Die Absicht, absichtslos zu sein

Nach den Lavaabdrücken, Energieverwirbelungen, Handballenprints und Verwischungen, habe ich eine Figur vom 11.09. 2010 herübergeholt und in die gegenwärtige Buchmalerei eingefügt. Dort schreitet sie etwas fremd, wie Kapitän Ahab, durch die Szenerie.

Am Morgen meinte ich, mit den letzten zwei Tafeln des Väterportraits bereits die Rekonstruktion und Weiterentwicklung des Kraftfeldes vorbereiten zu können. Die Figuren von 2010, die ich während der Arbeit am Relieffries in die Tagebücher gemalt habe, erzählen andere Geschichten. Die erneute Vermischung der tanzenden, schwebenden, schreitenden, stürzenden und sich wandelnden Figuren, schafft auf dem neuen Fries einen Interpretationsraum, der mit der Absicht, möglichst absichtslos zu sein, entsteht.

Gestern gelangte ich in die Endphase der Ornamentschicht auf dem aktuellen Reliefformat. Ich zwinge mich zur Ruhe und versuche locker und gleichzeitig spannungsvoll zu agieren. Die unterschiedlichen Linienstärken, die ausfließende Tusche, die kleinen Flecken, die dadurch entstehen, fügen Miniaturen zusammen, die aus den Splittern kleine Einzelbilder machen.

1, 2 und 3

Trotz des Lärms in der Nachbarschaft, zeichnete ich dort an den Ornamentflächen auf den Splittern des Reliefs weiter, wo ich vor 10 Tagen aufgehört hatte. Wenn ich die Konzentration halte, werde ich in dieser Woche mit diesem Relief, des ersten Scherbengerichtes mit der Nummer 4, fertig. Die restlichen 2, die zur Fertigstellung des gesamten 2. Exemplars des Väterportraits fehlen, sollte ich in diesem Sommer noch schaffen.

Mit meinen Gedanken und Sinnen gleite ich schon hinüber in das Kraftfeld 3, das aus der Rekonstruktion des verlorenen Kraftfeldes 1 hervorgehen wird. Die Lektüre der Arbeitstagebücher aus dieser Zeit, lassen mich auf die Figuren der Buchmalereien zurückkommen, die ich parallel zur Herstellung des Relieffrieses gemalt habe. Wenn ich sie vergrößere um aus ihnen Material zu gewinnen, mit dem ich eine weitere Schicht auf die ausgeformten Tafeln setze, würde das zu der Erweiterung um die persönliche Ebene führen. Die allgemeine und selbsterklärende, aus dem „Trixel Planet“ hervorgegangene politische Ebene, würde zugunsten eines Zusammenwirkens mit den Tagebuchfiguren, in den Hintergrund gerückt. Diesen Entwicklungsschritt habe ich beim Väterprojekt bereits begonnen.

Kraftfeld 2 hatte sich ebenfalls mit der Entwicklung der Stadtgesellschaft durch Zuwanderung beschäftigt. Allerdings habe ich die „Trixel“, also die gleichseitigen Dreiecke, mit der virtuelle Skulpturen umschrieben werden, als formalen Grundbaustein benutzt. Und die sich wiederholende und ineinander greifende Ornamentik, sollte die Körper umschreiben. Das war einer der seltenen Fälle, wo mir die Luft ausgegangen war und es nicht mehr dazu kam. Im Zuge von Kraftfeld 3, könnte ich auch diesen Faden wieder aufnehmen.

Keine Wirkungsästhetik

Etwas Kühle einzufangen am Tisch im Fächeln des Gärtchens, gelingt mir schreibend mit meinem Füller. Über dem Bagger, 60 m hinter mir, weht die polnische Flagge. Die Eidechsen jagen im Verborgenen unter den Ahornblättern, die im Schatten der Weide sehr groß werden.

