Nr. 1000

In der Stadt fanden wir eine Stelle, wo man schnell einen guten Chai Masala bekommen kann. Das ist auch das Restaurant, wo es günstige kleine pakistanische Gerichte mit Lamm, Huhn oder vegetarisch zu kaufen gibt.

Hier im Atelier achte ich nun etwas mehr auf Sauberkeit und auf aufgeräumte freie Flächen. Unordnung stört mich in diesem Raum, der nun auch mein Wohnraum ist, zunehmend.

In einem Telekommunikationsladen werde ich heute für mich eine Internetleitung in mein Atelier bestellen. Dazu gibt’s dann auch ein Festnetztelefon oder etwas in dieser Art, damit ich meine Kontakte leichter pflegen und die Projekte besser koordinieren kann.

Im Städelmuseum in den Kellerhallen sahen wir gestern das Informel. Diese Zeit und diese Stilrichtung hat es mir zunehmend angetan. Zwischendrin habe ich beim Sehen manchmal leichte Kreislaufschwierigkeiten. Die Ausstellungen anschauen, ist für mich zunehmend oft sehr anstrengend.

Am Abend im Atelier las ich in „Ein Tag im Jahr“ von Christa Wolf. Ich kann gut darin herumblättern und mich erinnern, indem ich nachschlage, was an diesem 27. September jedes Jahres für mich selbst wichtig war. Interessante Vergleiche.

Regen Tag und Nacht

Auf dem Bahndamm gleiten Sonntagszüge für Regenausflügler in Allwetterkleidung vorüber. Keine donnernden Güterwaggonschlangen, sondern kleine Regionalzüge.

Unser stattlicher Boesnereinkauf steht in Form von Farbflaschen, Papierrollen und Pinseln im Atelier. Die Tuschepinsel, die wie nachfüllbare Brushpens funktionieren, erlauben lange Tuschelinien, die ohne Absetzen gezeichnet werden können. Das geht sicher auch mit farbigen Tinten oder anderem klaren Material.

Normalerweise werden Materialfragen in meinen Räumen bescheiden beantwortet. Kürzlich malten wir beispielsweise wieder mit Erfolg auf Filzpappe mit nur weißer Wandfarbe, Acrylfarben und Rakeltechniken…

Regen Tag und Nacht.

Gestern im Städtchen auf der Konstalberwache beim Wochenmarkt. Menschen anschauen, die gute Stimmung genießen, Wein trinken, leckere Dinge essen.

Abends im Atelier beginnende Holzbildhauerei. Eine Technoparty bei Günes verhinderte konzentriertes Arbeiten.

Erinnerungsblick der Pensionäre

Eben beim Frühstück dachte ich noch, dass das Atelier so abgeschirmt ist mitten in der Stadt, dass ich ganz in Ruhe gelassen werde. Jetzt aber rollt durchdringender Flugzeugdonner der Starts herein.

Manchmal kommen pensionierte ältere Männer zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf das Gelände und schauen sich in einer Weise um, dass man glaubt, sie haben hier mal bei Teves gearbeitet.

Dieser Erinnerungsblick…

Helga hat gestern einen Andruck des Leporellos mitgebracht, der den Stand unserer Arbeit am Zwangsarbeitergedenken zeigen soll. Im nächsten Schritt soll Zwischenraum e.V. als Kooperationspartner fungieren, wenn es um die Umsetzung der Idee in ein Denkmal gehen soll. Es wäre auch gut jüngere Leute mit dabei zu haben, damit auch so etwas wie ein Generationswechsel beginnen kann.

Gerne hätte ich auch Cordula und Nora dabei.

Das Wochenende verbringe ich im Atelier und vielleicht jetzt gleich auf dem Markt an der Konstablerwache. Mit dem Rad unterwegs zu sein, fühlt sich sehr frei an.

Rundhorizonte | Masken

Freitag – Workshoptag 2 – Beatles am Morgen. Ich habe hier im Atelier geschlafen, Treffe mich gleich mit Alexander Klett und gehe dann zum Boesner Farben kaufen.

Auf dem Wochenmarkt am Weinstand werden wir unsere Freunde treffen, mit denen wir gemeinsam neue Wege der Zusammenarbeit ausprobieren wollen. Sie wollen mich in meiner Arbeit unterstützen.

Die Hindemithkinder sind da und basteln mit Maj an den Boxen für das Architekturmuseum, wo wir im Dezember unsere Ausstellung eröffnen werden. Heute werden Masken auf Hintergründe montiert und so bemalt, dass sie mit dem Rundhorizont der Boxen verschmelzen. Erst auf den zweiten Blick werden die Ausstellungsbesucher sehen, dass die Masken überhaupt vorhanden sind.

Zerbrochene Sichel

Donnerstag – Workshoptag 1 der Woche – morgen Workshoptag 2 mit den Hindemithkindern, die hoffentlich wieder zahlreich erscheinen werden.

Kontaktversuche mit Alexander und mit Franz. Bei beiden fuhr ich einfach auf Verdacht vorbei, wie in den Zeiten, als ich kein Telefon hatte, man sich manchmal mit einer Postkarte ankündigte.

Die Heizung rauscht in meinem Rücken, Nebel der sich manchmal an wenigen Stellen etwas aufhellt, greift in die schütteren Farben der Baumkronen.

Mit Lust riss ich die Brombeerwurzeln heraus, die sich unserer Wiese immer weiter bemächtigen wollten. Mit Roland arbeite ich an dieser Stelle uneigennützig und ehrenamtlich ein wenig an der Pflege unseres Geländes. Dabei ist mir leider eine handgeschmiedete Sichel bei ihrer Begegnung mit einem Stein gebrochen, die ich in Indien gekauft hatte (EVERY THING IS BROKEN). Die großen Pflastersteine aus Granit dienen uns normalerweise zur Abgrenzung der Wiese gegen parkende Autos. Nur auf diese Weise ist sie überhaupt entstanden. Sie werden dann aber von solchen, denen sie im Wege sind, in hohem Bogen ins Gesträuch geworfen.

Dringend benötige ich nun einen vernünftigen Internetanschluss in meinem Atelier, damit dieses Hin und Her mit Speichermedien zwischen Wohnung und den Rechnern hier aufhört. Das kostet nur Zeit und Nerven.

BROKEN

Der Bagger in der Nachbarschaft lärmt und reißt den Betonboden auf, wie in der gesamten Umgebung, wo neue Leitungen für die neuen Wohngebiete entstehen. Nun werde ich mich daran gewöhnen müssen, denn noch weit umfangreichere Abrissarbeiten stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür.

Alle Dinge, die passieren schieben sich in das Bedeutungsraster EVERY THING IS BROKEN. Das gilt für die Nachbargebäude, meinen Pfad im Taunus und auch für Freundschaften.

Aber all diese Dinge weichen einer Neuorganisation, ein Wohnviertel,  neue Freunde neben alten, die treu bleiben und die nun veränderte Waldarbeit. All dies geschieht zugleich und belebt.

Auch der jüngste 3-D-Ansatz den ich in Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum fand, passt in diese Entwicklungen. Wir haben einen 3-D-Drucker gefunden, der sich in eine CNC-Fräse und in eine Gravurmaschine umwandeln lässt. Das geschieht einfach mit den entsprechenden Aufsätzen.

Fuge | Hochnebel | Haare

Die Kunst der Fuge – Hochnebel – ich verliere Haare. Draußen beginnen die Bagger in der Nachbarschaft mit dem Aufreißen der versiegelten Erde. Das sind die Vorboten der Abrissarbeiten. Gute Bausubstanz wird dem Schnellbau von Wohnungen weichen.

Die Vereinsarbeit würde ich gerne über die engen Grenzen des Gallus hinaus erweitern. Die Vergrößerung des Gesichtsfeldes wäre vielleicht auch mit jüngeren Mitgliedern möglich. Dafür sind Veränderungen notwendig, die uns nun ins Haus stehen.

Die Recherchen zu den 3-D-Plottern gehen voran. Auch ein 3-D-Scanner ist ins Auge gefasst. Das würde bedeuten, dass nun meine Träume von 1997 so langsam wahr werden. Damals habe ich TRIXEL PLANET erfunden und das Projekt der Suche nach Wanderungsspuren und ihrer Verflechtungen.

Die Arbeit am Zwangsarbeitergedenken geht in eine neue Runde. Mit einem Leporello soll auf die bisher geleistete Arbeit hingewiesen werden.

3-D-Umbruch

Im Architekturmuseum habe ich heute das kommende Arbeitsjahr besprochen. Es sieht spannende Inhalte vor. Vielleicht kann ein 3-D-Plotter dafür in den Dienst genommen werden.

Außerdem sprachen wir über die nächste Ausstellung, die nun am 10. Dezember eröffnet werden soll. Ich freue mich auf einen langen Fotografiestreifen, der unsere Arbeit von einem Jahr dokumentieren wird.

Ansonsten wird das Ganze etwas ruppiger aussehen als vor ein paar Jahren die sehr ästhetische Ausstellung zum Handprint Frankfurt.

Für die kommende Arbeit muss der Verein gründlich umstrukturiert werden. Die Veränderungen scheinen sich in alle Sphären zu erweitern. Ein wirklicher Umbruch.

Vieles der Tagebucharbeit ist liegen geblieben und muss nachgearbeitet werden. Dadurch ist alles etwas abgespeckt und hat nichts mehr mit dem handschriftlichen Arbeitstagebuch zutun.

Volksfeste

Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum des Mauerfalls heute. Allenthalben Volksfeste hier in der Nähe der ehemaligen „Grünen Grenze“. Menschen aus Ost und West treffen sich und erinnern alles verschieden.

In einer Zisterzienserkapelle habe ich eine Kerze angezündet, nicht für einen Toten, sondern für das Leben und die Hoffnung.

Am Tisch mit meinen Eltern stellte ich Fragen nach der Vergangenheit, oder reichte solche, die mir Maj gestellt hatte weiter. Sie wurden bereitwillig beantwortet.

Würde ich nun die alten Gespenster wieder auferstehen sehen, wäre das der wahre vorzeitige Tod, ohne Hoffnung.

Alexisbad

Alexisbad – draußen ist es bereits nach dem Kaffeetrinken zum Achtzigsten meiner Mutter dunkel. Das enge felsige Tal ist von einer langen Erzbergbautradition geprägt. Kleinteilige Industrieansiedlungen verhütteten den Bodenschatz bis in die Wendejahre.

Eine Andere Tradition ist die der Kurbäder. Die Hotels erinnern an berühmte Gäste, wie Ibsen oder Schinkel, der dort eine kleine Holzkapelle gebaut hat.

Die Landschaften kommen mir hier im Südharz rau vor. Alles erscheint mir klein, die Häuser, die Einteilungen der Landschaft, die Berge und fast glaube ich, auch die Menschen.

Der Geburtstag meiner Mutter ist ein langes Essen mit kleineren Pausen. Fröhlich am späteren Abend in der Bar.

Sieben Blätter


Gestern Abend malten wir sieben Kooperationsblätter – ein produktiver Workshop. Akribisch und gleichzeitig in naiver Manier zeichnete unser Neuzugang Gegenstände mit Tusche auf Papier. Er bringt eine zusätzliche Konzentration mit in der Donnerstagabend. Das macht mir Spaß.

Gerade hörte ich den „Doppelkopf“ vom Hessischen Rundfunk mit Barbara Henke, die Joachim Gauck interviewte. Er sagte im Zusammenhang mit der DDR-Zeit sinngemäß, dass wir uns als Dissidenten im Osten eine emotionale Härte angewöhnten, die uns geholfen hätte, die Situation weitgehend unbeschadet zu überstehen. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und erinnern.

Die novemberne Trübnis im Himmel hat zumindest die Gewissheit in sich, dass es in anderthalb Monaten wieder heller wird.

Akkorde

Leichter Hall in den paar Akkorden, die ich im schrägen Morgenlicht des Ateliers anschlug – etwas Scream, etwas Crunch. Der Sound verleiht mir einen etwas anderen Standort für den Arbeitsbeginn des Tages, auch wenn Glenn Gould jetzt die Partita Nr. 6 von Bach spielt.

Gestern ist die Sequenz der Sonnenfigur fertig geworden, und heute muss ich mich erst einmal wieder besinnen, wie es weiter gehen soll. Gerne würde ich bei dem Material bleiben, das sich aus der Felsgravur mit der Giraffe und dem Sonnensymbol, einer Rock`n Roll- und der Sonnenfigur zusammensetzt. Sie bilden zusammen mit alten Fotos mein derzeitiges Material.

