Verschwinden | Vergrößern | Verlassen

Gestern beschäftigte ich mich mit den Umrissen der Buchmalereien vom Februar 2010, die ich für die Reliefgestaltung ausgesucht hatte. Die dunklen Flächen der dicken Tuschelinien treten nur durch Umrisse auf. Somit entstehen Verfremdungen der Kompositionen, die auch die Gegenstände und Figuren verschwinden lassen. Ich frage mich nun, ob ich das so stehen lassen soll, oder die Flächen durch leichte Tuschelasuren hervorheben soll, um erkennbare Figurengruppen zu zeigen?

Am Morgen dachte ich an die Mäntel der Reiter und an die Gewänder der Frauenfiguren an den Wänden der Tempelräume von Alchi. In den Rankenmedallions gibt es Bogenschützen auf Pferden, Elefanten und andere mannigfaltige Szenen. Die etwas mitgenommenen Malereien ließen sich auf Transparentpapier übertragen, vergrößern und vervollständigen, weiter vergrößern, verändern und weiter vergrößern, bis ich zu meinen eigenen Figuren komme.

Aber zunächst geht es darum, die Umrisse auf dem Relief zu verteilen. Die Gleichmäßigkeit, mit der ich das auf den vorangegangenen Exemplaren gemacht habe, würde ich gerne, zugunsten von mehr Spannung, verlassen. Es wäre auch möglich, manche Umrisse vorsichtig zu überlagern…

Wanderungen

Drei Buchmalereiumrisse vom 21. und 22. 2. 2010 übertrug ich gestern auf einzelne Transparentpapierbögen. Bevor ich sie in Rolle 9 einfüge, will ich, durch mehrfaches Durchzeichnen, Reduktionen erreichen, die sich auf die Erkennbarkeit durch klarere Formen vor den Reliefsplittern auswirken sollen. Die sich häufenden Zeichnungen kann ich auch für das Kooperationsprojekt mit Franz nutzen.

Auf Grund der Beschäftigung mit dem Wanderungsthema, meinem Engagement für Teves West und meiner Zusammenarbeit mit Kindern, bin ich zu einem Podiumsgespräch eingeladen worden. Aus diesem Anlass gehen mir die Wandmalereien der Klöster in Ladakh, hinsichtlich der mannigfaltigen Einflüsse, durch den Kopf.

Auch das derzeitige Väterprojekt speist sich aus dem Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Kulturen und den so ausgeprägten Stilen. Aber auch die Handwerkerwanderung meines Großvaters Oscar Fitzner, während der er in Berlin meinen Vater zeugte, um dann nie mehr gesehen zu werden, spielt eine wesentliche Rolle. Das Modell des Breslauer Domes, 2,30 m x 1,18 m x 1,75 m, das er gemeinsam mit seinem Bruder auf einem Wagen, der mit Ladung 400 Kilo wog, hinter sich her durch Europa zog, wies die beiden Wanderer als Kunsttischler aus.

Auswahlkriterien

Rückblick auf die Malereien und Eintragungen vor zehn Jahren. Ich traf auf das Stichwort „Preußische Arabeske“ und auf das „Kraftfeld Frankfurt“. Die Buchmalereien waren sehr dicht und völlig gegenstandslos, ganz im Gegenteil zu denen von einem Jahr vorher, in Indien. Die Suche nach solchen Figurationen, die ich nun in die Reliefgestaltung mit einbeziehen kann, stockt vor diesem Materialberg. Gestern probierte ich Umrisse aus der dritten Malerei vom 1.2. 2010, indem ich sie auf ein einzelnes Transparentpapier zeichnete. Auch nicht zufrieden stellend.

Mit dem anderen Umriss, der aus der Zeichnung von Franz kommt, bin ich nun weitergekommen. Die Ergebnisse habe ich in die heutigen Tagwerkcollagen eingefügt. Sie überlagern sich mit meinen Buchmalereien. Durch die ablenkungsfreie Zeit, kann ich morgens direkt an die Arbeit vom Vortag anknüpfen. Die konzentrierte Produktion scheint sich immer noch zu halten.

Das neue Relief ist nun grundiert. Mit der Auswahl von neuen Motiven für seine Bearbeitung, habe ich etwas spät begonnen, oder bin mit den Ergebnissen einfach noch nicht zufrieden. Bei den Überlagerungen der gegenwärtigen Produktion mit der von vor über zehn Jahren, komme ich auch etwas durcheinander. Ich muss Auswahlkriterien finden.

