Verstecken oder klären

Verstecken oder klären – es sind keine eindeutigen Entscheidungen innerhalb der Buchmalereien möglich – oder durch verunklaren klären? Mit Unschärfen Räume definieren, in denen nichts zu klären ist! Ich verstecke und verwische die neu gefundenen Figuren und Formen, um ihre Eindeutigkeit weiter zu unterdrücken. Es geht mir vor allem darum Impulse zu schaffen, durch die Räume gefüllt werden können.

Im Römer fand gestern die diesjährige Verleihung des Gründerpreises der Stadt Frankfurt statt. Ich wurde auf der Bühne zu meiner Preisfigur befragt. Die Leute kamen teilweise in Abendgarderobe. Reden, Kameras und alles was in der Öffentlichkeit von der veranstaltenden Wirtschaftsförderung unter Coronabedingungen verlangt werden kann.

Carola begann im Holzlager ihre Aufnahmen der neuen Gesangskomposition einzurichten, die sie in den kommenden Wochen aufnehmen will. Wir besprachen, dafür die zwei fertigen Väterportraits an die Stirnwände des Saales zu hängen. So beginnt eine neue Dialogsituation zwischen Musik und Bildern. Mit Franz werde ich heute, nach der Videokonferenz zu „You&Eye“ unsere nächste gemeinsame Ausstellung besprechen, die wohl schon am Wochenende eröffnet werden soll.

Abstand

Immer noch versuche ich mich von meiner Arbeit weiter zu entfernen, um sie aus größerem Abstand betrachten zu können. Damit will ich meinen Zugriff auf die Themen erneuern. Auch Olivers Ausstellung brachte sowohl Bestätigung, als auch neue Impulse. Uns haben seine Schichtungen und Kompositionen so gefallen, dass wir eine Arbeit von ihm kaufen wollen. Das fühlt sich neu und gut an.

Mit einem Bilderkennungswerkzeug von Google, nehme ich manchmal Buchmalereien von mir auf, um nach verwandten Gestaltungen zu suchen. Eigentlich ist das ja überflüssig. Ich sollte nach dem Gegenteil, dem größtmöglichen Kontrast suchen, oder nach musikalischen Entsprechungen.

Carola kommt gleich, um im Holzlager die Aufnahmen ihrer Gesangskomposition vorzubereiten. Weil sich das zerstörte Relief dort befindet, entsteht für mich eine spannende Situation. Ich will sie auf mich wirken lassen und schauen inwiefern sie sich auf die Rekonstruktion auswirken wird. Ich stelle mir Relieffragmente mit Weidenrutenbögen als Objekte vor…

Sporadische Umrisse

Nachdem ich gestern die letzte Reliefplatte des 2. Exemplars des Väterprojektes abgeformt und zum Trocknen unter den alten Ficus gelegt hatte, vertiefte ich mich in die weiteren Überlagerungen innerhalb der abstrakten Apsaras auf Rolle 9. Dieser Vorgang geht mir leicht von der Hand. Deshalb eignet er sich, durch die stetige Verdichtung, in einen meditativen Zustand zu gelangen. Ich frage mich, ob das mit Zen-Meditation vergleichbar ist.

Noch einmal dachte ich über die, sporadisch in den Buchmalereien auftretenden, Umrisse menschlicher Figuren nach. Erscheinen sie unbeabsichtigt, also ohne ein Sinnen auf Weiterverwendbarkeit innerhalb der Collagen oder Reliefs, eignen sie sich eher, um mit ihnen weiter zu arbeiten. Am Morgen wollte ich in den aktuellen Malereien nach ihnen zu schauen, um sie vorsichtig hervorzuheben, ließ es aber. Dennoch will ich sie auf dem letzten Relief auftreten lassen, umgeben von vielen kreisenden Apsaras.

Das ist der Übergang zum Kraftfeld. Und mit der Arbeit daran, die aus Rekonstruktion und Weiterentwicklung besteht, beginne ich nach der Fertigstellung des 2. Väterreliefexemplares. Ich freue mich auf eine ruhige Beschäftigung mit vielen Anschlussmöglichkeiten.