Zum Wochenende hin drängt sich einiges zusammen. Da gibt es noch Material, das ich für mein Treffen im Architekturmuseum zusammenstellen möchte, es steigt am Horizont der Achtzigste meiner Mutter im Harz auf, weswegen ich einen Termin mit Helga heute abgesagt habe.

Dieser fertige, dichte Block der Sonnenfigur verschafft mir für die folgende Arbeit eine Ausgangssubstanz, die Fundament und Fluidum zugleich ist. Die Arbeit steht auf dem hohen neuen Arbeitstisch und behauptet sich im schnell wechselnden Licht.

Luft komprimieren

Durch die Kühle der Straßen ins Atelier zu radeln, ist wie frische Luft in sich zu komprimieren. Diese Verdichtung ist Nahrung für einen ganzen Tag.

Stunden um Stunden arbeitete ich gestern an der Sequenz der Sonnenfigur auf Rolle 6. Das ging bis weit in den Abend. Dabei interessieren mich jetzt besonders die Grauwerte, die durch die beidseitigen Tuschezeichnungen auf dem Transparentpapier entstehen. Jetzt durch die fortgeschrittene Verdunklung der Gesamtsequenz treten neue Figuren hervor, neue Rhythmen, Richtungen, Flecken, die zu anderen Bildern zusammenwachsen können, wenn man dem Gehirn die Möglichkeiten dazu bereitet. Diese Möglichkeiten würde ich gerne außerhalb der Rolle gesondert ausprobieren, indem ich einen einzelnen Streifen Transparentpapier darüber lege, um die neuen Konstellationen durchzeichnen zu können.

Gestern rief Vinzenz an, um mir von seinem neuen Werk in der Neuen Nationalgalerie zu berichten. Im Rahmen einer Ausstellung von David Chipperfield organisierte Olafur Eliasson eine Beteiligung seiner Studenten vom Institut für Raumexperimente. Vinzenz verkleidete sich aus diesem Anlass in den Schöpfer der Architektur der Nationalgalerie Mies van der Rohe und mischte sich so unter das Publikum. Dabei lernte er viele wichtige Leute kennen…

Verdichtung kippt in die Dunkelheit

Rolle 6 steht rechts neben mir auf dem Atelierschreibtisch, den Rolltorfenstern zugewandt. Leicht entrollt wird die hervorschauende Sonnenfigurensequenz von hinten durchleuchtet. An ihr arbeitete ich gestern mit wachsender Begeisterung bis in den späteren Abend. Langsam nehmen die transparenten, hellen Zwischenräume ab und die dunklen, verdichteten Überlagerungen beginnen die Oberhand zu gewinnen. Dieses annähernde Gleichgewicht beherbergt einen magischen Moment, an dem die Verdichtung in die Dunkelheit kippt.

In der Frankenallee stand die Rolle mit der aktuellen Sequenz meistens vor dem Fenster auf dem Schreibtisch und wurde von Norden her durchleuchtet. Ich sah das sehr gerne, die Szenen dahinter mit den immer gleichen Figuren.

Gleich gehe ich von hier aus dem Atelier einkaufen und trage die Dinge dann auch zunächst hierher zurück. Das Leben auf dem Gelände fühlt sich langsam normaler an.

Kleine Dinge, die ich im Raum verändere, verändern meinen Blick. Ich teste so die Malereien unserer Kooperationen auf Beständigkeit und stelle sie dafür in meine Sichtachsen.

An den Tagen, an denen ich lange und allein hier im Atelier bin, erinnere ich mich manchmal an meine Dachkammer, die der erste Raum war, den ich mir einrichten konnte. Das war ein glückliches Gefühl.

Holz | Pflanzen | Ecken

Wir besuchten gestern das Archäologiemuseum. Die Sonderausstellung zum Kolosseum in Rom und über das Leben der Gladiatoren, war nicht der Anlass unseres Interesses. Eher waren wir wegen der Töpferwaren gekommen, für die Maj Expertin ist. Sie kann die handwerklichen Qualitäten der Urheber der vielen Einzelstücke aus 3 Jahrtausenden einschätzen. Mir gefielen die mannigfaltigen Silhouetten und ihr Zusammenhang mit den Stilen der Bemalungen. Eine Zwiesprache, die ich auch gern einmal probieren würde.

Während ich gestern an meinen Texten und Zeichnungen arbeitete, räumte Maj eine weitere Kramecke des Ateliers aus. Dort hatte sich im Verlauf von zehn Jahren Holz angesammelt, wie es immer wieder zum Bauen oder schnitzen gebraucht wird. So entstanden also wieder mehr Fußraum, mehr Ordnung und mehr Klarheit.

Bei diesen Räumaktionen kommt unter dem Staub manches Teil zum Vorschein, das sich in neuem Licht ganz attraktiv zeigt. So steht nun mein Pilgertotem so im Licht, dass seine Transparenz mehr zur Geltung kommt.

Mit Blick auf die Frostempfindlichen Pflanzen schaue ich immer mal auf die Wetterberichte, kann aber alles noch bis auf weiteres draußen stehen lassen. Dann aber entsteht bald wieder das Gewächshaus, das die Subtropen in den Winterraum transportiert.

Malerische Kooperationen

Auf der Finissage von Franz überkam uns die Lust ins Atelier zu gehen um dort gemeinsam zu malen. Die Kooperationen der zwei Maler, die uns einiges voraushaben, hatten uns dazu inspiriert. Aber mich verließ alsbald der Elan, weil ich die ganze Zeit dachte, dass ich etwas anderes tun müsse, als zu malen. Ich meinte das irgendwie hinter mir zu haben, es zog mich eher zur Rolle 6 oder anderen zeichnerischen Dingen, die immer mit Transparentpapier zutun haben.

Franz erzählte, dass auch er eine Phase der Reduktion hinter sich habe, aber aus dem Erlebnis einer Ausstellung russischer Maler in Schottland wieder zur üppigen Malerei gekommen sei.

Die malerischen Fähigkeiten der beiden künstlerischen Kooperationspartner sind vielgestaltiger als unsere, und ihre Persönlichkeiten sind stärker ausgeprägt, wodurch die vielen Formate die sie innerhalb einer Woche geschaffen hatten in den Liniengeflechten und Farbflächen sehr spannungsreich sind.

Am Nachmittag zuvor baute ich den Tonschlagtisch für Maj fertig. Danach machte ich mich an die vier Meter lange und einen Meter breite Palette heran, die wir kürzlich mit unseren Fahrrädern hierher transportierten. Aus ihr baute ich ein Bettgestell, das hinter die großen Regale hinter dem großen Bild passt. Dort kann man nun zur Not übernachten.

Sonnenfigur

Die Stille im Atelier – von gestern Abend liegen noch Bücher herum, in denen wir nach zeichnerischen Schraffuren und nach aztekischen Reliefs suchten. Auf dem kleinen runden Tisch, der uns ein Wohntisch geworden ist, stehen noch ausgetrunkene Weingläser, drei Blätter von Maj liegen auf dem Boden.

Tagsüber hatte ich mit meinen täglichen Notizen zutun, mit den Zeichnungen und den digitalen Collagen. Bis zum Workshop am Abend zeichnete ich nachmittags ein paar Stunden konzentriert an Rolle 6. Die Sequenz die gerade entsteht ist die der Sonnenfigur. Mit der Namensgebung werde ich ihrer in den Texten habhaft, was mir wichtig erscheint. Es ist als gebäre sie eine Sonne, die sich langsam eindunkelt. Das erinnert mich an die Gebärende im großen Tempel von Madurai, ihren butterglänzenden Körper, der immer mit roter Seide verhüllt wurde.

Erinnerung an die Double Dylans, die hier vor dem großen Bild „Forever Young“ sangen…

Zuwachs zu unserem Workshop am Donnerstagabend. Andreas ist ein eher zurückhaltender Mann, der sich mit Konstruktionsprogrammen und mit Schweißen auskennt und ganz gut zeichnen kann.

Nobel, langweilig, kokett

Portraitmalereien in der Schirnkunsthalle von einer finnischen Malerin aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Die Künstlerin hat sich 1902 zurückgezogen und malte bis 1945 irgendwo in einer selbst gewählten Einsamkeit. Ihre Selbstportraits, die sie zeitlebens gemalt hat zeichnen ihren künstlerischen Weg vom Naturalismus bis in den Expressionismus nach. Diese haben mich am meisten beeindruckt, insbesondere durch ihre Farbigkeit, die das Grau in allen Facetten kultiviert. Weniger überzeugten mich dagegen die an die Linienführung von Modezeichnungen erinnernden Portraits.

Danach der Film eines maghrebinischen Franzosen innerhalb der Reihe „Doublefeature“, ebenfalls in der Schirn. Er stellte mit einem etwas langweilig abgefilmten langweiligen Powerpointvortrag den banalen Zusammenhang von Drogengeschäftsmechanismen und Bankgeschäften her. Die anschließende Diskussion mit dem Künstler konnte der Verflachung der Kunstfilmgattung in diesem Streifen nicht entgegenwirken.

Den Stadtregen warteten wir nach dem Film in der Tablebar neben der Schirn bei einem Bier ab. Die Kellnerinnen streiften sich lasziv durch ihr gebügeltes Haar, während sie die Bestellungen aufnahmen. Auch sonst räkelten sie sich gekonnt kokett in ihren Servierschürzen. Die Beobachtungsgabe kehrt wieder zurück.

Zwei konzentrierte Stunden am Nachmittag an Rolle 6. Mir war als kämen die Geister wieder, die meiner Ruhe und Arbeit abhanden gekommen waren.

Leerer Raum

Leere im Raum – beherrschend. Alles, was ich anfasse, hat keine Bedeutung.

Das Flugzeug, das jetzt über mich hinweg fliegt, hört auch sie, in diesem Moment – jetzt, am Schreibtisch vielleicht.

Anne schenkte mir vor einer Zeit Foto CDs, die sie schön nach Zeitabschnitten geordnet hatte. Es sind alles Scans von teilweise selbst vergrößerten und entwickelten Abzügen von 1978 bis 1989. Viele stammen aus der Dresdner Zeit und haben eine stille Atmosphäre, viel Beieinandersein mit Familie und Freunden.

Habe mir einen heißen Kaffee gemacht und mich warm angezogen. An Klamotten herrscht ja nun hier kein Mangel mehr. Die Heizung war wieder ausgefallen und die Raumtemperatur fiel noch niedriger als gestern.

Die Regelmäßigkeit unserer Museumsbesuche an den Wochenenden paart sich mit der Suche nach indischen Läden und dem Stöbern nach Gewürzen für unsere Küche. Wenn ich derzeit das Atelier betrete riecht es eher nach Currygerichten als nach Farben.

Kontaktabzüge

Ganz im Hintergrund der gestrigen Collage steht ein Portrait meiner Mutter von meinem Einschulungsfoto. Die alten Fotografien haben die Magie der Seltenheit einer Aufnahme. Oft sind die Abzüge nicht größer als die Negative, sind also eigentlich Kontaktabzüge.

Ganz oben auf heute eine Sequenz von Rolle 6 mit dem Auszug einer Tagebuchzeichnung. Langsam verbinden sich die täglichen Verwischungen mit weiteren Gestaltungsexperimenten. Somit werden die Tagebuchzeichnungen etwas abwechslungsreicher.

Die Heizung im Atelier ist ausgefallen – unangenehm bei einer Außentemperatur von acht Grad. Ich könnte alle elektrischen Lampen um mich herum installieren, um mir etwas Wärme zu verschaffen, könnte aber auch schon etwas für den Winter trainieren. In Decken eingehüllt sitze ich erst mal am Schreibtisch und harre dem Heizungsmonteur.

Am Abend zeichnete ich endlich wieder an Rolle 6. Ein Gefühl der künstlerischen Kleinstbewegung, Kontinuität und der Beruhigung, die sich notwendig anfühlt. Form, Funktion und Arbeitsweise der Rollen sind ein Zeichen für gleich bleibendes langsam voranschreitendes Arbeiten.

Bin heute spät dran im Atelier, hatte mich vorher im Netz um Kommunikation zu kümmern.

Rolle 6

Ganz im Hintergrund der gestrigen Collage steht ein Portrait meiner Mutter von meinem Einschulungsfoto. Die alten Fotografien haben die Magie der Seltenheit einer Aufnahme. Oft sind die Abzüge nicht größer als die Negative, sind also eigentlich Kontaktabzüge.

