Auf die Sprünge helfen

Die Tuschmalerei auf dem Relief Nummer 10 verhält sich diszipliniert, zurückhalten und wenig gestisch oder zufällig. Ich könnte das ändern, wenn ich die bewegte Relieffläche mit weiteren Schichten Schellack versehe, die die Tusche länger flüssig halten und das Verlaufen unterstützen. Daraus ergibt sich dann das andere, fremdgesteuertere Tempo, das der Spontaneität auf die Sprünge helfen kann. Die Verbindungen der Buchmalereien und der Reliefmalereifragmente, in den drei „Werktagscollagen“, die ich unter der Woche an jedem Morgen mache, inspirieren mich eher zu den neuen Objekten aus Weidenruten und Reliefteilen. Für die derzeitige Malerei spielen sie eine geringere Rolle

Alleida Assmanns Buch zur Erinnerungskultur habe ich nun fertig gelesen. Ich glaube, dass meine künstlerische Erinnerungsarbeit von diesen komplexen Gedankenausflügen beeinflusst wird. Die Prämissen der neuen Erinnerungskultur, den Schluss des Textes, will ich nun noch einmal lesen und es dann weglegen.

Wenn ich in meinem Gärtchen herumkrame, stoßen die Amseln mitunter ihre Warnpfiffe aus. Wegen der vielen scheuen Tierchen gehe ich schon die ganze Zeit mit angelegten Ellbogen und langsamen Bewegungen zwischen den Pflanzen herum. Außerdem halte ich die Erde feucht, um das Kleinstgetier zu päppeln, das die Amseln zur Aufzucht brauchen. Mittlerweile füttern sie die Küken auch mit Kirschen, deren Kerne sie mir vors Atelier werfen.

Zeichnen ist wie Schreiben

Das Zeichnen, auf dem Relief Nummer 10, ist wie Schreiben. Ich fange links oben an und fülle die Fläche nach rechts und nach unten mit Zeichen an. Am Morgen dachte ich, zwischendrin mal wieder freier auf Rolle 8 zu arbeiten. Figurensequenzen ohne die Kanten der Scherben und Splitter, mit den 4 Zeichnungen, die ich für die Weiterarbeit ausgesucht hatte, würden wieder neues Material entstehen lassen, das für die Tuschmalerei hilfreich sein könnte.

Immer noch bin ich mir über das Mittel der zufälligen Anordnung von frei gezeichneten Figuren und Szenen in Zusammenspiel mit abstrakten Strukturen, nicht ganz sicher. Diese Unsicherheit ist der derzeitige Suchmotor. Er führt dann wahrscheinlich wieder zu den Zwischenergebnissen, die am Ende das Eigentliche bleiben.

Das Buch über das Berliner Scheunenviertel las ich gestern fertig. Es endete mit der Beschreibung des neuen Suhrkampdomizils. Sicher war der Verlag Auftraggeber für den Text mit seinen vielen Abbildungen und kenntnisreichen Wendungen. Etwas Fernweh entsteht. Ein paar kleinere Reisen nach Heidelberg, zu meinen Eltern und in die Pfalz stehen an. Raus aus dem Pendelverkehr zwischen Frankenallee und Atelier.

Rhythmus und Übergang

Aus den Tanzzeichnungen von 2003 habe ich nun die nächsten 4 ausgewählt, mit denen ich weiterarbeiten möchte. Außerdem übertrug ich zwei Figuren, die schon auf den Reliefs 6 und 7 eine Rolle spielte, in vierfacher Wiederholung auf Nummer 10. Nun ist der Rhythmus gesetzt, in dem ich mich in diesem obersten der vier Streifen, auf die rechte Seite zu bewege. Die Aufgabe, einen Übergang von der strengeren Form der zwei Formate auf der linken Seite, zu der wilden Komposition mit vielen Figuren ganz Rechts zu schaffen, habe dabei ich vor Augen.

Die Arbeit geht derzeit nur langsam voran. Wegen des abgebremsten Pandemielebens, stottert mein, ansonsten gut laufender, Arbeitsmotor etwas. Vor ein paar Tagen begann ich das 143. Tagebuch mit neuen Buchmalereien.

