Auswege

Gestern fand im Filmmuseum die vorerst letzte Veranstaltung zum 90. Geburtstag von Christa Wolf statt. Gezeigt wurde ein Film, der im Wesentlichen aus drei längeren Interviews, Filmausschnitten und Dokumentarmaterial zusammengefügt worden ist. Teileweise war ich emotional sehr berührt und fragte mich, was da in mir emporsteigt. Die ganzen Erinnerungen an die Siebzigerjahre in der DDR, an dieses Gefühl, bis zum Rentenalter in einem Korridor eingesperrt zu sein, der die Aneinanderreihung der sozialistischen Bruderländer umfasste, war eine Selbstverständlichkeit. Wie dieses Bewusstsein mich und meine Umgebung geprägt hat, welche Gefühle meine Jugend bestimmten, habe ich noch nicht zielgerichtet erforscht. Jetzt beginnt das mit dem Väterprojekt.

Das derzeitige Unterwegssein mit meinen Eltern, in den Landschaften unseres Familienlebens, fördert bedrückende Stimmungen an die Oberfläche.

Wir haben diese Landschaften damals langsam durchquert, mit der Waldbahn, zu Fuß oder im Bus. Das Zuhausesein und Unterwegssein waren keine sehr gegensätzlichen Prozesse. Es fehlten einfach Geschwindigkeit und Ausdehnung für Bewegung. Die statische Kontinuität förderte versteckte Fähigkeiten und sorgte für innere Gegensätze: Wut, Resignation, Aufbruch, Abschottung und Rückzug. Das alles unter einem bleiernen Deckel der staatlichen Allmacht. Meine Auswege waren die Kunst und die risikoreiche Ausreise in den Westen.