Struktur und Materialität

Am Morgen, nachdem ich einen Supermarkteinkauf erledigt hatte, war im Atelier Zeit für Farben. Diese Seite meiner Arbeit, stand selten im Vordergrund. Nun stelle ich mir vor, einfach in Farben zu schwelgen. Die Konstitutionen der Materialien spielen dabei fast die Hauptrolle: trockene Stifte, Wasserspiele auf strukturiertem Papier, Reliefpappe durch Grundierungsschichten stabilisiert, Leinwände, Firnisse, Ölfarben.

Neugierig bin ich auf die Fotoauswahl, die mir Tobias Kruse schicken wird. Ein Fokus unserer Gespräche lag ja auf Struktur und Materialität. Es wäre gut, wenn davon etwas in den Portraits auftauchen würde. In seinem Buch „Deponie“, das er mir schenkte, ist viel davon zu sehen.

Den August werde ich mit einem neuen Buch beginnen, das ich auch mit nach Indien nehmen werde. Hoffentlich schlagen sich die dortigen Atmosphären darin nieder. Respekt habe ich vor den dichten Menschenmengen in den Städten.

Am Seegrund

Durch etwas großzügige Handballenabdrücke sind mir die Buchmalereien aus dem gewohnten Format gerutscht. Vielleicht ist das ein Impuls, der mich in andere Richtungen denken und malen lässt. In der zweiten Malerei erscheinen Unterwasserwelten, ein schlammiger Grund eines Sees. Die ganze Umgebung hört sich gedämpfter an: Güterzüge, Straßenreinigungsfahrzeuge, Gabelstapler, Ringeltauben, die A5, der Flughafen, der Wind, der Regen und das Rascheln der Blätter, alles wie unter einer Lasur.

Genau schaue ich hingegen in mein Gärtchen und registriere scharf sein Aufatmen in der feuchten und kühlen Atmosphäre der letzten Tage. Sogar die Weide, die schon gelbe Blätter bekam, treibt neues Grün.

Auf Rolle 10 schrieb ich gestern den Satz: „Er lebt so in den Tag hinein.“ mit meinen „Geheimzeichen“ zu Ende. Es entsteht das Gefühl, mit Stasi – DADA fertig zu sein. Sicher stelle ich noch den Relieffries „Entgoldung“ zu diesem Thema fertig, aber inhaltlich ist es von mir nun erst einmal genug bearbeitet worden.

Eruptionen

Manchmal während der Buchmalerei, schaukelt mein Oberkörper etwas, als folgte er einem Singsang tief in die Kinderseele, dem Ort der größten Einsamkeit. Die entstehenden Strukturen folgen direkt den kleinen Eruptionen, die vom Aufeinanderreiben der Innereien und Knochen an die Oberfläche treten.

Diese krakeligen Formen, die sich in das Papier graben, durch Farbschraffuren hervortreten, mit dem sanften Druck des nassen Handballens vernebelt werden, wieder und wieder durch Schraffuren auftauchen, die sich dann auflösen bis das Papier nachgibt, geben meine innere Bewegungsstruktur wieder.

Auf den Autobahnen 4 und 5 sprachen wir über den künftigen Einfluss der Künstlichen Intelligenz (irreführender Begriff) auf die Künste. Ich glaube, dass die Tiefe menschlicher Kunstproduktion mit den Hervorbringungen der KI nicht verglichen werden kann. Wendungen in den Kontinuitäten meiner Arbeit, die meinem Körper entspringen, Abfolgen die aus meinem Kopf kommen, gibt es nur durch mich.

Gemeinsamkeiten

Gerade ist Tobias Kruse wieder gefahren, der mich zweieinhalb Stunden lang fotografiert hat. Wir haben richtig viel gearbeitet. In dem Gespräch, das wir führten, stellten sich einige Gemeinsamkeiten heraus, die künstlerisches Sehen betrafen. Er meint ebenfalls, dass in der Ausstellung im Humboldtforum, die Reliefs mit sichtbar sein sollten.

Auf Rolle 10 schrieb ich gestern das Wort TAG in einer Geheimschrift und füllte die Umrisse dieser Buchstaben schon mit dem Stasi – DADA – Material. Trotz der vielen Dinge, die gestern zu erledigen waren, schaffte ich mein ganzes Arbeitsprogramm. Genau wie heute folgte aus der Zeitknappheit Reduktion und erhöhte Konzentration. Spartanische Buchmalereien, schnelle Collagen und Federzeichnungen.

