Die unebenen Flächen unterschiedlicher Tönungen, den Ausformungen der Reliefs zugehörend, grundierte ich gestern gründlich reinweiß, worauf mich gleich wieder eine Ahnung von Lasurmalerei beschlich. Ich traue ihr zwar nicht zu, dass sie diese großen Formate zusammenhaltend gestalten kann, werde es aber dennoch probieren. Die Schwachstelle bislang sind die Verbindungsfalze, an denen die Dreiecke zusammen montiert werden sollen. Sie müssen verstärkt oder stärker ausgeformt, d.h. beschichtet werden.
Giovanni Perluigi da Palestrina schrieb eine ätherische Missa Papae Marnelli, ein Chorwerk, das ich am Morgen hörte, als ich vom Orange Peel heimgekehrt war. Es klang wie das Versprechen der ewigen Reinheit, die an unbekanntem Ort wohnt.
Ein andersartiges Versprechen gab die Schlagzeugerin von TAV Falco vor der Show ab, indem sie einen lässigen Bauchtanz hinlegte, entsprechend der Vorstellung einer süßlichen Volksorientalistik. Dann aber an den Trommeln hielt sie als heimliche Chefin die Männerbanda im Zaum, ließ sie nie aus ihrem Diktat entkommen. Der Leadsänger, der einen guten Meter vor mir stand, erinnerte mich an eine tragisch alternde Schwulenfigur. Zu meinen Füßen lag er auf dem Rücken schaute mir von unten ins Gesicht und entlockte seinem Instrument das Dröhnen meiner Sozialisierung in den fernen Sechzigern. Jetzt auf der Bühne ist das ein etwas anonymisierter Sound einer ergrauten Rebellion, schwarz gefärbt und geglättet.
An der Haltestelle des Nachtbusses kaufte ich mir in einem Kiosk noch eine Flasche Bier, die ich auf dem Heimweg austrank. Dankbar fühlte ich mich wie Neunzehn. Die sommerlichen Heimwege damals auf den Schienen des Bahndamms von den Beat-Parkfesten der umliegenden Dörfer in die Dämmerung zu Hause. Davon hatte die kalte gestrige Nacht auch etwas.