Im Städelmuseum sahen wir gestern die Zeichnungen von Raffael. Großflächig tapezierte Vergrößerungen von Zeichnungen und Fresken, reichlich Videomaterial und Audioguides begleiten die ausgestellten Werke des Meisters, die in sich schon so dicht sind, dass man sich auch ohne das Zusatzmaterial ausführlich mit ihnen beschäftigen kann. Oft sind Vorder- und Rückseiten der Blätter mit Zeichnungen versehen, denn das Material war wertvoll. Feder, Tusche, Silberstift, Rötel und Kohle waren die Materialien. Was mir wirklich neu war, sind die Kompositionslinien, die Raffael mit einer Metallspitze vor dem eigentlichen Zeichnen in das Papier gegraben hat. Diese Linien sind aber nicht mit Schraffuren hervorgehoben worden, sonder sollten nach der Arbeit möglichst nicht erscheinen. Zu sehen sind sie tatsächlich nur, wenn man die Blätter in sehr flaches Seitenlicht hält. Die Suche nach dem Zusammenspiel von Figurengruppen, Architektur und Raum zugunsten eines erzählerischen Stils ist gut zu verfolgen. Ganz besonders interessant sind dabei Korrekturen und Überlagerungen, weil sie den Prozess noch deutlicher machen. Eine schnell entstandene, mit kreisenden Linien hingeworfene Skizze der Sixtinischen Madonna, sieht fast aus wie eine Entwurfszeichnung zu den Figurinen des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer. Raffael hat seine Figuren immer als Aktfiguren entworfen und sie erst danach bekleidet. So gibt es eine Reiterfigur, die sich und das Tier wendet. Mit dem Rückenakt wird die ganze Geschichte der Begegnung zwischen Attila und dem Papst erzählt, der ein Heer zur Umkehr zwingt. Danach bekommt dieser hervorragend suchend gezeichnete Rückenakt einen Harnisch verpasst. Nur noch die hervorschauenden Glieder erzählen nun in der Malerei noch von der Anstrengung einer Körperwindung. Das ist ein Beispiel für die Gründlichkeit, mit der die großen Aufträge vorbereitet wurden.
Danach sahen wir noch ein paar impressionistische Bilder der Sammlung, die mich deswegen interessieren, weil meine derzeitigen Versuche den impressionistischen Gestus in die Lasurmalerei zu transportieren. In dieser Umgebung stieß ich auf ein Bild von Liebermann. Es zeigt den Hof des Waisenhauses in Amsterdam. In Cochi erinnerte ich mich auf einem Schulhof an dieses Bild, bei dem die Lichtflecke, die durch die Baumkronen auf die Figuren den Boden und an die Wände fallen, die wichtigste Rolle spielen.