So lese ich manchmal in einem Architekturbüchlein über das Berliner Scheunenviertel, in dem mein Vater mit seiner Mutter und seinen Geschwistern lebte. Der Autor ist ein konservativ-zurückhaltender Architekturkritiker. Interessant war die Platzierung des kleinen Seitenerzählstrangs, in diesem Zusammenhang, vom Mord an einem Polizisten, an dem Erich Mielke beteiligt war. Für diese Tat, in der Nähe der Volksbühne, wurde er dann in den Neunzigerjahren auch rechtskräftig verurteilt.

Neuer Auftritt der Tanzzeichnungen

Einer der Zeichentische, an denen ich entweder an den Transparentpapierrollen oder an den Buchmalereien arbeite, ist nun ganz bedeckt mit Tanzzeichnungen. Am 15.02. 2003 hatte ich mehrere Stapel von Kopien dieser Zeichnungen auf den Boden der TAT gelegt. Die Gäste der Premiere den Tanzstücks von Georg Reischl mussten über diese Bodenskulptur steigen, um auf die Zuschauertribünen zu kommen. Jetzt bekommen sie einen neuen Auftritt innerhalb des zweiten Doppelportraits der Väter. Bei der erneuten Sichtung der Blätter, ergeben sich natürlich viele Möglichkeiten der Weiterverarbeitung auf Rolle 8, mit dem Ziel, das Ergebnis in die Reliefstruktur einzufügen.

Gestern Abend besuchte mich Franz hier im Atelier. Wir verknüpften ein paar Reiseerlebnisse über anatolische Teppiche und die dazugehörenden Landschaften und fanden so zu meiner aktuellen Arbeit. Das seltene Feedback ist mir umso wichtiger, als es mich bei meiner Suche bestätigte.

In einem morgendlichen Chat meinte Vinzenz, dass er mal meine Transparentpapierrollen am Stück ausgestellt sehen würde. Dafür benötigten wir 400 laufende Wandmeter Ausstellungsfläche. Das würde auch mir gefallen. Beim Sichten einer älteren Rolle gestern, stieß ich auf Buchmalereiumrisse, die sich mit anderen Motiven verbunden hatten. Über diese Arbeitsweise, hatte ich zu der Verbindung der Tanzfiguren mit anderen Strukturen gefunden.

Neuland

Die Erinnerungsräume, in denen wir uns befinden, sind wie Kinesphären. Ich stelle mir vor, wie sie sich überschneiden und die Schnittmengen neue Räume umschreiben, Skulpturen der gemeinsamen Erinnerung. Zunächst ist das tänzerisch darstellbar. Der Raum der Bewegung von zwei Figuren wird als skulpturaler Wert festgehalten. Dort wo sich ihre Bewegungsräume begegnen, entsteht das gemeinsam durchtanzte Volumen. Es ist virtuell und mit formgebenden Medien darstellbar.

Ein ähnliches Phänomen tritt derzeit bei den Collagen auf. In ihnen bilden sich, aus den Überlagerungen, Formen, die Durchblicke ermöglichen. Diese erlauben die unterschiedlichen Darstellungen aus den vorangegangenen Arbeiten, gleichzeitig in den Blick zu nehmen. Außerdem formen sie sich gegenseitig um. Vergleiche ich diese Erfahrungen, mit denen aus dem Zusammenspiel von Jazzmusikern, etwa Miles Davis und John Coltrane, so erweist sich diese künstlerische Methode vielgestaltig. Coltranes wildes Saxophon wird von der gelasseneren Trompete von Miles Davis aufgenommen, kommentiert und beruhigt und umgekehrt. Ihr Zusammenspiel ergibt das Konglomerat verschiedener Musik- und Lebenserfahrungen, wird zu einer gemeinsamen Form verbacken.

