Traum

Wieder schnitt ich Weidengeflechte vom Baum, bearbeitete sie noch etwas und hängte sie kopfüber an das Drahtseil, das diagonal über den Platz vor dem Atelier gespannt ist. Dahinter waren dramatische Himmelskonturen und –farben, von einem warmen Wind angefacht.

Die Atmosphäre dieser Situation folgte mir in einen Traum, in dem ich Zögling eines Jugendwerkhofes war. Das zur Strafanstalt umgewidmete Kloster stand in einer Landschaft, die dem Martelltal ähnelte. Wir sammelten Knüppelholz und verarbeiteten es. Das Wetter war so, dass wir es wagten auszubrechen und stahlen Kartoffeln von den Feldern, die mit Hecken eingezäunt waren. Mein Mitflüchtling, zeigte auf eine wolkenverhangene Scharte über dem Tal und sagte: „wenn sich das Wetter bessert, steigen wir dort hinauf. Auf der anderen Seite ist mein Dorf.“

Die Buchmalereien hielt ich reduziert. Es gefiel mir, auf wenige Gestaltungselemente zu setzen, um das Geschehen zu minimieren und den Blick zu konzentrieren. Es ist das Gegenteil von den Schichtungen in den Collagen und auf den Transparentpapierrollen, die eher auf Überforderung angelegt sind. Um dies in geschweißte Gitterstrukturen an Wänden zu übertragen, bedarf es noch einiger Bildarbeit, Verwaltungsakte und Atelierbesuche.

Kram

Kram in den Regalen: Papprollen mit Transparentpapierzeichnungen darin, Holzkistchen und eine uralte Böllerpackung, laut Aufschrift 119,5 dB, umweltschonend verpackt, verwitterte Knochenscheiben, mit denen ich Muster in die Buchmalereien presse, Papiertaschetücher, Spitzerabfälle, Zeitungen. Während ich das aufschreibe, wird es ungemütlich, als ob alles zu wackeln beginnt, wie bei einem Erdbeben. Wenn ich aber nur ein farbfleckiges Taschentuch in den Müllsack werfe, oder eine Schachtel zurück in die Regale stelle, die mich vollständig umgeben, den vertrocknete Goldregen im Gärtchen abschneide, beruhigt sich alles wieder. In den Buchmalereien aber, ordnet sich der Seelenkram, der sich außer mir verteilte, findet beim Malen in seine Fächer zurück.

Die Linien des Gustavsburgplatz – Ganges, übertrug ich auf Rolle 10, um sie mit den Zeichengeschehnissen der letzten Tage zu verbinden. Das nähert sich dem Linienmaterial, das ich für geschweißte Wandgitter benötige.

Gestern Vormittag schnitt ich mit der Heckenschere Äste von einer Weide, die ich schon vor zwei Jahren, an ihren Enden zu Kreisen geflochten habe. Zehn von ihnen hängen über den Eingängen der Polsterwerkstatt der Nachbarn und meinem Atelier. Ein überkopf trocknendes Gesträuch, das an einem gespannten, zweckfreien Stahlseil im Wind schaukelt.

Verlangsamter Rhythmus

Die Umrisse der ersten Malerei vom 19.10., mit einer Figur auf der rechten Seite, übertrug ich auf Rolle 10. Die konstruktiven Elemente, die vom 17.10. kommen, treten fragmentiert wieder auf. Der Abstand der Wiederholungen auf der Transparentpapierrolle beträgt derzeit etwa 20 cm. Das ist der Umfang der Rolle. Mit der fortschreitenden Arbeit wir sich der Umfang verdoppeln und der Rhythmus wird sich im Kreislauf um 100% entsprechend verlangsamen. Und nun denke ich daran, die Linie des Gangs auf dem Gustavsburgplatz, die einen Kopf umschreibt, als nächstes auf die Rolle durchzuzeichnen.

In den heutigen Buchmalereien legte ich Haare von B. in die Farbseen. Sie sind viel kräftiger als meine und entsprechen habe ich mit ihnen mehr zu kämpfen, um sie flach auf das Papier zu bekommen. Diese Kräfte zeigen sich dann in den Schwüngen die entstehen. Im Idealfall höre ich während der Malerei auf zu denken. Und es macht Spaß, dieses ungedachte Material zu vergrößern und weiter zu verarbeiten.

