Neue Mittel

Langsam wachsen mit bei der Buchmalerei neue Mittel zu. Die feuchten Steinabdrücke kombiniere ich mit Pigment, das beim Anspitzen der Aquarellstifte anfällt. An wenigen Stellen stabilisieren Linien, die ich während des Schreibens mit dem Füller hinzusetze, die Statik der Kulissen-, Zelt-, Fahnen- und Mess-Stangen verbessern. Schwünge, Geraden, Wolken und verschiedene Abdrücke schaffen das Quellmaterial für den Tag. Hinzu kommen die Papiergravuren, die ich mit einer Holzhaarnadel eingrabe und die Schraffuren, mit denen sie sichtbar werden.

Gleich beginne ich mit dem Scannen der 9 Buchmalereien der letzten Tage. Diese Arbeit mündet in die Zusammenstellung der Collagen, die dann in die Datei auf meiner Website wandern. Manchmal denke ich daran einige von ihnen auf Leinwand drucken zu lassen, um sie dann weiter bearbeiten zu können. Das würde sich für eine Ausstellung eignen, aber nicht für das Arsenal der sich anhäufenden Arbeit.

Im Gärtchen entstanden am Wochenende kleine Installationen. Sie bestehen aus Lochziegeln, Federstahlzungen und getrockneten Pflanzenteilen. Im Wind bewegen sie sich auf und ab, schlingernd und vibrierend. Am Bahndamm füllte ich ein Feuerfass mit getrockneten Brombeerranken, die ich regelmäßig abschneide. An einem der nächsten Abende verbrenne ich sie.

Vermittlung vermitteln

Am Morgen geben mir die Steinabdrücke, mit denen ich in den letzten Tagen die Buchmalereien beginne, eine neue Startposition. Gehe ich von den dunklen Farbseen aus, so springen Protuberanzen aus ihnen, die viele Bögen spannen. Die trockeneren, rhythmisch gerasterten Steifen begegnen sich mit den Gravitationsschwüngen, den Pfählen der fliegenden Bühnenbauten und verschwimmenden Wischspuren, wodurch neues Leben entsteht.

Für das nächste Relief habe ich bereits das Pappmache vorbereitet. Nachdem ich es abgeformt habe, beginnt die Suche nach den neuen Figurengruppen. Dabei denke ich an die Schauspielprobenzeichnungen, die ich noch vor der Beschäftigung mit dem Tanz machte. Sie könnten sich entweder mit den gegenwärtigen Malereiumrissen oder mit Figuren verbinden, die aus den Übergängen zu den gegenstandslosen Buchmalereien stammen.

Gestern habe ich nur mein Notprogramm geschafft, mit dem ich die Produktion an Laufen halte. Der Nachmittag gehörte einer Konferenz, in der ich versuchte, meine Herangehensweise an die Kunstvermittlung mit Kindern, zu erläutern. Ich hoffe, verstanden worden zu sein. Das Feedback sprach dafür.

Kraft aus Diskrepanz

Gestern machte ich das aktuelle Relief fertig. Es ist das 13. dieses Gesamtformates. Auf dem Boden des Ateliers legte ich eine Reihe von 4 übereinander geordneten Formaten zueinander und war zunächst von der Wirkung enttäuscht. Durch die unterschiedlichen Arbeitsphasen passen die Einzelformate stilistisch nicht zueinander. Ich glaube, dass erst die Gesamtwirkung aller 16 Reliefs zusammen, die Kraft entwickeln kann, die ich mir erhoffe. Die Diskrepanz der unterschiedlichen Stile, diese Disharmonie der Entwicklungsphasen, muss eine Intensität erzeugen können. Das bleibt spannend.

In unseren Ausstellungsraum hatte sich eine Taube verirrt. Sie saß erschöpft auf dem Boden und ließ sich leicht einfangen und ins Freie transportieren. Ich war gerade dabei ein paar ältere Reliefs aus dem Projekt „Kraftfeld Frankfurt“ zu sichten und neu zusammenzustellen. Ursprünglich wollte ich sie zu dreidimensionalen Objekten montieren, schaffte das damals, als ich daran arbeitete, aber nicht mehr. Vielleicht gelingt es mir jetzt bald in diesem großen Raum.