Vor fünfzehn Jahren habe ich mit der Verschneidung von verschiedenen Küstenlinien neue Areale gefunden, die ich „Neuland“ nannte. Sie sollten eine Grundform für den Trixel Planeten bilden. Auf diese Weise begleitet mich das Thema schon eine Weile in unterschiedlichen Zusammenhängen.

AufZeichnungen

Langsame, gleichmäßige Arbeit am 7. Relief. Die Vermischung der Tanzfigurensequenz mit den zersplitterten Rasterpunkten bekommt einen Grad von Fremdheit, der neu ist. So halte ich das Steuer fest in der Hand und weiß nicht wo die Fahrt, ohne Kompromisse und immer geradeaus, hingeht.

Meine älteren Tanzzeichnungen, mit denen ich mich intensiver beschäftige, zeigen Protagonisten von verborgenen Erzählungen der eigenen Geschichte. Somit erweitert sich die Erinnerung um Interpretationen ihrer AufZeichnungen. Je nach dem Ort der Suche, werden die Zeichen, auf den weißen Flecken der Erinnerrungskartierung,  eingeordnet. (Auf alten Karten bekamen die unerforschten Gebiete die Aufschrift: „Hier wohnen Löwen“.)

Diese Arbeit ist auf einen langen Zeitraum angelegt und wird sicher noch verschiedene Facetten hervorbringen. Dort, wo sich die unterschiedlichen Erinnerungshorizonte überschneiden, entstehen die Flächen, auf denen sich die Erzählungen begegnen, sich unterschiedliche Interpretationen überlagern. Es sind die spannendsten Areale dieser Arbeit, die ihren Anfang in den Überlagerungssequenzen auf den Transparentpapierrollen haben.

In My Room von Falk Richter

Die Übertragung der zweiten Tanzsequenz von Rolle 8 auf das 7. Relief, füllte den gestrigen Arbeitsnachmittag an. Die Anstrengung war groß, weil ich ein genaueres Abbild mit umständlichen Techniken anfertigte. Die Präzision war erforderlich, weil es sich um eine Zunahme von sich überlagernden Figuren handelte, bei der man den Überblick behalten sollte.

In My Room“ heißt eine Theaterarbeit am Maxim Gorki Theater von Falk Richter. In dieser Collage geht es um die verschiedenen Erfahrungen die Männer, in diesem Fall die Schauspieler, mit ihren Vätern gemacht haben. Die Parallelen zwischen meiner Haltung und Herangehensweise und den Empfindungen des Regisseurs, von denen er in einem kurzen Video erzählte, berühren mich. Allerdings glaube ich, dass ich einen Schritt weiter gehe, tiefer in der Geschichte grabe und meine Gegenwart mehr mit ihr verbinde.

Heute will ich mit der Bearbeitung des Reliefs weiterkommen. Ich überlege, zunächst eine Schellackschicht über die Tuschezeichnung zu legen, dann die Figurenumrisse mit einer zweiten Schicht auszufüllen, wobei die hellen Partien des Rasterportraits hell bleiben müssen. Sind die Figuren dabei dennoch mit einem zarten Tuscheinnenleben füllbar?

Garten der Ablenkungen

Montag.

Ich wässerte das Gärtchen, fertigte die täglichen Buchmalereien an und versuche mich wieder auf den Punkt der Arbeit zu konzentrieren, an dem ich vorige Woche angelangt bin. Aber mich zwitschern die Vögel an und das zitternde Licht erneuert den Morgen zwischen den Gewächsen.

Ich nehme mir das quadratische Blatt des dritten Scherbengerichtes, mit der Nummer 152 und dem Datum 28.12. 2016, zur Hand. Auf der Schellackschicht umschloss ich die Scherbe mit einem Tuschefleck, wie mit einer Nährlösung. Dann nehme ich mir die Tagebucheintragungen dieses Tages vor und lese von viel Unsicherheit. Auf dem Doppelportrait bildet die Scherbe 152 einen Teil vom unteren Rand des Kinns. Immer mal habe ich einen Impuls, diese umschlossenen Splitter, wieder einzeln abzuformen und sie mit gebogenen Weidenstangen zu Objekten zu machen.

