Fernstraße

Im flirrenden Schatten meiner Birke bin ich vor der stechenden, steil in der klaren Luft stehenden Sonne geschützt. Der Efeu, der meine Füße umspielt, beginnt nun die Atelierwand zu erklimmen. In seiner Deckung jagt die in diesem Jahr große Anzahl von Eidechsen.

Der Verkehr auf der A 5 klingt im Westwind wie die Atlantikbrandung in der Ferne. Fernstraße – auch ein altes Wort.

Ich erinnere mich daran, dass wir als Jugendliche mit unseren Fahrrädern auf die Autobahnbrücke gefahren sind, um das Fernweh zu spüren. Westautos fuhren Transit nach Westberlin und von dort aus auf der Gegenspur nach Westdeutschland, in die Welt, in der es keine Grenzen gibt, die einen wirklich aufhalten können. Das Reisen war mir also nicht in die Wiege gelegt. Dennoch schlummerte in mir die Sehrsucht nach der Ferne, die einen ziehenden Schmerz auslöste.

Und dann, in meinem neunzehnten Lebensjahr machte ich mit meinem Freund eine Tramptour nach Bulgarien. Ein schmaler Korridor war das, der bereist werden konnte: Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien.