Gruppenfoto

In der Biografiereihe taucht wieder das Portrait meines Vaters, als etwa Fünfundzwanzigjähriger auf. In diesem Alter befindet sich jetzt Vinzenz. Hinter der Pioniergruppe, die mir die Portraits liefert, die ich in die verschiedenen Konstellationen stelle, steht er, soweit man es erkennen kann, in einem Blauhemd, der Uniform der Freien Deutschen Jugend. Auf meinem Einschulungsfoto trägt er das Abzeichen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands am Revers. Sein Blick geht geradeaus, die Linse des Fotografen missachtend. Ein Mädchen hält eine Urkunde unbekannten Inhalts vor seinen Oberkörper, ein Junge präsentiert den Speer, der neben seinem Fuß steckt, mit dem Pionierwimpel schräg von sich fort, eine Dreieckskonstruktion. Die Pionierleiterin, nicht viel älter als achtzehn Jahre, steht ebenfalls in Uniform zwischen ihnen. Sie trägt dieselbe Einheitsfrisur, wie alle Mädchen, die Hände hinter dem Rücken. Das alles erscheint, wie eine Szene, die einen etwas abgemilderten Stalinismus illustriert, der sagt: „Wir sind im Recht!“.

Chaos im Atelier, denn die Pflanzen müssen hereingeholt werden. Nordwind ist angesagt mit einer Kaltfront, die die Temperatur über zehn Grad sinken lassen wird. Paulo hat die Regale draußen schon leer geräumt. Jetzt müssen sie noch von innen an die Fenster der Rolltore gestellt werden, um die vielen Pflanztöpfe aufzunehmen. Jedes Jahr im Herbst findet dieses Ritual auf den drei Leitern aus Holz und Aluminium statt. Viele Pflanzen habe ich vor dem Hereinräumen stark zurück geschnitten, wie eine Duftgeranie, deren Blätter ich in ein offenes Gefäß gelegt habe, um zu erleben, welchen Duft sie während des Verrottens verströmen.