Ganz oben auf heute eine Sequenz von Rolle 6 mit dem Auszug einer Tagebuchzeichnung. Langsam verbinden sich die täglichen Verwischungen mit weiteren Gestaltungsexperimenten. Somit werden die Tagebuchzeichnungen etwas abwechslungsreicher.

Die Heizung im Atelier ist ausgefallen – unangenehm bei einer Außentemperatur von acht Grad. Ich könnte alle elektrischen Lampen um mich herum installieren, um mir etwas Wärme zu verschaffen, könnte aber auch schon etwas für den Winter trainieren. In Decken eingehüllt sitze ich erst mal am Schreibtisch und harre dem Heizungsmonteur.

Am Abend zeichnete ich endlich wieder an Rolle 6. Ein Gefühl der künstlerischen Kleinstbewegung, Kontinuität und der Beruhigung, die sich notwendig anfühlt. Form, Funktion und Arbeitsweise der Rollen sind ein Zeichen für gleich bleibendes langsam voranschreitendes Arbeiten.

Bin heute spät dran im Atelier, hatte mich vorher im Netz um Kommunikation zu kümmern.

Kleinode

Am Morgen räume ich ganz gerne erst einmal etwas im Atelier herum. Ich komme gegen Acht an, schalte die Nachrichten des Deutschlandfunks ein, hänge die Fahrradtasche, den Anorak und den Schlüssel an die Plätze, die ich dafür gefunden habe. Dann gibt es Milchkaffee, dessen Zubereitung sich am Tage mehrmals wiederholt.

Malereien von Maj benötigen ihren Platz zum Anschauen, zum Verändern und Weitermalen. Die hänge ich auf, platziere immer neue an dem ihnen zugewiesenen Ort.

Es geht auf den Winter zu. Das beunruhigt mich in diesem Jahr. Ich weiß, dass es mehr Kraft kosten wird, ihn unbeschadet zu überstehen, als in anderen Jahren.

Mein Weg im Taunus bleibt vernachlässigt. Ich meide ihn, wie auf eine Anweisung hin. Er wird mir langsam fremd, fern und verblasst – eine Erinnerung. Meine Zuneigung wurde umgepflügt. Es schmerzt an die vielen Stellen zu denken, die nun verloren und verschwunden sind, die Kleinode der winzigen Landschaften am Weg.

Vorzugsweise

Ohne Sinn fiel mir das Wort „Vorzugsweise“ ein, als ich mich im Atelier an den Schreibtisch setzte.

Mit seinem Trio spielt Brad Mehldau – erinnere mich an seine Konzentration in der Alten Oper – gute Plätze weit vorne – wenn schon…

Ruhiger Herbsttag heute. Im Alten Zollamt sahen wir ein reisendes Museum einer Inderin. In handgefertigten Klappschränken lagern gerahmte Fotografien indischer Szenen.

Wir aßen in einem Imbiss einen Samosateller mit Salat und Dressing, kauften ein Minzchutney, radelten in der Stadt herum und besichtigten Galerien und Gewürzläden.

Lange war ich nicht mehr auf meinem Weg im Taunus. Je weniger ich ihn sehe, umso leichter fällt es mir ihn zeitweise zu vergessen. Ich frage mich, ob seine Zeit nun vorbei ist, ohne dass ich das geschafft habe, was ich mir erhoffte.

Ein großer indischer Gemüseeintopf und ein Lammcurry, das wir gestern kochten, werden uns über die Woche hin ernähren.

Einkäufe

Eine neue Spielstätte des Museums für Moderne Kunst befindet sich in einer Etage eines neu gebauten Hochhauses in der Innenstadt. Dort besuchten wir heute die Werke von Rosemarie Trockel, Barbara Klemm und Andy Warhol. Eine großzügige Location inmitten der Bankenwelt.

Jetzt im Atelier.

Wie trugen Einkäufe hierher, um hier zu kochen, zu essen zu trinken, zu arbeiten und einfach hier zwischen den Werken und den Büchern zu sein. Maj malt auf Papier, ich schreibe und wir hören dabei Dylanmusik.

Ich trinke Kaffee und Wein abwechselnd, habe mich beim Radfahren in der Stadt angestrengt, beim Regalbauen in der vergangenen Woche, beim Herumräumen und in den Stunden, in denen ich meiner Vergangenheit nachhing.

Das Leben ist nun auf eine grundlegende Art und Weise anstrengender geworden. Ich habe die Welt, zu der ich bis vor wenigen Monaten zugehörte, die ich, wie ich nun spüre, sehr gebraucht habe, mit eigener Energie zu ersetzen.

Die Glocken läuten ihr sonnabendliches Sechsuhrläuten. Das ist eine Kontinuität, die mich sehr anrührt.

Unlust

Freitag – ich umfuhr den Markt, mied die Quäkerwiese.

Jetzt im Atelier ein kleines Licht über dem Papier. Habe es heute mit den Lehrlingen zutun, mit ihrer Unlust.

Nebel ist herab gefallen und hüllt die Stadtsilhouette ein. Die Nacht hielt noch Sterne bereit. Der Wind, der den Herbst einlud, sich aufbäumte und die Nordsee aufwühlte, ließ nach.

Zwischen den Rolltoren, an meiner Südostwand, steht nun ein neues und großes Regal, an dem ich gestern den ganzen Nachmittag baute. Wegen des gleichen einfachen Materials und der gleich bleibenden Maße, fügt es sich in den Raum ein.

Am Abend kam Maj und wollte malen. Ich räumte lieber noch ein wenig herum, um mehr Fußraum zu bekommen, der das Atelier etwas großzügiger erscheinen lässt.

Die Veränderung meiner Lebensumstände nagt immer noch an meiner Produktivität. Das wird sich heute auch nicht ändern.

Schaufelsoldaten

Einen dunklen, alten Schrank, der noch aus den Zeiten der Islamischen Union Hessens auf diesem Gelände stammt, habe ich ausgeräumt und die in ihm gelagerten Dinge auf die freien Regalbretter getan, um ihn rauszuschaffen. Nun ist Platz für ein helles, neues, geräumiges Regal. Das habe ich gestern am Nachmittag begonnen zu bauen und am Abend half mir Maj, die Sprossen dafür zu sägen. Noch heute am Vormittag will ich beginnen, es zusammenzubauen, denn draußen wird es immer kälter, und die Pflanzen müssen bald hereingeräumt werden in ihr Winterquartier hinter die Fenster der Rolltore.

Beim Ausräumen von Lagerecken kam mir gestern eine Sammlung von Schaufeln in die Hände, die ich reinigte und nebeneinander an eine Wand stellte. Nun stehen sie da, wie ausgemusterte Soldaten einer Arbeitsarmee.

Jetzt am Morgen im Seitenlicht der frühen Sonne, höre ich die ganz alten Beatlessongs und versuche ihren Schwung mit in den Tag zu nehmen.

Vor der Tür arbeiten Schreiner an Hochbeeten, die zwar für Grün auf dem Beton sorgen sollen, uns zunächst aber in erster Linie mit ihren dunklen Holzvolumen die Sicht versperren.

Einschulung

Auf der Box sitzend, mit Blick auf die große Regalwand und im Rücken das Rauschen der Heizung, vermittelt sich Sicherheit, nachdem ich durch einen kalten Nordwestwind und Regen mit dem Fahrrad ins Atelier gefahren bin. Schon gestern fuhr ich am Abend mit voller Regenausrüstung nach Hause. Ich habe dadurch ein freieres, vielleicht auch etwas gesünderes Gefühl.

Rolle 6 habe ich mir zurechtgelegt, um wieder an die letzten Zeichnungen und Sequenzen anknüpfen zu können. Es geht etwas schwerfällig nach allen Veränderungen.

Das Licht im Atelier wechselt schnell, weil sich Wolken und Wolkenlücken schnell von Nordwesten unter der Sonne hindurch schieben.

Die täglichen Textabschnitte im Netz bekommen Lücken. Manchmal ist der gebührende und notwendige Abstand zu den nahen Dingen nicht herstellbar. Sie sind deswegen nicht rücksichtsvoll darzustellen.

Im Abbildungsstreifen befindet sich als Ausschnitt einer Fotografie meiner Einschulung das Gesicht meines Vaters. Ein persönlicher Ausgleich zum sonstigen Verstummen.

Fähre

Es macht mir ein sicheres Gefühl, dass ich nach drei Monaten Abstinenz wieder zu Dylan zurückgefunden habe. Das ist keine Ankunft, aber ein Richtungseinschlag.

Manchmal greife ich auch wieder zur Gitarre, manchmal sogar mit Maj`s Bassunterstützung zusammen.

Der Abend im Atelier gehörte den alten Dateien auf Disketten, in denen ich herumgekramt habe. Außerdem fand ich zwanzig Jahre alte Software, mit der ich damals so gut gearbeitet habe. Vielleicht kann ich sie wieder reaktivieren, um auf die alten Dateiformate zurückgreifen zu können. Auch würden mich die alten Arbeitsweisen noch einmal interessieren. Das Herumräumen, Sichten von altem Material und das neue Ordnen dessen, schafft eine Arbeitsatmosphäre für das neue Projekt, das mit den Erinnerungen während des Alterns zutun hat.

So entsteht an den gegenwärtigen Abenden im Atelier eine andere Arbeitsstruktur, die Optionen für die nächste Zeit wachsen lässt.

In die tägliche Collage mit den Dingen die mir aktuell durch Kopf und Finger gehen, habe ich nun erstmalig ein altes Foto eingefügt. Es zeigt die Elbfähre in Gauernitz bei Eisgang.

Lands`End

Später Nachmittag oder früher Abend im Atelier. Nachrichten vom Deutschlandfunk. Ich kann laut Musik hören, kann hinausgehen, wenn ich unruhig werde, kann mich bewegen, wie es mir gefällt.

Draußen vor der Tür sitzen die Türken zusammen und reden in türkischer Sprache, schon lange.

Es sind warme Tage. Man kann gemütlich an einem Sonntag im Städtchen unterwegs sein, sich Ausstellungen anschauen und in Eröffnungen geraten, wo man hoffnungslos underdressed ist.

Wie saßen am „Landsend“, schauten in die Sonnenreflexionen am Ausgang des westlichen Hafenbeckens. Maj hat die Menschen gezeichnet, ich döste in der Sonne und wechselte vom Herumlümmeln ins Liegen, schaute in den Himmel und beobachtete das aeronautische Geschehen. Als das Bier alle wurde, zog es mich weg.

Gestern verbrachte ich den ganzen Tag bis in den späteren Abend im Atelier. Mal kochte mittags einen großen Topf Suppe, den wir langsam bis zum Abend auslöffelten. Die alten indischen Gewürze tun da noch gute Dienste.

Jetzt höre ich „Oh Mercy“ vom Meister und bin ganz auf meiner Seite

Ein Zuhause

Iron Butterfly von 1968 in der Stille des Ateliers mit unbekannten Stücken, wie gemacht für einen solchen Morgen.

Gleichgültig bewölkt zieht das Himmelsgeschehen nach Osten hin vorbei, Güterzüge nach Norden.

Die Malerei von gestern Abend liegt auf dem Boden. Ich möchte für diese schönen Blätter einen Platz finden, vielleicht über meinem Grafikschrank, wo sie abwechselnd hängen können – an einem Ehrenplatz.

Ich gehe zu Bachs Englischen Suiten, von denen niemand weiß, warum sie so heißen. Vom Cembalo bekommt der Morgen seinen Silberschein.

Durch die vielen kleinen Handgriffe tagsüber verändert sich der Atelierraum. Aus diesem heimatlichen Trost beginnt ein Zuhause zu entstehen, das ich in dieser Weise noch nie hatte. Arbeit und Leben verbindet sich hier auf eine selbstverständliche Weise.

Nun begreife ich das Altern als eine Erinnerungsaufgabe. Es ist der letzte Block, den es zu gießen gilt, dicht, schwer und unverrückbar. Damit habe ich auf Rolle 6 begonnen.

Im Gehäuse

Kleinigkeiten umher räumen im Atelier, genussvoll Stapelhölzer einer Holzlieferung fürs Startorante einsammeln, Nachrichten hören, Kaffee kochen, Bach hören mit Glenn Gould. Ich genieße diese ruhigen Tagesanfänge, Pflanzen gießen und auf der „Box On Demand“ sitzend, beginnen zu schreiben in meinem Gehäuse.