Aber die Pflanzen, die draußen in den Regalen wachsen, benötigen auch noch Wasser. So habe ich wieder einen Grund, den Zeichentisch zu verlassen und im Garten der Ablenkungen zu verschwinden. Dort aber empfinde ich die sichtbaren Dinge viel stärker als sonst. Nebensächlichkeiten können so eine größere Rolle in meinem Nachdenken über das Erinnern bekommen. Die Bücher von Aleida Assmann und Frank Witzel zu diesem Thema ergänzen sich. Ich lese sie langsam.

Im Raum

Sehr wach und schnell erledigte ich die Buchmalereien am Morgen. Die Arbeit auf Rolle 8 führte mich gestern in die Sicherheit, die ich zum Weiterarbeiten benötigte. Sie nähert sich dem Zustand, den ich am 20.12. mit einer Kombination einer Tanzfigur mit einer Buchmalereistruktur zufällig erreichte. Diese Struktur setzte sich aus einer Relieffrottage und Linien, die vom Abriss des Palastes der Republik stammten, zusammen und beschäftigte mich, in seiner Unscheinbarkeit, viele Tage.

Jetzt überlagern sich verschiedene Tanzfigurenumrisse und treffen dabei wieder auf Relieffrottagen. Auf den Reliefs kommen dann, innerhalb dieser Begegnungen, Erinnerungsornamente hinzu. All das ist im Entstehen und folgt vorsichtigen Tastversuchen. Die Konstellationen in den Räumen der Bühnenzeichnungen, beziehen sich auf eigene Gefühlslagen. Haltungen entsprechen eigenem Sozialerleben, erzählen von mir im Raum.

Derzeit kommt den Collagen, die in diesem Text erscheinen, ein wichtigerer Arbeitsanteil zu. Der freiere Umgang mit den Fotobearbeitungswerkzeugen, führt zu einer gewissen Grobheit, geometrische Ausschnitte tauchen auf, aber auch malerisch-wolkige Areale. Aus diesen Zusammenspielen ergeben sich Hinweise für den Umgang mit der Reliefmalerei.

Relevanz?

Am Vormittag verflocht ich, auf Rolle 8, das Tanzthema weiter mit dem Väterportrait. Eine Figur, die ich schon auf Relief 11, in all dem Gewusel, auftreten ließ, reduzierte ich wieder auf den Umriss, der die Zeichnung von 2007 bildet. Als Wiederholungssequenz fügte ich sie von Rechts nach Links in die Linien der Reliefformfrottagen ein. An diesen Überlagerungen von Tanzfiguren, Scherbengerichten und den Punktrastern des Portraits, arbeite ich heute weiter.

In einem Stapel von Abgeformten Pappmachereliefs fand ich ein Exemplar der Nummer 10, das nun die obere Reihe des Gesamtportraits komplettiert. Die weiteren Auswirkungen der vertikalen und diagonalen Kompositionslinien, ergeben sich aus der folgenden Arbeit.

Nachmittags stieg ich auf den Altkönig. Unterwegs dachte ich an zwei Essays, die ich gestern zum Verhältnis von Kunst und Kritik, im Zusammenhang mit den anonymen Wortmeldungen im Internet, hörte. Dabei wurde gesagt, dass sich insbesondere jüngere Künstler diesen Mechanismus verweigern, allem und jedem einen hochgereckten Daumen zu entlocken. Das ist ganz in meinem Sinn. Sich den Bedingungen des Kunstmarktes oder welchen Kriterien auch immer zu entziehen oder der Verfälschung der Arbeit durch die Inszenierung des Künstlers, bedeutet die Unabhängigkeit, mit der ich meine eigenen Welten entwickeln kann. Die Relevanz muss mir egal sein.

Genealogie

In Windeseile habe ich heute die Buchmalereien angefertigt, schnell gestoppt. Ich versuchte zu rekapitulieren, was bei der Übertragung der Farbflächen mittels der Haut meines Handballens, erzeugt wird. Von den Linien der Handoberfläche geht eine Spannung aus, die zarte Farbübergänge mit einer Verwandlungsenergie auseinanderpflückt.