Nun plane ich noch drei Monate für die Fertigstellung des 2. Reliefexemplares. Dann werde ich versuchen, mich von diesem Thema etwas zu entfernen, um mich anderen Dingen zuwenden zu können. Ich könnte mir ein neues Wanderungsprojekt vorstellen, das sich an die Handprints der letzten Jahre anschließt. Einen Ort dafür habe ich schon im Kopf… Auch skulpturale Ideen haben sich weiter angesammelt.

Störungen

Eine Benachrichtigung meines Telefonkalenders hat mir meinen Arbeitsvormittag durcheinander gebracht. Es war eine Videokonferenz mit dem Anna-Freud-Institut angesetzt, die ich vergessen hatte. Eigentlich machen mir diese Begegnungen viel Spaß. Zugleich aber war ich mit den Nachbarn wegen einer Außenraumgestaltung verabredet.

Gestern wurde ein Fest besprochen, das auf Teves West stattfinden soll. Im kalten Wind und im Regen fand eine Geländebegehung statt, bei der ich insbesondere „meine“ Wiese schützend im Auge hatte.

Nur noch wenige Prozent der Relieffläche müssen eingeschwärzt werden. Die hellen Splitterkanten innerhalb der dunklen Umrisse, stören nicht. Figuren bleiben nach wie vor erkennbar. Eigentlich wollte ich das heute fertig machen. Weiß aber nicht ob ich es schaffen werde. Am Nachmittag Einkauf und Abformung des nächsten Reliefs. Morgen ist ein fünfstündiger Videofachtag zu YOU&EYE!

Sporenstände I Steinabdrücke

Die Blätterschatten des Gärtchens flackerten gestern auf dem weißen Tisch über die Buchseiten mit den täglichen Malereien. Sie lenkten die Wortbilder in gegensätzliche Richtungen. Zwischen den Baumstämmen wachsen Pilze. Ihre Geflechte werden nicht gestört und treiben die Sporenstände an vielen Stellen ans Licht.

Die Splitter des Reliefs sind nun vollständig mit Ornamenten bedeckt. Etwa ein Drittel der Figuren habe ich bereits eingedunkelt und mit schwarzer Tusche beschwert. Sie haben nun wieder ihre Auftritte in den Collagen, die ich öfter als Diashow auf meinen Bildschirmen laufen lasse. Dort treffen sie auf die Steinabdrücke und Verwischungen der Buchmalereien. Sie könnten die Motive für Umrisszeichnungen bilden, die ich für das nächste Relief benötige.

Außerdem stellte ich eine Bilderfolge zusammen, die mein kurzes Statement am Fachtag zu YOU&EYE strukturieren soll. Ich zeige wie sehr die Arbeiten der Kinder mit meinen eigenen verbunden sind. Es darf nicht zu Unterbrechungen der Konzentration kommen, sie muss durch diese Unternehmung unterstützt werden. Nur so kann ich die Arbeit mit den Schülern in meinen Alltag integrieren.

Gehen und schreiben

Fortlaufende Farbfleckenspiele, Linienpfade, Handballenwolken, Steinabdrücke, Fingerkuppenlabyrinthe – die Wildnis meiner synaptischen Gefilde wird in den Buchmalereien kartiert. Erinnerungen werden geschreddert und neu zusammengesetzt. Bis in den Abend hielt ich mich an der Zeichenfeder fest, pflügte die Bruchkanten zwischen den Splittern, segelte über die unruhig modellierte See, die Spur hinterlassend, die den Zustand des Hirns dokumentiert.

Zwischen den ornamentierten Scherben und Splittern schweben noch die eingefangenen Tanzfiguren: Heidi Vierthaler, Dana Caspersen, Georg Reischl. Diesen schwebenden Reigen werde ich nun schwarz einfärben, um ihn mit Gewicht zu Boden zu werfen.

