Seeräuberjenny

Auch im Lied von der Seeräuberjenny geht es um die Zerstörung einer Erinnerung. Mit dem Schleifen der Stadt und der Ermordung aller Einwohner durch die Seeräuber, die unter 8 Segeln in die Bucht kamen, wird die erlittene Schmach verwischt. Das elende Dasein hat sein Ende im blutigen Vergessen gefunden. Das ist ein Grund für Rache. Die rauchenden Trümmer im Rücken, breitet die Freiheit des Meeres ihr Schweigen über die Vergangenheit.

Dass Dieser Song einen jungen Musiker, wie Dylan, der am Anfang der Sechzigerjahre in New York angekommen ist, begeistern musste, leuchtet mir ein. Filmaufnahmen von Lotte Lenya zeigen sie bei der Interpretation dieses Songs mit sehr zurückhaltenden Gesten und wenig Bewegung als eine bedrohliche Figur des besonderen Vergessens.

Manchmal erscheinen mir die Szenen im Rebstockimbiss so, als würden sie direkt aus der 3 Groschen Oper stammen. Der deformierte blutunterlaufene Kopf einer Trinkerin, die vor 3 Wochen obdachlos geworden ist, zeigt sie dem Tod näher als dem Leben. Ihr Freund steht zockend am Spielautomaten und kümmert sich nicht um sie. Der Zorn des Wirtes und aller Gäste trifft ihn. Er redet und redet, findet Ausflüchte, um nichts tun zu müssen. Seine Freundin weigert sich, Hilfe anzunehmen. Die Situation eskaliert im engen verrauchten Raum, bis er sie anschreit: Stirb! – mehrmals. Ein Gast ruft die Sanitäter, während sich die fahlblaugraue Frau immer noch weigert, Hilfe anzunehmen: Ich komm nicht mit! Die Polizei nimmt sie dann unter sanftem Druck ins Sanitätsfahrzeug.

Viele Geschichten der Seeräuberjenny sind unterwegs.