etwas krampfartigen Rotationen der Stifte zutun haben. Auch die schnellen, unwillkürlichen Stempelbewegungen des eingefärbten Handballens trüben die klaren Zeichnungen neblig ein und schaffen so eine andere räumliche Dimension.

Auch die kippenden Europaletten draußen schaffen durch die Bewegung der Flächen einen extrudierten Raum. Anschließend erzeugen die Schallwellen ein wolkenartiges Gebilde, das sphärisch und sich brechend geformt wird.

Im freien Raum

Bei dem, was ich gestern im Architekturmuseum an Ideen in den freien Raum entwickelte, habe ich etwas den Überblick verloren.

Die konkreteste Vorstellung zur Entwicklung von Herangehensweisen, die bislang noch nicht so sehr präsent waren, ist die der Extrusion zwischen unterschiedlichen Flächen. Das kann man an verschiedene Themen andocken („Fralin“ / „Väterprojekt“).

Andererseits aber spannte ich einerseits Bögen zur Musik in der Form von Soundarchitekturen und andererseits zu pulsierenden, sich verändernden digitalen Volumina, deren Bewegungen von der Musik gesteuert werden.

Darüber hinaus ging es um den Zusammenhang von menschlicher Bewegung und der Entwicklung von Architektur, die einen vorübergehenden, schnell verfließenden Charakter hat. Tanz bietet als Raumdefinition aber auch Blickkontaktimpulse, die Linien, Geflechte, Flächen und Räume entstehen lassen.

Impulse dafür kommen aus der Technoszene und gehen dort von Visuals über in Innenarchitekturen. Dabei denke ich an Karl Hyde und Karl Kliem.

Produktive Abwesenheit

Als der 17. Juni noch ein aufregender Tag war, bestand die Welt, in der ich mich bewegte, aus weitaus weniger Räumen. Und die waren nicht mit dieser Masse von heutigen Fragmenten angefüllt. Der Horizont umschrieb einen überschaubaren Kreis.

Heute stürzt mich die einfache Frage nach einem kleinen bebilderten Vortrag über meine Arbeit, gleich in ein unübersichtliches Unterfangen. Denn alle Fragmente sind miteinander verbunden und bilden wiederum auch nur ein Fragment. Trotz schmerzlicher Schnitte, heißt es dann: auswählen und über viele Überlegungen nicht zu sprechen.

Eventuell ist das die Lösung – nämlich davon auszugehen, was nicht erzählt wird und so einen leeren Raum schaffen, der von den anderen, den Zuhörern gefüllt wird.

Die Abwesenheit von Information kann so produktiv werden.

Schülerinnen

Meine Schülerinnen haben gestern zum Abschluss von „you&eye“ noch mal sehr schöne Blätter gemacht. Mit farbigen Kreiden fertigten sie Frottagen aus den Strukturen der Reliefformen an, verwischten sie, konkretisierten sie wieder und schufen mit Schellack weitere Schichten. Wenn ich sie eng an eine Technologie binde, vergessen sie ihre Teenagerpositionen aus Herzen und Sternchen und schaffen eine solide handwerkliche Qualität.

Nach einem sehr sonnigen Morgen ist eine blockartige Wolkenwand aufgezogen. Dieser Filter erholt das brennende Augenlicht.

Mir gehen Projekte der Stadtökologie durch den Kopf, die man auf Teves stattfinden lassen könnte. Dabei spielen gestalterische Ideen noch nicht die wichtigste Rolle, eher der Schutz von Wildnis mitten in der Stadt. Ich habe das Gefühl, dass man bei solchen Vorhaben mit Experten zusammenarbeiten muss.

Am Nachmittag schaue ich mir an, was Rush Finn im Museum für Angewandte Kunst mit unseren Arbeiten eingerichtet hat. Fotos von dort kann ich dann auch in meinen Vortrag fürs Architekturmuseum einfügen…

Raum | Sound | Habitat

Nach einer kurzen Auszeit im kleinen Karolina – Haus in der Nordpfalz, habe ich die 21 Buchmalereien aus diesen Tagen gescannt und dann begonnen eine Bilddatei für einen kleinen Vortrag im Architekturmuseum zusammenzustellen. Die Buchmalereien haben auf die eine oder andere Weise meine Projekte der letzten 43 Jahre begleitet. Jeweils das mittlere der 3 Bilder des 17. Juni seit 2000, also 19 Malereien im zeitlichen Abstand von einem Jahr habe ich eingefügt. Von jeder Abbildung aus könnte ich nun auf die Projekte verweisen, die ich in den Jahren gemacht habe. Weil das aber den Rahmen sprengt, zeige ich nur ein wenig vom Väterprojekt.

Den Ausblick auf die Extrusionen zwischen den Handprintwanderungen in Frankfurt und Berlin werde ich dann ohne Bilder erklären, um die Spannung noch ein wenig zu halten.