Ich stelle mir die Frage, was es für mich bedeutet, ohne Wirkungsstrategie zu arbeiten. Noch als ich am, nun verlorenen, Kraftfeld gearbeitet habe, dachte ich, dass der selbsterklärende Charakter des Werkes das sinnvoll unterstreicht, was das wesen meiner Arbeit ausmacht. Heute stellt sich das für mich anders dar. Entsprechend wird es keine wirkliche Rekonstruktion des Werkes geben.

Die gesteigerte Aufmerksamkeit wird die Zeit, die ich mit dem 3. Kraftfeld verbringen werde, strecken. Schon die Lektüre des Handbuches zu Christa Wolfs Leben, ist der Beginn dieser Arbeit.

Menetekel

Es macht mir Freude in den Tagebüchern von 2010 zu lesen. Ich arbeitete damals an dem Relieffries der nun zerstört ist. Das tat ich genauso planvoll und regelmäßig, wie ich das gegenwärtig mit dem Väterprojekt mache. Gestern zeigte ich das zerstörte Werk meiner Frau. Bei der Gelegenheit sammelte ich ein paar Stücke der zerfledderten Objekte auf. Die einzelnen Pappflecken zeigen noch die Sorgfalt der Bemalung, wie ich mit den Reliefs geradezu liebevoll umgegangen bin. Das ist auf den kleinen Fragmenten noch besser wahrnehmbar, als auf den großen Formaten.

Ruhig zeichnete ich bin in den Abend an den Ornamentgesträuchen weiter. Während der Arbeit an den Collagen wird mir deutlich wie ich die Linienflächen variantenreich stapeln kann. Der Durchblick auf das Geschehen vom Vortag und auf die heutige Buchmalerei sammelt sich da zu einer bildlichen Beschreibung meiner Tagesatmosphären.

Der Raum, in dem ich die Rekonstruktion vom „Kraftfeld“ angehen will, das Holzlager, passt zu meinem Schreiner-Gesellenbrief. Ich habe das Gefühl, dass mich die Rekonstruktion in weitere Gefilde von Aufarbeitung älterer Themen, in meiner heutigen Bildsprache, führen wird. Exemplarisch dafür ist das Konstruktionsgerüst das beim Abriss des Palastes der Republik sichtbar wurde. Es landete zwischen den Fundstücken der Ethnologischen Wanderungsspurensuche, wie ein Menetekel und schafft einen Bezugsraum zum Humboldt-Forum. Es wird sicherlich bei der neuen Ausprägung des Frieses eine wichtigere Rolle spielen als zuvor.

Spannungsrahmen

Die Zerstörung der Arbeit „Kraftfeld“ ist für mich eine Zäsur. Es gibt eine Zeit vor und nach dem Wasserschaden. Die Rekonstruktion und Erweiterung des Reliefs wird durch eine in Gang gesetzte Erinnerungsmaschinerie gestartet. Mit den Bilderinnerungen erheben sich die Apsaras als Schutz und Voraussetzung für das Gelingen und die Rigorosität, mit der ich diese Arbeit im Holzlager angehen will. Die Wanderungsgeschichten erstrecken sich auf den Komplex der Texte von Christa Wolf, auf Trixel Planet und auf das Väterprojekt unter dem Aspekt der Wanderungen.

Ich suche in den Tagebüchern von 2010 und 2011nach den damaligen Voraussetzungen des „Kraftfeldes“. Dabei denke ich an einen schönen Text, den eine Freundin, im kalten Holzlager vor dem Relieffries, geschrieben hat. Außerdem erscheinen mir die Buchmalereien von damals, wie die Erweiterung der Reliefbemalung. Sie stehen in Spannungsrahmen von stilisierten Figuren, abstrakten Formen, mit großer wirbelnder Emotionalität und Energie in die Bücher eingetragen. Dieses ganze Material eröffnet nach zehn Jahren ein neues Potential, das in die Rekonstruktion und Erweiterung einfließen wird.