Als müsste ich den überraschenden Stillstand von Gestern aufholen, ging ich meinen Weg in das Atelier mit schnellem Schritt. Ich will mich vergewissern, wie das Tanzthema mit dem Väterprojekt zusammenhängt. Das Auffüllen des Punktrasters damit, setzt einerseits die Genealogie der Väter mit meinem Erleben fort, andererseits werden verschiedene Welten in Beziehung gesetzt, um neue Geschichten zu erzählen, denn alles hat mit allem zutun.

Um dem Struktur zu verleihen, fertigte ich gestern Frottagen weiterer Formen der oberen Reliefreihe auf Rolle 8 an, um Übergänge von Tanzzeichnungssequenzen zu probieren. Außerdem ist ein Blatt mit den stilisierten Rasterlinien des Portraits entstanden, mit dem ich das gestern gefundene Modell der Übergänge überprüfen will.

Stilisierung und Verspieltheit

Beim Nachdenken über die Gesamtkomposition des 2. Väterportraits, versuchte ich zwischen den unterschiedlichen Stilen der zwei bisher bemalten Tafeln, von insgesamt 16, eine logische Verbindungslinie zu ziehen. Dabei übertrug ich die Art der realistischen Anlehnungen von Tafel 11, auf die Gestaltung von Tafel 1. Sie befindet sich diagonal gegenüber, an der unteren linken Ecke. Daraus ergibt sich zusätzlich, die Verbindung von den stilisierten Tanzfigurenumrissen auf Tafel 6 zur Tafel 16, die sich diagonal gegenüber an der rechten unteren Ecke befindet. Aus diesen Eckpunkten, ergäben sich nun die stilistischen Übergänge in den Horizontalen, den Vertikalen und den Diagonalen. Wenn ich das ernst nehme, muss ich es vorher zeichnerisch, mit einfacheren Motiven, ausprobieren.

Strenge und Verspieltheit bilden somit das formale Gegensatzpaar, das es zusammenzuhalten gilt.

Das Gärtchen wuchert. Die Amsel sitzt still und unsichtbar in ihrem Nest. In den nächsten Tagen müssten die Jungen schlüpfen. Dann ist es mit der Ruhe vorbei.

Kunstreservat

Wenn meine südwestliche Ateliertür jetzt offen steht, schaue ich, nach dem Abriss des großen Backsteingebäudes, in einen weiträumigen Himmel. Auf dem Platz, der sich nun nach Südwesten öffnet und viel mehr Licht bekommt, sprach ich mit meinen Nachbarn über die Zukunft des Tevesgeländes, über die Zeit unserer Arbeit an diesem Ort hinaus. Nun haben wir schon fast zwanzig Jahre hier zusammen verbracht, was an sich schon eine Besonderheit ist. Die kommenden fünf Jahre werden die Situation, durch den Wohnungsbau rundherum, grundsätzlich verändern. Dann muss sich das Areal durch einen besonderen Charme bewähren. Für mich ist das Zusammenspiel von einem natürlichen Wachstum, auch was Pflanzen und Natur angeht, und konzentrierter Arbeit das stabilisierende und zukunftsorientierte Element. Man müsste nun also einen neuen Anlauf unternehmen, um die Widmung des Ganzen zu justieren.

Neben der Tagebucharbeit zeichnete ich am vergangenen Wochenende am Relief Nummer 6 weiter. Die Gestaltung schließt sich durch die Dunkelheit, die die Motive umgibt und sie gleichzeitig hervorhebt. Von der rechten Seite her könnte ich nun einen andere Figurensequenz gegenläufig erstellen, die sich in der Mitte mit der zuerst geschaffenen trifft und vermischt. So etwas kann ich auf der großen Transparentpapierrolle entwickeln.

Der derzeitige Schutz meiner Arbeit vor der analogen Öffentlichkeit, lässt mich über ein Reservat nachdenken, in dem sich die Kunst geschützt entwickeln kann, um das Besondere hervorbringen zu können, was man immer wieder von ihr verlangt.