Flechten

Den ganzen Winter über flechte ich die Weidenruten, in meinem Gärtchen vor den Atelier, zu zusammengrollten Ringen. Das lässt sich besser mit Zweigen machen, die keine Blätter haben. Außerdem bekomme ich den Eindruck, dass das Holz jetzt biegsamer als im Sommer ist. Die Gewächse haben nun, auch durch das fehlende Laub, einen künstlich – skulpturalen Charakter angenommen.

Mit dem Einflechten der zeichnerischen Arbeit von Franz, in meine Sequenzen auf Rolle 9, habe ich ein aufwändiges Verfahren angewandt. Dennoch fügen sich die Umrisse seiner Linien noch nicht in einer Weise in meine Arbeit ein, wie ich es mir erhofft hatte. Ich werde aber weiterprobieren, bis ich ein gutes Gefühl dazu habe.

Gestern schaute ich intensiver auf die figürlichen Buchmalereien vom Februar 2010. Sie entstanden allesamt in Indien, unter dem Eindruck der starken Kontraste zwischen der Farbigkeit und dem finsteren Elend des Alltags. Die kräftigen schwarzen Pinselstriche werde ich nur als Umrisse, zunächst auf Rolle 9 übertragen, sie dort mit Frottagen der Splitter zusammen bringen, um ihre Eignung für die Reliefbemalung zu prüfen.

Umrissüberlagerungen

Von einem Teil der Zeichnungen, die mir Franz mitgebracht hatte, machte ich einen Umriss mit Feder und Tusche auf Rolle 9. Ihn möchte ich in der bewährten Weise überlagern, mit den gefüllten Buchstaben aber auch mit Verdichtungen, die vorher entstanden sind. Auch in den heutigen Collagen, spielt die Umrisszeichnung eine wichtige Rolle.

Am Wochenende formte ich das Relief mit der Nummer 14 aus. Es ist schon fast trocken, so dass ich es in den nächsten Tagen grundieren kann. Für die folgende Bearbeitung sah ich mir noch mal genau die Wandmalereien von Alchi und Phiyang und ihre ornamentale Hintergrundgestaltung an. Diese Feinheit der Malerei, kann nur auf polierter Grundierung gelingen.

Am Wochenende verlasse ich manchmal, die sich langsam verändernden Gefilde der Buchmalereien und erlaube mir sprunghaftere Entwicklungen. Das geschieht, weil ich diese Arbeiten nicht in die Werktagscollagen einfüge, und sie auch sonst selten weiter verwende. Ich bin dann freier.

Flanieren im Kopf

Gestern ließ ich Rolle 9 liegen und blieb am Relief. Ich kam noch nicht zum Ende, sollte es aber innerhalb von drei weiteren Stunden schaffen. Dann wünsche ich mir ein paar weniger konzentrierte Tage, um etwas auszuruhen. Ein wenig flanieren wäre gut, auch im Kopf. Dennoch reizt mich, die Linien von Franz, bald in meine Transparentpapierarbeit einzubeziehen.

Seit gestern habe ich etwas Obst im Atelier, machte mir am Morgen einen Kaffee. Ein Bestreben die Arbeitsumgebung etwas weniger streng zu gestalten, führt zu kulinarischen Experimenten über das Trinkwasser hinaus…

Manchmal stehe ich von Zeichentisch auf, um die Pflanzen zu gießen, oder den Vögeln ein paar Körner raus zu bringen. Und gerade schaute ich mir Fotos von 2009 an, die ich in Cochi gemacht habe. Reisen durch die Erinnerung. Dort bin ich auf der Bucht der Flussmündung, zwischen den Delfinen, einen Handumriss mit einem Motorboottaxi gefahren. Ich denke an die Restauranttische auf den schönen Stegen, unter denen tote aufgeblähte Hunde trieben. Auf denen saßen pickend die Krähen, die danach auf dem Tisch herumhüpften, um sich in den Zuckerdosen zu bedienen. Es war unsere zweite Reise nach Indien.