Virtuelle und analoge Besuche zum Thema „YOU&EYE“ haben gestern die Kontinuität meiner gegenwärtigen Reliefarbeit unterbrochen. Dennoch entstanden die drei neuen Buchmalereien und weitere Ornamentgesträuche auf dem aktuellen Relief.

Kraftfeld – Gesträuch

Am Morgen ging mir die Rekonstruktion des Kraftfeldes durch den Kopf. Inspiriert durch das Buch über Christa Wolf, das ich gerade lese, erinnerte ich mich an meinen Versuch, das Erzählgewebe, von dem sie oft sprach, in einer Holzschnittreihe darzustellen. Es handelte sich um Schichten, die übereinander gedruckt und in einem Raster aus mehreren Formaten angeordnet, eine übergreifende größere Figur zeigen.

Die verschiedenen Projekte zum Thema „Kraftfeld, bestehen auch aus mehreren unterschiedlichen Schichten. Es gibt die vielen Wanderungsspurenfiguren, die ich in einem Liniengeflecht übereinander modelliert habe. Es gibt nun das zerstörte, zwölfteilige Relief, das nur noch in Fragmenten vorhanden ist. Dazu kommt die Komposition für zwei Personen einer Stimme oder für zwei Stimmen einer Person, die Carola im Holzlager aufnehmen will.

Christa Wolf setzte mich auf die Spur meiner Medea-Arbeiten, die über Jahrzehnte aus verschiedenen Anlässen entstanden sind. Die Exilfigur Medea findet einen Zusammenhang mit den Wanderungsspuren des Kraftfeldes und meiner eigenen Bewegung, 1984 von einer Welt in die andere. In dieses Gewebe, das bei mir ein Gesträuch ist, wachsen nun die Triebe einer neuen Handprintwanderung. Diese Zusammenhänge bilden nun das 3. Kraftfeld.

Gedoppelt

Ich halte mich am Ornamentieren der Splitter des Reliefs fest. Die Arbeit zieht sich hin und erfordert jetzt am Ende viel Geduld. Die Kraft sollte reichen, wenn ich vernünftig bleibe.

Carola war gestern da und besichtigte das alte Holzlager mit dem zerstörten Relieffries. Es gibt eine Komposition für zwei Gesangsstimmen von einer Person. Die Sängerin muss also gedoppelt werden. Den Fries möchte ich rekonstruieren. Das werde ich in diesem Raum machen. Der doppelte Fries und die Komposition mit der zwiefachen Einzelstimme. Ich kann mir ein Video vorstellen, das dort zu diesen Themen gedreht werden kann.

Jetzt spendet das Gärtchen ein angenehm kühles Klima. Das Rolltor ist nur halb oben und eine zweite Tür ist offen. Vögel treffen sich, Eidechsen jagen und ich schaue auf das Wachstum.

Schmerz

Der Schmerz des Verlustes des großen Reliefs, des ersten Kraftfeldes, das ich in den Jahre 2010 und 2011 entworfen, umgesetzt und im Balken ausgestellt hatte, überfiel mich in der Nacht. Das zu überwinden ist umso schwieriger, als die Verantwortung dafür nicht bei mir liegt. Ich befinde mich immer noch in einem Schockzustand, der mir noch nicht erlaubt, Entscheidungen darüber zu treffen, wie ich mit dieser Katastrophe in Zukunft umgehen werde, welche Konsequenzen ich ziehe.

Gestern blätterte ich in meinen Medea-Arbeiten aus 30 Jahren. Dazu gehören mehrere Zeichnungsserien zu Inszenierungen von „Medea Stimmen“, nach Christa Wolf in Leipzig, inszeniert von Wolfgang Engel. Weitere etwa 60 Zeichnungen machte ich in Stuttgart und bei den Proben zum Stück von Euripides, in der Regie von Uli Becker. Medea wurde damals von unserer lieben Freundin Irene Kugler gespielt. Ich selbst hatte ein Bühnenbild zur Oper „Medee“ von Cherubini gemacht, die Wolf Widder in Heidelberg in Szene gesetzt hatte. Und 1997/98 machte ich eine Installation zum Thema „Medeatlantica“ im Goetheinstitut von Salvador da Bahia.