Christian Schmidt vom Humboldt Forum erinnert sich, wie ich auch, gerne an unser Gespräch am vergangenen Sonntag. Das ermutigt mich die Rekonstruktion der zwei Tafeln des Kraftfeldes zu forcieren, die mit der Stahlkonstruktion des „Rückbaupalastes“ zu tun haben. Es wäre gut, wenn diese Arbeiten an den Ort zurückkehren könnten, von dem die Inspiration ausgegangen ist.

Gänge und eiserne Zeichnungen

Mir fiel gestern eine GPS-Zeichnung, die ich mit einem Gang auf dem Gustavsburgplatz gemacht hatte, in die Hände. Dabei ist damals die Zufallsfigur eines Kopfes entstanden. Er könnte der Ausgangspunkt für eine geschweißte Wandgestaltung aus einem Gitter sein, die an der Rückwand des Flachbaus, in dem Kayo seine Kaschemme hatte, den Träger für eine Wandbegrünung bildet. Während eines Gespräches mit Leuten vom Bauamt, fiel mir ein, dass trotz einer Begrünung der „eisernen Zeichnung“, die Umrisse der Hauptfiguren sichtbar bleiben müssten. In dieser Weise könnte das Grün auch ab und zu beschnitten werden. Ein gestalterisches Spiel.

Auf Rolle 10 kombinierte ich einen Gang, den ich 2012 auf der Wiese an der Spree unternahm und aufzeichnete, auf der zuvor der Palast gestanden hatte und noch keine Schlossbaustelle im Gang war, mit den vorherigen Strukturen. Dabei hielt ich die Abstandsregeln für die Flächen und Linien der verschiedenen Schichten ein. Das entstehende Gewusel erscheint dadurch nicht mehr so kompakt. Das ist die Vorbereitung des nächsten, noch unbekannten Arbeitsschrittes.

So, wie ich es mir gestern vorgenommen hatte, komme ich noch nicht von den Transparentpapierrollen los. Ich fand die Fotografien, die mir Ingrid vom Rückbau des Plastes mitgebracht hatte und möchte gerne mit diesem Material von 2007 weiter arbeiten. Die Reliefarbeit, die ich mir vornahm, könnte ich auf die kleinen Fragmente beschränken, die ich schon grundiert hatte.

Lücken

Gestern Nachmittag erlaubte ich mir eine Atelierpause zugunsten von Besorgungen in der Stadt. Danach sind die Buchmalereien an diesem Morgen wieder etwas anders. Ich arbeitete bedächtiger. Auch die Arbeit an Rolle 10 ist unterbrochen. Im stockenden Rhythmus finden sich Lücken, in denen ich darüber nachdenken kann, wie es weitergeht.

Die Wiederaufnahme der Abformung der Reliefs und ihre Bemalung, könnte die Beschäftigung mit den Transparentpapierrollen und mit der Vergangenheit, die auf ihnen gespeichert ist, zunächst etwas in den Hintergrund verlagern. Wenn ich jetzt damit beginne, könnte ich nach der Reise zur Biennale in Venedig, an dieser Stelle weitermachen. Das ist ein Grund, sich auf die Heimkehr zu freuen.

Aus der Praxis meiner Collagen könnte ich Erfahrungen für Gestaltung von Trägergittern für die Wandbegrünungen übernehmen. Anlass ist ein Besuch vom Bauamt. Es geht um die Gestaltung des Gustavsburgplatzes, nachdem Kayo seine Kaschemme dort aufgeben musste. An der Rückseite des kleinen Flachbaus könnte eine Wandbegrünung zur Wiese hin entstehen. Dafür würde ich gerne ein Gitter schweißen.

Fusionsenergie

Der Umriss der 3. Buchmalerei von gestern, bildete die Voraussetzung für die nächsten 30 cm von Rolle 10. Die aufeinander folgenden Arbeitsergebnisse überlagern sich in den Collagen von heute.

Im Gefüge der Linien ergreift mich bei der Arbeit an der Transparentpapierrolle eine Gelassenheit. Sie entsteht durch die richtungweisende Ordnung, die ich beim Durchzeichnen einhalte. Es sind die Abstände, die ich zu den Umrisslinien wahre, damit ihre Gestalt sichtbar bleibt. Weil diese Regel auch in den zuvor entstandenen Zeichnungen Gültigkeit besaß, fragmentieren sich die Formen beim wiederholten Rekapitulieren immer weiter, bis zur Unkenntlichkeit. So verlischt das Stahlgerüst des Palastes der Republik langsam zugunsten anderer markanter Figuren, die zumeist von den Buchmalereien stammen.