Moos ist von einem Unwetter vom Dach gespült worden. Wenn es getrocknet ist, werde ich es zusammenfegen und mein Gärtchen damit auffüllen. Seit dem frühen Morgen regnet es und die Wiese saugt das viele Wasser auf, wie ein Schwamm.

Korsett

Die 3 Malereien des Vormittags fielen heute etwas karger aus, weil ich überraschend Besuch bekam und dennoch an meinem Zeitplan festhalten wollte. Eine Angewohnheit, die mich manchmal behindert. Aber heute ist mein 140. voller Arbeitstag dieses Jahres. Deswegen kann ich mich etwas zurücklehnen.

Vorhin erklärte ich zwei jungen afghanischen Männern mein aktuelles Projekt mit all seinen Schichten. Damit überprüfe ich die Schlüssigkeit dieser Arbeit. Menschen, die kaum etwas mit Kunst zutun hatten, verstehen die Zusammenhänge. Das sollte zwar nicht das vordringliche Ziel sein, kann aber nicht schaden, wenn der Prozess der Bildfindung dadurch nicht behindert wird.

Ich werde froh sein, wenn ich aus dem Stasi – DADA – Korsett befreit bin, und auf Rolle 10 wieder einfach drauflosarbeiten kann. Die Verbindung von Buchmalerei und Transparentpapierzeichnung, wird wichtiger für mich. Ich merke das jetzt, weil diese Verbindung gerade unterbrochen ist.

Neu kultiviert

Während der Buchmalereien an diesem Sonnabendvormittag, am Zeichentisch vor dem Gärtchen, höre ich „So What“ von Miles Davis in der Sendung „Klassik Pop etc.“ im DLF, die heute von Klaus Leggewie moderiert wird. Er ist etwa 4 Jahre älter als ich und spielt viel Musik, die auch zu mir gehört.

Gestern zeichnete ich an dem Fries, der ein Satz ist, weiter. Manche meiner Geheimbuchstaben wiederholen sich naturgemäß und verraten sich dadurch schon ansatzweise. Nur die durchgezeichneten Füllungen ihrer Umrisse sind immer anders. Es entstehen harmonische Zeichen.

Wenn der Satz in dieser Weise fertig geschrieben ist, möchte ich auf der Transparentpapierrolle wieder mit den Umrissen der Buchmalereien arbeiten. Weil ihr Zusammenspiel mit den Federzeichnungen auf Transparentpapier über 2 Monate unterbrochen war, entwickelte sich ihr Charakter in eine andere Richtung. Die Farben werden im Zusammenklang mit den Strukturen und im Spiel untereinander neu kultiviert.

Malträtiertes Material

Weiterarbeit am Fries. Die Geheimschriftzeichen, die für diesen einen Satz notwendig sind, lade ich aus der Stasi-DADA-Datei auf den Klappbildschirm und zeichne von da aus auf Transparentpapierbögen durch. Dabei korrigiere ich die ausgefransten Umrisslinien und harmonisiere damit das Gesamterscheinungsbild. Es unterstützt den heiteren Grundton des Ganzen. Manchmal erinnern Schwünge an das Rankenwerk mittelalterlicher Buchmalereien.

In den Collagen blieben diese abstrakten Figuren eher Fremdkörper. Heute gelang es mir, sie in das Geschehen der Malereien und vorausgegangenen Collagenstrukturen, besser zu integrieren. Über die Dokumentation dessen, woran ich parallel arbeite hinaus, kommen manchmal Aspekte zutage, die mir während der Arbeit nicht auffielen.

Auf das Papier der Tagebücher übe ich manchmal zu viel scharfkantigen Druck aus. Das malträtiere Material wirft sich auf, bildet Falten und behindert damit meine Weiterarbeit an den Motiven. Etwas mehr Vorsicht wäre angebracht. Die leichten Wandlungen aber, die die Malereien auf der langen Strecke durchmachen, bestärken mich in der Fortführung dieses täglichen Unterfangens.

WEITERMACHEN!

Auf Rolle 10 arbeitete ich an dem Fries weiter, und plötzlich bekommt er einen heiteren Charakter, als würde ich mich über die Stasiüberwachung lustig machen. Ganz anders ist das bei den Entgoldungsreliefs, die mit ihren Lasuren eine düstere Stimmung erzeugen, ein Kohlenkellergefühl.