Diese Arbeiten bilden einen Arbeitsimpuls, von dem ich nicht weiß, wohin er mich führt. Möglicherweise kann ich die Zeichnungen auf Rolle 9 weiterentwickeln, um sie auf das Väterrelief als weitere Schicht zu zeichnen. Diese Entdeckung verleiht mir etwas Kraft, von der ich gerade viel brauchen kann.

Kraftfeld Musik

In ihrer abstrakten Erscheinungsform erzeugen die Apsaras eine besondere Ausstrahlung. Die dritte dieser Figuren habe ich gestern in das Zentrum des aktuellen Reliefs platziert. Ich sollte das Thema intensiver bearbeiten. Es spricht mich am und verhilft mir zu mehr Energie. Jetzt folgt aber erst einmal die ornamentale Verdichtung der Splitter. Im jetzigen Stadium, in dem die ersten Partien einer Scherbe mit dem Gesträuch versehen sind, hat das Relief eine besondere fragmentarische Ausstrahlung.

Gestern bekam ich einen Anruf einer befreundeten Sängerin, die eine Videoarbeit mit einer modernen, extra für sie angefertigten Komposition machen möchte. Auch das Interessiert mich natürlich, denn es kann mir dabei helfen, wieder mehr Nähe zur musikalisch-zeichnerischen Arbeit herzustellen. Vielleicht wäre der Verlust des Kraftfeldes, also des großen Reliefs, durch den Wassereinbruch ein Thema, das ich durch die abstrakten Apsaras und die Musik mit verarbeiten kann.

Die heutigen starken Kontraste der Buchmalereien, habe ich durch Verwischungen etwas zurück genommen. Mit meinem feuchten Handballen ließ ich ein paar Wolken aufziehen, die ein milderes Licht auf die Szenerie werfen. Die Steinabdrücke ähneln den Höhlungsskulpturen von Joana.

Freisetzung von Kraft

Durch den Umgang mit dem Verlust meiner Arbeit „Frankfurter Kraftfeld“, konzentriert sich die gegenwärtige Arbeit stärker. Die drei PAS DE DEUX, die ich gestern korrigierend verstärkte, übertrug ich auf den oberen Teil des Reliefs. Neu dazugekommen sind drei abstrakte Kompositionen aus Geraden und Bögen, die die Rolle der Apsaras übernehmen. Ihre leichte Gestalt verkörpert einen helfenden und einen fragenden Aspekt. Sie sind fremd genug, um den Abstand zu wahren und das Geschehen schwebend zu begleiten.

Die Erfindung der abstrakten Apsaras hat Auswirkungen auf die Buchmalereien. Sie folgen einer strengeren, reduzierteren Arbeitsweise. Dafür nimmt die Farbigkeit zu. Das ist ungewohnt und hat wohl mit dem Umgang mit der Arbeit vor dreißig Jahren zutun, denn ich tauche mit den Tanzmotiven, in meine künstlerische Welt dieser Zeit ein.

Den ersten Teil des Frankfurter Kraftfeldes, hatte ich 2010 fertig gestellt. Der zweite Teil, der aus den dreieckigen Formen bestand, die man zu vollplastischen Objekten zusammenfügen könnte, ist danach nicht fertig geworden. Dazu fehlte mir die ausdauernde Kraft. Vielleicht wird sie ja nun freigesetzt.

PAS DE DEUX

Die Kompensation des Verlustes des großen und für mich wichtigen Reliefs, kann ich nur durch Kontinuität der Arbeit erreichen. Das versuche ich zunächst mit dem Weiterzeichnen auf Rolle 9 und mit der Arbeit am aktuellen Relief. Außerdem probiere ich die Katastrophe mit einer produktiven Idee aufzufangen.