Die nächsten Schichten

Auf Rolle 9 ging es mit den Apsaras in die nächsten abstrakten Schichten. Transparentpapier, darauf Tuschelinienverflechtungen führen mich in einen meditativen Zustand, der es mir erlaubt, tiefer in meine „Synaptischen Kartierungen“ eintauchen zu können. Eine weitere Tiefenbohrung geschieht durch das Scannen der Tuschezeichnungen und die Verwendung in den Geweben der Collagen, in denen sich die Schwünge der Buchmalereien mit denen von Rolle 9 überlagern.

Auf dem Splitbelag des Grünstreifens der Frankenallee sah ich heute sehr schöne Fahrradbremsspurenbögen und –kreise, die mich an meine Gravitationsschwünge erinnern. In der zweiten Buchmalerei habe ich eine solche Figur, die ich fotografiert hatte, aufgenommen.

Das „Kraftfeld“, das im Holzlager ausgelegt ist, fordert nun dazu auf, mich um seine Rekonstruktion zu kümmern. Am Morgen gingen mir die derzeitigen Figurenumrisse durch den Kopf, die ich auf die neuen Abgüsse des Kraftfeldreliefs zeichnen würde. Sie könnten auf die Größe der verflochtenen Wanderungsspuren gebracht werden, aus denen ich das dreidimensionale Linienangebot geformt habe.

Der erste Schritt

Der Höllenlärm der Baumaschinen übertönt die startenden Flugzeuge. Es ist nicht leicht, einen klaren Gedanken zu fassen.

Gestern ging die Nachricht um die Welt, dass Charlie Watts gestorben ist. Meine Trauer vermischt sich mit der Erinnerung an sein neugieriges Wesen im Backstagebereich des Hockenheimringes, während der Voodoo Lounge Tour. Ich zeichnete dort mit minimalistischen Strichen Keith Richards und Ronny Wood am Billardtisch, wobei er mir über die Schulter sah. Sein persönlicher Besuch vor der Show bestand aus älteren, weißhaarigen Damen in sehr gepflegten Kleidern und gehobener Konversation, als hätten sie sich verirrt. Nun bin ich gespannt, ob Keith Richards und Mick Jagger versuchen werden, die Stones, vielleicht mit Steve Jordan am Schlagzeug, weiter existieren zu lassen.

Im Holzlager, das ganz frei geräumt ist, legte ich die zerstörten Relieftafeln des Kraftfeldes 1 auf den Boden. Dieser erste Schritt der Rekonstruktion und Weiterarbeit, ist mir nicht leicht gefallen. Eine abstrakte Apsara, die vom vorletzten Relief des Väterportraits stammt, zeichnete ich auf Rolle 9, und begann sie mit den Tuschelinienstrukturen, die auf der Rolle vorausgegangen sind, zu verbinden. Am Montag bin ich zu einem Interview im Römer eingeladen… So beginnt das Arbeitsleben wieder.

Schatten

Nach dem Supermarkteinkauf am Morgen bin ich mit meinen Buchmalereien nicht warm geworden. Es war hölzern und holperte. Gestern zeichnete ich ein Blatt auf dem die abstrakten Apsaras den unendlichen Raum vermessen. Auch da gelang mir erst spät, etwas Spannendes zu entwickeln.

Der Schatten der Weide, die ihr Volumen im vergangenen Jahr verdoppelt hat, spielt auf meinem Arbeitstisch. Von daher scheint eine Erinnerung auf, die mich nach Dresden führt. Dort zählte mich ein Mitarbeiter der HfBK an, weil ein Schattenspiel auf dem Blatt stattfand, auf dem ich zeichnete. Ich weiß noch, dass ich mich voll auf das Modell konzentriert hatte und gar nicht bemerkte, was da auf dem Papier geschah.

Und jetzt nahm ich mir noch einmal das Tagebuch von 1978 vor, das ich aus Anlass der Arbeit an einer Holzschnittreihe zum Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz begonnen hatte. Schon damals hatte ich mich sehr tief in die Arbeit hineinbegeben, einen kurzen Briefwechsel mit Siegfried Lenz dokumentiert und die Arbeitsschritte an Skulpturen und den Holzschnitten beschrieben, ähnlich wie heute.

