Geschichtetes Ateliergeschehen

Ein warmer Morgen, der quirlig begann. Ein Supermarkteinkauf, nun im Atelierkühlschrank. Im Vorübergehen ein Blick auf die Arbeit der letzten Tage. Die verdichtet sich in den Collagen. Trotz der schmalen Werktagebucheintragung gestern, ist dokumentiert, wie sich die Vorarbeit auf Rolle 8, auf die Reliefbemalung ausgewirkt hat. Der Scan des Reliefausschnittes mit den Buchmalereien und die vorhergehenden Collagierungen, schichten alltägliches Ateliergeschehen.

Erstmalig nach langer Zeit, benutzte ich in den Buchmalereien wieder richtige Aquarellfarben. Diese Lasuren haben einen anderen Charakter, als die verwischten Aquarellstiftlinien, die in letzter Zeit dominierend waren. Mich erinnert es an längst vergangene, lange Arbeitsphasen.

Betonzangen zermalmen auf den Nachbargrundstücken das Baumaterial der Achtzigerjahre. Das künstliche Gestein und Baustahl werden getrennt. Große Abraumkegel und bizarr gekräuselte Gestänge bleiben übrig. In meinem Paradies versammelt sich, wie an jedem Tag die Vogelwelt. Die winzigen jungen Eidechsen sind stetig auf der Flucht vor jeder Bewegung.

Pause

Das ist keiner der gewöhnlichen regelmäßigen Arbeitstage heute. Am Vormittag fand ein Treffen des You&Eye Teams im Anna-Freud-Institut statt. So etwas zerschießt normalerweise meine Kontinuität für diesen Tag.

Für heute hatte ich mir aber nichts Besonderes mehr vorgenommen, denn gestern begann ich das Relief Nummer 5 zu bemalen. Soweit wollte ich vor meiner Pause kommen.

Ich spüre, dass ich mich etwas ausruhen, etwas Abstand herstellen muss. Das fällt nicht ganz leicht, ist aber vernünftig.

Eingedampfte Gegenwart

In empfindsam eingedampfter Gegenwart, bekommt jede Kleinigkeit ihre Bedeutung. Brocken getrockneter Farbreste liegen auf der Acrylplatte des Zeichentischs. Darunter befinden sich die zusammengesetzten Splitter der vier Scherbengerichte, mit denen ich das Doppelportrait der Väter zusammengesetzt hatte. Der Klang von tropfendem Wasser, mit dem ich das Gärtchen feucht halte, dringt an mein Ohr und eine der Wasserflächen vibriert konzentrisch. Das Insekt, das ich mit meiner Hand aus der Mitte heraushebe, will sich nicht von meiner Haut abschütteln lassen, mit der ich gerade Wasserfarbenmuster von einer zur anderen Buchmalerei übertragen habe. Das vom Wasser malträtierte Papier wirft Grate auf, die sich der nächsten Schraffur in den Weg stellen.

Wenn ich in dieser sinnlichen Situation beginne, die Werktagscollagen einzurichten und dabei die jüngsten Zeichnungen von Rolle 8 mit einbeziehe, kann es sein, dass ich, wenn ich mit dem ganzen Werktagebuch fertig bin, erst einmal eine Pause bei meinen Eidechsen im Gärtchen brauche.

Gründlich grundierte ich gestern das 5. Relief mit mehreren Schichten Weiß und Schellack. Das erweitert die Möglichkeiten für die Zeichnungen, denn mit der Tusche, die längere Zeit flüssig auf der Oberfläche steht, lassen sich Verläufe, Ausblühungen und Wolken kontrastreich zu den Splitterkanten der Reliefoberfläche inszenieren.

Zeilen

Die drei Motive, die auf Rolle 8 vor den Tanzfiguren entstanden sind, fügte ich nun überlagernd und fragmentarisch in die Figurenumrisse ein. Bei den Wiederholungen der Schwünge, Rasterpunkte und Gitterstrukturen, gibt es unterschiedliche Konstellationen der Schichtungen. Abgesehen davon, dass ich von der Triostruktur kurzzeitig abgewichen bin, läuft alles, was ich mit vornahm, wie in einem Uhrwerk ab. Nun kann ich das Relief Nummer 5 grundieren und mit seiner Bemalung beginnen.

