Kindheit auf der Bühne

Der kürzeste Tag des Jahres beginnt mit Nebel und Regen. Morgens um Acht ist es zwar schon ein wenig hell, aber eigentlich eher noch dunkel. Der Himmel scheint unbewohnt zu sein, oder ist gar nicht vorhanden.

Der Ausformungsversuch mit der Pappmachemasse war ein Misserfolg. Ich habe das getrocknete Material in stundenlanger, mühsamer Arbeit wieder vorsichtig in kleinen Einzelteilen aus der Form herausgelöst. Eine Übung in Demut. Eigentlich wollte ich die Form sofort wieder mit einer anderen Masse füllen, hatte aber noch die während der Performance entstandene Arbeit zu präparieren.

Vorgestern waren wir im Schauspiel. Markus Bothe hat Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“ dramatisiert und in Szene gesetzt. „Get Well Soon“ steuerte Begleitmusik und Songs hinzu. Das Bühnenbild bestand aus einem sich drehenden überdimensionalen roten Sowjetstern, der schräg gelagert,  auseinandernehmbar war und dann seine Innenkonstruktion preisgab. Außerdem gab es, besonders bei den Kostümen einige Versatzstücke aus der Sowjetunion (wie lange habe ich dieses Wort oder UdSSR – Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken nicht geschrieben und nicht gesagt?).

Das Bühnengeschehen vermischte sich mit meinen Kindheitserinnerungen an die Pionieruniform, weiße Hemden mit einem Emblem auf dem Ärmel, bestehend aus einem J und einem P, gekrönt von einer eigenartig statischen Flamme. Dazu gehörten ein blaues Halstuch und ein Käppi, auch in Blau. Die älteren Thälmannpioniere trugen schon rote Halstücher, und natürlich wollten wir schnell Thälmannpioniere werden, um dann zu den Größeren zu gehören. Später kamen dann die Blauhemden der Freien Deutschen Jugend. Aber da war die Begeisterung schon verflogen. Ich war nicht mehr mit meinem Herzen dabei, begann den Sinn der Uniformierung zu durchschauen. Außerdem gab es am entgegengesetzten Pol die Rolling Stones, die den Soundtrack der Ablösung schrieben. In diesem Moment sah ich, dass die Vögel einfach so über die Westgrenze flogen, und über meinem Kopf pendelte Pam Am zwischen Westberlin und Frankfurt.