Apsaras

Durch das hochgezogene Rolltor blicke ich in meinen Dschungel. Ein Rotkehlchen hüpft herum, als sei es hier zu Hause. Es schaut mich wie einen fremden Eindringling an. Kerstin hat die Wildheit des Gärtchens, das viel Wasser braucht, während unserer Ferien erhalten, wie eine Apsara, die die Fäden der Schöpfung in der Hand hält.

Meine abstrakte Apsaras manövrieren sich in den Vordergrund. Aus ihren Gravitationsschwüngen entspringen die Geraden, die mit den Schnittpunkten verbunden sind. Ihre Energie bildet Kraftfelder, die nicht zielgerichtet funktionieren. Sie existieren und suchen nach ihrer Bestimmung. Mir fällt eine Parallele der Kraftfelder zu der tastenden Improvisation „Before Bach“ von Brad Mehldau auf. Das Rotkehlchen wispert, schmettert kurz auf, um dann wieder zu flüstern. Das sind Kraftlinien, die sich durch den Garten ziehen.

Der große Abstand zu meiner Arbeit ist mir recht, will ihn auch nicht mutwillig und schnell verringern. Neue Konstellationen sollen sich langsam einrichten.

Das Restaurant gegenüber ist wieder in Betrieb. Unaufhörliches Plappern, Lachen und Geklapper. Es klingt gut!

Vor 11 Jahren

Das vorletzte Relief des 2. Väterportraits ist gestern fertig geworden. Nun nur noch eine Tafel und dann bin ich frei für „Kraftfeld 3“. Der Rhythmus der Baumaschinen, die schnellen Lichtwechsel des wilden Wetters in seinen dramatischen Himmelsszenen lenken mich etwas ab. Dazu das aufgeschlagene Tagebuch vom 04.08. 2010 und ein Klavierkonzert von Gershwin, mit dem ich den Baulärm übertönen möchte…

Die heutigen Buchmalereien sind wieder von denen inspiriert, die ich vor genau 11 Jahren gemacht habe. Papiergravuren, Schraffuren und Verbindungsbalken zwischen den Figuren in ihren kinemetrischen Wolken. Aber heute gehe ich weiter mit ihnen, denn die Themenvielfalt hat sich vergrößert. Damals hatte ich noch nicht die Klosterwände in Ladakh und im Spitital gesehen.

Wenn ich die Zeilen lese, die ich vor 11 Jahren geschrieben habe, könnte man meinen, es handele sich um einen gegenwärtigen Arbeitsbericht. An einer Stelle aber weichen sie deutlich von den heutigen ab. Es herrscht kein Mangel an Motiven für weitere Schichten der Reliefbemalungen. Deswegen bin ich auf die Arbeit am „Kraftfeld 3“ sehr gespannt.

Langsamer

In den letzten Tagen habe ich wenig gearbeitet. Es hat eine Sommerpause begonnen, in der ich etwas langsamer mache. Am Sonnabend wiederholte ich eine Zeichnung, die ich schon am selben Tag, 11 Jahre zuvor, gemacht hatte. Diesmal aber kam noch eine kleine abstrakte Apsara hinzu, wie ein Wölkchen. Außerdem benutzte ich einen Steinabdruck und Aquarellstifte, keine Tusche, wie damals.

Das „Kraftfeld 3“ wird sich auch in der Qualität der Abformungen von dem Vorgänger unterscheiden. Damals presste ich Pappschnipsel, die ich zuvor in Leim eingeweicht hatte in die Form. Das trocknete schneller, als die Pappmachemasse, die ich heute benutze. Aber sie zeigt jetzt die Struktur der modellierten Flächen deutlicher. Das wird sich auch auf die Bemalung auswirken.

Während ich einer Besucherin mein aktuelles Projekt und mein Atelier zeigte, kam ich wieder darauf, dass ich die 16 Tafeln des Reliefs, das gerade fertig wird, gerne in einem Kloster in Ladakh oder im Spitital ausstellen würde. Die Inspiration, meine Buchmalereien auf diese Flächen zu transferieren, stammt aus dem Erlebnis der buddhistischen Klöster dort und in Ladakh.