Seit einiger Zeit liegt auf dem Zeichentisch eine Holzschraube herum, deren Kopf abgebrochen ist. Ihre scharfkantigen Gewindegänge drückte ich heute, mit einer Holzleiste von oben pressend und rollend, in das Papier. Bewege ich die Schraube mehrmals hin und her, verändert sie langsam ihre Richtung und die Gravuren zeichnen diese Bewegung mit einer Kreuzschraffur nach. Das ist ein neues Mittel.

Diese organisierten Flächen mit den parallel laufenden oder sich schneidenden scharfen Linien bilden einen willkommenen Kontrast zu der Schwüngen, Konturen und wolkigen Auflösungen der anderen Strukturen. WEITERMACHEN!

INDENTAGHINEINLEBEN

Die ersten 3 Buchstaben, ER und L, des Satzes: „Er lebt so in den Tag hinein“, zeichnete ich mit meinen Geheimschriftbuchstaben auf Rolle 10. Die Umrisse dieses abstrakten Figurenfieses füllte ich mit den Fragmenten des Tonbandprotokolls, wie sie bis in den Mai dieses Jahres auf der Rolle entstanden sind.

Dieser eine Satz des Berichtes erscheint auf den ersten, heutigen Blick etwas belanglos. Aber im Kontext der strengen Arbeitspflicht im Sozialismus ist ein solches INDENTAGHINEINLEBEN eine Provokation. Und so entpuppt sich der Bericht meines IM „Lutz Lange“, mit seinen subtilen Hinweisen, als explosiv. Die Umwandlung des Satzes in einen Geheimschriftfries, führt mich tiefer in die Erinnerungen hinein. Gleichzeitig hoffe ich den Dialog mit meinem toten Berichterstatter weiter intensivieren zu können.

Das Spiralelement in den Buchmalereien stammt aus den Achtzigerjahren. Damals begann ich damit Figurenumrisse auszufüllen, die oft während Schauspielproben entstanden sind. Heute funktioniert es eher als Verbindungselement zwischen verschiedenen Konturen, was dadurch zu einem Energiefeld wird.

Alphabet

Den Zeichen meines Geheimalphabets, das ich aus dem Stasi-DADA-Material entwickelt habe, ordnete ich nun die deutschen Buchstaben zu und bezeichnete die Dateien entsprechend. So kann ich nun einfacher mit diesen Figuren umgehen. Heute erschienen die ersten des Satzes „Er lebt so in den Tag hinein“, den Heinz Werner über mich zu Protokoll gegeben hatte, schon in den Collagen. Dann werde ich beginnen, diese Worte auf Rolle 10 zu bearbeiten.

Ich habe nun wieder ein paar Tage, in denen ich alleine bin. Eine solche Situation führte in letzter Zeit öfter zu einer sehr intensiven Arbeitsphase, bei der ich mich leicht verausgaben konnte. Jetzt aber bin ich schon etwas in einem Sommermodus, während die Hängematte im Gärtchen zwischen zwei Bäume gespannt ist.

Im Himalaja herrscht in der Gegend, die wir bereisen wollen, derzeit noch Monsun. Das macht die Wege unsicher, Erdrutsche können die Reiseroute verändern. Es wird wahrscheinlich noch abenteuerlicher, als eine solche Reise ohnehin schon ist.

Pionierportraits

Am Wochenende hatte ich die Idee, mir die Pionierportraits von 2015 noch einmal vorzunehmen. Während unseres Grillfestes mit den Kolleginnen von „YOU&EYE“, hatte ich von der Gästetafel aus größerer Entfernung den ganzen Abend auf mein Selbstportrait als Siebenjähriger im Blick, das ich in einer Raster-Lasurtechnik gemalt habe. Diese Technik hat mehr Potential, kann mit weitren malerischen Aspekten angereichert werden. So würde ich das Lasieren ernster und dichter betreiben und die Portraits mit Figuren aus den Buchmalereien oder von Rolle 10 konfrontieren.

Die Arbeit an den Reliefs geht derzeit nur langsam voran. Den ganzen Komplex, vom Kraftfeld bis zur Entgoldung, stellte ich den Gästen vor, mit denen wir den Abend des Samstags am Grill unter dem großen Vordach verbrachten, denn es regnete.

