B. entdeckte gestern vorgestern im Museum für moderne Kunst eine Reihe von Fotografien der amerikanischen Künstlerin Taryn Simon. Sie suchte mit einer analogen Großbildkamera Orte auf, die der amerikanischen Gesellschaft vorenthalten sind. Dennoch sind sie ein bestimmender Teil des allgemeinen Bewusstseins, der in diesem Fall durch seine Verdrängung anwesend bleibt. Der Roman, den B. derzeit übersetzt, handelt von solchen Orten, an denen sich Menschen aufhalten, die sich per Richterspruch bestimmten Territorien, die es in jeder Stadt gibt, nicht nähern dürfen. Eine Fotografie von Simon zeigt beispielsweise eine Gruppe von Männern in der Zentrale des Klu Klux Klans. Die Qualität der Ausleuchtung des Ortes, die Dramaturgie der Figurenanordnung und ihre einzelnen Ausstrahlungen machen diese Arbeiten sehr vielschichtig. Ich würde sie demnächst gerne noch einmal anschauen.
V. hält sich gerade in New York auf. Vielleicht arbeitet er etwas, was sich mit der dortigen Kunstwelt auseinandersetzt. In seiner Abschlussarbeit in Addis Abeba interviewte er zunächst seine Kommilitonen, welche Berufswünsche sie in ihrer Kindheit hatten. Dann versammelte er auf dem Abschlussfest lauter Menschen, die diese Berufe in Äthiopien ausüben.
Im Atelier gab es gestern für mich eine Überraschung. Schon zeitig am Morgen hatte ich meine Tagebucharbeit abgeschlossen, und konnte so schon gegen neun Uhr dreißig mit meiner Ausformarbeit erneut beginnen. Nachdem ich die Pflanzen gegossen und die Abformmasse fertig gerührt hatte, begann ich, das zweite Exemplar in die Form zu pressen. In zweieinhalb Stunden hatte ich schon dreiviertel der Form gefüllt. Dafür hatte ich vorher etwa sechs Stunden benötigt. Ich benutze etwas mehr Material, wodurch die Wanddicke größer wird. Außerdem gestaltet sich das Ausfüllen leichter, weil ich nicht mehr so genau auf Fehlstellen achten muss. Am Nachmittag konnte ich deswegen schon die Blutkreislauffigur, bzw. das Ornament, das drei von ihnen bilden auf mein Modellierbrett zeichnen und dann gleich mit dem Modellieren loslegen. Die grobe Anlage des Reliefs ist schon zur Hälfte fertig. Es ging also schnell vorwärts gestern. Vielleicht könnte ich mit den modellierten Motiven etwas freier umgehen, dem Zufall etwas mehr Raum geben.