Auf der Wiese gehe ich mir die „Beine vertreten“, um die Gedanken zu sammeln. Als Chunqing im Atelier fotografierte, stieß sie auf die Tagebücher und fragte, was passiert, wenn mir nichts einfällt. Wenn ich das aufschreibe, was mir durch den Kopf geht, kommt die Eigendynamik des Schreibens hervor. Das ist wie das Denken beim Gehen.

Fragen an Künstler

In der kommenden Woche werde ich mit dem aktuellen Relief fertig. Immer noch versuche ich das Ornamentgesträuch weiter zu verdichten. Gut wirken sich längere Arbeitszeiten aus, während der ich mich tief in die Aufzeichnung des inneren seismischen Geschehens begeben kann. Langsam entwickeln sich dabei neue lineare Zugänge, die sich mit der bewegten Reliefoberfläche verbinden können.

Vom Kulturamt werden Fragen, die von einem Freiheitsbegriff der Kunst und der Künstler ausgehen, gestellt, die die kulturelle Vermittlung für Schüler betreffen. Damit sollen Freiräume definiert und geschaffen werden, die für diesen Vorgang nötig sein sollen. Dem zugrunde liegt offenbar ein Künstlerbild, das in modernisierter Form dem „armen Poeten“ von Spitzweg zu entsprechen scheint. Die Annäherung an die Wahrheit sieht allerdings ganz anders aus und somit auch die Beschaffenheit der „Freiräume“. Ein kleines Statement wird dazu auch von mir erwartet. Widersprüchliches kann ja produktiv sein.

Gestern bin ich nur wenig zum Zeichnen gekommen. Mein Bruder hielt mich mit seinen Aktivitäten zum 100. Todestag von Borchert auf Trab. Zwei Netzveranstaltungen, die ich nicht verpassen wollte…

Schonung des Raumes

Trotz der Verabredungen konnte ich in der ersten Wochenhälfte viel zeichnen. Gestern war ein Atelier-Fototermin, für den ich ein paar Arbeiten der Kinder zurechtgelegt hatte. Nach meinem Eindruck ging es aber eher um den Raum und die Figur in ihm. Also stand ich zwischen all den vielen persönlichen Dingen einfach da und zeigte, was ich mache.

Die Vehemenz mit der ich ansonsten mein Atelier gegen alle Störungen verteidige, steht der Offenheit gegenüber, die ich innerhalb der Schülerprojekte walten lasse. Es besteht zwar kein Zweifel darin, dass im Mittelpunkt meine Arbeit steht und der Raum mit ihr absolut geschont werden muss, aber diese Klarheit hilft dem Prozess, Kunst in sein Leben hinein zu lassen. Damit kann ich mich nicht immer verständlich machen. Dennoch will ich versuchen es zu erklären.

Wenn ich vom Zeichentisch aufstehe, um mir im Seitenlicht die Reliefzeichnungen von gestern anzuschauen, gehe ich ein paar Schritte weiter weg von der Staffelei in das Gärtchen. Beim Anschauen des Wachstums klärt sich das Denken. Kinder kommen von draußen auf das Gelände und schauen. Manche von ihnen kennen mich und meinen Raum von gemeinsamer Arbeit.

Das Produktionsgeschehen

Während des Zeichnens der Tuschelinien, aus denen die Ornamentstrukturen für die Reliefs entstehen, dachte ich gestern an Felsmalereien unterschiedlicher Orte. Beim Anschauen dessen, was ich gezeichnet habe, kommt mir Bhimbekta in den Sinn. Weniger wegen der entstandenen Figurationen, sondern wegen des bewegten Untergrundes, der sich gegen die Klarheit der Linien, die er aufnimmt, stemmt.

Auch bei den Buchmalereien schaue ich den Farbformen bei ihrem Kampf zu. Ich versuche diese Vorgänge manchmal, über weite Strecken, ohne meinen Einfluss zu lassen. Die Handballenabdrücke, mit denen ich Motive einfüge, können wegen der Schnelligkeit des Arbeitens, nicht genau kontrolliert werden. Die überraschende Spannkraft, die sich daraus ergeben kann, kann ich im Nachhinein beurteilen und gegebenenfalls wieder mit dem feuchtfarbigen Handballen auslöschen oder überdecken.