Architekturmuseumsprojekt für nächstes Jahr und Ausstellung für dieses Jahr besprochen. Habe da noch etwas Kreativität zu entwickeln.

Sonnenstrahlenmomente zwischen dem Vorbeizug der lockeren Wolken erinnern mich an die Kanaren.

Ich schneide eine Birne und denke an ihren Satz: Ein Birnchen ist gesund und gibt Kraft…

In meinem Raum entdecke ich die Konzentration wieder, finde hoffentlich zurück in die Produktion.

Pommeranzen

Gewitter am Morgen vor dem Küchentisch über den Dachverschachtelungen in der Skyline. Fernes Grollen der Starts am Flughafen jetzt.

In der Satteltasche befindet sich eine Regenhose. Ich bin wettergerüstet nicht erst seit ich Rad fahre.

Zusichkommen, ein Vorgang in den Tagen des Alleinseins im Atelier, auf die Erinnerungen starrend, auf Glück.

Fremde Zitrusfrüchte am Mainufer, Pommereanzen vielleicht. Sie duften nun in Körben im Atelier, ziehen Weinfliegen an und erinnern mit ihrem Geruch an La Palma, an die Zeit der Reisen.

Es sind warme Oktobertage. Ich baue Pflanzkübel mit Auszubildenden, verdiene mir etwas Geld zu dem wenigen, das ich nun brauche.

Was kann kommen im Winter, wenn der Frost den Boden aufbricht, eisglatt und hart, Traumfiguren sich spiegeln in der frühen Dunkelheit.

Renaissancezeichnungen

Sonntagnachmittag in der Herbstsonne die auf mein rechtes Ohr scheint vor dem Rolltor des Ateliers an einem Stehtisch schreibe ich.

Für Maj auf dem Feldbett etwas Schlaf, etwas Kaffee.

Im Städelmuseum sahen wir Zeichnungen der italienischen Renaissance.  Die Linienführung ist oft schnell und auf der Suche nach Lösungen, nach Komposition.

Im Cafe ein Blick auf die sich verändernde Skyline.

Habe ein großes Ruhebedürfnis, will eher wenig mit Menschen zusammenkommen. Andreas ist da eine Ausnahme, auch Anne. Ansonsten will ich alleine meinen Gedanken nachgehen.

Ich habe Arbeitsstunden in der Wohnung von Maj, denen ich nicht konsequent genug nachgehe. Darunter leidet die Arbeit im Netz.

Brennexperiment

Direkt vom Weinstand aus fuhr Anne gestern nach Berlin zurück.

Im Atelier warte ich jetzt auf Andreas, auf ein Gespräch mit ihm. Er möchte wissen, was genau passiert ist. Mir ist das Gespräch mit dem Freund sehr wichtig.

Auf der Hobelbank liegen die Ergebnisse unseres gestrigen Brennexperimentes. Die Tonsplitter sind recht hart, haben sich rot verfärbt, sind aber in der Hitze explodiert. So sind wir mit den Hindemithkindern zu einem Teilerfolg gekommen. Maj meint, dass wir einen Vorbrand benötigen, der sämtliche Flüssigkeit verdampfen lässt. Erst dann können die Brocken heiß gemacht werden. Als nächstes sollte für diese Aktionen genügend Holz gesammelt werden. Auf dem Gelände wird es bald Mangelware…

Muss ich wissen, was mit mir geschieht?

Sonate für Violine und Klavier von Ravel von einer alten russischen Platte aus dem Jahr 1980. Die Komposition ist von 1927. Auf dem Umschlag eine Flusslandschaft von Alfred Sisley.

Nur auf den ersten Blick die richtige Wahl.

Besser wäre ein Max Ernst gewesen.

Muss ich wissen, was genau mit mir geschieht?

Reicht es nicht, es produktiv zu machen?

Projekte in der Zukunft stehen noch etwas in den Sternen. Hätte Lust auf mehr Rückzug, auf mehr Zeit für mich.

Schallplatten, Messe, Familien

In meiner Wohnung, dem Atelier am Morgen. Sie ist nicht so gut für den Winter gerüstet.

Langer Nachmittag mit Anne im Atelier und danach kamen Maj und Julia dazu. Wir hörten die Schallplatten von Gitta.

Auf der Buchmesse am Stand des Architekturmuseums und Treffen mit Anne zum Bier. Sie erzählte von ihren Agentinnen, sehr aufgeräumt und happy.

Am Abend familiäres Kuchenbacken der Kinder…

Ausladend

Es laufen ein paar Bilder von Angkor Wat auf dem Bildschirm. Körperliche Erinnerungen an das Erklimmen der Tempeltürme im Dschungelklima. Regengüsse und Hitze.

Ich bekomme keinen Weiteren Text für die Adlerarbeit zustande. Es fehlt mir die Konzentration mich kurz zu fassen. Alles wird ausladend und verbindet sich mit allem. Zu viele Ideen.

Viele kleinere Veränderungen im Atelier, Lichtsituationen oder andere Arrangements.

Anne ist in einem sechzig Minuten verspäteten Zug unterwegs zu uns und zur Buchmesse.

Neustart am Hang

Die Fotoanzeige des Rechners zeigt die Bilder vom gestrigen Hanggang an. Im Vergleich zu den sanft gestalteten Schwüngen von vorher, hat die streckenweise schwer verwüstete Landschaft nun etwas Apokalyptisches. Manch der großen künstlichen Gesträuche sind von den Waldmaschinen regelrecht zermalmt worden, manche sind nur zur Hälfte stehen geblieben und die andere liegt klein gehackt in den Boden gedrückt daneben. Manchmal sind aber auch die Bäume sauber aus der Installation herausgeschnitten, ohne dass ansonsten viel zerstört wurde.

Die sich nun stellende Herausforderung ist eine große Aufgabe, die sich mir beim gestrigen Bergangehen als unlösbar darstellte. Beim Hinabgehen war das schon anders.

Neben meinen Aufzeichnungen hier im Atelier beschäftige ich mich mit den Zeichenassistenten. Ich justiere an ihnen herum und versuche neue Zeichenmaterialien und neue Strukturen. Sie kommen mir wie Erscheinungen von Gedichten vor.

Wenn ich in den Regalen und in den dort aufbewahrten Kartons stöbere, finde ich Basteleien von der Anne, als sie noch ein Kind war. Das ist rührend und wertvoll.  Alles jetzt hier beisammen.

Zeichenassistenten

Der verbummelte Nachmittag gestern brachte immerhin eine Ausstellungsidee hervor, die mit den Zeichnungsassistenten zutun hat. Wir sind dabei neue Zeichenmaschinen zu erfinden, die vom Wind angetrieben werden. Die können beispielsweise aus Plastikflaschen bestehen, die mit einer Tinte gefüllt sind, die durch ein enges Röhrchen, das mit Schaumstoff gefüllt ist fließt. Die Windschreiber sollen lyrische Konstruktionen sein, zeichnende Skulpturen, deren Blätter ausgestellt werden. Ein gespanntes Drahtseil ist die Hängestrecke für eine Reihe dieser Geschöpfe, die zum Eingang der Ausstellung führt.

Heute habe ich mir ein Herz gefasst und bin mit Maj in den Taunus gefahren, um die Zerstörungen auf dem Pfad am Hang zu besichtigen. Wie erwartet erstreckte sich das Chaos über die unteren zwei Drittel des Weges. Beim Hinaufsteigen kam mir die Veränderung heftiger vor, als ich es erwartet hatte. Viele der Bauten waren einfach nicht mehr da, zerschlagen von umgestürzten Bäumen oder vom Transport der Stämme geschleift. Beim Hinabgehen begannen wir den Pfad wieder erkennbar zu machen und erworben uns so die Erkenntnis, dass die Arbeit mit einer neuen Konzeption machbar sein wird. Als Zeichen dafür errichteten wir ein neues Rondell aus frisch abgeschlagenen Fichtenasthyperbeln unten am Anfang des Pfades. Somit hat eine neue Phase begonnen, die nun auch wieder Spaß machen kann.

Leicht produzieren

Die Sonne sitzt jetzt am Morgen hinter lockeren Nebelbänken und leuchtet als blassblaue Scheibe. Nun wird es stetig kälter werden.

Nur langsam finde ich in neue Morgenrituale hier im Atelier.

Zwischen meinen künstlichen Gesträuchen draußen vor den Rolltoren, fühlen sich die Vögel wohl. Graue Rotschwänze, Meisen und Sperlinge suchen zwischen den Ästen Schutz. Im kleinen Unterholz wohnen mittlerweile drei Eidechsengenerationen. Jetzt, während der letzten warmen Tage, habe ich das Gefühl, dass sie, aufgeladen vom Sommer, besonders flink sind.

Das Atelier schweigt lichtdurchtränkt. Ich möchte hier wieder mehr produzieren. Die letzte größere Arbeit, waren die hundert Blätter mit den Fundstücken aus dem Adler. Erst nach einiger Suche konnte ich den Karton finden, in dem ich sie nun als Ausgangspunkt für die weitere Arbeit aufhebe. Wenn ich es hinbekomme, in derselben Leichtigkeit zu arbeiten, wie mir das mit diesen Blättern gelungen ist, dann komme ich auch mit anderen Materialitäten schnell zurecht.

Jetzt hat die Sonne den Nebel vertrieben. Ein warmer Mittag steht an. Ich werde mir hier etwas kochen.

Gewürze

Eine dieser neuen Glühbirnen macht mir ein seelenloses Licht auf meinem Schreibtisch. Hinter einem Folienvorhang auf der gegenüberliegenden Atelierseite, mit Taschen, in denen sich Postkarten, Fotos und Gegenstände meiner Suche befinden, hängt ein Spiegel, der dieses Licht zwischen allen Gegenständen der Zeit hervor zurückwirft.

Ich höre aus „TIME OUT OF MIND“ den Song „STANDING IN THE DOORWAY“, unendlich traurig, mich aber nicht mehr zu Tränen rührend.

Wieder am Abend auf meiner Box sitzend, suche ich meinen Rücken gerade zu halten vor der Heizung. Etwas treibt mich gegen die Einknickbewegung meiner Wirbelsäule.

Ein Einkaufstag heute im Bahnhofsviertel. Wir suchten indische Geschäfte, in denen wir Lebensmittel und insbesondere Gewürze kaufen wollten. Unsere Küche soll eine Bereicherung erfahren, wozu ein Arsenal an Gerüchen und Geschmäckern gehört, das wir gleich am Nachmittag ausprobierten.

Dann noch in der Kleinmarkthalle, in der wir Anja-Katharina trafen. Das war wohltuend. Es war schön, sie zu treffen, mit ihr zu reden…

Der Zeichenassistent ruht

Am Morgen wieder diese wunderbare Sonne von der Seite auf meinen Atelierschreibtisch. Ich genieße nun die Vormittage hier inmitten meiner Arbeit. Stück für Stück wird der Raum etwas wohnlicher. Er wird besser aufgeräumt, gepflegt und wird als das behandelt, was er nun ist: mein Rückzugs- und Lebensraum.

Gleich nach meiner Ankunft zeichnete ich an Rolle 6. Ich möchte die Figur mit der Sonne von unten weiter verdichten.

Draußen habe ich zwar den Zeichenassistenten wieder aufgestellt, aber er arbeitet mangels Wind nicht. Seine Gänsefedern ruhen still, bewegen das Dreiecksgittergestell nicht, das ansonsten über eine Schnur den Stift mit seinem Gewicht führt.

Mein Bild von Menschen in direkter Umgebung ist neu beleuchtet. Ein Kontinuum ist zerfallen,Verlässlichkeit dahin. Die Reaktionen fallen polarisierend aus. Verunsicherungen, Rückzüge aber auch Hilfe und Zuspruch.

Auf der Apfelwiese

Wir wanderten gestern in der Nähe des Loreleyfelsens auf dem Rheinsteig. Etwas zu weit für einen Sonntagsausflug. Aber wir wurden mit schönen Blicken belohnt. Auf einer Apfelwiese schliefen wir in der Sonne einen erholsamen Schlaf. Danach in einer Blueskneipe ein deftiges Essen, gut für mein arg reduziertes Gewicht.

Die sich in Auflösung befindliche Welt meiner letzten fünfundzwanzig Jahre, die ich selber verursacht habe, verursacht ein Schweigen in mir. So viele Bezüge sterben, auch wenn böse Geister ausgetrieben werden.