Extrusionen sind auch zwischen den unterschiedlich zersplitterten Scherben der 4 Scherbengerichte des Väterprojektes möglich.

Die Verarbeitung der Frottage von einer Gussform für ein Väterrelief innerhalb der heutigen 3 Buchmalereien, zeigt wieder den Zusammenhang zwischen den Splitterrändern und aufgezeichneten Wegen der Stadtwanderungen. Somit ist Extrusion ein weiteres Tool, die Themen, mit denen ich mich beschäftige, für Raumfindungen produktiv zu machen. Dazu kommen noch Sound und Habitat.

Soundpainting

In der Nacht konkretisierten sich die Architekturen im Kyffhäuserland. Grundrisse werden mit durchscheinenden Wänden eingefasst und mit ebensolchen Flachdächern abgedeckt. Das sind virtuelle Gewächshäuser für virtuellen Hanfanbau, so genannte „Kiffhäuser“. Sie werden für eine Wertschöpfung benötigt, aus der Geldscheine hervorgehen, die man in die ermittelten Grundrissformen plotten kann, um sie für den Modellbau zu stapeln. Die Reste der Geldscheine werden als Collagen in Karsthöhlen geklebt. Das ist das ökologisch –nomische Projekt.

Am Rande einer längeren Auswertungssitzung zum „you&eye“ – Projekt, regte ich mehr Zusammenarbeit der Künste an. So könnte ich mir mit den Sound – Paintern eine Kooperation vorstellen. Ich denke an Soundfiles aus dem „Kyffhäuserland“, die man mixen kann. Die Interaktion besteht aber auch aus der Bewegung der animierten Architektur, die aus meinem „Landschaftern“; also den Wanderungen in den verschiedenen Landschaften entstand und im Zusammenhang mit und in Abhängigkeit vom Sound generiert wird.

In diesem Zusammenhang lerne ich gerade einiges aus den „Drift-Episoden“ von Karl Hyde, der sich, was man seinem täglichen Blog entnehmen kann, auch gerade auf Wanderschaft befindet.

Landschaftern

Wenn ich an meine Wanderungen denke, die ich mit GPS aufgezeichnet habe, entsteht jetzt gleich in meinem Kopf ein dynamischer Raum, dessen vorübergehende Gestalt in Momenten angehalten wird, um einen architektonischen Entwurfsprozess in Gang zu setzen. Die Bewegung lässt Strukturen entstehen, die für die Entwicklung von körperbasierten Raummaßen nutzbar sind.

Frühe Entwurfphasen von Raumkonzepten, haben bei mir zumeist einen hohen Anteil von freudigen Ereignissen des lustvollen Querdenkens. Im Zusammenschluss dieser Denkraumergreifung mit der Wanderbewegung, die ebenfalls ihre Glücksmomente hat, scheint mir ein Potential zu liegen, mit dem man in Gruppen Erkenntnissen nahe kommen kann, die über ein Normalmaß der gestaltenden Bewegung hinausgehen.

Der Begriff des „Landschafterns“, der aus der Theatermalerei kommt, und nur einen Malprozess beschreibt, der mit langstieligen Pinseln (Landschaftern), auf einer riesigen Leinwand stehend vor sich geht, könnte eine Umdeutung erfahren. Die Linie, die ich gehend zeichne ähnelt der, die vom GPS aufgezeichnet wird. Im „Fralinprojekt“ wird also lustvoll gelandschaftert.

MOBILIE

Das Fralinprojekt erweiternd, fügen sich nun weitere Schichten hinzu. Einerseits hat mich die Bemerkung des Biologen, dem ich von der Verortung dieser virtuellen Topografie im Kyffhäuserland erzählte, dass diese Karstlandschaft ökologisch sehr interessant sei, in eine neue Richtung gelenkt.

Als zweite Inspiration oder Bestärkung in meinem Bemühen, erlebe ich den Text von Kirsten Maar, der die choreografische Arbeit von Forsythe und Architektur zusammenführt.

Der Raum, der durch mein Konzept, durch mein Gehen und die Zeichnungen, die sich auf diesen Gegenstand beziehen, entsteht, gleicht einer dynamischen Architektur. Produziert wird eine „Mobilie“, ein sich wandelnder Raum in der Kyffhäuserlandschaft.

Als ich gestern die Arbeiten für das MAK zusammenstellte, fiel mir noch einmal auf, wie stark die Schülerarbeiten meine Suche nach dem Wesen von Oscar Fitzner spiegeln. Duc beispielsweise zeichnete das Blatt mit seinem zierlichen Handumriss, den Straßenlinien Berlins darin und dem großen roten Stempelbuchstaben – Schriftzug. „Handprint Berlin“.