Kriegsmenschen | Kunstmenschen

Jetzt schwimmen apricotfarbene Korallenmuscheln im blassen Morgenozean. Von den Rändern her rücken aber schon kompakte Festländer heran, deren Ränder lediglich noch leuchten. Ihre Bäuche drohen stählern mit Finsternis. Oben weit in den Wipfeln warten die Ringeltauben auf die ersten Wärmewellen, so sie denn kommen.

Eigentlich wollte ich zu Hause gleich frisch mit den Reliefs beginnen. Zunächst aber gibt es das Tagebuch nachzuarbeiten, wozu ich am Familienwochenende natürlich nicht gekommen bin.

Im Computerstream sahen wir gestern Nikis Film „Rommel“. Er zeichnete tatsächlich ein sehr differenziertes Bild dieses Kriegsmenschen. Sportlich wird mit Leben und Tod umgegangen, der zu tötende Gegner wird geachtet, all diese fatalen Irrationalitäten blitzen auf. Die Ermordung von unbewaffneten Zivilisten erzeugt Skrupel, während ihm aber kurz danach an ganzen Straßengräben voller Stukaopfern keine Regung unterläuft. Auch ein etwas stümperhafter schmächtiger Zeichner namens Hitler tritt auf. Nikis Blicke in die Vergangenheit sind oft in Fragen gekleidet, die die unberechenbaren Untiefen der menschlichen Handlungsweisen ausloten wollen. So deuten sich die Schicksale vieler Figuren als Bänder an, die miteinander verflochten, die unendliche Kombinationsmöglichkeiten von Reaktionen hervorrufen. Ein solches Geflecht herzustellen und es wieder zu entflechten, um es verständlich zu machen, verbindet unsere Arbeitsweisen. Vielleicht treffen meine Geschichten aber tiefer in die Befindlichkeiten der Betrachter, weil sie eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten hervorrufen.

Kasper König ist nun am Ende seines langen Abschieds vom Museum Ludwig angekommen. Ein Interview an seinem letzten Bürotag spricht er von der Kunstbetriebsamkeit, die das Werk etwas in den Hintergrund drängt. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich in sein Büro im Städel gekommen bin, wo er mich Okwui Enwezor für deine Documenta vorschlug. Ich habe diese Hinwendung zu meiner Arbeit nicht weiter ernsthaft verfolgt, weil das nicht meiner Art entsprach, mir auch zu mühsam vorkam. In der Rückschau erweisen sich diese Zögerlichkeiten als richtig und meiner Person entsprechend.