Zartes Material

Federn aufsammeln, Haare und Seidenfäden, Scherben von Taubeneiern unter dem großen Ahornbaum, den ich morgens auf der Allee gieße. Flügelschläge zeichnen Luftverwirbelungen, die bleiben auch wenn der Himmel ansonsten leer ist. Sie kommen auf 1 in meine Buchmalereien, schaffen sich ungeachtet der Kulissenwände, die nicht gerade für Stabilität sorgen, Raum, auch auf 3.

Im 2. Bild wurde einer Schlange der Kopf abgeschlagen. Das schäumende Blut trocknete alsbald und bildete eine feste Schwammblüte. Das erinnert mich an Helnwein im Heidelberger Theater, mit dem wir ein Tanzstück von Kresnik ausstatteten. Er hatte sich über die pfingstrosigen Blutflecken auf einem Bodentuch geärgert und zeigte uns dann, wie man das macht. Leider spritzte er mit ungebundener Pigmentbrühe herum, was wir dann wieder unter Mühen auszubügeln hatten.

Hinter dem Dschungel des Gärtchens sehe ich die Routinen auf dem Tevesgelände. Nun, nach 20 Jahren, ist das ein beruhigender Anblick. Auch die Figur in der 3. Malerei stahlt eine erdverbundene Ruhe aus.

Wirbel

Figuren stupider körperlicher und verbaler Gewalt verschmolzen in einem kleinen Erinnerungstornado zu einem geschlossenen Phänomen, das sich einer Wetterfront gleich über Jahrzehnte zusammenballte. Viel Gestisches in meiner alltäglichen Arbeit ist davon getrieben. So versuche ich diese Erfahrungen produktiv werden zu lassen.

So, wie die Wolken von Westen her vorbeiziehen, geht die Arbeit auf Rolle 10 mit gegenständlichen Figurationen weiter. Es ist der Zeitpunkt gekommen, dass neue Elemente das Geschehen weiter voranbringen sollten. Ich denke dabei an Schellack, der die Tuschelinien anlöst und sie beim Zusammenrollen verwischt. Ein weiteres Mittel wären Graphitfrottagen, die sich ebenfalls mit Schellackschichten verbinden lassen.

Auf der Probebühne in der ersten Malerei, löste eine Trockeneismaschine, die außer Kontrolle geraten war, ein bedrohliches Wetter aus. Das setzt sich auf 2 mit, in der Windmaschine flatternden, Kostümen fort. In Abstraktionen verstecken sich Figuren vor der rotbraun wirbelnden Kriegsmaschine. In 3 wurde die Architektur errichtet, um die Szene einzufangen und zu beruhigen. Es setzte auch eine Zentrierung der Bewegungen ein.

Glückliche Momente

Gleich zeichnete ich den Asteroidenumriss mit Walfisch und Standarte auf Rolle 10 und begann sie mit dem Vorgeschehen zu verbinden. Das Ergebnis fand auch Eingang in die 2. und 3. Collage des heutigen Vormittages. Wie in Festumzügen reihen sich die vorwiegend abstrakten Formen auf den Rollen aneinander. Figürliche Anmutungen bleiben meist vage. Dazu erfinde ich textliche Szenen, die das Geschehen vergegenständlichen. Nach dem Sinn dieses Vorgehens frage ich nicht, sondern folge alleine meiner Intuition.

Ich erinnerte mich an verschiedene Abende von Bill Forsythe, an denen das Tanzensemble mit dem Publikum zu einer produktiven Gruppe verschmolz. In „You Made Me a Monster“ zeichnete ich Schattenumrisse von Pappskelettschablonen auf Papierbögen und gab die Zeichnungen dem Ensemble, die daraus kleine Choreografien machten.

Bei „Human Writes“ stemmte ich meine Füße gegen die von Georg Reischl, damit er einen sicheren Stand für eine kraftvolle Aktion bekam. Zu anderer Gelegenheit wurde die Frage ins Publikum gerufen, ob man wisse, was Performance sei. Ich rief spontan so laut, wie nie sonst: “No!“ Dafür bekam ich dann eine kleine fulminante Improvisation geboten. – Die glücklichsten Momente mit der Company.

Asteroid

Auf dem Asteroiden, den ich mit einem durchgeschnittenen Lavastein in die 2. Buchmalerei von heute druckte, beschreiben die Ausbrüche von erhitztem Wasser die Magnetlinien des grünlichen Brockens im All. Begleitet wird er von einem Walfisch und einer Standarte ohne Träger.

