Sehschlitz

Derzeit sind die mittleren Temperaturen nahezu fünf Grad wärmer, als es in dieser Jahreszeit üblich ist. Es blüht vierzehn Tage früher als sonst und zum Ende der Woche hin sind sommerliche Verhältnisse angesagt.

Die Verdichtung der Ackermannwiesenlinien bekommt durch die relativ enge Phasenverschiebung einen stark rhythmischen Charakter. Eine konfliktreiche Eintönigkeit und Aufgeladenheit eines Lagerlebens. Das wird neu gebrochen, wenn ich beginne mit den Trümmerumrissen zu arbeiten.

Am Tisch sprach ich mit meinem Ateliernachbarn über diese Arbeit. Der konzeptionelle Ansatz wird bei mir immer noch mit der eigenen Handschrift umgesetzt. Wegen der Vielschichtigkeit der Materie denke ich derzeit an das Material Glas. Auf ihm können in mehreren Ebenen hintereinander Strukturen gezeigt werden, die ich innerhalb der einzelnen Arbeitsschritte entwickelt habe. Der Grundriss dieser gläsernen Wände, die nur durch einen Sehschlitz innerhalb eines Betonblocks sichtbar werden, kann aus den Umrisslinien der Zeichen bestehen, mit denen die unterschiedlichen Kriegsgefangenen kenntlich gemacht wurden. So kann eine Architektur entstehen, an deren Wänden die Emotionen alblesbar werden, die damals und auch heute Menschen entwickelt haben.

In aller Munde ist derzeit Weiweis Ausstellung im Gropiusbau, die in wenigen Tagen eröffnet wird. Vinzenz schreibt was er in Beijing lernt. Er glaubt, dass in meinen Arbeiten mehr von mit persönlich steckt, als das bei den Factorykünstlern, seinen weltberühmten Meistern ist der Fall ist. Nur mit meinen kleinen Arbeiten lässt sich kein „Staat“ machen.