Majs Geburtstag. Am kommenden Freitag möchten wir ein Fest feiern, hier im Atelier. Sie hat einige Leute dazu eingeladen.

Am Abend noch ein paar Worte über das wertvolle miteinander Sprechen am Tisch. Ein wenig Wein dazu, Müdigkeit von den steilen Aufstiegen des Vormittags. Dankbar für Schlaf.

Hinwendung

Ist es ein Zeichen, wenn der Himmel am Sonntagmorgen über den grauen Dächern brennt? Und wenn ja, wofür?

Im Stadtlabor lernte ich Angela Janelli kennen, die Nachfolgerin von Wolf von Wolzogen. Wir sprachen über meine Entwürfe zum Gastarbeiterdenkmal und über den ersten Preis, den ich beim entsprechenden Wettbewerb gewonnen hatte. Vielleicht fügen wir die Entwürfe für die Frankenallee und den für den Bahnhofsvorplatz in eine Ausstellung ein, die im Gallus stattfinden soll…

Es gibt also in gewisser Weise eine erneute Hinwendung zur Stadt – allerdings in der Abhängigkeit zur eigenen retrospektiven Arbeit. Das sichert mir mehr Abstand zur Politik, schützt mich.

Franz Konter besuchte mich mit seiner Frau. Ein sehr nettes Paar. Bei einem Besuch bei ihm, sah ich seine Zeichnungen mit Vergnügen und Übereinstimmungstendenzen, die sich nun, auch wegen unseres gleichen Alters, wieder fortsetzten.

Bewegen in der Stadt

Mit dem Fahrrad in die Stadt. Man kann gut am Mainufer entlang zu den Ausgangspunkten gelangen, von denen man Expeditionen in die Stadt starten kann. Ähnlich wie in Bangkok mit den Booten des öffentlichen Stadtverkehrs.

Das Historische Museum veranstaltet ein Stadtlabor im Gallusviertel. Dazu bin ich eingeladen worden. Ich gehe dort hin, etwas skeptisch widerstrebend nach den Erfahrungen der letzten Jahre.

Im Atelier höre ich Schallplatten. Beim retrospektiven Zeichnen schmerzt der rechte Daumen, eine Atrose.

Alte Platten

Gershwins Klavierkonzert im seitlichen Atelierlicht vom Plattenspieler. Gestern Abend Kurt Weill und alte Bluesplatten. Es sind Schätze der Erinnerung.

Eine Zeichnung vom Juni 2000 habe ich gescannt und ausgedruckt, um sie unter das Transparentpapier der Rolle 6 zu legen. Zuvor hatte ich eine Umrisszeichnung einer Felsgravur aus Twyfelfontein mit dem Gitarristen aus meiner Rock`n Roll Serie übereinander gelegt. Die weit ausschreitende folgende Figur bekam nun das Sonnensymbol von unten in den Schritt: Sonne von unten. Ich bin über die ersten Schritte, das retrospektive Vorhaben zu beginnen sehr froh. Eine erste neue Kombination nach dem Umzug. Sie zeigt an, dass nun die Produktion wieder anläuft.

Vor dem Rolltor wird von den Auszubildenden gegärtnert. Endlich kommt Grün auf den Beton. Demnächst wollen wir Hochbeete bauen, in denen Gemüse wachsen soll. Samen der vielen Blumen werden auf der Wiese verstreut.

Schon am Morgen bin ich ins Atelier gekommen, fühle mich wohl damit. Das Leben hier hat sich sehr verändert. Durch die Änderungen, hat sich auch der Arbeitsrhythmus variiert. Das Tagebuch hier zu machen, ist sinnvoll, weil es sich mit dem anderen bildnerischen Material besser verbinden kann.

Neue Plätze für alte Dinge

Erstmals sitze ich nun am Morgen im aufgeräumten Atelier. Gern gehe ich hier in Ruhe meinen Gedanken nach, die von dem durchsetzt sind, was in den letzten Monaten geschehen ist. Gerne würde ich gründlich darüber reden.

All die Dinge, die nun neu im Atelier stehen erinnern mich an die Umgebungen von denen ich sie hierher transportiert habe, an Klänge Gerüche und Empfindungen.

Die Sonne kommt von der Seite durch die Rolltore herein. Alles erscheint mir wie ein Provisorium, was zu meiner Stimmung passt. Die Kombination von Werkstatt und Lebensort macht manches einfacher. Auch das lange Alleinsein läutert und lässt eine intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit zu.

Ich werde mich nun wieder an Rolle 6 setzen und dort versuchen retrospektiv zu arbeiten. Würde gerne zunächst im Jahr Zweitausend beginnen, dem Jahr, in dem die Farbe in die Tagebuchzeichnungen Einzug gehalten hat. Aber nicht die Farbe interessiert mich da, sondern die Erfindungen von Figurenszenen, die es sich lohnt näher zu betrachten.

Farbspiel über den Dächern

Es gelingt mir nicht, die Kraft dafür aufzubringen, um an den Hang zu gehen und die Zerstörungen dort zu begutachten, die die Forstwirtschaft auf meinem Weg hinterlassen hat.

Das morgendliche Farbspiel über den Dächern bei einer leichten westlichen Luftbewegung. Flugzeuge wie Fische.

Nachdem die Restkartons im Atelier ausgepackt sind, stehen noch Nester von Allerei herum, das noch keinen Aufbewahrungsort gefunden hat. Das wird heute noch verstaut.

Maj hat mir die Haare geschnitten, dass ich auch irgendwann so einen Strubbelkopf haben werde, wie sie. Strukturen eines gemeinsamen Lebens, manchmal Kaffee für die vierzehnjährige J..

Ich möchte in eine neue Arbeitsphase eintreten, die sich schon eine Weile etablieren will und sich noch mehr mit meiner Vergangenheit beschäftigt, mit der Aufarbeitung meines eigenen Lebens.

Gewicht der Vergangenheit

Im Trauzimmer des Frankfurter Römers hängt ein riesiger Ölschinken mit einer ungereinigten, romantischen Malerei. Ich schaute ihn mir während einer Trauung an. Unter den befreundeten Familien des Brautpaares befand sich auch Francesco Zannotti aus Capo di Ponte im Valle Camonica. Er war einer der ersten, auf dessen Herkunft sich das Projekt TRIXEL PLANET bezog. Heute noch erinnert das Figürchen des speerschwingenden Reiters, das aus der Fotografie einer Felsgravur entstand daran.

Nur noch drei halbgefüllte Kartons stehen nun im Atelierraum. Licht am Ende des Tunnels. Alle anderen sind ausgeräumt oder wanderten direkt in das große Regal hinter dem Bild.

Dort im Atelier kann nun bald wieder die Produktion beginnen, die mich am Leben erhält. Diese Kontinuität hilft in Umbruchzeiten. Manchmal weicht das übermäßige Gewicht der vergangenen Zeit etwas zurück. Das Ist eine Erholung.

Langsam sehen

Im Städel mittelalterliche Malerei. Wir beschäftigten uns ausgiebig mit einzelnen Werken und sahen uns deswegen nur einige Bilder an. Es ist ein Genuss, die einzelnen Exemplare gründlich kennen zu lernen und sie auf diese Weise gewissermaßen in Besitz zu nehmen.

Über den grauen Dächern ist es windiger geworden. Die geschlossene Wolkendecke wird schnell von Nordwesten über sie hinweg gezogen.

Eine Menge Reisebücher verstauten wir auf den unteren Brettern des großen Regals. Sie erinnern an die unzähligen Reisen, die wir unternommen haben.

An ernsthafte Arbeit, außer der Tagebucharbeit ist derzeit nicht zu denken. Ein Projekt, die älteren Tagebuchzeichnungen in Malereien aufleben zu lassen, die Motive miteinander zu kombinieren, beginnt nun schon innerhalb der täglichen Collagen. Ich muss erst einmal schauen, ob sich eine solche Arbeitsweise bewähren kann. Es wäre eine Art retrospektives Arbeiten. Solche Projekte werden manchmal gefördert. Vielleicht sollte ich mich darum bemühen.

Fotos

In die Masten eines Nachbargebäudes des Ateliers schlug ein Blitz ein. Das Licht und der akustische Schlag waren kaum versetzt. Die dazugehörigenRegenfälle durchtränkten die baufälligen Baracken, überfluteten den Platz vor dem Rolltor und wässerten das Gärtchen. Die Erde, die sich an einigen Stellen angesammelt hat, wird von Wurzeln zusammengehalten. Immer mal setze ich ein paar Unkräuter, die ich aus den Töpfen gezogen habe dazu, pflanze auch schon mal ein Bäumchen hinzu oder einen winzigen Strauch, damit sich immer mehr Leben etablieren kann.

In den Sammelsurien der Kartons entdeckte ich tolle Fotos aus der Malsaalzeit in Heidelberg  und von Uschi Obermaier und Keith. Die Fundstücke, Erinnerungen und Bilder werden nun neue Plätze bekommen. Vieles wandert natürlich wieder in der Finsternis der Kartons.

Heute ist Sonntag und somit kein Ateliertag. Wir versuchen diesen Tag frei zu halten, um uns nicht zu überfordern. Das Räumen, Eintauchen in die Vergangenheit und Ankommen in der Gegenwart unserer Umgebung sind anstrengend genug.

Stunden um Stunden

Langsam wird der Kartonstapel kleiner. Ich sitze am großen Schreibtisch und kann ziemlich luxuriös Ravels „Daphnis et Cloé“ hören, was ich in den letzten Tagen schon öfter getan hatte. Manche der Chorpartien erinnern mich an Philip Glass, dessen Doppelportrait mit mir nun auch hier im Atelier hängt.

Die Truhe aus dem Projekt „Box on Demand“, das ich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach gemacht hatte, dient mir nun als Sitzplatz hinter meinem Schreibtisch.

Immer wieder stehe ich auf, um irgendwelche Bücher in das neue Regal zu räumen. Es ist schon fast voll, und ich merke, dass ich bald wieder anbauen muss.

Maj war gestern mit ihrer Freundin Anke hier. Sie kochten, schwätzten und waren einfach mit da. Das war sehr angenehm. Maj ist sehr fleißig darum bemüht, dass das Atelier zu einem wohnlicheren Ort wird. Dafür Räumt und putzt sie und macht daraus auch einen Raum für sich.

Am Abend haben wir das Sindlinger Straßenfest vorbereitet, was mit Bierkästen schleppen zutun hatte.

Nach unserem Abendbrot saßen wir im Park auf dem Mäuerchen vor der Skyline, um Zeit mit erzählen zu verbringen. Stunde um Stunde tun wir das.

Neuer Raum

Das Küchenfenster steht weit offen, damit die Bilderworte über die Dächer fliegen können. Hochnebel zieht von Südwesten heran und färbt sich unten apricotfarben ein – ein Fruchthimmel.

Zu einem Geldtermin bin ich mit dem Fahrrad am Ufer entlang gefahren, die Freiheit dieser Bewegung genießend. Auf dem Rückweg schaute ich noch kurz im Architekturmuseum vorbei und besprach die nächsten Arbeitschritte in Richtung des nächsten Jahres. Ich möchte nun die 3-D-Plotterarbeit beginnen.

Im Atelier sind nun die Leitern für das neue Regal zusammengebaut. Gleich will ich los, um es aufzustellen.

Beim Malen gestern Abend war deutlich zu spüren, dass wir wieder mehr platz brauchen. Die Kartons in der Mitte des Ateliers müssen endlich ausgeräumt werden.

Mit den Hindemithkindern muss ich neue Verhaltensregeln verabreden, weil nun mein Grafikschrank und viele persönliche Dinge im Atelier sind. Vielleicht wird es mit mehr Platz möglich, die Arbeitsfläche in einem Teil des Raumes zu konzentrieren.

Abendhimmel

Manchmal weicht die Finsternis von Schuld und Verantwortung vor einem Abendhimmel.

„Things Have Changed“ höre ich in meiner Tagebuchhöhle, während die täglichen Collagen auf dem Bildschirm flimmern.

Zuvor stellte ich die Leitern fertig, die zum Regal gehören, mit dem ich meinen Grafikschrank, mein Gesellenstück einbauen werde. Darin lagern die Zeichnungen aus den vergangenen Jahrzehnten, mit denen ich tief in meine Vergangenheit eintauchen kann, um mich ihrem Grund zu nähern.