Spannungen, die sich in diesem Arbeitsalltag lösen, erzeugen Beben, die seismische Auswirkungen auf die Buchmalereien oder allgemein auf die gezeichneten Linien haben. Die Wechselwirkungen von Erschütterung, deren Aufzeichnung, Verstärkung durch Wiederholung und Überlagerung, rhythmisieren das Produktionsgeschehen.

Gravitationsimpulse I Regenwälder

Die eigenen seismischen Aktivitäten haben sich in den Tuschelinien der Reliefornamente abgebildet. Sie rühren von äußeren Erschütterungen her, die permanent unter meinen Füßen und in der Luft um mich herum Wellen schlagen. Es sind Gravitationsimpulse von Ereignissen, zu denen ich keinen visuellen Kontakt habe, bildlose Schwingungen aus einem lichtlosen Raum.

Die Erforschung einer patagonischen Insel wird von einem Dokumentarfilm gezeigt, den ich mir gestern Abend anschaute. An dreihundert Tagen im Jahr wird die stark verwitterte Marmorformation, an der pazifischen Küste über dem Magellanwald, weiter ausgewaschen. Unter den scharfkantigen Linien und den dazugehörigen Furchen befindet sich ein Urwald von Südbuchen und voll mit dickpolsterndem Moos.

Auch mein Gärtchen ähnelt derzeit einem gemäßigten Regenwald. Alle Samen, die im Winter von den Vogelfutterstellen heruntergefallen sind, bilden nun einen treibenden grünen Teppich. Das durchnässte Totholz modert und seine Stapel brechen unter dem Gewicht der Lochziegelfragmente ein. Mit Bindedraht muss ich die fragilen Konstruktionen neu verfestigen, denn die trockene Sommerzeit lässt die Volumina wieder schrumpfen und die Konstruktionen instabiler werden.

Gewaber

Das „Christa – Wolf -Handbuch: Leben – Werk – Wirkung“, wurde vor einigen Jahren von Carola herausgegeben. Sie schenkte mir gestern freundlich ein Exemplar, als wir uns zum Spaziergang trafen. Auch meine Zeichnungen von den Schauspielproben zu „Medea Stimmen“, die ich in Leipzig gemacht hatte, wo Wolfgang Engel den Text inszenierte, sind erwähnt.

Ein Lavastein, dessen natürlich erstarrte, ausgefranste Form an einer Seite durch eine ebene Schnittfläche begrenzt ist, dient mir als Farbträger für eine gestempelte Ausgangsform der heutigen Buchmalereien. Die Landkartenmuster konfrontierte ich mit den Wolken der Handballenabdrücke und den aufrechten geraden Linien, die sich durch die Farbseen bewegen. Sie bilden den notwendigen Kontrast zum Gewaber.

Zeichnend holte ich gestern auf dem Relief nach, was ich am Ende der vergangenen Woche nicht mehr geschafft hatte. Die Muster auf den Splittern übernehmen mittlerweile auch seismische Eigenaufzeichnungen. Diese Erweiterung ergänzt die Hervorhebung der Splitterplastizität und der Eindunklung der Rasterpunkte. Als ich am Sonnabend die Brombeerhecken am Bahndamm zurückgeschnitten hatte, konnte ich nicht mehr zeichnen, weil meine Hand von der Anstrengung zitterte.

Materialsammlungen

Die Sammlung von Gegenständen, die mich inspirieren, wächst stetig. Sehe ich einen schönen Kiefernzapfen, stecke ich ihn in meinen Rucksack. Von dort aus wandern solche Fundstücke zumeist ins Atelier oder in das Gärtchen. Die Zapfen finden ihren Platz in einem Stapel aus Lochsteinen, ausgehöhlten Ästen, Muschelketten, Samenkapseln, Schneckenhäusern und Holzscheiten. Dort befinden sich die Wohnstätten der Insekten, Sonnenplätze der Eidechsen und Jagdreviere der Meisen.