Diese strenge Arbeitsweise steht im Kontrast zur verspielten Freiheit der Buchmalereien. Die Begegnung beider führt zu energiereichen Fusionen. Es entstehen Kraftfelder, die in der Folge immer wieder aufgerufen werden können. Ihre Kombinationen sind erneute energetische Unterfangen.

Verschiedene Handlungsstränge

Nach einem Interview über meine Mitwirkung am Bau des Palastes der Republik, mit einem Spannungsbogen bis zum Humboldt Forum und seiner Zukunft, fallen mir immer noch Dinge ein, die ich hätte erzählen können. Die Rekonstruktion des Kraftfeldes sehe ich nun unter dem Blickwinkel der Spannung unter der dieser Ort, durch die Geschichte hindurch, gestanden hat. Meine persönliche Verbundenheit mit ihm kann ich nun in die gegenwärtige Arbeit einflechten.

Am Wochenende grundierte ich Reliefteile, die vom zerstörten Kraftfeld stammen, um sie für eine Weiterverarbeitung zu stabilisieren. Ich will mich in der nächsten Zeit, innerhalb des Liniengeflechts, auf das Rückbaumotiv mit dem Stahlgerüst konzentrieren. Dafür muss ich zwei vollständige Exemplare abformen, weil das Motiv rechts über den Rand hinausreicht und von der linken Kante wieder in das Format eintritt. Der Zusammenhang ist somit nur erkennbar, wenn ich die beiden Abformungen nebeneinander hänge und die Linien der Stahlkonstruktion hervorhebe.

Somit folgt die Rekonstruktion verschiedenen Handlungssträngen. Es sind die Kooperationen mit anderen Künstlern und Künstlerinnen, Fragmentierungen und den Schichten unterschiedlicher Bemalung von Einzelteilen oder ganzen Exemplaren. Es entsteht ein abwechslungsreicher Fundus von Zwischenergebnissen der Suche und Forschung.

Klang

Die konstruktiv-architektonischen Elemente sind die Gegenspieler der Haarschwünge und der Farbwolken, die ich mit den Handballen herstelle. Die etwas simplen Probebühnenaufbauten, die den festen Part in den Buchmalereien und auf den Transparentpapierrollen übernahmen, werden nun öfter von den von Marmor entkleideten Stahlkonstruktionen des Palastrückbaues ersetzt. Sie sind besser als Voraussetzung für Verschachtelungen und vielfältigere Figurationen beschaffen.

Die zeichnerischen Anlehnungen an diese Strukturen sind zahlreich. Bisher habe ich sie nicht weiter beachtet. Nun suche ich sie, denn ich will wissen, wie sehr die Bilder des Rückbaus meine zeichnerische Arbeit beeinflussten.

Schon in den Buchmalereien versuche ich den Klang zwischen den körperlichen Elementen, zwischen Haut, Haar und Zeichnungshandschrift spannungsvoll zu harmonisieren. Eine unendliche Aufgabe. Ich mischte die leicht erhabenen Haarschwünge mit satten Handballenabdrücken. Dadurch entstand eine neue Struktur, die ich dann in der 1. Collage von heute vergrößerte. So begebe ich mich tiefer in die körperlich-konstruktiven Spannungsverhältnisse hinein.

Mit Haut und Haar

Ich dachte an den symbolischen Horizont, den ich vom Dach des Palastes der Republik aus im Westen sah. Seine Bedeutung war vorbereitet durch die Vermeidung meines Grenzdienstes. Auswirkungen waren die Ausreise aus der DDR und das Wanderungsspurenprojekt TRIXEL PLANET ab 1997. Es mündete in die Arbeit mit dem Titel „Frankfurter Kraftfeld“, deren Zerstörung durch einen Wasserschaden sich mit dem Rückbau des Palastes verflocht. Ihre Rekonstruktion verbindet sich mit dem Bau des Humboldt Forums. Das ist der Rahmen meiner Erzählung.

Das durchscheinend gestapelte Material auf Rolle 10 ergänzte ich gestern mit dem Umriss der 3. Malerei vom 10.10.. In das dritte Motiv von heute fügte ich die Stahlkonstruktion vom Rückbau des Palastes ein, die ich auch für das Kraftfeld nutzte und verwischte sie teilweise mit dem Handballen: Spuren von Haut und Haar. Der wiederholte Aufruf dieser Bilder erinnert mich an Felsgravuren von Tierumrissen, die vor der Jagd rituell mit Pfeilen beschossen worden sind. Mein Ritual der Kraftfeldrekonstruktion und die Kreisläufe der Transparentpapierrollen, führen zur Ornamentierung meiner Zeit.