HIN und HER

Mit den Stempeln aus dem Heidelberger Theater, druckte ich die Buchstaben der Worte „HIN“ und „HER“ auf ein Blatt, zeichnete die Umrisse in willkürlicher Reihenfolge auf Rolle 9 und stellte mit den Mustern der vorangegangenen Zeichnungen eine Überlagerungssequenz her. Durch das Zusammenspiel der sich wiederholenden Zeichen, den Ornamenten, mit denen ich sie anfüllte und den Schichtungen, entsteht ein Zusammenhang, dessen Untergründigkeit den forschenden Geist beschäftigen kann.

Am Morgen zeigten sich die Zeichnungen von Franz, in ihren Umrissen, in meinem Kopf auf Rolle 9. Im Hin und Her dieser Durchzeichnungen, kann ich sie am vollständigsten in meine Arbeit integrieren. Nur so, wenn seine Zeichen in meinen Zusammenhängen eine Rolle spielen, kann ich mich ganz auf die Kooperation einlassen. Ich erhoffe mir dadurch einen direkten Zugang zu seiner bildnerischen Sprachbewegung.

Bei der Bearbeitung des aktuellen Reliefsegmentes, zeichnet sich, zum Ende der Woche, ein Abschluss ab. Die Veränderung der Art, die Figuren und Architekturen auf diesem Exemplar uneinheitlicher zu komponieren, hat weniger Homogenität, aber mehr Spannung zur Folge.

Nebelwolken | Häfen | Sog

Über der Indigohorizontlinie erschienen lateinische Buchstabenumrisse. Sie schwammen alleine, wie Segelschiffe, die einander beobachten, bildeten keine Worte. Schiffe sind auch die Buchmalereien. Sie tauschen aber Ladung miteinander aus, um dann in die Transparentpapier- oder Collagenhäfen anzusteuern. Ich erinnere mich an einen erdenen Hof hinter einer barocken Fassade in Cochi, dessen Fläche vollständig mit Ingwer bedeckt war.

Die Malereien beginnen am Morgen mit dem Ritual der kreisenden Gravitationsschwünge auf der linken Seite des aufgeschlagenen Buches. Die direkt gezeichneten Schwünge können sofort mit dem feuchten Handballen in die zwei Formate auf der rechten Seite übertragen werden. Wenn sie aber mit der hölzernen Haarnadel in das Papier graviert wurden, benötigen sie eine farbige Schraffur, um sichtbar und übertragbar zu werden. Aus der folgenden Verstärkung einzelner Linien, entstehen neue Figuren. Mit einer Reihe von weiteren Bearbeitungsmöglichkeiten ergeben sich beispielsweise Nebelwolken, die alle Farben transparent miteinender vermischen. Oft zeichne ich dort scharfe Linien hinein.

Die ornamentalen Strukturen, mit denen ich die Splitter der Reliefs fülle, beginnen mich am Abend zu quälen. Dann ist es Zeit, Feierabend zu machen. Aber mir scheint, es entsteht ein optischer Sog.

Neunfach

Weil sich über dem Indigohorizont am Morgen, nach dem Aufwachen, keine neuen Figurenkompositionen auftaten, die Kulissen verwaist standen, ohne Schauspiel, kann ich es nur in den Buchmalereien, Collagen und Transparentpapiersequenzen auf Rolle 9 suchen. Ein Stück aus Farbflecken, Handballenabdrücken, Gravitationsschwüngen, Umrissen und Auflösungen. Der Text verschwindet im Trockeneisnebel, in seinen Schwaden tauchen neue, scharfe Umrisse und Worte auf und es entsteht ein dreifach wiederholtes Gesträuch.

Die dreifache Wiederholung der Federzeichnungen, häufig in den Werktagscollagen, verbinden sich mit den Überlagerungen der vorausgegangenen Arbeiten in dieser Reihe. Dazu kommen die Buchmalereien, die in sich wiederum drei Wiederholungen per Handballenabdruck aufweisen. Neunfaches Schichten, – und dann entsteht das neue Stück zwischen den Kulissenarchitekturen und tritt aus ihnen heraus, um in die nächste Sequenz zu wandern. Dazwischen entstehen auf extra Transparentpapierbögen Umrisszeichnungen, die sich für die Bearbeitung des nächsten Reliefs eignen.

Am Nachmittag brachte ich Franz gestern die Exemplare unserer Zusammenarbeit. Es sind Pappen und Reliefabformungen, die wir gemeinsam bearbeitet haben. Wir bereden die Beweggründe und Vorgehensweisen unserer Bemühungen. Daraus entwickelt sich manches weiter.