Denselben Effekt hat das Regal mit den Tagebüchern, die nun griffbereit und geordnet zur Benutzung bereit stehen. Aus ihnen habe ich heute wieder eine Zeichnung von vor genau zehn Jahren in die heutige Collage eingeflochten.

Regale

Wie ein zu schnell gereister Indianer warte ich auf meine Seele und darauf, was sie mitbringen mag.

Im Gegenzug zum „Waldherzenbild“, das in meinem ehemaligen Wohnzimmerhängen blieb, habe ich um ein Exemplar aus der Sammlung der indischen Glöckchen gebeten, das eher wie eine bezahnte Schelle aussieht und einen silbrigen, vielstimmigen Klang besitzt. Sie hängt nun an der Architektenlampe über meinem Schreibtisch in der Tagebuchnische meines Ateliers. Wenn ich sie anschlage erinnere ich mich.

Während der Suche nach dem Verbleib meiner Seele stieß ich auf zehn Jahre alte Tagebuchzeichnungen. Eines dieser Motive flocht ich in die heutige Collage ein.

Den Regalbau versuchte ich gestern mit einer Oberfräse, die die Schlitze für die Sprossen der Leitern fräste, den Arbeitsvorgang zu beschleunigen. Ob mir das wirklich gelang, wird sich zeigen, wenn ich die Leitern zusammenbaue. Das Schaffen von Stauraum ist derzeit die wichtigste Aufgabe, die Raum schaffen soll für die Wiederaufnahme der Produktion.

Hinter mir steht nun ein Regal voller Tagebücher. Es sind über hundert. Sie stärken mir meinen gebeugten Rücken.

Maj hat mir ein Fahrrad geschenkt. Es ermöglicht die Bewegungsart, die in mir ein anderes Lebensgefühl hervorruft, wie die elektrische Gitarre.

Struktur zurück

Im Atelier setzte ich die neu entstandene Computerecke in Gang und begann die Scans der vergangenen vier Wochen nachzuholen. Währenddessen konnte ich die Texte noch mal lesen, die die vielen Veränderungen in dieser Zeit bezeugen.

Durch die Tagebucharbeit im Atelier stellt sich ein neues Gefühl für die Arbeit hier ein. Es ist möglich, während des Scannens Musik zu hören. Ich habe auch das deutliche Gefühl, dass diese Arbeit eher hierher gehört, wo sie sich mit den anderen Dingen eher verbinden kann. Atelierarbeit und Tagebucharbeit gehören zusammen und befeuern sich gegenseitig.

Die mechanischen Arbeiten führen mich in die Struktur zurück, in der ich vor den Veränderungen, die mich einen Monat sprachlos werden ließen, meine Kontinuität behalten hatte. Nun will ich sie versuchen fortzuführen.

Mails von Anne und Vinzenz, die zu Besuch kommen wollen. Vinzenz möchte mir bei meinem Umzug helfen, der am Sonnabend stattfindet.

Mit Maj male ich weiter am großen Bild. Wir tasten uns vorsichtig und langsam voran, wissen bisher nicht so recht, in welcher Weise wir noch eine weitere grundsätzliche Spannung aufbauen können. Wir arbeiten nun fast jeden Abend daran, mehr als es mich wirklich interessiert. Für mich ist die ganze Sache eher eine Fingerübung. Viel mehr zieht es mich zu den Transparentpapierarbeiten, was aber gleichzeitig auch schwieriger ist. Heute begegneten sich auf Rolle 6 eine Giraffenfelsgravur aus Twyfelfontein und ein Stück Rock`n Rollsequenz vom April dieses Jahres.

Warme Mäntel

Von der Holzterrasse eures Restaurants habt ihr noch mal Mauersegler schwärmen sehen, die vielleicht auf der Durchreise nach Afrika waren. Ein später Sommergruß.

Ihr habt die Mäntel auf dem großen Bild deutlicher hervorgehoben, die Umrisse gestrafft und die wichtigen Teile des Bildes als Lasurmalerei aufgefasst. Die Konsequenzen dessen lösten einen Qualitätssprung auf dem Großformat aus, der beruhigend wirkt. Der Winter rückt näher, warme Sachen und Farben werden gebraucht.

Vom Adressaten deines „Adlerangebotes“ hast du ein sehr positives Feedback bekommen. Die Beschäftigung mit der künstlerischen Dokumentation der Restaurierung des alten Gebäudes rückt also näher.

Sehr mitgefreut hat sich Maj, die großen Anteil an der Formulierung der Konzeption hat. Nun seid ihr also ein Team! Ihr könnt euch Freitagvormittag gemeinsam um die Baustelle oder andere Dinge kümmern, und du würdest dir noch einen anderen halben Tag dafür reservieren. Aber warten wir mal den offiziellen Zuschlag ab.

Bis dahin könntest du dich intensiver um den 3-D-Plotter kümmern und um Projekte, die mit der entsprechenden Software möglich wären. Die Schattenboxen könntest du damit erweitern, wie auch das „Adlerprojekt“. Ihr spracht außerdem über gebrannten Lehm, in dem noch das Stroh steckte, über indische Götterfiguren usw… Es würden sich viele Möglichkeiten ergeben, sich auszutoben und sich zu konzentrieren.

Licht und Wachstum

Gehen im trüben Morgen. Die Dämmerung macht kaum genügend Licht für deine Handschrift. Es muss woanders herkommen, von einer anderen Sonne.

In der feuchten Wärme scheinen sich die Insekten merklich zu vergrößern. Ihr fangt an den Abenden große Nachtfalter und entlasst sie nach draußen ins weitere Wachstum der tropischen Nächte.

Ein tiefer Graben teilt nun schon lange den Park drüben im neuen Viertel. Das wird ein Tunnel für die Untergrundbahn, die ganz in unserer Nähe eine Station haben wird. Abendspaziergang dort.

Bilder von Kometen 67/P in den Fernsehnachrichten und in den Zeitungen. Seine skulpturale Form wird im kommenden Jahr, wenn er näher an die Sonne gelangt, einen Schweif bilden. Das soll nun mit der Sonde Rosetta aus nächster Nähe beobachtet werden. Glückliche Männer sieht man bei der ESA in Darmstadt, die einen gewaltigen Forschungsschritt gegangen sind.

Am Hang gestern mit Carola. Sie forscht derzeit über Christa Wolf. Ihr gingt entspannt durch die bedrohlichen Zeichen der Forstarbeiter, die aber mit ihrem Zerstörungswerk noch nicht begonnen haben. Deine Perspektive für die weitere Gestaltung dieses Raumes ist durch die anstehenden Baumfällarbeiten eingeschränkt.

Du versuchst die Benutzung eines 3-D-Plotters mit dem Architekturmuseum anzumoderieren. Der nächste Schritt wäre allerdings, dem Hinweis von Nora auf das Fraunhoferinstitut nachzugehen, um dort in einer Werkstatt erst mal Erfahrungen zu sammeln.

You Make Me Feel Like

Nach sechsmilliarden Kilometern schwenkt die Esa – Sonde Rosetta in die Umlaufbahn des Kometen 67 P. Diese Dimension lässt alles, was sich um dich herum ereignet auf die Größe von nicht mal einem Korn schrumpfen.

Du hörst „You Make Me Feel Like“ von Aretha Franklin und weißt gleichzeitig, dass es nichts gewaltigeres gibt als solche Songs, als diesen Song.

Du pendelst zwischen diesen Welten, nimmst ab, bist aufgerieben und fühlst dich, wie du selbst.

Kaum kommst du in deinem T-Shirt an diesem kühlen Morgen ins Schwitzen, denkst während des Gehens zurück an die lange Theaterzeit, die noch anhält. Arbeit, Erfahrungen, Glück und Ärger, Oberfläche und wirkliche Tiefe. Du stellst dir ihr Ende vor.

Die Beschreibung des Lichtes von diesem Schreibtisch aus lässt deinen Blick an jedem Morgen bis in den hintersten Winkel des sichtbaren Raumes wandern. Alles dicht von Laub, kein Horizont sichtbar. Du fragst Dich, wie du endlich wieder zum Zeichnen zurückkehren kannst.

Spät im Atelier angekommen hast du gelesen anstatt zu malen, hast das Handwaschbecken gründlich gereinigt, anstatt an der Rolle 6 weiter zu arbeiten, hast auf die Sonne gewartet, um dich endlich ausruhen zu können, fragst nicht weiter, gehst auf die Umlaufbahn des Kometen und summst „You Make Me Feel Like“.

Verbleibende Zeit

Zurück von einer vielstündigen Wanderung mit Andreas durch den Odenwald. Ihr spracht beim Gehen viel, legtet über sechzehn Kilometer zurück.

Die Gespräche drehten sich um die Zeit, die euch noch verbleibt und wie ihr sie gestalten wollt. Welche Wünsche sind übrig geblieben und wie könnt ihr sie noch erfüllen. Dieser Rest muss erst einmal formuliert werden. Du genießt es, mit einem alten Freund über diese Dinge reden zu können.

Es gibt diese lasierend farbigen Ringe auf den dunklen flächen der Malerei. Sie wecken eine Zuversicht. Das Atelier muss dir mehr Heimat werden. Vielleicht benötigt es etwas mehr Behaglichkeit, für den Winter einen schönen Platz an einer Heizung, gutes Licht zum Eintauchen in die Welt der Zeichnungen auf Transparentpapier, Möglichkeiten zum Kaffeekochen, zum Schreiben, zum Telefonieren, zum Ausruhen, zum Musikmachen und zum Konzentrieren.

Von einem mittelalterlichen Burgfried aus hattet ihr einen weiten Blick über den Odenwald hinaus. Ihr schautet sehr lange in die wellige Landschaft.

Verschiedene Arbeitsdinge liegen etwas brach, weil viele Leute im Urlaub sind. Etwas gehemmt bist du aber auch durch deine neuen Zweifel an dem, wie du die verbleibenden Dinge angehen sollst.

Motorsägen

Hellgrün leuchtet das Laub auf, das von einer tief stehenden Sonne von Osten her angestrahlt wird. Baumschneider sind an einem der Ahorne, die vor dem Cafe stehen. Widerwillig schieben sie die Tische und Stühle beiseite, Männer mit Bierbäuchen und sicheren langsamen Bewegungen.

Überraschenderweise überfiel dich nach deinem Morgengang eine tief sitzende Melancholie, die du kaum genauer beschreiben kannst. Es ist, als zöge sich die Leichtigkeit zurück, zugunsten eines Gewichtes, von dem du dich nur schwer befreien kannst. Plötzlich kommt die die Malerei banal vor, Farben werden dir egal, und die Fugen zwischen den Pflastersteinen werden unendlich tief.

Drei Stunden Malerei am Nachmittag im Atelier. Es passiert nichts spektakuläres, die Flächen werden dichter und kleinteiliger, und du beginnst mit dem Lasieren, was dir aber jetzt plötzlich ganz egal ist.

Die Baumschneider beginnen die Äste zu kappen. Sie verlieren keine Zeit und arbeiten präzise. Große Stücke Holz fallen herab mit viel Grün daran. Das kannst du kaum anschauen, die Motorsägen schmerzend in den Ohren.  Es ist als führen sie  in dein eigenes Leben.

Allein am Küchentisch

Gitarre alleine im Atelier. Mehr Flexibilität bei den Musikzeiten! Zeitstrukturen verändern sich. Ich hätte gerne mehr Raum für Malerei. Es gibt kein Fernsehen mehr. Vieles strukturiert sich neu. Dreh- und Angelpunkt wird zunehmend das Atelier.

Etwas fürchte ich mich vor dem Winter, der in gut drei Monaten beginnt.

Jetzt vor dem morgendlichen Gang sitzt du am Küchentisch, alleine mit der tickenden Uhr und deinem Tinnitus.

Morgen eine Wanderung mit meinem Freund Andreas, lange geplant und jährlich wiederholt.

Es ist, als wäre eine Slowmotionkamera zwischen mich und dem Loop – Geschehen draußen auf der Straße aufgestellt. Wieder der „rüstige“ Gestikulierer in seinen kurzen Hosen vor dem Cafe, in dem die Stühle gerückt werden. Wieder und wieder dieselben Figuren, deren Aufzählung einem Mantra gleicht.

Du machst am frühen Sonntagmorgen Geräusche und störst mit deiner Arbeit, deiner Unruhe. Aber du wirst leichter und beweglicher und auch klarer im Kopf, willst eigentlich malen, wartest aber auf das Frühstück.