Das Ausbruchsgeschehen wurde in 1 aufgenommen und verwandelt. Dadurch entstanden kalligrafische Schwünge interstellarer Zeichen. Sie lassen sich nicht entziffern. Auch die aufrechten Schnitte des Raumes, den sie umschreiben, führten nicht weiter.

Ein ähnliches Experiment fand in 3 statt. Mehrere Schichten kreisender Linien treffen da auf das Bündel der farbigen Schnitte. Die schriftartigen Bögen zeichnete ich mit ein paar Haaren von meinem Kopf, die ich aus einer Haarbürste entnahm und in eine, an der Spitze gespaltene, hölzerne Haarnadel klemmte. So entstand ein Pinsel mit 15 cm langen Strähnen. Diese tauchte ich in Aquarellfarbe und legte sie dann auf das Papier.

Defilé der Dejavus

Die 1. Buchmalerei von heute zeigt das Defilé der Zweigträger. Eine Choreografie mit Pirouetten, schnellen, verwischten Gängen und einer Polonaise. Sie führt direkt in die 2. Malerei.

Diese ist eine Kreuzigungsszene. Ein Sandsturm umhüllt die Gesellschaft der Zuschauer. Nur eine Pflanze, die rote Lanze, widersteht den tobenden Elementen.

In 3 findet die Auferstehung statt. Sie wird von einem Tornado begleitet, der den ganzen Sturm der vorhergehenden Szene an sich bindet. Jenseits seiner wirbelnden Kraft, ziehen Dejavus aufgereiht davon.

Interpretation und Improvisation

Je zurückgenommener die gestische Aktion in den Kleinformaten der Buchmalereien gerät, umso freier und unkomplizierter wird deren Entstehung. Schraffuren haben ihren eigenen Auftritt, genauso wie die Oberflächenstruktur des eingefärbten Handballens. Wenige Linien von gestern haben sich durchgeprägt und kommen noch einmal zart zur Geltung.

Gestern Abend blieb ich noch länger im Gärtchen sitzen. Die Hitze ließ nur langsam nach, die pflanzen dursten, wie ich, und der Kühlschrank ist noch voll mit kaltem Bier…

Mit ernsten schwarzen und groben Federstrichen arbeitete ich weiter auf Rolle 10. Die durchgezeichneten Strukturen werden durch die Dicke des Strichs rhythmisch freier. Hinderliche Aspekte des Zeichnens auf der Rundung der Rolle, wie die Verkrampfung der rechten, zeichnenden Hand und die breiten Spitzen der Federn, führen zu Abstraktionen der Figuren und Muster. Das werden dann Interpretationen und Improvisationen eines bildnerischen Themas.

Abstand

Der Auflösung von Strukturen um mich herum versuche ich mit der Regelmäßigkeit meiner Tagesabläufe zu begegnen. Am Morgen habe ich den Alleebaum gegossen und bin dann unter den Baumkronen ins Atelier gelaufen. Auch hier goss ich kleine Baumsetzlinge am Bahndamm und füllte den Wasserbottich für die Vögel, Insekten und Pflanzen.

Die Krisen summieren sich. Anspannung, Krankheit, Aggressivität und Niedergeschlagenheit in der Umgebung. Ich versuche Abstand zu halten, um beobachten zu können.

Mit Tusche zeichnete ich gestern weiter auf Rolle 10. Das ist ein stabiles Vorgehen. Ich dachte an archäologische Rückgriffe auf die eigene Arbeit, bin aber ganz froh über die konstruktiven Elemente in den Buchmalereien. Sie dienen der Stabilität der Collagen und des fortschreitenden Frieses auf der Rolle. Archäologie und Konstruktion.

Gewonnener Raum

Auf den großen, mit Nessel bespannten Rahmen, arrangierte ich Relieffragmente des Kraftfeldes zu einer lockeren Komposition. Wenn diese Spielerei noch weiter wächst, könnte sie zu einem wesentlichen Teilaspekt der so genannten Rekonstruktion werden. Auch die gebogenen Weidenäste mit den zerstörten Reliefteilen sind ein Beitrag der Erneuerung.

Eine dreitägige Arbeitspause, in der nur die Buchmalereien entstanden sind, räumte ich das Atelier auf, schuf frei geräumte Flächen und reinigte den Platz unter dem Dach für ein Grillfest. Der so gewonnene Raum kann nun mit einem Neuanfang gefüllt werden. Der begann schon am Vormittag mit einer kindlichen Erinnerungsfreude in der zweiten Malerei im nun vollständig gefüllten Buch.