Aber nicht nur draußen wachsen solche Materialblöcke. Überall im Atelier hängen Ketten mit Hühnergöttern, durchlöcherten Korallen, Muscheln und Lavabrocken. Manchmal schaue ich mir eine solche, mehrere Meter langen „Fädel“, genau an und erinnere mich an die Orte, an denen ich sie aufreihte. Zumeist sind es Strände aber auch Vulkankegel und Geröllwüsten.

Am Morgen schwebten mir Volkslieder durch den Kopf. Die verknüpften sich mit der Lehrerin, die sie uns beibrachte. Sie hieß Ilse Kley und schlug mir mal mein Diktatheft um die Ohren. Sie wollte das so lange machen, bis alle Fehler herausgefallen waren. Eine Kommunistin mit brauner Vergangenheit, wie man sagt, die starb als wir noch Schüler waren.

Im Seitenlicht

Gestern zeichnete ich bis zum Abend und hob die einzelnen Splitter hervor, indem ich ihre Plastizität unterstrich. Die Ornamentmuster mit denen sie bedeckt werden bekommen ihre zeichnerischen Impulse durch die unregelmäßige Oberfläche. Jetzt können die Augen im Seitenlicht kaum die Vielfalt der Lichtpunkte, Tuschebögen, Schattentiefen, Figurenteile und Schraffuren auseinander halten.

Und schon glaube ich mit dem nächsten Relief beginnen zu müssen, es auszuformen und zu grundieren, weil ich mit dem gegenwärtigen schon so weit gekommen bin. Dieses Tempo dauernd!

Es ist Feiertag und somit ist das Lichtspiel im Wachstum des Gärtchens wichtiger. Eine der Weiden, die ihre Wurzeln in die Ritzen zwischen den Betonflächen treiben, überragt schon die Dachkante. Mit den Nachbarn spreche ich über weitere Begrünungen des Betons. Das könnte eine übergeordnete Strategie sein, die das Gelände in Zukunft behütet.

Zeitplan

In der Nachbarschaft stehen sich auf dem Beton zwei Bänke gegenüber. An das linke Ende der Fläche, die sie belegen, stellte ich den Olivenbaum, den wir vor etwa 20 Jahren in Italien gekauft haben. Das ist eine gärtnerische Intervention, die zur Folge haben soll, dass das Grün auf dem Beton zunehmen soll, dass andere mitmachen.

Auf die Oberfläche des Reliefs gelangten gestern Umrisszeichnungen von weiteren Tanzfiguren. Manchmal begegnen sich die bewegte und grundierte Pappmacheoberfläche und die Tuschefeder etwas ruppig. Dann läuft etwas Schwärze in die Gräben zwischen den Splittern. Heute übertrage ich die letzten Umrisse. Dann kann ich endlich mit den Ornamenten loslegen. Bei allem, was ich mache, sitzt mir meine Vorstellung von dem Zeitplan im Nacken, die mir diktieren will, dass ich ein Relief pro Monat schaffe. Das rhythmisiert alles bis zur kleinsten Linie. Ein anderer Rhythmus, der sich darüber legt, ist der Dreiklang der Buchmalereien.

Das plastische Zeichnen, das sich mit den kleinen Einzelformen der Splitter verbindet und ihre Volumina unterstreicht, ist wie ein Motor. Dieser Arbeitsschritt wirkt wie ein Magnet auf mich. Die vielen kleinen Formen werden noch einmal zu neuem, anderen Leben erweckt.

Linien und Räume

Die Tanzfigurenprozession habe ich auf Transparentpapier eingerichtet und dann auf das Relief übertragen. Dieser Streifen bedeckt das untere Drittel des Formates, wodurch darüber genügend Raum zum Schweben bleibt. Die Splitterstruktur des Reliefs, bestimmt die Einrichtung der Figurengruppen in ihren Räumen, die durch die Collagen entstanden sind.

