1961

Ein halber Mond, Wolkenfetzen schnell und beleuchtet nach Osten wehend, darüber das dunkle Gefäß des Sternenhimmels. Noch keine Dämmerung. Leise und hell ziehen die Stadtbahnen auf dem Horizont des Bahndamms vorüber. Die Güterzüge hingegen lärmen hämmernd, polternd und ratternd. An einem unweiten Signal kommen sie manchmal zum Stehen. Das ist ein langer, quietschender Vorgang. Graffitis und Firmenlogos auf Holzwaggons, Kesselwagen und Containern. Ein Wunder, dass der Damm hält.

Gestern zeichnete ich mein Rasterportrait aus dem Jahr des Mauerbaus Neunzehnhunderteinundsechzig. Kurz zuvor war ich noch in den Ferien bei meiner Großmutter in Westberlin zu Besuch. Dort infizierte mich etwas, das mich nie wieder losließ, ein Fernweh. Die Flieger die damals dicht über Neukölln donnerten um in Tempelhof zu landen, hatten blitzende dicke, von Propellern begleitete Bäuche. Ich sah sie nur kurz über den Straßenschluchten der Altenbracker, und der Schierker. Die Bilder, die sich damals einprägten, sind mir noch sehr gegenwärtig.

Während des Zeichnens hatte ich die Schulbänke der ersten Klasse vor Augen, schwere Tischlerarbeit. Bank und Tisch in einem Stück mit zwei Vertiefungen für Tinte, einem Fach unter der Tischplatte, verdreckt von Staub und Schulbroten. Die Namen der Mitschüler, alle waren wir Jungpioniere, sind heute noch in den Branchenverzeichnissen der Gegend zu finden. Ich erinnere mich nicht an den Dialekt, der gesprochen wurde. Den kenne ich nur von späteren Reisen.