Aus Abstand

Aus größerer Entfernung nehmen Carola und Hans immer wieder erstaunliche Dinge wahr, die mit meiner Kontinuität innerhalb der Tagebucharbeit zutun haben. Sie schätzen diese Disziplinleistung zwar, aber Hans meint, dass sie einem Selbstzweck dient. Und dieser begründet sich in der Befürchtung, dass ich ohne diese Disziplin, im freien Fluss der Zeit, meine künstlerischen Prozesse nicht so konzentrieren und steuern kann, um immer wieder neue Ergebnisse ans Licht zu fördern, die auf dem aufbauen was ich in den Tagen, Wochen, Monaten, Jahre zuvor geschaffen habe. Die Angst vor einer Implosion der Produktivität könnte aus einem Fehlen an genügend Selbstvertrauen wachsen.

Es käme also auf einen Versuch an. Ich könnte ganz einfach für eine Weile meine Aufzeichnungen und Buchmalereien einstellen, aus meiner Askese hervortreten und schauen, was sich aus dieser neuen Situation entwickelt. Vielleicht käme es dadurch zu einer Explosion der Kreativität, oder mir erschienen ganz andere Dinge wichtig.

Aber zunächst sträubt sich etwas in mir, diese Kontinuität zugunsten eines Experimentes aufzugeben. Es würde an einen Verrat mir selbst gegenüber und dem Projekt gegenüber gleichkommen. Vollständigkeit erscheint mir in diesem Fall auch wie eine Kategorie von Schönheit. Aber ich selbst habe auch Zweifel, und sie artikulieren sich in gewissen Auflösungserscheinungen innerhalb der Arbeitstagebuchdateien. Urlaubszeiten bilden Lücken. Da gibt es nur Handschriftliches. Aber eine weitere Änderung dieser regelmäßigen Arbeitsweise kann nur aus meiner eigenen Lust an Veränderung hervorgehen.