Beim Zeichnen der Ornamente wird die Räumlichkeit der Flächen und Bruchkanten unterstrichen. Es entstehen die Beziehungen zwischen plastischer Form und Linie, die ein Feld weiterer Arbeit bilden. In den letzten Tagen gingen mir vollplastische Tanzfiguren durch den Kopf, die mit Linienmustern überdeckt sind, wie mit Tatoos.

Die sanften Farbflecken, innerhalb der Buchmalereien, folgen den Rhythmen der Handballenabdrücke. In den pastellenen Wolken befinden sich die feinen Linien der Handoberfläche. Sie werden von den konkreten, kräftigen Gravitationsschwüngen und aufrechten Linien, die wie Pfosten einer fliegenden Bühne dastehen, konfrontiert. Die Farbkontraste entstehen aus Intuition, ohne Nachdenken.

Zug der Tanzfiguren

4 Pappen von Franz stehen da, bemalt mit einem fliegenden Berg und floral wucherndem Gekröse, Blattwerk und Geschlinge. Damit fordert er mich zur Fortführung der Zusammenarbeit auf. Diese Vorgaben stellte ich Im Atelier auf Beobachtungsposten, um alsbald zu antworten.

Durch die zeichnerische Verbindung mit den Collagenumrissen formierten sich die Tanzfiguren in den letzten Tagen zu einem Zug. Das erinnert an den Anfang der Arbeit an diesem Reliefexemplar vor einem Jahr. Dort reihten sich Tanzfiguren als Wiederholungen aneinander. Vom unteren Teil der aktuellen Reliefform will ich eine Frottage machen. In diese setze ich dann, auf Rolle 9 und auf Einzelblättern, den Zug der Tanzfiguren. So ergibt sich am unteren Abschluss des Gesamtreliefs, die Möglichkeit, einen dunklen Bodensatz aus Figuren und Räumen zu formen.

Öfter füge ich Umrisslinien in die Buchmalereien ein, die Farbflächen umgrenzen, die aus Handballenabdrücken entstanden sind. Heute habe ich das unterlassen, weil sich solche Linien bilden, wenn ich die Malereien in die Collagen einfüge. Dann wähle ich den hellen Grund aus und entferne ihn. Die Linie entsteht an der Schnittkante.

Das ist die Arbeit der nächsten Tage

Die Zusammenführung der Buchmalereien mit den Tanzfiguren für die Bemalung des nächsten Reliefs, kann von den Collagen ausgehen. Die Umrisszeichnungen davon werden auf Rolle 9 weitergeführt. Das ist die Arbeit der nächsten Tage. Die Überlagerungen der Tanzzeichnungen untereinander habe ich gestern probiert und die Ergebnisse heute in die Collagen eingefügt.

Am Abend las ich über die Malerei von Pasolini, die eng mit seinen Filmen verbunden war. Franz brachte mir den Aufsatz mit. Außerdem blätterte ich in einem DDR-Buch über das Kabarett von 1900 bis 1930 in Berlin. Die Sprachen, in der die Anekdoten aneinandergereiht wurden und die des Altberliner Humors, waren schwer erträglich. Bei genauerem Lesen wurde es mir schlecht. Aber ich entdeckte auf einer Fotografie des Alexanderplatzes Handkarren, teils gezogen, teils geschoben. So stelle ich mir das Gefährt der Brüder Fizner vor, mit dem sie das Modell des Breslauer Domes durch Deutschland zerrten.

Meine malerischen Erlebnisse befrage ich in den Buchmalereien nach neuen Formen, die die Arbeit am Relief unterstützen sollen. Weil das Nachdenken darüber an Grenzen stößt, probiere ich damit herum. Zunehmend denke ich schon beim Aquarellieren an die Eignung dessen, was ich gerade mache, für die Collagen.