Rückblick in Formensprachen

Auf der Arbeitsplatte, auf der ich, derzeit mit Feder und Tusche, die Reliefzeichnungen anfertige, stehen auch zwei Transparentpapierrollen, die ich 2007 bis 2008 zeichnete. Damals vergrößerte ich einige meiner Buchmalereien, die aus Papiergravuren, farbigen Schraffuren und Tuschefiguren bestehen, druckte sie aus und legte sie unter das Transparentpapier, um die Konturen durchzuzeichnen. Die füllte ich dann mit verschiedenen Strukturen an. Die stammten vom Abriss des Palastes der Republik in Berlin, aus Stadtkartenausschnitten von Wien und Wanderungsspuren des Trixel Planeten.

Nun flechte ich Teile dieser Formensprache in die Zeichnungen und in die Bemalung der Reliefs des Väterprojektes ein. Mit Feder und Tusche zeichnete ich Strukturen verschiedener Herkunft in die Umrisse der Tanzfiguren. Die abstrahierten Erzählungen, die inhaltlichen Schwerpunkte also, sollen sich innerhalb der Figuren, die sich, wie in einer Prozession wiederholen, konzentrieren. Die anderen Teile der Scherben sollen so gestaltet sein, dass sich einerseits das Rasterportrait am Ende deutlich abbildet, in der Nähe aber die Figuren hervorgehoben bleiben.

Das Zusammenspiel der Buchmalereien und der Arbeitszustände des Reliefs innerhalb der Collagen, stellen das beschriebene Vorgehen immer mal infrage. Es ist mir wichtig, die kritische Distanz, innerhalb der eigenen Arbeiten, selbst zu entwickeln.

Inhaltsverflechtungen in Tanzfigurenumrissen

Gestern begann ich die Figurensequenzen, die ich auf das 6. Relief dieses zweiten Väterportraits übertragen habe, mit Tuschestrukturen zu füllen. Dabei arbeite ich mit Schellackschichten, mit Tusche, Wasser, Feder und Pinsel. Das geht gut von der Hand, wenn ich mich von dem Figurenstil der ersten Transparentpapierrollen inspirieren lasse. Damals, mitten in der Arbeit zum „Trixel Planet“, speiste sich die Ästhetik aus Felsgravuren, ethnischen Zeichen und den Wanderungsspuren aus der menschlichen Geschichte, die ich damals gesucht und gesammelt hatte.

Die Konzentration auf diese Themenfelder hat nun nachgelassen. Dennoch spielt, bei Betreten der verschachtelten Erinnerungsräume in mir, das Material noch eine nicht unbedeutende Rolle. Der Oryxmann, die Handabdrücke und die Stadtkarten bieten mir nun Anlässe, an die Bilder und Gefühle dieser Zeit zu denken und sie mit den Geschichten zu verbinden, die mich noch vor meiner Zeit zu beeinflussen begannen.

Felsgravuren und Tanzentwicklungsarbeit habe ich noch nicht bewusst zusammengebracht. Aber ihre Kombination mit Handprintkartierungen von Stadtwanderungen gibt es schon. Die Welten die sich jetzt auftun, verzweigen sich sehr stark. Das wird wieder auf eine Stilisierung, im Sinne von Reduktion, herauslaufen. Vielleicht beginnt das mit der Konzentration von Inhaltsverflechtungen auf die Tanzfigurenumrisse. Die anderen Scherbenteile könnte ich dem Fließen der Tusche überlassen…

Gleichzeitigkeit

Es ist etwas anspruchsvoll, die seriellen Tanzfiguren vom Entwurfstransparentpapier, per Freihandzeichnung auf das Relief Nummer 6 zu übertragen. In den Collagen mit den Buchmalereien, eröffnen sich nun schon Ansichten, wie die Zwischenräume in den Szenen anderes Material aufnehmen können. Der Blick auf die Transparentpapierrollen aus dem Jahr 2007, zeigt Strukturen und Figuren, die mit der Stilisierung zutun haben, von der ich gestern schrieb, als ich die Hoffnung auf die Wirkung des Romans „Innerer Schiffbruch“, auf meine Arbeit, aussprach. All diese Figuren in ihren Bezügen, erscheinen mir reifer als das, was mir in dem vergangenen Monat einfiel und was ich auf der Wand der Kaschemme hinterließ.