Mein hundertzwanzig Jahre alter Ahornbaum vor meinem Balkon in der Frankenallee bedankt sich für die vielen Kannen Wasser, die er alle 2 Tage von mir bekommt, mit üppigem Wachstum neuer Triebe. Das Leben im Schatten seiner Etagen ist reicher als bei seinen Nachbarn. Ich hoffe ja, dass sich weitere Bewohner der Allee anschließen und sich um die anderen Bäume auch kümmern.

Besinnungsloser

Gestern habe ich vorsichtig mit der Tuschemalerei auf den Reliefs weiter gemacht. Die Zwischenergebnisse sind solide und etwas sehr konservativ. Aus dieser Stagnation kann ich mich mit Farbe herausarbeiten und mit dem mutigeren Gestus der Buchmalereien.

Auch die Übertragung der Tintenfiguren von Rolle 10 gelang bisher nicht. Diese erdachten Kombinationen hemmen mich etwas. Eine weniger geplante Weiterarbeit, ein besinnungsloseres Vorgehen, kann aus der Sackgasse führen. Das stetige Nachdenken über die Arbeit kann auch kontraproduktiv werden.

In eine Eintrittskarte zum Kloster Alchi in Ladakh, sind Türkisplättchen eingeschlagen, die ich am Fuß der Anlage aus dem Indus sammelte. Öffne ich das Päckchen, so liegen sie auf dem Foto der Ansicht der zusammen gewürfelten Sakralbauten und ergänzen die architektonische Gesamtstruktur. Auch eine halbe Lapislazulikugel und ein Silberperlchen sind dabei.

Spur durch ein Dickicht

Rechts berühren mich die Blätter einer kleinen Eiche, die es seit ein paar Jahren im Gärtchen am Atelier gibt. Und links von mir schmettert ein Rotkehlchen im kleinformatigen Dschungel. In einer halbgefüllten, flachen Schüssel hat es vorher gebadet. Ein Schwarm graugrünlicher Winzlinge kommt herein und eine Ringeltaube dreht, erschrocken von meinem Anblick, in der Luft um 180 Grad um, bevor sie zu Fuß zurückkommt, um an einem der Wasserbottiche zu trinken.

Gerstern zeichnete ich mit Tusche eine der 5 Tintenfiguren von Rolle 10 auf ein Relief, das ich schon mit einigen Linien bemalt habe. Es ist kompliziert und gelingt nicht gleich. Ich muss lange hinschauen, um weitermachen zu können. Die weitere Fragmentierung der Figur gelang nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Die kleinen Aktionen, die den kleinen wachsenden Garten formen, ähneln denen der Malerei. Diesem Wesen folgend will ich heraus aus der Sackgasse der Figurenübertragung auf die Reliefs. Stetes Weiterarbeiten an den Tagebüchern, Transparentpapierrollen und an der Rekonstruktion des Kraftfeldes folgt neugierig der Spur durch ein Dickicht.

Gärtnern

Auf die Kraftfeldform, die auf zwei Böcken und einer Tischplatte liegt, breitete ich graue Pappe aus, um darauf schreiben und zeichnen zu können. Auf dieser Fläche steht vor mir Rolle 10, etwa 40 cm ausgerollt. Darauf sind die 5 Figuren zu sehen, die ich gestern und vorgestern mit Tinte gezeichnet habe. An manchen Stellen zu durchlässig, verlieren sie Kraft, liefen im Bühnenlicht Gefahr, weggeleuchtet zu werden. Ich sollte die schütteren Körperteile festigen.

Die Figuren haben eine heraldisch-folkloristische Tendenz. Könnte sein dass sie das verlieren, wenn ich sie auf die Kraftfeldreliefs zeichne, die die Schnittmusterumrisse haben. Dort werden sie nämlich weiter fragmentiert und gehen eine Verbindung mit der Dreidimensionalität ein. Das ließe sich in einem Figurentheater verstärken.

Im Gärtchen versetzte ich eine schwächliche Sukkulente, vervielfältige Goethepflanzen und suche nach schattigeren Orten für die Pfennigbäumchen. Ähnlich ging ich in den Buchmalereien vor, die heute etwas aus der Art schlugen, mich aber zur Ruhe kommen ließen.

