Kapseln

Der Tisch liegt voller Zeichenutensilien und Blätter, die Aquarellstifte etwas verstreut, Federhalter, offene Tuschegläser und weiche, saugfähige Tücher, an denen ich die Tuschefedern abstreife. Mittendrin ein Reiseplanflyer vom IC 2253, der alle Stationen, Ankunftszeiten und Anschlüsse zwischen Frankfurt am Main und dem Ostseebad Binz auflistet.

Mit einer kleinen Zeichnung versuchte ich den mitreisenden Kunstschülern zu demonstrieren, wie ich die vorüber fliegenden Landschaften mit einer Linie festhalten kann. Diese Linie habe ich nun mit Tinte auf Transparentpapier übertragen, will sie nun vergrößern und schauen, was ich noch damit anfangen kann. Zunächst sitzt sie schon mal durchscheinend in der heutigen Collage oben.

Mir geht nach wie vor die sowjetische Weltraumarchitektur durch den Kopf. Die fotografischen Aufnahmen der engen Wohnstätten der Weltraumkapseln, zeigen etwas abgewohnte Schachteln, in denen es weder Oben noch Unten gibt. Alle Seiten sind gleich. Es wäre also egal, wie herum ich sie auf Transparentpapier darstelle. Meine Zeichnungen haben zumeist unten einen Schwerpunkt. Würde sich das in der Schwerelosigkeit des Alls ändern?

In meiner Atelierkapsel herrscht die Stille der Eremitenhöhle. Das Rolltor ist wegen der niedrigen Außentemperatur zu. Die Nachbarn sind nicht da, keine Restaurantküchenlüftung, keine laut lachenden Telefonate, kein Theater, kein Boxkampftraining. Ruhe fährt fort.