Weil Buchmalereien und Überlagerungssequenzen immer lang gestreckter werden, manchmal eine Zeilenform und etwas Schriftartiges annehmen, kam es bei einer der gestrigen Collagen dazu, dass ich die Motive in zwei Zeilen übereinander anordnete. Das hat Dynamik hinzugefügt und führt zu besserer Lesbarkeit.

Gestern schnitt ich Weidenruten, entblätterte und wässerte sie, um mit den Objekten aus Reliefscherben und gebogenen Ruten weiter zu machen. Auch das geschieht mit dem Ziel, materialgerechter zu arbeiten.

Indienststellung

Die Figur einer Wandmalerei, die ich im Kloster Lhalung gesehen und nun auf Rolle 8 übertragen habe, gehört zu einer Gruppe weiblicher Bön-Gottheiten, die einer plastischen Abwehrfigur beigestellt sind. Die Übergänge der Religionen werden innerhalb dieser Bauten besonders sichtbar. Die Indienststellung vermeintlich fremden Personals aus Hinduismus und Bönglauben in die Vorgänge der buddhistischen Erzählungen, sind mir natürlich nahe.

In meiner derzeitigen Überlagerungssequenz auf Rolle 8, finden sich eine Felsgravur einer Oryxantilope der Nama Buschleute in Namibia, die besagte Böngöttin aus Lhalung, das Zöglingsportrait aus dem Jugendwerkhof Gerode, eine Tanzszene aus einem Ballettsaal in Frankfurt, mehrere Gravitationsschwünge und die Umrisse meiner dritten Buchmalerei vom 14.06. 2020. Diese Reihung und die nun folgenden Überlagerungssequenzen, bilden die Voraussetzung für die Weiterarbeit an der Bemalung der nächsten Relieftafeln.

Mit Franz Konter sprach ich über Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Zunächst könnte ich mir vorstellen, mit ihm gemeinsam, hier in meinem Atelier, etwas zu malen. Nach einem solchen Test, kann man weitersehen.

Überraschungen

Gestern war ein Trio-Tag. Eine Tanzzeichnung von 2003 und einen Buchmalereiumriss vom 15.06. dieses Jahres, wiederholte ich dreifach auf Rolle 8. Durchzeichnungen, mit denen ich die Umrisse der Tanzzeichnungen füllte, entstanden beim rückwärts Zusammenrollen des Transparentpapierstreifens. Das wurde in den 3 Werktagscollagen von heute sichtbar.

Auch die 3 Buchmalereien von heute fügte ich dort ein. Der nächste Schritt auf Rolle 8 wird sein, dass ich die Struktur aus der Collagensequenz, die den Tanzzeichnungen vorausging, auch in die Tanzzeichnungen einfüge. So sollen sich in der mittleren der 3 Wiederholungen, dann beide Strukturen sehr dicht überlagern.

Auf dem Zeichentisch liegen die Zöglingsportraits, aus dem Jugendwerkhof Gerode, der Sechzigerjahre, neben den Abbildungen von Malereien und Skulpturen aus tibetischen Klöstern, die wir im vergangenen Jahr besucht hatten. Wenn ich die Dreiecksgitter der Buchmalereien über die jeweiligen Abbildungen lege, ergeben sich neue Spannungen. Ich denke über die Sinnhaftigkeit dieser Überlagerungen nicht nach, sondern lasse mich überraschen.

Trio | Sound | Collagen

Flink beendete ich die Buchmalereien am Morgen. Kein Gedanke währenddessen an ihre Weiterverarbeitung innerhalb der werktäglichen Triocollagen oder auf Rolle 8. Auf sie übertrug ich ein Tanzmotiv mit einer stehenden und 4 sitzenden Figuren. Außerdem beginne ich nun wieder, die Umrisse von Buchmalereien, für die Sequenzen auf der Transparentpapierrolle zu nutzen. Das heißt, dass ich in eine Triosequenz eines Tanzmotives und die Überlagerungen der Weiterverarbeitung der Buchmalerei ineinander übergehen lasse. Bis zum Ende der kommenden Woche möchte ich diesen Prozess in die Reliefbemalungen übergehen lassen.

