Geld und Raum

Öfter denke ich in letzter Zeit an die Lektüre der Assmann-Texte zurück. Innerhalb der Themenkomplexe des Ägyptologen interessiert mich insbesondere der Zusammenhang zwischen Monotheismus und Antisemitismus. Dass durch die Jahrhunderte hindurch Antisemitismus wie ein Reflex in der Bevölkerung verankert ist, legt den Schluss nahe, dass sich eine tief verankerte Angst, wie aus einem gemeinschaftlichen Trauma sich in dem Hass auf eine Bevölkerungsgruppe Platz macht. Die jeweils aktuellen Gründe dafür können Neid oder an den Haaren herbeigezogene Fiktionen sein.

Das Niltal gedieh nach außen hin durch die Verbindung des wechselnden Wasserstandes mir einer festlichen Jahreslithurgie und der Versklavung großer Bevölkerungsteile durch eine strenge Kastenaufteilung. Echnaton, der die an die verschiedensten Götter angebundenen jahreszeitlichen Feste und Rituale abschaffte und ein absolutes, sich nur nach der Sonne ausrichtendes System erzwang, war ein Kulturrevolutionär. Die Verwerfungen in der ägyptischen Gesellschaft müssen durch die Einrichtung des Monotheismus gewaltig gewesen sein. Sicherlich war damit auch eine grundlegende Verunsicherung verbunden, die zu katastrophalen Lebensumständen führte. Es scheint mir möglich, dass es aus dieser Katastrophe einen gesellschaftlichen Erinnerungsreflex bis in die Gegenwart gibt. Und soweit ich mich an die Lektüre erinnere entstammt die Mosesfigur dem Zusammenhang des Zusammenbruchs des monotheistischen Systems von Echnaton.

Nun ist man in Deutschland schnell Vorwürfen ausgesetzt, die der Betrachtung dieser Zusammenhänge, vor allem der Unversöhnlichkeit des monotheistischen Systems, antisemitische Tendenzen zuschreiben wollen. Dieses kontrapunktische System könnte bei besonnenem Umgang sehr fruchtbar sein.

Im Zusammenhang mit dem kulturrevolutionären Potential der Echnatonzeit, denke ich an das Primat der Beschleunigung, an das Wachstum des immateriellen Rohstoffes „Information“ und die schnelle Zuwendung der Welt an die Geschwindigkeit um der Geschwindigkeit willen. Keine Vielgötterei, kein Kontrapunkt, denn Zeit ist Geld und nicht Raum.