Nachgeholt

Gestern versuchte ich das Versäumte der letzten Tage nachzuholen. Auf 4 Blättern und auf Rolle 9, begann ich mit 9 Tanzfiguren zu arbeiten. Sie sollen sich mit Umrisszeichnungen von Buchmalereien und Collagen verbinden. So entstehen weitere Motive für die Reliefs. Bisher habe ich die Figurengruppen, die in der Vergangenheit entstanden sind übernommen, ohne sie mit anderen Zeichnungen zu kombinieren. Das ist nun neu, und ich muss schauen, ob dieser Arbeitsschritt in den Collagen und auf Rolle 9 etwas ergibt, was mich weiterbringt.

Außerdem beschichtete ich die Rückseite des Reliefs, das sich noch fest in der Form befindet. Das Pappmache scheint nun trocken und bereit zu sein, um es herauszulösen, und auch die Vorderseite grundieren zu können. Spannend bleibt, ob das Exemplar, während der weiteren Bearbeitung, ganz plan bleibt.

In den Buchmalereien nähere ich mich malerischeren Strukturen. Die Handballenabdrücke sind nicht mehr nur für den Motivtransport von einem zum anderen Format da, sondern entwickeln eigenständige farbige Strukturen. Um sie besser zu nutzen, muss ich bei aller schnellen Rhythmik der Vorgänge, vorsichtiger mit ihnen umgehen. Die Schnelligkeit ist manchmal zerstörerisch, wie auch beim Zusammenstellen der Collagen am Bildschirm.

Rückkopplungen

„Echo aus der Zukunft“ hieß ein Filmbericht des Hessischen Rundfunks, der die Arbeit verschiedener Künstler vorstellte, die mit der Wissenschaft kooperieren. Das scheint mir ein wichtiger Ansatz zu sein, um sich in die aktuellen Tendenzen und Entwicklungen hineinzubegeben, sich mit ihnen ausainanderzusetzen. Neben rein konzeptionellen Ansätzen gab es auch neue bildästhetische Auswirkungen.

Mit meinen Collagen und ihren Rückkopplungen, kann ich Arbeitsrichtungen einschlagen, die für mich neu sind. Die Umrisszeichnung einer Buchmalerei vom April, fügte ich, mit den heutigen Buchmalereien und den gestrigen Schichten, in die Collagen von heute ein. Wenn ich diese vielen Werktagsschichten in einem Film montiere, ihn schnell ablaufen lasse, können Formen entstehen, die alles allgemeiner zusammenfassen. Das könnte eine Antwort auf die Masse von den Arbeiten sein, die konzentriert sein wollen.

Das Problem des digitalen Arbeitens ist für mich, dass ich mich nicht von den attraktiven Möglichkeiten der Bildgestaltung ablenken lassen darf. Das Moderne der Technik, bedeutet nicht automatisch künstlerischen Fortschritt. Das ist meine Erfahrung aus den Neunzigerjahren. Es hat sich z.B. bewährt, mit älteren Programmen zu arbeiten.

Verlorene Substanz

Arbeitspausen fallen mir nicht leicht. Mehrere Tage ohne die Weiterentwicklung der Ideen für die Projekte, sind einerseits schwer auszuhalten, andererseits merke ich, dass mir der zunehmende Abstand auch gut tut. Ich hinterfrage meine Gestaltungsentscheidungen und suche nach anderen Varianten.

Von meinem Vater, dem ich eine Apsara auf einer Portraitscherbe zum 86. Geburtstag schenkte, bekam ich ein Buch über das Berliner Kleinkunstgeschehen von 1900 bis 1930. Ein DDR – Verlag gab eine Sammlung von Anekdoten dazu heraus. Die kleinbürgerlich – proletarische Sprachkultur dieser Zeit, hat sich bei ihm erhalten. Es ist, als würde sie nun deutlicher wiedererscheinen.

Das nächste Relief ist fast trocken. Ich habe noch kein Motiv dafür erarbeitet. Termine hielten mich in den ersten zwei Wochentagen davon ab. Auch heute gibt es eine lange Videokonferenz. Ich hoffe, dass sich die Arbeitsbegegnungen bald normalisieren. Ich habe das Gefühl, dass bei der Zusammenarbeit auf digitaler Basis, viel Substanz verloren geht. Es hat etwas von einer Vorausschau des gesellschaftlichen Lebens.