Heute Nachmittag aber, drei Stunden im Atelier. Ein Sonntagsfest. Abends ins Kino…

Die große Malerei

Noch in der Nachtdunkelheit Kaffee am Küchentisch. Die Wanduhr zerhackt die Zeit, zerstückelt den weichen langsamen Fluss des Verrinnens.

Mit Alexander und den Hindemithkinderchen gestern der letzte Tag der Workshopwoche. Die Teilnehmer wollen mehr, am liebsten noch eine Woche dranhängen. Durch die Ferien hindurch haben sie die Möglichkeit, dich an jedem Freitagnachmittag zu besuchen. Das muss erst einmal reichen.

Das Ende der Ferienworkshops ging über in die große Malerei, die ihr nun langsam weiter entwickelt. Der Hintergrund wird nun, wie schon überlegt mit einbezogen, indem lasierende Kreise die Übergänge und die Räume weiter hinten mit den anderen Flächen zusammenbringen.

Die Blätter an den Alleenbäumen sehen angegriffen aus – ein älterer Mann, der mit seinem Rollator unterwegs ist, setzt sich im Gespräch mit einem anderen ähnlichen Alters auf die dafür vorgesehene Fläche des Gefährts. Sein Gegenüber gestikuliert in kurzen Hosen, schnell Stand- und Spielbein wechselnd. Das spielt sich vor dem Pavillon ab, wo sich gerade drei sehr unterschiedliche Damen an einem aufgeklappten weißen Auto treffen. Sie sind sommerlich gekleidet und begutachten, so vorhanden, ihren Schmuck. Eine von ihnen trägt ihn ganz in Grün – sehr schön. Aber sie fahren noch nicht los. Reden vielleicht noch über ihre Reiseroute, oder warten noch auf weitere Damen. Das erschließt sich aus ihren Gesten nicht.

Du bist dabei, dich an deine morgendlichen Runden zu gewöhnen, an die befreiende Kraft und das Glück der Verausgabung. Es baut sich in dir ein neuer Humor auf – so eine Art neue Freude…

Ihr malt einfach weiter…

Das Konzert „think Bach“, das im Rahmen des Rheingau Musikfestivals stattfand, war in drei Teile gegliedert. Im Zentrum standen die Bachinterpretationen des Pianisten Martin Stadtfeld. Seine Einspielung der Goldbergvariationen steht denen von Glenn Gould aus dem Jahr Neunzehnhundertfünfundfünfzig nahe. Sein Spiel strotzt noch von jugendlicher Energie. Goulds spätere Aufnahmen favorisierst du allerdings.

Diese hörtet ihr gestern während der Malerei am großen Bild ohne Titel.

Nun beginnt die Musik eher von dieser Seite her Einfluss zu nehmen. Ihr überlegtet, so langsam den Hintergrund mit einzubeziehen. Das soll mit Lasuren geschehen, die wir vorsichtig in Kreisform aufbringen. In dieser Weise könnte das ganze große Gebilde langsam aus dem Hintergrund nach vorne wachsen. Bislang tendiert die Malerei zu einer fröhlichen Grundstimmung, während sich die Nachrichten rundherum durch kulturzerstörerische Praktiken und religiös verbrämte Kriminalität verdüstern. Ihr malt einfach weiter…

Die Hindemithkinderchen lieferten sich weitere stundenlange Basteleien. Wenn sie nach einer Anlaufphase etwas für sich gefunden haben, bleiben sie lange bei ihren Werkstücken, raspeln hobeln und sägen daran herum. Wenn das fertig geworden ist, was ihren Vorstellungen entspricht, kommen sie meistens gleich zur nächsten Idee. Große Fechtszenen auf dem Freigelände.

Die Museumsboxen sind schon lange fertig. Du wirst gefragt, ob du die ganzen Ferien über da bist und bist nun so eine Anlaufstelle geworden.

Raumdefinitionen

Es sieht so aus, als sei der Regen nun vorerst vorbei. Oft fiel er warm und sanft auf dich. Du hast es genossen auf Teves in den lichtdurchflossenen Raum zu schauen und gleichzeitig in den Pfützen auf dem Beton die Tropfenringe zu sehen. Zusammen mit den neuen Farbwahrnehmungen ändert sich auch der Blick auf die Dinge in der direkten Umgebung. Du willst das alles neu in deine Arbeit einfließen lassen können, willst den „quecksilbrigen“ Sound finden, der die Transparenz der Dinge transportieren kann.

„Bildbeschreibung“ – die Gleichzeitigkeit der Geschichte, die auf einem Bild abläuft. Die Schichten komprimieren Einzelzustände, die zusammen gegossen mehr Interpretationsmöglichkeiten zulassen, indem sie sich immer neu und anders verbinden lassen.

Mit Alexander und den Hindemithkindern gestern auf dem Glauberg, einer spektakulären keltischen Ausgrabungsstätte unweit der Stadt inmitten einer verspielten Vulkanlandschaft. Eine nette museumspädagogische Führung unter dem Aspekt „Kunst“ durch das kleine, feine Museum. Zuvor ein Gang über das seit sechs Jahrtausenden besiedelte Hochplateau mit Eichen und Buchen, die bestiegen werden mussten.

Die morgendlichen Gänge verändern sich gerade, teilen sich in Phasen unterschiedlicher Beanspruchung. Es gesellen sich zum freien, weiten Ausschreiten andere, äußerlich kleinere Bewegungsmuster, die nicht weniger schweißtreibend sind. Unterwegs an Sportgeräten gibt es genügend Angebote, die zu Variationen der Abläufe inspirieren. Wie beim neuen Farbensehen, werden dir andere Areale der Wahrnehmung bewusst. Raum definiert sich wieder neu, wie zwischen den Farben und Sounds. Eine Kontinuität dessen sollte sich weiter auf die Arbeit auswirken.

Weiße Flecken

Ein Gewitterwagen rollt über die hochsommerlichen, aufgeheizten Landschaften, über das Flimmern der Sonnenaufgänge, die die Horizonte in Bewegung bringen.

Am Hang donnerte es mittags, als Du mit Alexander und den Hindemithkindern unterwegs warst. Moos wurde gesammelt und große Holzstücken. Im unteren Bereich wurde ein Abzweig, ein neues Stück Weg von einer unbekannten Person geschaffen, das von der Mountainbikespur wegführt. Der Pfad entstand nach deiner Methode, zunächst alles Material zur Seite zu räumen. Um diesem neuen Teil etwas mehr Geltung zu verschaffen, errichtetet ihr an seinem Verlauf einen neuen Bau. Im weiteren Verlauf eures Ganges, saßt ihr irgendwann an der Kristallgrube und redetet über Bestattungen.

Bei der Farbarbeit erschließen sich immer neue Areale. Die gesammelten Erfahrungen werden sichtbar. Gut zu spüren ist, wie entlegenere Tönungen aufeinander treffen, deren Zusammenklang du vorher nicht wahrnehmen konntest. Somit ist die Malerei nur die Aufzeichnung der Reisen, die du durch Farben und Licht unternimmst. Und gleichzeitig überrascht dich, wie viele weiße Flecken es noch auf diesen Landkarten gibt, deren Erforschung noch aussteht.

Dehnst Du diese Erfahrungen in den Raum, so würden sich zwischen Farbflächen, die aufeinander ausgerichtet sind, Spannungen ergeben, deren aufgefüllte Volumina der Ort der Farboper sind. Ein großes Violett trifft auf ein kleines Gelb. Entsprechend werden die zugeordneten Sounds auf einander projiziert. Das führt wieder zu Kandinsky.

Immer wieder Farbsounds

Tropische Verhältnisse durch die warmen und feuchten Tage. Ein Gewitterregen, der kühl auf den Tevesbeton rauschte, bildete Nebel, der an dem offenen Ateliertor vorbeizog. Die Pflanzen wachsen schnell und die Wiese wird dichter vom Wegerich.

Die morgendlichen Gänge durch die Parks ordnen die Befindlichkeiten. Mit den Schritten eilt das Denken voraus und fragt gleichzeitig nach Vergangenem. Gestern stand dann ein breiter Streifen roter Sonne zwischen den grauen Wolken – ein Zeichen, ein Bild, einprägend und besetzt vom Moment. Dieses besondere Rot, das die Wolken rundherum grünlich werden lässt, ist ein Ton, den du dir singen lassen möchtest. Wie das Himmelsgeschehen, so sind auch die Wiesen noch verschlafen und benetzen die Turnschuhe mit kühlem Tau.

So, wie das Wetter jetzt mit dir spielt, lässt du es gerne geschehen, hast deine eigenen Reaktionen darauf.

Dann spielst du in Erwartung der aufgehenden Farbsounds Gitarre. In die Stille hinein, die sich am Abend auf dem Gelände ausbreitete, sprichst du mit deinem Instrument. Du schlägst nur eine Saite an, die dir den ganzen Tag erzählt, der dir dadurch mit all seinen Verwicklungen vertrauter wird. Auf diesen Dialog willst du nicht verzichten, erinnerst dich dann an den Soundtrack von Gestern, legst das Instrument beiseite. Der Dialog mit den Tönen bekommt eine andere Qualität, keine komplizierten Griffe und Fingerübungen mehr, sondern nur noch das spielerische und notwendige Schwelgen in Farben, den Faden vom Vortag aufnehmend.

So schwingt es hin und her, und wenn du es behalten kannst, hält es etwas bereit, wie Ewigkeit und Hoffnung.

Songsammlung

Ab sofort zahlt dir eine Lebensversicherung einen monatlichen Betrag. Zusammen mit den Einkünften aus dem Workshop kannst du davon deine Ateliermiete zahlen. Das führt zu der verhängnisvollen Reaktion, dass du sofort deine Akquisebemühungen zurückfährst.

So war das ganze natürlich nicht gemeint!

Denk lieber an den Link von Nora zum Fraunhoferinstitut für graphische Datenverarbeitung. Du solltest eher dem Architekturmuseum vorschlagen, einen 3-d Drucker in die Workshopgestaltungen mit einzubeziehen, der vielleicht in deinem Atelier stehen kann.

Im Atelier hörtest du gestern die Zusammenstellung von Beatlessongs mit dem Titel „Love“. Durch die Verknüpfung der Songs mit Material von Originalaufnahmesessions, wird das Ganze zu einem lang anhaltenden zusammenhängenden Hörerlebnis. Als Endpunkt des Soundtracks erscheint dann folgerichtig am Schluss „All You Need Is Love“. Mit der entsprechenden Aufmerksamkeit, kann man die ganze Zeit über verfolgen, wie die Spannungskurve bis zu diesem Song ansteigt. Dabei bleibt die Gesamtkomposition des Albums locker und geradezu humorvoll. Es lassen sich viele Bezüge auftun, die mit den einzelnen Titeln verbunden werden können. „Here Comes The Sun“ erscheint dir deiner gegenwärtigen Farbinspiration und dessen, was du dir für den Rest deines Lebens wünschst am nahesten.

Somit erscheint der Sonnenaufgang als ein Gleichnis des Alterns. Sonne ist die Energie für deine Bewegungen. Du kannst taumelnd abheben, wie ein Falter, erreicht nur genügend Sonnenlicht deine Flügel.

Alles verschwindet

Zwei, Sieben, Vierzehn, Zahlen zählen. Sonniger Sonntagmorgen, du kommst nicht aus deiner Haut.

Du hast den ganzen Nachmittag Gitarre gespielt, warst leise, melancholisch berührt, lärmend trotzig, falsch und laut. Zusammen zu spielen, ist etwas ganz anderes.

Am Mittwoch gibt es im Rahmen des Rheingau Musikfestivals einen Bachabend mit Klavier, Improvisationen und einem Jazztrio, das ebenfalls Bach spielt. Sehr freundliches Kartengeschenk dafür… danke!

Lebensformen im Alter, war eines unserer Themen gestern Abend. Einer Essenseinladung folgend, saßen Hans und Carola mit uns am Tisch. Je weniger du trinkst, bzw. keinen Tropfen anrührst, umso weniger beteiligst du dich an Gesprächen. Die Knochen tun dir stattdessen weh, du willst aufstehen, am liebsten spazieren gehen, draußen in der freien Luft. Die anderen reden sich in einen gemeinsamen Rhythmus, der mit einem Einschenkrhythmus zusammen geht und haben sich viel zu sagen. Es geht um wichtige Dinge. Du bist blockiert und kommst dir, trotz der Mühe die du dir gibst, wie ein Hemmschuh vor.