Von Relief Nummer 5 habe ich ein weiteres Exemplar abgegossen. Dazu noch ein paar Scherben vom 11. Relief, die ich zu zwei Objekten zusammenfügte. Eines versah ich mit einer Weidenrute, die ich auf seiner Rückseite zu einer Spirale gebogen befestigte. Im Zusammenhang mit diesen Arbeitsreihen denke ich auch an Trio-Sound-Collagen, an Loops aus drei Geräuschen, die sich in verschiedenen Rhythmen überlagern.

Wiebke Hüster beklagte, in der FAZ, den Zustand der Frankfurt-Dresdener Tanzcompany. Die Eigenheit von Bill Forsythe hatte die Kraft, eine Loslösung von der Oper in noch mehr eigenständige Erneuerung des Tanzes zu verwandeln. Godani, der derzeitige Choreograph, führte die Sparte steil hinab in die Banalität, bis wir uns diesen Anblick nicht mehr antun wollten. Für mich versuche ich die Zeit, als Frankfurt das tänzerische Epizentrum war, zeichnerisch zu bewahren und für meine Arbeit zu nutzen. Der Verlust aber, ist kaum wettzumachen.

Zöglingsportraits aus dem Jugendwerkhof Gerode

Das heutige Datum ist in mein Hirn geprägt. Die eckigen Collagenstrukturen der letzten Sequenz auf Rolle 8, füllte ich in den Umriss der Figur der vorangegangenen Trio-Tanz-Überlagerung. Das Ergebnis lässt sich auf die Ereignisse des 17 Juni 1953 beziehen. Dazu fallen mir die Zöglingsportraits aus dem Jugendwerkhof Gerode, in dem ich gewohnt habe, ein. Ernste Kindergesichter, die durch das stalinistische Brauchbarkeitsraster gefallen waren. Die Eltern tot oder im Gefängnis, im Westen oder in Haushalten, denen es der Staat nicht zutraute, eine Erziehung im Sinne des Sozialismus zu gewährleisten. Manche von ihnen würde man heute in Förderschulen schicken. Drei dieser Portraits hängen in meinem Zimmer in der Frankenallee und einige habe ich heute aus einem Grafikschrank hervorgekramt.

Sie entstanden während der Vorbereitungsphase des Väterprojektes 2015. Es wäre also folgerichtig, sie noch einmal, in die fortlaufenden Zeichnungen auf Rolle 8, einzubringen. Zöglingsportraits mit Buchmalereien und die 4 ausgewählten Tanzzeichnungen, sind das Ausgangsmaterial für weitere Überlagerungssequenzen.

Aus Filzpappe und Wasser habe ich das Pappmache angerührt, aus dem ich die nächsten Reliefs gießen will. Innerhalb einiger neuer kleinerer Reliefobjekte, von der Größe einzelner Scherben, möchte ich die Bemalungsmöglichkeiten weiter entwickeln. Ein zähes Vorankommen.

Triosequenz einer Collage

Vom Bildschirm des Rechners habe ich die Umrisse der ersten Collage dieses Jahres auf Rolle 8 durchgezeichnet. Aus einer Triosequenz, also einer dreimaligen Wiederholung dessen, ist beim Zusammenrollen und Durchzeichnen der durchscheinenden Linien, eine Verdichtung entstanden, die ich nun auch noch in die Umrisse des vorhergehenden Motivs übertragen möchte. Dabei handelt es sich um eine dreiteilige Tanzzeichnungssequenz von 2003.

Wie sich dieser Arbeitsschritt auf die Bemalung der Reliefs auswirkt, kann ich noch nicht sagen. Aber eines hat sich eingelöst: nach der Kleinteiligkeit der Ornamente und gegenständlichen Motive bei der Bemalung der Reliefteile, bin ich nun wieder etwas großzügiger und lockerer geworden.

Außerdem meinte ich zu erkennen, dass sich die klareren Strukturen der Buchmalereien für dieses Vorgehen besser eignen als die der Collagen, die in sich schon so vielfältig sind. Parallel zum Abgießen weiterer Reliefs, werde ich mit diesem Experiment fortfahren.

