Bildersturmzeit


Sonntag. Nach einer kalten Nacht bin ich zeitig auf, um vor meiner Kunstaktion auf der Saalburg, wenigstens einen Teil des Tagebuches erledigt zu haben. Am gestrigen Abend waren wir bei Bekannten in ihr neues Haus eingeladen worden. Es handelte sich um einen etwa einhundert Jahre alten Wohnpalast, den sie mit viel Mühe und Energie sehr sorgfältig und liebevoll renoviert haben. Nun kommen sie mir in den drei Etagen mit etwa vierhundert Quadratmetern Wohnfläche etwas alleine und verloren vor. Es handelt sich um keine notwendige Raumveränderung sondern um Luxus, der sicherlich dem Umstand, nicht zu viel Geld beim Finanzamt zu lassen, geschuldet ist. Wir haben wieder gemerkt, wie sehr wir uns mit unseren Tätigkeiten und mit dem Verständnis von unserer Rolle in der uns umgebenden Gesellschaft, als Exoten an ihren Rand manövrieren. Auch die anderen Gäste sprachen sehr viel von Geld, am liebsten von viel Geld…

Auf der Berliner Museumsinsel wird derzeit eine große Nofreteteausstellung gezeigt, in der es um Fundstücke aus Nachgrabungen um den Fundort der Büste geht und um das einhundertjährige Jubiläum ihrer Auffindung. Üblicherweise handelt es sich bei den ausgestellten Exponaten um Fragmente aus einem Formenkontext, der die Bilderstürme der Geschichte in seiner Vollständigkeit kaum überleben konnte. In diesen Zusammenhängen werden immer wieder die Rückgabeforderungen ägyptischer Regierungskreise diskutiert, die der Meinung sind, die Nofretetebüste gehöre nach Kairo. Sieht man von den Verdiensten deutscher Archäologen und ihrer Grabungskampangen, dem Vertrag über die Übereignung der Büste und dem damit verbundenen rechtlich unanstößigen Standort ab, kann man sich kaum vorstellen, was in den ungesicherten Museen während der Revolutionszeit im vergangenen Jahr mit der Büste geschehen wäre. Kommen die fundamentalistischen Bilderstürmer im maghrebinischen Raum an die Macht, muss man um die ausgegrabenen Schätze fürchten, wie um die großen Buddhastatuen in Afghanistan.

Sich in kultureller Sicherheit zu fühlen ist Luxus. Ich lebe mit der Gewissheit, dass jederzeit eine neue „Kulturrevolution“ über uns hereinbrechen kann, wenn es nicht schon im Zuge der Digitalisierung und der Urheberrechtsdebatten soweit ist.