Dabei hoffe ich, innerhalb der sich bildenden Schichten, auf Neuentdeckungen. Eine Inversion von Archäologie, deren Fundstücke sich aus den Kombinationen von Umrissen herausbilden. Das findet sich auf allen Ebenen der gegenwärtigen Arbeit.

Übersicht

Die Umrisse der 2. Malerei vom 10.10. übertrug ich auf Rolle 10. Ich begann die vorausgegangenen Strukturen aus Figuren und Stahlgerüsten, in die architektonischen und geschwungenen Felder einzufügen. Es treten unterschiedliche Materialtexturen (Stahl und Haar) auf zeitlich sehr voneinander entfernte Szenen.

Besuche kündigen sich an. Es geht um Gespräche über Erinnerungen an den Bau des Palastes der Republik in Berlin und um meine allgemeine Arbeit im Bezug auf Architektur. In diesem Moment spüre ich, wie sehr ich, auch wenn mich das Interesse freut, die ungebundene Schwerelosigkeit meiner Arbeit schätze.

Während der Arbeit mit dem Archiv, merke ich, dass ich die Transparentpapierrollen zeitlich geordnet lagern muss, wie ich es mit meinen Tagebüchern mache. Denn die Kombination beider Erinnerungsmedien mit dem Werktagebuch im Netz, verlangt Übersicht.

Reinweiß

Ich sehe Momente der Fremdheit in alten Aufzeichnungen, die sich selbst mit Rückblicken beschäftigen. In ihnen bescheinige ich mir, während der Beschäftigung mit dem Wanderungsspurenprojekt auf der Frankenallee in Frankfurt, mangelnde Kreativität. Das sehe ich heute differenzierter. Ich fühle mich in dem, was ich vor 25 Jahren dachte, öfter bestätigt.

Die Rekonstruktion des Kraftfeldes, ist wie eine rituelle Wiederholung, ein erneutes Aufrufen der Überzeugung, dass nur kulturelle Vermischung die Widerstandskraft erzeugt, die für jeglichen Fortschritt notwendig ist. Das habe ich in meiner direkten Nachbarschaft gefunden und befinde mich somit mitten in der identitätsgeladenen Diskussion. Die Vertiefung des Themas folgt nun persönlichen Aspekten, die in der Figur der Stahlkonstruktion des Palastes der Republik ihren Ausgang hat. Es kommt eine neue Schicht hinzu.

In unerlaubter Entfernung von der Baustelle näherte ich mich regelmäßig der marmornen Welt des Pergamonaltars. Das Einlasspersonal des Museums ließ mich, in Filzstiefeln und einer öligen Uniform, kostenlos passieren. Das reine Idealbild der sozialistischen Idee sollte außen am „Volkspalast“ mit dem weißen Marmor illustriert werden, in den auch die antiken Reliefs gehauen wurden. Und aus dem Altarsteinbruch in der Türkei wurde zuvor Material für Kalk zum Weißen der Häuser gebrannt…

Gebogene Zeitstrahlen

Beim Unterwegssein durch die letzten zwanzig Jahre begegnete mir mein Trachten nach der Herstellung von Heimat auf Reisen. Zu Hause fühlte ich mich meist durch die Anwesenheit meines Tagebuches und bestimmter Musik. Mit den Buchmalereien, den Aufzeichnungen und den musikalischen Schwingungen schuf ich mir einen Raum, in dem ich von einem, mit mir wandernden, zu Hause umgeben war. Die Übertragungen von Strukturen meines Körpers in die Buchmalereien verdichten diesen Zustand.

In der 2. Malerei von heute fasste ich die Haarschwünge und Farbfelder mit einer Kulissenarchitektur, an die sich eine, an Stahlbaustrukturen erinnernde, Verschachtelung anschloss. Das führt in die Labyrinthe der gebogenen Zeitstrahlen, die über 50 Jahre zurückreichen.

Südlich und westlich des Geländes, auf dem mein Atelier steht, entstehen Wohnkolosse, deren Rohbauten jetzt schon viel Sonnenlicht blockieren. In ein paar Jahren wird eine neue Nachbarschaft da sein. Dann bin ich bald 30 Jahre hier und das Ende dieser Zeit wird dann kommen.