Bewegt und durchlässiger

Den Auszug einer Figur der letzten szenischen Verdichtung auf Rolle 10, zeichnete ich erstmalig mit dem Füller, den ich auch für die Tagebücher benutze, und Tinte auf das Transparentpapier. Die Linien sind viel feiner, und wenn ich die schwarzen Flächen mit ihnen schraffiere, so entsteht eine bewegte und durchlässigere Situation. Die Federzeichnungen erscheinen daneben etwas grob.

Die Brettchen leichten Schwammholzmaterials, die ich aus dem halbierten Pappelstamm breche, untersuche ich auf ihre Eignung, damit Objekte herzustellen. Aber die Sägekanten fransen aus und das Material splittert leicht.

Manche der Relieffragmente versuche ich mir mit den Federzeichnungen vorzustellen, die ich von Rolle 10 übertragen würde. Ich könnte mit der Einzelfigur beginnen, die ich gestern zeichnete. Die Buchmalereien vom Wochenende sind ziemlich wild. Nun habe ich das Temperament etwas heruntergefahren, um in ruhigere Gewässer zu gelangen.

Schicht um Schicht

Gestern zögerte ich eine Weile, welchen Umriss ich als nächstes auf Rolle 10 zeichnen würde. Ich wählte die 1. Malerei vom 6.7. aus, weil es da die verschiedenen Elemente des verspielt-blasigen Steinschnittabdruckes und das der strengen Architektur gibt. Dicht gedrängt finden sich nun die Figuren wieder. Sie spielen nun zwischen den Kulissen, von denen sie fragmentiert werden, neue Stücke in neuen Kostümen, die an die alten aber noch erinnern. Und die sich verdichtenden schwarzen Blöcke und zu Gegenständlichkeit wachsenden Linien, werfen die Fragen danach auf, was denn geschah, bevor die Szene eingefroren wurde, und wie die Geschichte weitergeht. Sind das Schienen am unteren Rand, die über Drähte mit Energie versorgt werden? Versorgen sie die Handlung mit Strom? Muster werden gestreut und backen zusammen. Leitern, Gitter und der Riesenstachel eines Skorpions treffen aufeinander, weil sich ihre Wege dort zwischen den Kulissen kreuzen.

Währenddessen entfernen sich die Buchmalereien von dieser linearen Strenge. Ihre weichen Strukturen benötigen zwar auch Gegensätze, um in ihrer Stofflichkeit wahrgenommen werden zu können, weiten sich aber durch die Farben in andere Welten aus.

Aus dem aufgespaltenen Pappelstamm löse ich Schichten von getrocknetem Schwammholz heraus. Diese Brettchen haben während des Wachstums der Jahresringe spitze Erhebungen herausgebildet, die sich in jeder Schicht die folgt, leicht modifiziert wieder finden.

Figurationen I Fernweh

11 Figurationen, Auszüge der in den letzten Tagen entstandenen Zeichnungsüberlagerungen, machte ich gestern Nachmittag. Sie haben verschiedene Charaktere. Es gibt einen etwas eckigen Kugelfisch, nervös ratternde Holzgestelle, sehr aufrecht stehende Vögel und einen bösen Märchenprinz mit Plateauschuhen. Die siebte Gestalt, zähle ich sie von links nach rechts, kniet schief und etwas versehrt, in ein finsteres Gebet versunken. Ich merke, wie ich beginne, die einzelnen Geschichten zusammen zu bringen und könnte nun anfangen, noch viel mehr zu erzählen…

Die Buchmalereien sind wenig konkret geworden. Aufrecht stehende Bären grüßen sich oder schauen in die Nebelwolken, die waagerecht verwischt oder mit dem Handballen aufgeblasen wurden. Gravitationsschleifen lösen sich in Wolken auf.

Fernweh beginnt sich breit zu machen, eine Lust auf fremde Weite. Immer der Rückgriff auf das Gesehene – Schnee von gestern auf den Gebirgspässen. Aber wir kämpfen aktuell mit den Gebrechen unserer uralten Eltern, sehen die geschrumpften Landschaften ihrer gekrümmten Körper.

Rolle 10 I JEDERMANN STIRBT I Ladakh

Umrisse der 3. Malerei von gestern zeichnete und füllte ich auf Rolle 10. Obwohl die Arbeitsschritte immer ähnlich bleiben, lässt die Spannung innerhalb des Frieses nicht nach. Es bedarf aber einiger Disziplin, die Neugier auf den Fortgang und die Hoffnung auf Neues aufrecht zu erhalten.