Innerhalb der Buchmalereien stelle ich die entstehenden Konturen in unterschiedlichen Konstellationen nebeneinander. Aus den Räumen dazwischen entstehen mitunter neue Figurationen. In der zweiten Malerei füllte ich eine solche mit karminroten Schwüngen aus, die wie Energielinien hin und her springen, sich kreuzen und kreiseln.

Die Gelenke der rechten Hand

Der Lorbeer hängt voll Kirschen, Birkensamen regnen in die Wasserbottiche und die winzigen jungen Eidechsen flüchten vor ihren gefräßigen Eltern. Die rennen oft mit Stummelschwänzen herum, denn die Elstern sind aufmerksam und ein Falke streift durch unseren Himmel. Meine Bewegungen im Gärtchen sind langsam und knapp, um die Sonnenbäder der Reptilien nicht zu stören, damit die scheuen Ringeltauben zum Trinken kommen und die Schwebfliege ihr Revier bewachen kann.

Vier junge Frauen entladen ihre Autos und tragen Kisten und Backsteine (?) in das Günestheater. Ich sehe die schwarzen T-Shirts, die sich über ihre Rücken spannen. Sind es Laienschauspielerinnen, die zu einem Gastspiel gekommen sind?

Die gezeichneten Schwünge der Buchmalereien biegen die Farblinien über das kleine Stück Papier, etwa ein Drittel einer A5 Seite. Das kommt aus den vielen Gelenken meiner rechten Hand, die mein Denken strukturieren will.

Koleka Putuma

Koleka Putuma ist eine südafrikanische Autorin, deren Performance wir gestern im Mousonturm sahen. Sie präsentiert ihre Lyrik in einer Mischung aus darstellender und bildender Kunst. Gesprochenes Wort, Soundcollagen und Projektionen verbinden sich zu einem Gesamtkunstwerk. Das Bühnenbild ist sparsam – eine kleine beleuchtete Kiste, ein Treppchen und zwei schmale Hänger als Projektionsfläche. Als solche funktioniert auch ihr Körper für Wortcollagen und schwarze Sängerinnen. Am Rande der Vorstellung trafen wir viele Theaterleute, die wir schon sehr lange kennen.

Die Untermalung des sechsten Entgoldungsreliefs stellte ich gestern fertig. Daran werde ich in dieser Woche nicht mehr weiterarbeiten, weil zu viele andere Dinge anstehen und zu erledigen sind. Eine Arbeitspause bis zur kommenden Woche.

Die Amseln baden mit unterschiedlichem Geschick zwischen den Seerosen oder auf dem Speichenrad, das halb im Wasser in einem Bottich klemmt. Stets sind sie sehr aufmerksam, reagieren auf jede Bewegung mit Flucht. Manche von ihnen sehen zerzaust aus, wie von Ungeziefer geplagt.

Lärm

Vor meinem Garten sitzend, versuche ich nach einem „YOU&EYE“ Treffen, einen klaren Gedanken zu fassen. Zumeist komme ich schnell in die Buchmalereien, weil ich Papiergravuren aufnehme, weiter führe, schraffiere und mit meinem feuchten Handballen den Beginn eines zweiten Miniaturformates setze. In den entstehenden Flecken entdecke ich manchmal Figuren oder abstrakte Architekturen. Wenn die Konkretion die Oberhand übernimmt, mache ich mit Wasser und meiner Hand ein paar Wolken drum herum.

Gestern kam Franz mit seiner Mundharmonika und blies zu meinem Gitarrenlärm auf ihr. Wir spielten zwei unterschiedlich lange Improvisationen. Das läuft für meinen Geschmack noch zu wenig aufeinander bezogen. Aber das Gespräch darüber stellte die Verbindungen zu unserer bildnerischen Arbeit her.

Frau Schnabel vom Humboldtforum hat die Ausstellungskommunikation an Frau Falentin weiter gegeben, die ich schon von unserem langen Gespräch in Berlin kenne. In einer Mail beschrieb sie mir das Konzept, innerhalb dem meine Transparentpapierrolle gezeigt werden soll. Alles Weitere wird in den kommenden Monaten besprochen.

Schneller auf dem Punkt

Mit der Vorzeichnung und Untermalung des sechsten Entgoldungsreliefs habe ich gestern begonnen. Der Textteil des Tonbandprotokolls streckt sich an manchen stellen und wird an anderen gestaucht. Das hat eine zähflüssige Anmutung.