Rückbaustruktur

Auf Rolle 10 übernahm ich Strukturen und Figuren von Rolle 3, vom 18.09. 2007. Einerseits durchflechte ich das mit dem kürzlich vorausgegangenen Material, möchte aber danach auch die Umrisse und Haarschwünge aus der Gegenwart hinzufügen.

Es liegen alle Transparentpapierrollen auf dem Tisch. Tagebücher liegen aufgeklappt mit demselben Datum auf den entsprechend datierten Rollenzeichnungen. So wird die Funktion des Archivs deutlich, zu dem ab 2011 auch noch die Werktagebücher im Netz hinzukommen.

Die Rekonstruktion des Kraftfeldes bekommt durch die Beschäftigung mit dem Projekt des Humboldt Forums eine neue Schicht und mehr Schärfe. Dieser Anstoß ist für die laufende Arbeit sehr wichtig. Ich denke daran, die portalähnliche Stahlkonstruktion der Rückbaustruktur, innerhalb des Geflechtes des Kraftfeldes, neu auszuformen. Auf den Transparentpapierrollen ist die Entstehung des großen Kraftfeldreliefs gut nachzuvollziehen. Das ist die Entwurfsarbeit für die Überlagerung der zugewanderten kulturellen Zeichen.

Vorwegnahme

Eine Transparentpapierrolle von 2008 habe ich bis zum Ende genauer durchgesehen und die Daten notiert, wo sich Verknüpfungen mit der Palastthematik befinden. Dazu nahm ich die Tagebücher, die in der betreffenden Zeit entstanden waren, um die Umstände der Entstehung der Arbeiten zu erinnern. Ein interessantes Beispiel für mich, ist eine skythische Grabbeigabe, die einen Hirsch, der in der Hüfte um 180° gedreht ist, zeigt. Ich deutete dies als Zeichen für die Unendlichkeit von Tod und Wiedergeburt. Das verband ich mit Bau und Abriss und Wiederaufbau. Die Ansicht des Stahlgerüstes zeichnete ich zweimal, davon einmal kopfstehend. Das verbindet sich auf dem Transparentpapier alles mit den Wanderungsspuren des Trixel Planeten.

Vom Humboldtforum signalisierte man Interesse für mein Angebot, meine Erinnerungen, Aufzeichnungen und künstlerischen Verarbeitungen, für eine Projektarbeit zu nutzen.

Gegenwärtig entsteht mit diesem Teil meiner Arbeit eine weitere Bedeutungsschicht für mich. Er reiht sich in die Beschäftigung mit dem Verschwinden ein, mit der Präsenz des Abwesenden. Dazu kommt die Verbindung von Rückbaustrukturen und kulturellen Spuren menschlicher Wanderung, als Vorwegnahme des neuen Themas für diesen Ort.

Magdeburg

Aus dem schütteren Niemandsland der Halden, Flüsse, Fähren und dem weiten, mit Starkregensäulen durchsetzten Himmel, gingen wir in die Arena, in der Bob Dylan auftrat. In den letzten Jahren sahen wir 10 Konzerte mit ihm. Diesmal war vieles anders, als in den Auftritten zuvor. Das Set begann in einem sehr reduzierten Bühnenbild, nicht wie üblich, mit „Things Have Changed“ und eine Viertelstunde verspätet, während zuvor jede Show auf die Minute pünktlich begonnen hatte. Der Song war kaum erkennbar. Dylan verschwand fast hinter seinem Klavier, das mit der schwarz abgehängten Rückseite zum Publikum ausgerichtet war. Links daneben stand ein beleuchtetes Mikrofon, das nicht zum Einsatz kam. Es war, als würde man dem Verschwinden einer Figur zusehen, die die Gemeinde auf ihre Abwesenheit vorbereitete. Dies aber geschah mit der Präsenz des Meisters, auf den alle Aufmerksamkeit der Band und des Publikums, wie durch ein Brennglas, energetisch fokussiert war.

Im Geviert des Kreuzganges des Magdeburger Domes fand ich eine alte, rauchige Glasscherbe, deren eine Kante von Hitze gezeichnet, Blasen zeigt. Es kann die Spur des Bombenangriffs auf das Gotteshaus im Zweiten Weltkrieg sein, in dem sämtliche Glasbilder verloren gegangen sind.

Landschaften, auch Bühnenlandschaften und die einer Stadt, verändern sich durch den eigenen Fokus. Leerstellen treten in den Vordergrund, werden zum verbindenden Element einer Reise. Das fällt mir hier im Atelier auf, wo die Aufmerksamkeit zunehmend auf die verlorenen Dinge gerichtet wird.