Zunächst müsste ich die Reliefrohlinge neu abformen. Das würde mehrere Monate in Anspruch nehmen. Dieser Aufwand würde aber nur durch eine Weiterentwicklung des Projektes gerechtfertigt sein. Diese Energie müsste ich nach der Beendigung des zweiten Väterdoppelportraits aufbringen können. Ich will das Werk also trotz seiner Zerstörung nicht aufgeben.

Die Tanzzeichnungen von 1991 bekommen neue Kraft. Die korrigierten Umrisse werden spannungsvoller. Die Linien, die beim Hin- und Herrollen durchscheinen und in den Umrissen mit Tusche festgehalten werden, überlagern sich zu Nachbarschaftsgesträuchen, die von den vorherigen und folgenden PAS DE DEUX stammen. Das Figürliche fasst dadurch mehr Fuß. Es kommt aus den Erinnerungen an die Arbeit mit den Tanzensembles.

Verlust

Mein großes Unbehagen während der starken Regegüsse der letzten Tage, war nicht unberechtigt. Der unsachgemäß gelagerte Relieffries „Frankfurter Kraftfeld“, der 2010 fertig gestellt wurde, ist durch eindringendes Wasser zerstört worden. Es handelt sich um eines meiner Hauptwerke. Es maß zusammen 2 X 15 Meter und bestand aus 12 Formaten. Die ganze Erfahrung der Wanderungsspurenarbeit steckte in ihm.

Nach dem ersten Schock bin ich sofort zu Arbeit an Rolle 9 übergegangen. Dort zeichnete ich drei Figurengruppen aus „West West“, veränderte sie zu strenger geformten Elementen, die auf dem aktuellen Relief ihren Platz finden werden. Daneben gibt es noch vielleicht zwei gegenstandslose Konstruktionen, die die begleitend schützende Rolle der Apsaras übernehmen sollen.

Gleich nach der Entdeckung des großen Verlustes dieser wichtigen Arbeit, daneben sind auch noch Bilder, wie das zweiteilige „Liebe Schwester tanz mit mir“, in Mitleidenschaft gezogen worden, überlegte ich mir, die Arbeit noch einmal herzustellen. Vielleicht kann ich die Erfahrungen, die ich in den letzten zehn Jahren mit der Reliefarbeit gemacht habe, dort einbringen.

Arbeitsweisen

Die ersten Figurenumrisse, die ich auf das neu grundierte Relief gezeichnet habe, fügte ich in die Collagen ein. Die Auseinandersetzung mit ähnlichen Figurenkompositionen, an mehreren hintereinander liegenden Arbeitstagen, die Vertrautheit, die dadurch entsteht, erscheint mir für die Weiterarbeit notwendig zu sein. Ich nenne das nun entstandene Element, die „West West Gruppe“.

Zu dem geplanten Theatervorhang des Tanzstückes gibt es einige Zeichnungen. Sie zeigen eine Abfolge von Elementen, die sich in ihrer Reihung, wie beim Tanz, auf die vorausgegangenen Formen beziehen. Dort klingt schon die Arbeitsweise der Transparentpapierrollen an. Bei der Durchsicht der Zeichnungen kamen mir immer wieder Motive vor Augen, die sich für die Bemalung der weiteren Reliefs eignen würden.

Aus den Kulissenkonstruktionsstäben und Gravitationsschwüngen wachsen lanzenartige Gegenstände, die von Höhlenmalereien stammen könnten. Es sind Gegensätze zu den kreisenden Linien. Sie unterbrechen das Schwingen, bremsen eher. Sie Steinabdruckseen vermitteln zwischen diesen Fronten, laden die lanzettenartigen Boote in ihre Buchten zum Verweilen ein.

Ikonostas „West West“

Nach dem kühlen Sommerbeginn, habe ich hier im Atelier, erstmalig wieder das Rolltor hochgezogen. Nun zieht es mich noch öfter hinaus in das Schatten spendende Gärtchen. Gestern stürzte Regen in rauschenden Mengen vom Abend vom Himmel. Der Wiese tat es gut. Man sieht es ihr sofort an, wenn sie genug trinkt. Die Asche des Brombeerfeuers ist in den Boden als Dünger hineingespült worden.

