Kreisbögen

Weit ausladende Weidenzweige, die ich bei meinen Wegen durch das Ateliergärtchen immer wieder streifte, habe ich zurück gebogen und mit anderen Ästen verflochten. So entstehen Kreisbögenräume an den Rändern der Weidengewächse, deren Dynamik mich auch innerhalb der Buchmalereien beschäftigen.

Auf Rolle 8 habe ich mit den Figuren, die ich von den Wänden des Klosters Tabo im Spitital in mein Skizzenbuch übernahm, weitere Verwischungen angefertigt. Somit verstecken sich die Linien hinter neuen Strukturen, die aber immer noch mit ihnen zutun haben. Es ist, als entstünde etwas Weiterführendes.

Windig und regnerisch beginnt die neue Woche. Die Heizung springt im Atelier nicht an. Ich warte, bis die Sonne herauskommt, die die Säule des Thermometers in eine Bewegung nach oben versetzt. 19 Grad schon am Zeichentisch.

Die Bilder und Skulpturen der Himalajaklöster beschäftigen mich noch so, dass ich nicht an meine Väterarbeit herankomme.

Schutt

Gestrandet fühle ich mich, nach der Reise durch Spiti und Ladakh, hier nach wie vor. Die Atmosphären dort, waren zu intensiv, als dass ich schnell in meinen Arbeitsalltag zurückkehren könnte. Die verwischten Oberflächenfarben auf den Geröllhängen, leuchten noch hinter meinen Augen. Manchmal treten sie aus den täglichen Malereien hervor.

Die Korallen und Türkise auf dem Zeichentisch fordern mich zur sofortigen Rückkehr auf, als läge etwas Lebenswichtiges unter den Halden, das Dinge aus meinem Inneren durch die Schuttlagen herauffördern könnte.

Aber vielleicht können diese verschütteten Bilder aus den Verwischungen hervortreten, die ich vor vielen Jahren von den „Synaptischen Kartierungen“ in meine tägliche Malerei übernommen habe. Kompakte Farbfelder werden aufgefächert und geben darunter liegende Linien frei. Auf diese Figurationen kann ich mein Augenmerk lenken.

Ein Versuch, in die Arbeit zu kommen, war gestern, eine Zeichnung aus dem großen blauen Skizzenbuch, auf die Rolle 8 zu übertragen, um daraus eine Überlagerungssequenz zu zeichnen.

Die verschatteten Fotos aus den dunklen Kammern der Klöster, bergen ebenfalls Verschlüsselungen von Nachrichten aus der neu erlebten Welt.

Buchmalerei | Reiseliteratur | Kindsein

Innerhalb der Buchmalereien bin ich wieder bei den Gravitationsschwüngen angelangt. Fühle mich mit ihnen derzeit besser, als mit den Frottagen als Ausgangsmaterial.

Nun ist noch weitere Literatur zu unserer Reiseroute und den dazugehörigen Klöstern aufgetaucht. Peter van Han schrieb den Reisebericht „auf den Spuren Buddhas“, der an unserer Strecke entlang verläuft und hat auch einen weiteren Bildband, in dem das Kloster Tabo, wo wir 5 Tage verbrachten, im Mittelpunkt steht. Manche seiner Erlebnisse, die nun schon fast 25 Jahre her sind, decken sich mit unseren. Die eigenhändigen Straßenausbesserungsarbeiten bei Erdrutschen beispielsweise, bei denen man die Lücken an der Pistenkante zur Hangseite hin mit großen Steinen ausfüllen muss, mit denen man gleichzeitig die Geröllhalde, die die Straße versperrt etwas abträgt. So kann dann der Fahrer alleine, mit hoher Geschwindigkeit, das Hindernis überwinden.

Da die Anzahl der Kunstwerke, die wir innerhalb der über 20 Klöster sahen, unüberschaubar ist, sich auch die Räume, Malereien und Skulpturen miteinander vermischen, sind unsere eigenen Aufzeichnungen und die Bücher jetzt, nachdem wir alles gesehen haben, besonders hilfreich.

Gestern besuchte mich Vandad Neshati. Wir aßen zusammen im Startorante und hatten uns viel zu erzählen. Es ging um die Kunst des Übersetzens, um Philosophie, um Kochen und um das Kindsein.

Bleistiftzeichnungen

Gestern las ich in einem Reisebericht, der genau die Strecke zwischen Shimla und Leh beschrieb, die wir gerade zurückgelegt haben. Die Buchmalereien haben sich in dieser Zeit wieder verändert. Einerseits hatte ich die Gipsformen des Väterprojektes nicht zur Verfügung, von denen ich die Frottagen als Ausgangspunkt für die Malerei benutzte. Aber die Umgebung, ihre Farben und Gestalt, waren natürlich nicht ohne Wirkung geblieben.

In der Nacht dachte ich an die Verwendung der Bleistiftzeichnungen, die ich in den Klöstern Tabo und Alchi gemacht hatte. Gerne würde ich aus ihnen ein paar Überlagerungssequenzen machen, die am ehesten den Gesamteindruck der Klöster, ihrer Malereien und Skulpturen wiedergeben. Die Graphitfrottagen von den Formen gingen also über in die Zeichnungen der Motivgeflechte, die die Vermischung von schamanistischen und buddhistische Formenwelten innerhalb der Räume beschreiben.

Bei der Übertragung der Fotoserien auf Festplatten und andere Speichermedien, blitzten noch einmal die Stationen auf, nach denen ich das Bildmaterial nun ordnen will. Klöster und Straßen zwischen den steilen Hängen, Dörfer, Flüsse und damit verbundene Begegnungen sind die Landmarken, deren Kette unsere Reiseroute markiert.

Himalaja

Die vergangenen Wochen verbrachten wir im westtibetischen Himalaja auf der indischen Seite. Dort sahen wir über zwanzig buddhistische Klöster, die bis zu 1000 Jahre alte, die Wände vollständig bedeckende Malereien beherbergten. Daneben Skulpturen, die die Vermischungen zwischen dem Schamanismus aus den Bergen mit dem Gedankengut aus der indischen Ebene, besonders gut auf den Punkt brachten.

Die Bauten waren in unterschiedlich grandiose Landschaften eingebettet, zumeist auf Felsen, als ihre Fortsetzung gebaut. In Tabo und Alchi verbrachten wir jeweils eine knappe Woche, um uns in die Kunstwerke in Ruhe vertiefen zu können.

Daneben galt es mit der Höhe auszukommen, die uns bis in 5400 m über das Meer führte. Aber wegen einer langen Eingewöhnungszeit, konnten wir uns auch in großer Höhe gut bewegen.

Sehr beeindruckend waren für mich die Dörfer in etwa 4500 m Höhe, die sich dort autark behaupten. Anbauterrassen mit Gerste, Gemüse, Kräutern und Viehfutter für den Winter, das geerntet auf den Flachdächern der Lehmhäuser gelagert wurde, sichern ihnen das Auskommen. Die Leute dort machten einen ruhigen und freundlichen Eindruck.