Fernweh

Die Gedanken Pasolinis, bei seiner Begegnung mit Indien, die Beschreibung einer Zugfahrt von Kolkata nach Chennai eines anderen Autoren in der aktuellen „Zeit“ und die eigenen, davon in Gang gesetzten Reiseerinnerungen, lösen eine Sehnsucht aus, die man als Fernweh bezeichnen könnte. Dieser Begriff aber, bedeutet für alle etwas anderes. Für die, die ihren Wohnort nie verlassen haben, speist er sich aus den Erzählungen und Bildern der Gegenden, die hinter dem Horizont liegen. Für andere sind es die eigenen Reiseerfahrungen. Pasolini hat durch seine genauen Beobachtungen und die Gedanken, die sich ihnen anschließen, eine das Fernweh besonders befördernde Art zu schreiben.

Seit gestern denke ich über einen Transparentpapierleporello mit Durchzeichnungen nach. Sie bestehen aus Malereiumrissen, Überlagerungsstrukturen, Synaptischen Kartierungen und Textfragmenten. Mal sehen, ob ich, neben meinen anderen Arbeitsgängen, dazukomme, das auszuprobieren.

Durch die anhaltende Konzentration führt die Produktion zu einer ansteigenden Arbeitsgeschwindigkeit und entsprechenden Ergebnissen. Der Gedanke kommt auf, manche Arbeitsbeschreibungen mit den dazugehörenden Bildern zu verbinden. Damit kann ich die Folgen handwerklicher Zufälle, die Assoziationsketten und Bilderfolgen direkt aufeinander beziehen.

Zusammenklang der Strukturen

Der Zusammenklang der Strukturen ist das Thema. Auf der Transparentpapierrolle, in der fortlaufenden, derzeit wichtigsten Form, spielen die variierenden Durchmesser der aufgerollten Spirale des Papiers, eine mehrfach bestimmende Rolle. Die durchgezeichneten Überlagerungen folgen dann in ihrer Auswahl, aber doch letztlich meiner Entscheidung.

In den Buchmalereien entstehen ebenfalls fortlaufende Strukturen. Sie werden, mit dem nassen Handballen vervielfältigt, in verschiedenen Versionen fortgeschrieben. Die Begrenzung auf drei zusammenhängende Bilder eines Tages, verhindert nicht, dass die Abdrücke zwischen den Formaten hin und her wandern. Weil nun öfter Umrisszeichnungen von Buchmalereien auf die Rolle übertragen werden, überlagern sich auch die verschiedenen Arbeitsweisen. Die zusammengefassten, konzentrierten Kompositionen, als Ergebnisse der Sequenzen auf der Rolle, erscheinen nun, und das ist neu, als kleine, fast nebensächliche Zeichnungen auf den Scherben der Reliefs. Dort endet dann die Entwicklung der fortlaufenden Form, verfestigt sich und scheint am Ziel angekommen zu sein.

Gestern folgte ich dann dem Gang meiner morgendlichen Überlegungen, im Atelier. Und sollte ich das heute wiederholen, so müsste sich der dunkle, kompakte Kern der Zeichnung, aller weit ausschweifenden Figurenlinien entledigen und eine Verbindung mit einer weiteren Kulissensequenz eingehen.

3 Schichten

Die Figuren, die gestern als „Vision“ über dem Indigohorizont standen, suchte ich gestern innerhalb der Buchmalereien vom Februar 2007. Ich fand 02_06_2007_002 und lese auf diesen Seiten, dass ich damals auch die Umrisszeichnungen auf die Transparentpapierrolle brachte. Ausgehend von den Zeichnungen und Malereien, die ich in diesen Tagen angefertigt habe, suche ich nun Motive, die ich mit denen von jetzt zusammenbringen kann.

Gestern entstanden in diesem Zusammenhang Fragmentierungen der Kulissensequenz durch die Überlagerung mit einem Umriss der oben genannten Buchmalerei auf Rolle 9. Wenn ich das fortführe, kann ich den Bogen über die Jahre spannen, die zwischen der Entstehung der unterschiedlichen Motive stehen. Im Idealfall steckt dann, in den fragmentierten Formen, das Potential, das sich in der Zwischenzeit entwickelt hat.