Die Buchmalereien sind heute sehr knapp ausgefallen. Wegen eines Einkaufs war weniger Zeit. Manchmal führt diese Situation dazu, dass ich etwas schneller auf den Punkt komme. Die Deutlichkeit wird mit dieser Reduktion größer. Auch die Collagen verändern sich dadurch. Zu ihnen gesellten sich auch die ersten Teile der Untermalung des aktuellen Reliefs.

Morgen in der Frühe, um 8 Uhr, findet ein Termin von „YOU&EYE“ in der Hindemithschule statt. Heute Abend kommt Franz zum Musizieren, am Wochenende ist eine Grillparty bei mir und morgen gehen wir ins Theater. Dann gibt es noch verschiedene andere Termine in dieser Woche. Meine Aufmerksamkeit in diesen Phasen ganz in der Gegenwart zu halten, ist die Aufgabe.

Der Prozess der Erinnerung

Das neue grundierte Entgoldungsrelief hängt an der großen gespannten Leinwand über den ersten 5 Exemplaren, die nun fertig bemalt sind. Nach einem Wochenende auf heißen Autobahnen, mit Blick vom Zeichentisch in mein Gärtchen, gibt es da auch eine Hängematte, in der ich mich von den anstrengenden Fahrten erholen kann, komme aber nicht umhin, mich weiterhin mit den Erinnerungsvorgängen zu befassen. Erstmal keine Hängematte!

Der Prozess begann mit dem Rückbau des Palastes der Republik und den vielen Fotografien davon, die mir Ingrid Voss immer wieder aus Berlin mitbrachte, die ich selber machte oder von meiner Tochter geschickt bekam. Diese Strukturen wanderten auf die Transparentpapierrollen, mischten sich dort mit meinen aktuellen Buchmalereien zu neuen Figurationen. Dann folgte die Beschäftigung mit dem Porzellanrelief, das nun vom Palast in das Humboldtforum gewandert ist, und seinen Vergoldungen, die von meinem IM „Lutz Lange“ stammen.

Seine Tonbandprotokolle führten nun zum Schluss zu den Stasi-DADA-Reihen auf Rolle 10 und schließlich zum Entgoldungsprojekt. Aus ihm gehen die Reliefs mit den Umrissen der Vergoldungen hervor. Dieser Prozess ist mit wichtig bei der Präsentation der Arbeit.

Textfragmente I Köpfe I Kontext

Das Relief ist nun vollständig in der Form getrocknet, aber mit der Grundierung habe ich noch nicht begonnen. Mit diesem Arbeitsgang möchte ich auch die Risse, die ich schon von hinten geschlossen habe und deren Ränder aufrecht stehen, glätten. Diesmal besteht die Untermalung, die dann folgt, aus einem etwas vollständigeren Textfragment des Protokolls der Tonbandaufzeichnungen meines IM „Lutz Lange“. Das kann ein Schlüssel für die Einordnung der anderen viel bruchstückhafteren Buchstabenreihen sein.

Von der Kraftfeldseite her, die ich dem Porzellanrelief gegenüberliegend imaginiere, beherbergt das Entgoldungsobjekt die Köpfe eines anatolischen Amuletts und einer Aborigini Felsmalerei, die ich mir kulturell angeeignet, verflochten und übermalt habe.

Mit Freude und Interesse las ich im Humboldtforum – Newsletter, dass sich eine Veranstaltung mit der Überwachung des Palastes der Republik durch die Stasi beschäftigt. Dieser wichtige Faktor der Erinnerung ist nun platziert, wodurch meine Arbeit am Entgoldungsfries kontextualisiert werden kann.

Nasse Pappe

Als ich gestern auf den Altkönig stieg, besichtigte ich die Westflanke des Berges, wo es vor etwa 3 Wochen gebrannt hatte. Kurz vor dem Gipfel, an einem der keltischen Steinringe, wurde das Feuer gestoppt. Zwei Hektar vertrockneter Wald sind von der wahrscheinlichen Brandstiftung betroffen. Vielleicht können nun die Gehölze wachsen, die sich von alleine ansiedeln.

Vor meiner Wanderung besserte ich noch die Risse am Relief aus, die entstehen, wenn die nasse Pappe in der Form trocknet und sich dabei zusammenzieht. Nach einer weiteren Stabilisierung durch mehrere Grundierungsschichten, beginne ich mit der Stasi-DADA-Untermalung in der kommenden Woche.