Jazz | Mikrokosmos | Malerei

Nach der Unterbrechung der Arbeit an der Bemalung der Reliefs, habe ich etwas Inspiration nötig. Dafür sind die Konzerte von Miles Davis und John Coltrane aus dem Jahr 1960 gut. Im damaligen Frühjahr fanden die, die ich auf einer CD-Sammlung habe, in Paris, Kopenhagen und Stockholm statt. Inspirierend ist auch das Interview Bob Dylans, das am 12 Juni in der „New York Times“ erschienen ist. Ich bekam es per Mail von Birgit.

Am Morgen dachte ich daran, die Buchmalereien wieder mehr in die Arbeit auf Rolle 8 einzubeziehen. Dabei geht es um die Umrisse der entstandenen abstrakten Figuren, der Dreiecksgitternetze, der Gravitationsschwünge und Farbwolken. Das Ornamentale der Reliefmalereien überzeugt mich noch nicht. Es müsste mehr von den Bildern aus den Tagebüchern haben.

In ihnen findet nun manchmal, wenn ich im schattigen Gärtchen schreibe, eine Beschäftigung mit diesem Mikrokosmos statt. Die schillernden Käfer, die ich aus den Wasserbottichen rette, um sie nahe vor meine Augen zu halten, die Hackordnung in den Vogelschwärmen und den Eidechsenpopulationen, die mich inmitten des explodierenden Wachstums erfreuen, all das ist mir wichtig genug, um es festzuhalten. Auch daraus wächst Inspiration für die Weiterarbeit.

Bildtrios | Stille | Rolle 8

Zum Ende der Buchmalereien hin, bin ich öfter etwas unruhig. Die Arbeit bringt mich in einen beschleunigten Rhythmus, den ich unterbreche, indem ich ins Gärtchen gehe. Dort verlangsame ich bei Sichtung von Eidechsen meine Bewegungen, gieße Blumentöpfe und schneide Äste, die im Weg und zerkleinere sie für den Boden unter meinem „Geheck“. Dann kehre ich zurück an den Zeichentisch und stelle das Bildtrio schnell fertig.

Gräser, die auf meinem Pflanzenschnittstapel wachsen, haben nun schwere Samenstände. Diese Ären hängen senkrecht herab, harren der erneuten Aussaat. Leichter Wind kräuselt die Reflektionen der Wasserbottiche auf die Unterseiten der Weidenblätter. Durch meine Einbiegungen der Äste im zeitigen Frühjahr, wuchs das Laub blickdicht und hält nun den Ostwind ab. Außer mir, ist niemand auf dem Gelände. In der dankenswerten Stille, ist das Flattern der Sperlinge, die gemerkt haben, dass ich Vogelfutter in den im Baum hängenden Pflanzenuntersetzer nachgefüllt habe, zu hören.

Trotz der gestrigen Arbeitsunterbrechung, werde ich heute mit der Bemalung des 10. Reliefs fertig. Die Unsicherheiten bei der Weiterarbeit, kann ich ganz gut auf Rolle 8 klären. Eine Fliege läuft über meine Schrift und die Malereien. Als erste bekommt sie die Arbeit zu Gesicht.

Planmäßige Annäherung

Auf und zwischen den Schichten aus Tusche, Wasser und Schellack zeichnete ich gestern mit einer spitzen Feder. Es entstanden ausblühende Strukturen, die manchmal Anlass gegenständlicher Situationen werden. Dann fügen sich Gesichter zu Figuren, Konstruktionsprinzipien aus Dreiecken zu fließenden Ornamenten und harte, schwarze Linien zu weichen wolkenartigen Gebilden. Es entsteht daraus noch wenig Raum, weil ich darauf noch kein Augenmerk gelegt habe.

So nähere ich mich planmäßig der Gestaltungsweise vom Relief Nummer 11 an. Die Kleinteiligkeit ist konzentrationsaufwendig. Zwischendrin zeichne ich auf Rolle 8 oder lese die grauen Texte der DDR-Bürger-Interviews.