Zum Relief bin ich dann nicht mehr gekommen. Aber die jetzt, auf Rolle 9 entstandene Zeichnung, kann dazu führen, dass die Parallelität der Arbeitsschichten, Buchmalereien und Transparentpapierrolle ermöglicht, dass sie sich direkt in der Reliefbemalung überlagern. Es ist, als würde ich auf die Wandmalereien von Alchi zurückgreifen, nur dass es sich, was viel besser ist, um meine eigenen Arbeiten handelt.

Konfrontation

Als der Indigosee am Morgen hinter meinen Augen stieg, flutete er die bildlichen Überlegungen zur Fortsetzung der Kulissensequenz auf Rolle 9. Innerhalb der Buchmalereien aus den Jahren 2006 und 2007 entdecke ich immer wieder Einzelfiguren und ihre Kompositionen in Räumen, die sich für die Verbindung mit den Kulissen eignen würden.

Ich vergleiche die alten mit den neuen Buchmalereien und frage mich, wie sie bezüglich ihrer Qualität zueinander stehen. Die gegenwärtigen Herausforderungen sind eher technisch – struktureller Natur, sind weniger auf Szenen gerichtet, die Geschichten erzählen könnten, als auf rhythmische Musikalität. Aber die Konfrontation beider Herangehensweisen auf der Rolle, erzeugt Spannungen, die zu etwas drittem führen können.

Die ornamentalen Verdichtungen auf dem Relief führen derzeit zu keinen Neuigkeiten. So bleibt mir die Hoffnung, dass eine Erneuerung durch meine sture Kontinuität zustande kommt. Die Erinnerung an die Buchmalereien, die im Kloster Alchi an die Innenwände des Heiligtums gelangt sind, bleibt mir eine stetige Inspiration für meine derzeitige Arbeit an den Reliefs, in Verbindung mit meinen Büchern.

Papiergravuren

Die Bearbeitung der Reliefs gerät immer wieder in Sackgassen. Sie stockt noch nicht, fließt immer weiter bis zu einem Punkt, der zu einem Ende hin tendiert. Die Verdichtung der Ornamentlinien beispielsweise, geht in Richtung eines dichten, strukturierten Schwarz. Bevor ich das zulasse, muss ich bremsen und mir Varianten einfallen lassen, die das verhindern.

In den älteren Buchmalereien habe ich die Papiergravuren wieder entdeckt, die ich mit einer hölzernen, afrikanischen Haarnadel in die Buchseiten grub, bevor diese von farbigen Schraffuren hervorgehoben wurden. Diese Linien gehen mit den Handlinien, die beim Handballenabdruck entstehen eine Verbindung ein. Die ersten Versuche von heute sind so, dass ich das weiter ausprobieren möchte.

Die Texte, die Pasolini bei seiner ersten Begegnung mit Indien schrieb, und in denen ich gestern las, sprechen von den Empfindungen, die ich in derselben Situation hatte. Weil er dies anhand einer Gegend in Mumbai beschreibt, die ich auch öfter durchwandert habe, konnte ich mich in die Atmosphären und in seine Gedanken einfühlen. Aber seine Beobachtungen führen zu weitergehenden Betrachtungen, die mein Erleben noch einmal neu erhellen.

Im Relief

„Im“ Relief arbeitete ich gestern, als zöge ich mich selbst bis in die Tuschestrukturen zurück. Und als würden sich die Linien entfernen, werden sie enger und labyrinthischer. Das führt von den Buchmalereien weg und nähert sich gleichzeitig den Verdichtungen auf Rolle 9. Zwar spielen die Gravitationsschwünge immer noch eine Rolle, aber ansonsten geht es, wegen des Materials und seiner Möglichkeiten, auf anderen zeichnerischen Wegen weiter.

Franz besuchte mich gestern und brachte zwei Zeichnungen auf Pappe mit. Nach längerem Hinsehen behalten sie ihre Kraft, wodurch es mir nicht schwer fällt, an ihnen weiter zu arbeiten. Eine Herangehensweise, die ich mittlerweile dafür einübte, hilft mir dabei.

Der IS hat in Palmyra Filmaufnahmen seiner Gewaltakte gemacht. Das Amphitheater wurde zur Schaustätte der Hinrichtung von, auf Knien aufgereihten Feinden. Mit großen Hämmern wurden antike Skulpturen zerschlagen, die wertvollen Architekturen wurden gesprengt. Die Gesten der Gewalt und die Gesichter der Täter ähnelten denen, die vor ein paar Tagen das Kapitol stürmten.