Die Reliefstrukturen haben sich in den Collagen vor die Buchmalereien geschoben. Parallel dazu machen die Malereien einen Intensivierungsprozess durch. Sie laufen nicht nebenher und werden am Morgen schnell abgehakt, sondern es findet wieder eine konzentrierte Suche nach Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung statt.

Stasi-DADA-Kraftfeld

Den nächsten Vergoldungsumriss schnitt ich aus Pappe aus und drückte ihn nass in einen oberen Bereich der Kraftfeldform. Dabei achtete ich darauf, dass das Netz der Motive immer senkrecht zur waagerechten Ausrichtung der Umrisse liegt. So können sich die Stasi-DADA-Strukturen mit dem Kraftfeldnetz besser verbinden.

Bei der autofiktionalen Literatur zur DDR-Vergangenheit, geht es oft um Recherchen und Befragungen durch die Nachgeborenen. Sie treffen nicht selten auf das Schweigen derer, die die wichtigste und prägendste Zeit ihres Lebens damals in diesem Staat verbracht haben. Mit meinen Eltern kann ich auf eine gemeinsame Geschichte zurückgreifen. Aber auch da gibt es weiße Flecken, wie z.B. die Zeit meines Vaters als Aufseher im Zuchthaus Brandenburg. Es gibt Ereignisse, Kausalitäten und Strukturen, die beschwiegen werden.

Nachdem ich sie eine Weile nicht gespielt habe, entdeckte ich nun meine Gitarre wieder. Sie bleibt so etwas, wie ein Notausgang für die Gefühle und schließt sich somit direkt an die Buchmalereien an. Die Strukturen der Papiergravuren, Schraffuren und Wirbel korrespondieren tatsächlich mit dem Sound, den ich mit dem Instrument und seinem Effektgerät entwickle.

2 Kilometer

Dass die Entgoldungsreliefs seit gestern dunkler geworden sind, kommt dem Eindruck, dass sie im Braunkohlenkeller lagerten näher. Nun will ich weitere Pappumrisse in Form der Vergoldungen des Porzellanreliefs im Humboldtforum in die Kraftfeldform drücken, damit ich sie nach der Grundierung mit der Tuscheuntermalung des Stasi-DADA von Rolle 10 versehen kann.

In der vergangenen Nacht träumte ich von einem Dschungel, in dem ich Objekte baute. Diese wurden zu Räumen, ähnlich von Bühnenbildern. Mich erinnerte das an meinen Taunuspfad und möchte nun den Hang am Altkönig besuchen, der vor kurzem gebrannt hat. Am vergangenen Sonntag hatten wir einen Blick von etwa 2 Kilometern Entfernung auf diese Stelle.

Weil die Beschäftigung mit der DDR gerade einen Boom erlebt, ist es für mich richtig, etwas Abstand einzunehmen, um die Vorgänge aus der Entfernung (von etwa 2 Kilometern) zu betrachten. Dafür wechselte ich meine Lektüren und hoffe, dass das Auswirkungen auf die Arbeit hat.

Dunkelheit

Auf meine veränderte Handschrift schauend beginne ich den Faden der letzten Woche wieder aufzunehmen. Die Existenz des ersten kleinen Reliefs, das ich für den Entgoldungsfries angefertigt hatte, entging mir. Also habe ich bereits 5 von 9 Vergoldungsumrissen des Porzellanreliefs in Entgoldungsobjekte umgewandelt. Die Farbigkeit hat sich bei der Weiterarbeit verändert. Das will ich auf die ersten 3 Reliefs erweitern.

Carola Hilmes erzählte ich gestern, während eines Taunusspazierganges, von diesem Projekt und bemerkte, wie anstrengend das für mich ist. Es gleicht zunehmend einem Abstieg in den Braunkohlenkeller der DDR. Das Atmen wird schwerer. In diesem Zusammenhang scheint mir eine weitere Eindunklung der Reliefs folgerichtig. Mit Tusche, Graphit und Holzkohle, was ich alles mit Schellack mische, werde ich vorsichtig weiter lasieren.

Gedanken schweifen ab in das lichte Spiti – Tal. Ich werde das Skizzenbuch der ersten Himalajareise dorthin mitnehmen, weil darin noch viel Platz ist. Manchmal denke ich mir die tibetischen Berggötter in die Landschaften hinter den Tempelwänden, die ihre Schreine beherbergen.