In einer Inszenierung von Jan Bosse sahen wir den dramatischen Text „Jedermann stirbt“, von einem Wiener Autor. 2 Stunden mit virtuosen Rampensäuen, ohne Pause. Ein Publikumsabend mit Gauklertricks auf hohem Niveau. Ich ging, froh über meine einsame Tätigkeit, der Suche nach den kleinen Forschungsergebnissen im alltäglichen Ateliergeschehen, nach Hause.

Ich überlege, mich mit Pakistanischer Buchmalerei zu beschäftigen. Damit könnte ich meiner Begeisterung für die buddhistischen Wandmalereien in Ladakh, die von daher kommen, auf den Grund gehen.

Asketische Energie

Die abgespaltene Baumstammhälfte höhlte ich gestern so weit aus, dass ich ihr Gewicht von der liegenden in eine stehende Position stemmen konnte. Das herausgearbeitete Holz lege ich ins Gärtchen, wo es die Feuchtigkeit in der wenigen Erde auf dem Beton, in der viele Bäume wurzeln, hält. Außerdem bildet sich daraus irgendwann nährstoffreiche Erde, die wiederum das Wachstum des Holzes fördert.

Auch selbsterklärende Kunstwerke tragen den Beginn eines Kreislaufes in sich. Die Kompositionen von Brad Mehldau zu Bach, erklären sich aus ihrem Bezug. Indem ich mich auf die Wandmalereien in den Tibetischen Klöstern beziehe, greife ich auf pakistanische Buchmalereien zurück, von denen sie stammen. Gelangen deren Ausläufer auf Rolle 10, so beschleunigen sich die Kreisläufe.

Ohne einen neuen Umriss verdichtete ich gestern die Muster auf der Transparentpapierrolle. Gegenüber größer werdenden Leerstellen, steht die zunehmende Schwärze, als zöge sich das Ornamentmaterial dorthin zurück. In diesem Widerschein von Askese nimmt die Energie zu.

Ferne Korridore

Durch das offene Rolltor treten die flackernden Blätterschatten ein. Sie mischen sich mit den Linien und Farbflecken der kleinen Malereien im Buch. Das pulsierende Pfeifen eines rückwärts fahrenden Lieferautos wird vom wispernden Gezwitscher winziger fremder Vögel überlagert.

Lücken auf Rolle 10 fragmentieren die durchgezeichneten Wiederholungen von vorausgegangenen Motiven. Die Geschehnisse der letzten Tage verflechten sich zu einem Gewebe. Das Hirn löscht alsbald Erinnerungen oder verschiebt sie in ferne Korridore. Mir bleiben die Ringe, ausgelöst von auftauchenden Fischen, auf der Oberfläche eines Weihers im Wald, die Libelle, die unruhige Muster über das Wasser fliegt, die Steine auf dem Weg und der Morast neben den Quellen am Hang.

Aber schon das Lichtspiel in den Baumkronen am Bach wird überschrieben von dem gegenwärtigen Geschehen auf dem Zeichentisch, der im Zugang zum Garten steht. Das Jetzt fragmentiert das Gewebe, das fadenscheinig wird wie die Gebetsfahnen auf den Himalajapässen, zu denen sich immer ganze Bündel neuer flatternder Wimpelketten hinzugesellen. Die Motive auf Rolle 10 lösen sich in Licht, Luft und Schall auf, schaffen so Platz für neue Verdichtungen.

Abstraktion und Improvisation

Mit einem blasigen, glatt durchgeschnittenen Lavastein stempelte ich die Punktwolken und Schäume auf die Linien, die sich zu Gebäuden zusammenschließen wollen. Sie werden quasi aufgeschmolzen.

Die Themen auf der Transparentpapierrolle durchlaufen Abstraktionen und werden laufend weiter improvisiert. Die Verwandtschaft zum Musizieren bildet eine Inspiration, die über die Wiederholungen der Strukturen hinausgeht. Auf den vorausgegangenen Transparentpapierrollen finden sich Überlagerungen, die aus reinen Wiederholungen bestehen. Im Extremfall entstanden daraus dunkle Flächen.

Gestern zeichnete ich aus den Zwischenräumen der Umrisszeichnung, die auf der 3. Malerei vom 28.06. basiert, 5 Figuren. 3 stehen dichter beieinander, 2 setze sich etwas ab. Es folgten 4 waagerecht ausgerichtete Musterfelder. Eine Gruppierung von den 3 beieinander stehenden Figuren und ihren ausgefüllten Zwischenräumen bildeten dann ein geschlossenes Ornamentfeld.