Geflochten

In der kalten Nachmittagssonne flocht ich am Wochenende die Weidenruten an den Bäumen zu Ringen. Ihr weiteres Wachstum entscheidet, wie ich sie für Objekte nutzen werde. So stelle ich mir wachsende Strukturen her. Die nächsten Triebe, die aus den Schwüngen wachsen, werde ich dann wieder biegen und weiter flechten.

Am Sonntag hörte ich lauter Jazz aus Frankfurt. Dabei kam ich wieder auf das spannungsvolle Verhältnis von fluiden und kristallinen Formen. Das floss in die Bemalung der Reliefs ein. Auf einer Scherbe zeichnete ich enge Gravitationsschwünge und füllte ihre Flächen mit parallel laufen den Linien an. Das will ich fortführen, um zu sehen, was sich aus diesen Begegnungen entwickelt.

Am Nachmittag bekomme ich Besuch von Franz. Wir wollen unsere Kooperation weiter entwickeln. Ich möchte gerne ausloten, wie sich unsere verschiedenen Sprachen neu ergänzen können. Vielleicht ist zu viel Vermischung überfordernd. Wir sollten die Möglichkeit, Arbeiten getrennt nebeneinander zu kombinieren, mit ins Auge fassen.

Starre | Verdunklungsgefahr

Das Zeichnen einer weiteren Schicht in die aktuelle Kulissensequenz auf Rolle 9, brachte nur Erwartbares, das was ich finden wollte. Diese Starrheit will ich auflockern. Innerhalb weiterer Umdrehungen der Transparentpapierrolle kann ich dafür die Formen fragmentieren. Aus diesem Gedanken heraus, ist es leichter weiterzuarbeiten.

Auch die „Verdunklungsmuster“ auf den Splittern des Reliefs scheinen zu erstarren. Ich muss mich wieder langsam von den eingeübten Vorgehensweisen entfernen, wie von der Einbeziehung der Unebenheiten der Oberfläche, damit es vorwärts geht. Auf den 8 bisher bemalten Reliefs, ist dieser Vorgang aber schon deutlich sichtbar.

Während der Buchmalereien am Morgen, bemerkte ich, dass ich ihren Zusammenhang der verschiedenen Arbeitsgänge des Tages, schon beim Zeichnen mitdenke. Es gerät manche Linie, die sonst locker und unterbrochen entsteht, fest und durchgezogen. So bleiben die Flächen der Scans, wenn ich sie für die Collagen mit einem Klick auswähle und mit einem weiteren ausschneide, klarer umschrieben. Auch für die Weiterarbeit an den Malereiumrissen auf Rolle 9, sind geschlossene Formen brauchbarer.

Formel | Fluss

Auf den Nachrichtenkanälen konnte man gestern beobachten, wie eine aufgeputschte Menge demokratische Vorgänge unterbricht und somit verzögert. So wird eine allgemeine, schleichende Entwicklung zum fokussierten Bild. Die Gesichter der Menschen, die abstrusen Interviews und eine, sie antreibende, banale Figur, immer noch an der Spitze Amerikas, erscheinen wie eine Formel. Eigentlich müsste man da mal hinfahren, um sich selbst ein Bild zu machen.

Drei Durchzeichnungsgänge haben die Trio-Fugen-Sequenz verdichtet und die Varianten deutlich voneinander abgesetzt. Die Fortsetzung des Vorgangs führt zu einer weiteren Klarheit dessen, was ich probieren wollte. Rolle 9 gewinnt schnell an Inhalten und an Material, das weiterhin eine Rolle spielen wird.

Vom Transparentpapier ging ich dann an die Splitter des aktuellen Reliefs. Wieder schaltete ich ein starkes Seitenlicht ein, um die Unebenheiten der Oberflächen sehr deutlich zu machen. Sie sind der Ausgangspunkt für die Strukturen, mit denen ich die erhabenen Flächen der Scherben abdunkle. Diese Arbeit erzeugt eine Ruhe, die ein Gewinn für den Hand-in-Hand-Fluss der Arbeitsbereiche der Buchmalereien, der Rolle 9 und der Reliefbemalung ist.