An Sonn- und Feiertagen, an denen ich keine Collagen mache, gestalten sich die Buchmalereien freier und selbstbezogener. Es sind Experimente um ihres selbst Willen. Ich arbeite nicht mit Blick auf ihre Eignung für die Weiterverarbeitung.

Auf Rolle 9 arbeitete ich an der Figurengruppe weiter. Ich füllte sie nur mit Material aus ihren eigenen Linienstrukturen, die beim Hin- und Herrollen durchscheinen. In den Tagebüchern forschte ich, um welchen Anlass es sich handelt, aus dem die Zeichnungen 1991 entstanden sind. Und ich fand heraus, dass es sich um das Tanzstück „West West“ von Liz King in Heidelberg handelte. Ich wollte ihr damals einen Ikonostas als Stückvorhang malen. Daraus wurde nichts. Die Eigenständigkeit dieses Werkes, seine Selbstbehauptung vor dem Tanz war wohl der Grund dafür.

Weitere Schicht auf den Väterschichten

Zwei der Probenzeichnungen vom 10.12. 1991 habe ich mir für das nächste Relief herausgesucht. Weil mir die Qualität nicht reichte, zeichnete ich sie korrigiert auf Transparentpapier durch. Wenn ich das mehrfach mit Weglassungen und Linienveränderungen mache, kommt es zu einer größeren Dichte und Spannung.

Über diese neu auflebenden Figuren bin ich überrascht. Sie schaffen eine neue Energie, um das große zweite Väterrelief in diesem Sommer fertig zu machen. Dafür möchte ich dann später einen Rahmen bauen, auf dem ich die Einzeltafeln einfach montieren kann. Vielleicht aus verschiedenen Varianten durcheinander…?

Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, das nächste Exemplar freier zu gestalten, wie eine Improvisation. Ich könnte mir eine Arbeitsweise, wie bei den Buchmalereien vorstellen, mit eben diesen Farben und mit ausholenderen Gesten, dem Format entsprechend. Dabei spielt meine Haut eine Rolle, die meiner Hände, als weitere Schicht auf den Väterschichten.

FRAGMENTIERT ÜBERLAGERT VERWISCHT

In den jüngeren Transparentpapierrollen finde ich Konstruktionen mit Geraden, Bogenlinien und Verläufen der Synaptischen Kartierungen. Diese Konfrontationen schaffen Energiequellen. Am 4.6. 2018 hatte ich die Zeichnung eines Gesichtes vom 8.8. 1987 auf die aktuelle Rolle übernommen. Das nahm ich heute zum Anlass, mir die Zeichnungen aus dieser Zeit noch einmal genauer anzuschauen. Manches scheint mir in einem wenig persönlichen Stadium hängen geblieben zu sein. Aber die Figuren sind weiterentwickelbar. Sie stammen von Tanzproben in Heidelberg.

Ganz anders hingegen, die Probenzeichnungen vom Akademietheater im Wien, aus dem Jahr 1995. George Tabori probierte damals eines seiner Stücke, und mich inspirierte das zu einem eigenständigen Zeichenstil. Sein charmantes Lob für meine Zeichnungen, klingt heute noch in mir: „Frank, wenn meine Inszenierung so schön wird wie deine Zeichnungen, werde ich sehr froh sein.“

Auf Rolle 9 verdichtete ich gestern die Füllungen der Figurenumrisse, indem ich das Transparentpapier von hinten nach vorne und in die entgegengesetzte Richtung rollte, um die durchscheinenden Linienlagen übereinander einzufügen. Am Ende fügte ich eine undatierte Tanzzeichnung ein, deren Qualität darin besteht, dass sie einen Übergang in die Gegenstandslosigkeit zeigt. Auch die Themen der Buchmalereien lösen sich in ihrem Triospiel teilweise auf. Sie werden fragmentiert, überlagert und verwischt.