Es treten hier auf Teves periodische Berdrohungsszenarien auf. Ein Fortstauto der Deutschen Bahn inspizierte den Bahndamm und den 30 Meter breiten Streifen davor. Sie schneiden trockenes Holz heraus und lassen die Wildnis, die uns hier eine gewisse Artenvielfalt erhält, aber unberührt. Auf der blühenden Wiese zählte ich vorhin die Bienen. Ein Zwergkaninchen ist dort unterwegs und Schmetterlinge, Grashüpfer und viele verschiedene Insekten. In diesem Frühsommer habe ich noch keine jungen, frisch geschlüpften, Eidechsen gesehen. Die müsste aber bald soweit sein. Die Polizei hat die Obdachlosen vertrieben. Das wäre nicht notwendig gewesen.

3 | 3 | 3

Unter dem Balkon meines Zimmers in der Frankenallee demonstrierten viele tausend Menschen gegen rassistische Gewalt. Ich beobachtete die Körperhaltungen der Demonstranten. Viele von ihnen strahlten eine lauernde Bereitschaft aus. Die unterschwellige Wut auf alles, was mit dem Staat zutun hat, bedient sich nun des Ereignisses der Ermordung eines Schwarzen Menschen in den USA. Die Redner forderten die Masse auf, Sätze nachzusprechen, die sie bereitwillig schreiend skandierten. Eine maoistische Atmosphäre, etwas bedrohlich. Die vielen anderen Möglichkeiten, mit Rassismus umzugehen, reichen ja eigentlich in die eigene Haltung, die erinnerte rassistische Handlungsweisen, wenn auch verdeckt, hervorbringt.

Während der Arbeit am Wanderungsspurenprojekt, war ich ständig mit rassistischer europäischer Kolonialgeschichte konfrontiert. Dieser erinnerungskulturelle Faktor hat weitreichende Folgen für den gegenwärtigen Umgang mit dem Problem der Aneignung „fremder“ Kulturtechniken, Geschichtsstoffe oder Kunstpraktiken. Da wird oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Der Triogedanke, wie er beim musizieren praktiziert wird, übertrage ich auf meine bildnerische Arbeit. 3 Buchmalereien, Überlagerungssequenzen aus 3 Wiederholungen auf den Transparentpapierrollen und die 3 Werktagscollagen fügen sich ineinander. Auch innerhalb der Buchmalereien spielt die Zahl 3 eine Rolle. Derzeit beginne ich mit 3 Zusammenballungen von Gravitationsschwüngen. Aus den Kreuzungspunkten entstehen 3 Dreiecksgitternetze, die dann in 3 Buchmalereien weiter verarbeitet werden.

Trio – Überlagerung

Gestern begann ich mit einer Tanzzeichnung das, auf Rolle 8, Was ich mir vorgenommen hatte. Diese Trio-Überlagerungssequenz, d.h. drei Wiederholungen des Tanzmotives werden so übereinander gezeichnet, dass sie sich mit ihren Mustern einander ihre Umrisse in unterschiedlichen Rhythmen füllen. Diese ergeben sich aus den Abständen, die daraus resultieren, ob ich die Rolle mit den kleinen Radius zurück, also in die Richtung ihres Anfangs rolle ausfüllen oder umgekehrt, nach vorne mit dem größeren Radius. In den so variierenden Überlagerungen konzentrieren sich die Strukturen der Momente, in denen ich gezeichnet habe – eine Verstärkung der Erinnerung. Diese Bereicherung der Formensprache, soll Eingang in die Zeichnungen finden, die ich mit Tusche, Feder und Pinsel zwischen mehrere Schellackschichten der Reliefs lege.

Der Duktus von Relief 10, an dem ich gerade zeichne und der von Relief 11, das ihm in der oberen Zeile des Gesamtportraits folgt, muss sich nun zugunsten der Figurengruppen ändern, die auf Nummer 11 eine große Rolle spielen. Das Gesamtexemplar soll sich diesen Übergängen vom Ornament zu den Figuren widmen.

Dann bleibt noch das Vorhaben, plastisch zu arbeiten. Hierfür werde ich einzelne Scherben mit Pappmache abformen, sie mit gebogenen Weidenruten verbinden und sie in der Weise weiter bearbeiten, wie ich das jetzt mit dem Relief mache. All das geschieht in den nächsten Tagen.