Hand in Hand

Schichtungen mit Schellack, Tusche und auch mit farbigen Kreiden auf Transparentpapier, könnten auf einer weiteren getrockneten Schellackschicht, mit Handballenabdrücken fortgesetzt werden. Die Feuchtigkeit dürfte dem Transparentpapier dann keine Verwerfungen mehr bringen.

Die Ateliervormittage schließen sich immer direkt an die Arbeit des vorigen Tages an. Hand in Hand folgen Buchmalereien, Transparentpapierzeichnungen und Reliefbemalungen aufeinander. Unter ihnen kommt es kontinuierlich zu Bezügen. Das geht so lange, wie sich diese Arbeitsweise für die angestrebte Weiterentwicklung der zeichnerisch-malerischen Erzählung eignet. Geht es zu weit, kommt es zum Überdruss.

Den Umriss einer Buchmalerei mit der Signatur: 2020_12_22_002, zeichnete ich gestern, gleich im Anschluss an die vorausgegangene Sequenz, auf Rolle 9. Das Motiv gelangte in die heutigen 3 Collagen. Die Umrisse sind klarer als die der vorausgegangenen Kulissenfaltung. In der Weiterarbeit erhoffe ich mir nun ein deutlicheres Bild einer musikalischen Fugenstruktur. Die zeichnerischen Überlagerungen der durchscheinenden Linien gestalten sich in drei Varianten, je nach dem, welche Umrissfelder, in diesem Trio, für den Durchzeichnungsvorgang gesperrt werden.

GRAB = BLICKSPIEGEL

Rolle 9 rückwärts gestern. Das heißt, dass ich das Durchzeichnen der übereinander liegenden Linienmuster, beim Zusammenrollen vom Ende her zum Anfang hin, vornahm. Das ließ drei Variationen der Kulissenfaltungen mit den entsprechenden Durchblicken auf die darunter liegenden Schichten entstehen. Die unterschiedlichen Überlagerungen greifen wie musikalische Themen ineinander. Durch die Senkrechten und Schrägen, der sich hintereinander staffelnden Architektur, entstehen neue Räume. Das geschieht auch häufig innerhalb der Werktagscollagen.

Bei den Buchmalereien kommt es nun häufig zu knotenartigen Verschlingungen, die von den Gravitationsschwüngen der ersten der drei Malereien begründet sind. Während der Suche nach Motiven für die weitere Reliefbemalung sah ich auch Stahlkonstruktionen des Palastes der Republik, die 2007 verknotete Gesträuchstrukturen auf der Transparentrolle von damals bildeten.

Am Morgen hatte ich eine „Indigostunde“. Das bedeutet, dass ich versuchte meine Inneren Bilder, um schlafen zu können, mit dunklem Indigo flutete. Dabei kamen mir aber Worte eines Zettels in den Sinn, den ich vor ein paar Tagen in einem Tagebuch von 1997 fand. Ich stellte sie mir mit Großbuchstaben auf Rolle 9 gedruckt vor: DER BLICK IN DAS GRAB IST DER BLICK IN DEN SPIEGEL | GRAB = BLICKSPIEGEL | MEIN GRAB HINTER MEINEN AUGEN; usw.

Fugen | Trio | Textcollage

Zwischen den Jahren arbeitete ich neben den Buchmalereien weiter an der Rolle 9. Zuletzt entstanden 3 Variationen einer Kulissenlandschaft, in die ich begann, eine Figur einzuflechten, deren Ursprung aus den Jahr 2007 stammt. Inspiriert ist dieser Teil der Transparentpapierrolle von den Fugenkompositionen Bachs und vom Triojazz.

Die Buchmalereien haben sich wieder etwas gewandelt, hin zu etwas mehr Farbigkeit und kleinen zarten Formen, die mit dünnen Linien umrissen werden. Sie kommen mir manchmal vor, wie abstrakte Textillustrationen für Kinder.

Außerdem befasste ich mich mit alten Tagebüchern und entdeckte einen eigenartigen Text über den altägyptischen Totenkult. Die Zeilen sind fast wie ein Gedicht. Aber es scheint sich um Notizen zu handeln, die ich zu einem Text von Jan Assmann gemacht habe. Sie würden sich für eine Textcollage im Stil der Zeichnungs-Sequenzen auf den Transparentpapierrollen eignen.