Ein Glück, dass ich auf diese Dinge zurückgreifen kann, mit ihnen in die Erinnerungen finden werde, die damals schon, als ich mich mit dem Rückbau des Palastes der Republik beschäftigte, eine Rolle gespielt haben, sich gruppierten zu Bildern der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Vorgänge.

Die täglichen Erfindungen von Formen, Strukturen und Szenen, ermüdet mich manchmal etwas. Dann denke ich an den Altkönig, meinen Fluchtpunkt, den ich heute wieder besteigen will.

Zwischenräume

Bis jetzt konnte ich das Prinzip der Bemalung des neuen Väterreliefs auf Rolle 8 entwickeln. Aber für eine Art Entwurf von einem ganzen Reliefteil der 16, reicht die Höhe der Rolle nicht aus. Deswegen begann ich mit einer größeren zu arbeiten. So fügte ich im unteren Teil noch eine weitere sitzende Tanzfigur ein, womit nun drei Motive in seriellen Rasterungen miteinander verbunden sind. Dieses Rahmenmaterial ordnet den Splitterraum des Reliefs neu.

Ich stelle mir die Frage, inwiefern die Tanzsequenzen Zwischenräume und in Verbindung mit den Splittern Geflechte bilden, durch deren Konstellationen meine Erinnerungen neu gesteuert werden. Diese Voreinstellung formt den Blick auch in die Zeit vor meiner Existenz. Ähnlichkeiten der Formen, die wieder erkannt werden, führen auf Wege bildlicher Vorstellungen, die die Vergangenheit neu beleuchten.

Ich begann mit der Lektüre des Textes „Innerer Schiffbruch“ von Frank Witzel, ein Autor meiner Generation, der sich nach dem Tod seiner Eltern auf die Suche nach Geschehnissen und Gefühlen macht, die in den Schichten der eigenen Erfahrungen verborgen sind. Eigentlich erhoffe ich mir davon Einschränkungen meiner Ideen, zugunsten einer Stilisierung und Rücknahme der überbordenden Erzählung.

Hamlet | Tuschmalerei | Amselnest

Sandra Hüller spielte, in einer Aufzeichnung aus dem Schauspiel Bochum, die Figur des Hamlet im gleichnamigen Stück. Der Regisseur Johan Simons collagierte Fragmente aus Hamletmaschine von Heiner Müller mit ein. Eine hervorragende Inszenierung, wie ich finde und großartig gespielt von Frau Hüller. Selten hat mir Theater im Fernsehen Spaß gemacht. Aber da hat sich bei den Umsetzungen in letzter Zeit viel getan. Eine kleine Sehnsucht zurück zur Theaterarbeit entstand in mir. Ich musste an die Bühnenbilder denken, die ich gemacht habe. Das zur Oper Medee hatte ein wenig mit dem Bild gemein, das wir gestern Sahen. Auch da gab es Wände die um das Zentrum kreisten.

Ich muss viel über die Tuschmalerei denken, die innerhalb der Weiterarbeit an den Reliefs, vor mir liegt. Ich schwanke hin und her, ob ich es so machen sollte, wie ich es mir jetzt vorstelle: ein serielles Raster der Tanzfiguren, in der Spannung zu den erfundenen Szenen und abstrakten Tuschgesten.

Im Nest, in der Robinie meines Gartens, wird nun tatsächlich gebrütet. Eine Amsel sitzt geduldig und mutig auf ihren Eiern. Ich bin gespannt, ob sie die Jungen, wenn sie geschlüpft sind, durch bekommt. Und ich frage mich, ob sich dann der Vater blicken lässt, um bei der Aufzucht mitzumachen.