Zum Totenbuch III habe ich gestern ein additives Doppelportrait aus den Rastern der Vater- und Großvatergesichter überlagert. Das Ergebnis ist ein noch fremder und für mich gefährlicher wirkendes Gesicht, das aus den verschiedenen Vergangenheiten zusammengesetzt neue Erinnerungen hervorruft. Die beiden Portraits rahmen mit ihren Aufnahmedaten ziemlich genau die Zeit der Verheerung des zweiten Weltkrieges ein. Ich erinnere mich an die Propagandafilme der verschiedenen Kriegsparteien. Wenn es um die „Rote Armee“ ging, stand das Wort „ruhmreich“ an vorderster Front. Und das „Deutsche Heer“ führte die Ehre als Worthülse vor sich her.
Auf diesen Aspekt der Erinnerungen komme ich, weil ich gestern ein Interview eines Friedenforschers hörte. Die vergangenen Friedensjahrzehnte in Mitteleuropa bezeichnete er als Ausnahmesituation und als „Luxus“. Nun sei ein erneuter Krieg zwischen Russland und der westlichen Welt wahrscheinlicher geworden. Er würde an Herausforderungen alles in den Schatten stellen, was wir bisher erlebt hätten. Das ist glaubhaft.
Der Aufbau der neuen Mythen ist in vollem Gange. Nationalismus blüht im Osten und schafft ihre neuen Banner, hinter denen man sich todesmutig versammeln kann. Das Eurozeichen, in der Frankfurter City, stelle ich mir als Angriffsziel, zu stürzenden Denkmal und gleichzeitig als aufgestecktes Banner an den neuen Frontlinien vor.
Dies alles wird also eingerahmt von den Väterportraits. Die Buchmalereien halten mich bei so viel Konkretion im Gleichgewicht.