Das Übliche | Das Lustprinzip

Gestern Vormittag arbeitete ich das Übliche: handschriftliches Tagebuch, 3 Buchmalereien, Arbeitstagebuchtextdatei, Scans und 3 Collagen für den Text „Aktuelle Arbeit“ auf meiner Website und schließlich die Aktualisierung der Website. Dann zeichnete ich noch Tuschornamente auf den Rasterpunkt des 10. Reliefs, der in den Collagen von heute seine Rolle spielt.

Am Nachmittag allerdings, fuhr ich zu einem Treffen mit meiner Tochter und ihrem Sohn. Wie spazierten über einen bewaldeten Berg, der Hollmut heißt. Der Forst wird nicht mehr gepflegt, soll Urwald werden. Die Fichten sterben, auf Grund der Trockenheit, und es setzen sich andere Gehölze durch, zumeist Laubbäume. Meine Tochter hat ein paar schöne Bilder fotografiert, auf denen der Enkel und ich Steine in eine große Wiese werfen. Das konnte man sehr oft wiederholen: Steine aufheben, 5 Meter weiter nach rechts tragen und dann im rechten Winkel auf die Wiese werfen.

Schon vor ein paar Tagen dachte ich über Abwechslungen bei der Arbeit nach. Jetzt favorisiere ich die Weiterarbeit mit den aussortierten Tanzzeichnungen auf Rolle 8. Das schafft wieder etwas mehr Lockerheit und Input. Außerdem habe ich Lust dazu, und diesem Prinzip sollte sich meine Arbeit immer mehr nähern.

Oder Nichtstun?

Die Zeit zum Arbeiten zersiedelt sich gerade etwas. Gestern zeichnete ich zwar weiter an den Tuschestrukturen des Reliefs, machte auch am Vormittag meine Tagebucharbeit, aber eine längere Konzentration kam nicht zustande. Nachmittags Besuch und Gespräche über das System Goethe-Institut. Heute Nachmittag reise ich zu einem erfreulichen Treffen nach Heidelberg. Ich sollte und kann das genießen.

Die gestrigen Telefon – Textdialoge über den chinesischen Großkünstler gingen noch weiter hin und her. Mir kommt es so dünn vor, was über ihn berichtet wird.

In den Collagen stapeln sich die Schichten in einer spielerischen Weise, was dem ganzen Vorgehen etwas mehr Leichtigkeit verleiht. Dennoch will ich gleichzeitig so etwas wie Tiefe nicht beiseite lassen, kann mir aber ihrer nicht sicher sein. Manchmal denke ich über einen Technikwechsel nach, um etwas Abstand zu gewinnen. Plastisches Arbeiten wäre die gegebene Abwechslung. Oder Nichtstun?

Zwischen den Schichten

Während der Pfingsttage arbeitete ich wenig, vorsichtig und langsam an der Tuschmalerei auf dem Relief weiter. Manchmal wird mir die Ornamentik etwas zu gefällig. Dann setze ich auf schwarze Schichten, die sich schwer und unbarmherzig darüber legen.

Auf meinem Smartphone landete eine Nachricht, mit einem Link auf einen Artikel im Tagesspiegel. Darin geht es um die Aussage von Ai Weiwei, dass die Deutschen nichts aus ihrer Vergangenheit gelernt hätten. In der nächsten Nachricht, die sich darauf bezog, hieß es: „Wenn wir nicht von der gelben Gefahr zerrieben werden, dann von der braunen“. Dieser Satz ist meiner Meinung nach deswegen so interessant, weil er aus Gedankenlosigkeit eine Haltung auf den Punkt bringt, deren Kulturleistung sich gleichzeitig aus erinnertem Rassismus und Antifaschismus speist. Der rassistische Topos der gelben Gefahr, in den letzten hundert Jahren immer wieder auf Chinesen angewandt, trifft sich dabei mit der undifferenzierten Schuldzuweisung an die Deutschen, die aus ihrer Vergangenheit nichts gelernt hätten, von einem Chinesen.

Die Wahrheit befindet sich, bei genauerem Hinsehen, in den heutigen Collagen! Die abstrakten Buchmalereien überlagern die, zum Teil gegenständlichen, Tuschmalereien auf den Relief Nummer 10. Zwischen den Schichten kann man suchen.