Du siehst plötzlich die kommenden Jahre, die dir noch verbleiben könnten vor dir. Die Transparentpapierrollen verschwinden, deine Aufzeichnungen. Es bleiben nur die Erinnerungen der anderen, die verblassen.

Vielleicht aber blühen sie bei den Kindern, die dann erwachsen sind auf. Das ist die einzige Hoffnung.

Rundhorizonte

Rundhorizonte sind ein Element für die Museumsboxen, an dem du gestern mit den Hindemithkindern gearbeitet hast. Sie funktionieren als Hintergründe, wie bei Bühnenbildmodellen. Die jungen Leute kamen gleich nach der Zeugnisausgabe zu dir ins Atelier, wo es Bionade aus Sektgläsern gab und süße Teilchen vom Bäcker. Dann verzogen sie sich unter die Schatten spendende Weide von Roland und die Ferien begannen.

Du bist mit den Fortschritten der Farbarbeit nicht zufrieden. Das solltest du an den Abenden der kommenden Woche in Angriff nehmen. Die Farbsituationen in deinem Kopf sollten Gestalt annehmen und natürlich darüber hinausgehen.

Das Treffen auf dem Markt verändert sich durch deine nüchterne Perspektive. Gespräche über Reisen nach Berlin oder Konzertkarten sind eigenartig wattig. Das liegt an deinem Kopf, seiner gesteigerten Aufmerksamkeit, seiner schwenkenden Orientierung. Du kommst die vor, wie an einem Kamerakran.

Die Rundhorizonte, an denen ihr gemalt habt, sind allesamt Waldlandschaften. Manche ähneln eher Unterholzgesträuchen mit langen, dünnen Stangen, die sich selten verästeln. Andere Horizonte werden von dicken, geraden Stämmen zugestellt, die am hinteren Abschluss eine undurchdringliche Wand bilden. In der ersten Ferienwoche sollen weitere Horizonte entstehen, die andere Charaktere haben werden. Sie tragen dann indische Stoffstempelmuster, Sternenhimmel oder gerissene Collagen. Wir werden genug zutun haben, es muss nur alles vorbereitet werden.

„Bildbeschreibung“

Die Dämmerung ist mit etwas Regen vermischt. Kein Morgengang heute, weil die Hindemithkinder am Vormittag nach der Zeugnisausgabe zu mir ins Atelier kommen. Aber dieses Gehen durch das aufsteigende Licht fehlt dir jetzt schon, die Bewegung und die Wärme, die durch sie entsteht, das freie, glückliche Gefühl des Ausschreitens und Innehaltens. Dann spürst du das Streiflicht der gerade aufgegangenen Sonne.

Am Nachmittag ein Treffen der Tevesanrainer. Wenn es dort um eine Zukunftsgestaltung geht, sieht es etwas mager aus. Vierzehn Jahre hast du dich nun aufgerieben wegen dieses Geländes und für das Wohl dieses Stadtteils. Du möchtest, dass bis zum Ende des Jahres noch mal Fahrt aufgenommen wird, musst das forcieren mit der Initiative, die du angestoßen hast.

Danach Workshop zum Zusammenspiel von Farbe und Musik. Du hattest dir weitere Fortschritte versprochen. Vielleicht bist du zu ungeduldig und die Sache braucht mehr Zeit, viel Zeit und intensive Zusammenarbeit.

Das große Bild, das immer noch keinen Titel trägt, kommt nur langsam zu größerer Dichte. In der gesamten nächsten Woche hast du die Hindemithkinder in einem Ferienworkshop. Auch dann wird dir für deine eigene Arbeit weniger Zeit bleiben.

Du versuchst einen Song zu finden, der ein Leitfaden ist, für das Projekt, deine Zeit besser einzuteilen, sie besser zu nutzen. Du willst etwas von der Verantwortung dort hin abgeben.

Die Vehemenz des Neuanfangs mit Lichtfarben und Sound.

Nochmal „Bildbeschreibung“ von Heiner Müller.

Wintersequenz

Du sahst den Sonnenaufgang heute und meintest die zukünftigen anderen gleichzeitig mit zu sehen. Wie in einer Animation zeigt dir das Gestirn die Wintersequenz voraus. Der leicht modrige Geruch der Parkwäldchen erinnert dich daran, dich für die kommende Kälte zu rüsten. Die Gänse schwammen noch auf der glatt spiegelnden Fläche des Weihers, waren noch nicht, wie gestern, zu ihrer Morgenweide an Land gekommen. Weil kaum Wolken da waren, die die Dämmerungsfarben festhalten konnten, wurde das Licht eher angeknipst. Das Fingerschnipsen einer großherzigen Hand, als betätigte die Sonne selbst den Schalter zum Aufpoppen zu dieser Sekunde.

Vielleicht schon zum dritten Mal begegnest du einer Radfahrerin auf der kleinen schönen Fußgängerbrücke zum Zeppelinpark. Nun grüßt ihr euch, wie morgens auf dem Land.

Die Hanggänge sind derzeit schwer aushaltbar. Die gelben Farbspraymarkierungen sitzen wie die ersten Hiebe der Damoklesschwerter auf den Baumstämmen. Vor allem im unteren Teil des Weges wird eine weich geschwungene Welt untergehen, an der ich Jahre mit viel Liebe gebaut habe. Diese Bedrohung habe ich erst einmal zu verkraften und dann die Zerstörung.

Spaziergang rund um die Ackermannwiese. Alles ist fertig gebaut. Nun ist Platz für ein Zwangsarbeitergedenken. Darüber sollte ich wieder mit Helga ins Gespräch kommen.

Der Blick in die Krone einer alten Birke wirft Bildkompositionsfragen auf. Blattlichtpunkte werden von Astlinien durchzogen. Du wirst angestoßen, das beim Weitermalen zu bedenken. Änderungen sind immer möglich.

Sonnenaufgang

Langsam schalten deine Funktionen auf Beobachtung und auf Aufnahme. Schon ab fünf Uhr warst du in den Parkwäldchen unterwegs. Über den großen leeren Flächen, die noch ein Park werden sollen, spannt sich ein weiter Himmel. Seine Farben laden zur Malerei ein. Es scheint nur möglich zu sein, die emotionalen Wirkungen dieser Lichttöne des Sonnenaufgangs in die Emphase der Malerei umzusetzen. Es geht nicht um die Kopie der Farbwirkungen, sondern um Entsprechungen. Ihre Begrenzungen münden in Melancholie in Reaktion auf das scheinbar nicht Machbare. Das geht mit der Auflösung von Konturen einher, die neu festgelegt werden wollen. Das kann nur mit der stetigen Beschäftigung mit diesen Aufgaben gelingen.

Malerei gestern Nachmittag und am Abend im Wechsel mit dem Sound der Gitarre, den schwingenden Bewegungen der gespannten Fläche, dem Streichen, Tüpfeln, dem leichten Druck und den kräftigen Farbhieben, die mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als die kleinen Punkte, die das Ganze auflockern und gleichzeitig die Fläche schließen. Noch stellen sich zwischen den Klang- und Acrylfarben noch keine Verbindungen her. Nur ein Zusammenklang durch den Wechsel von Farben und Sound. Da hilft auch nur Kontinuität.

Du hast versucht, die Farbigkeit des großen Bildes, das noch gar keinen Namen besitzt, zu intensivieren. Das trug zur Verdichtung bei.

Im Wald hast du heute nachzuschauen, ob alles für die erste Ferienwoche mit den Hindemithkindern bereit ist.

Kinderschaukeln

Ein Morgengang ab Fünf in die tropische Dämmerung. Zunächst schimmert der nordöstliche Himmel nur rosafarben, während sich gegenüber ein Türkis etabliert, vor dem Tuschflecken aus hellem Rot schwimmen. Insgesamt ein beglückendes Panorama, dessen Reiz sich nicht zuletzt über die Konturen der Landschaftshorizonte aufbaute. Du willst dieses Gefühl aufbewahren, das dich von so viel Schönheit benommen macht, mindestens bis zum Abend, wenn die Malerei beginnt. Du stellst dir die Skulptur „Morgendämmerung“ vor, landest bei Rodin. Wenn die Morgengänge zu einer festen Institution werden, speisen sie mit ihren Farben die Malereien, sowohl im Tagebuch als auch auf der großen Leinwand im Atelier. Wie sich das niederschlägt wirst du vielleicht heute schon erfahren können.

Mitten in der Arbeit am großen Bild findest du andere Farbkonzepte, die sich mit dem vorherigen Geschehen verflechten. Das Ganze wird zwar dichter, bleibt aber noch eigenartig harmlos. Konzept wird von Emotion überlagert und umgekehrt. Alles was gerade seine Zeit hat, schiebt sich in den Vordergrund. Es gibt also keinen Grund, gegenzuhalten.

Damit diese Vorgänge beweglich bleiben, Schicht um Schicht mit der jeweiligen Umgebungssituation sprechen, benötigst du Zusammenarbeit und Gespräch.

Du wirst nach dieser langen Zeit wieder Heiner-Müller-Texte zur Hand nehmen, sie laut lesen und dann wieder neu verstehen, sie in deine Arbeit einflechten.

Es wächst mehr Verantwortung in dir heran. Mit jeder Umdrehung des Universums nimmt sie zu. Du erinnerst dich an deine Kinderschaukeln – Anlauf, hoch hinaus und Absprung…

Leinwanderkundungen

Am Sonntagabend gab es noch  Farbspiel mit Musik im Atelier. Wenn du dich auf die Oberfläche der Malerei konzentrierst, entdeckst du die Schönheit der kleinen Strukturen. Die große, gespannte Leinwand beginnt unter deinem Farbauftrag zu atmen, vibriert unter der Berührung. Gespannt bewegt sie sich wellenförmig und kommt manchmal deinen Expeditionsgängen entgegen. „…Es ist, als ob sie dich mit einer saugenden Bewegung anzog…“ Dieser Rhythmus sollte dann direkt in die Musik übergehen, die zwischen den Unternehmungen der Malerei auftaucht. Das ist die richtige Bezeichnung: „Die Musik taucht aus den Bewegungen der Leinwanderkundungen auf.“ Das ist der Vorgang, den es umzusetzen gilt.

Während der Malerei ist es oft so, dass du mit einer Farbe herumläufst, an verschiedene Stellen des Bildes kommst, um mit ihr Kreise, Ringe und Punkte zu variieren. Diesem Nacheinander kann die Arbeit mit dem Looper zugeordnet werden. Es geht allgemein um Bezüge der verschiedenen Sinneswelten. Heute Abend kann es damit weitergehen.

Schnelles schweißtreibendes Gehen in der Morgendämmerung. Die Bettwärme, die du an diesem Morgen noch dabei hast, verlässt dich in der tropischen Atmosphäre nicht. Im Gegenteil, sie umstrahlt dich, je mehr du dich bewegst.

Den vorigen Tag hast du noch nicht vollständig hinter dir, bist nicht in der Lage gewesen, alles geordnet abzulegen, und schon kommt ein neues Blatt hinzu, das du dankbar auf den Stapel legen kannst.

Soundfarbcluster

Du durchläufst die Familientreffen, ohne dich aus deinem Modus zu verabschieden. Liegst wach auf einer fremden Matratze, während die anderen noch weiter im Garten sitzen, um die Weine durchzuprobieren und die Familiengeschichten, die wir schon alle kennen.

Aber dich wälzen die Geschichten um Farben und Sound herum. Der fehlende Alkohol macht den Kopf klar, um die Dinge zu ordnen. Farben und Töne ordnen sich zu Clustern, ähnlich wie bei Chuck Close auf einem Karomuster oder wie bei Fugen von Bach.

Ein Stück der neuen Bearbeitung des großen Bildes ist nun auch in den täglichen Collagenstreifen des Arbeitstagebuches aufgetaucht. Das hilft bei der Weiterarbeit, weil du schon mal schauen kannst, wie sich die Malerei mit anderen Strukturen verträgt. Dabei steigt die Spannung, wie es weiter gehen wird.

Besuch von ganz unterschiedlichen Weingütern. Allen ist gemeinsam, dass sie Familienbetriebe sind. Die Bauern vermitteln einem oft wortreich, dass sie genau das Richtige in ihrem Leben tun und dass das natürlich zu ihnen gehört. Manchmal kommt es als Rechtfertigung den Städtern gegenüber an. Gleichzeitig bekommt man aber das Gefühl, kurzzeitig in diese Familien mit aufgenommen zu sein. Die selbstverständliche Offenheit von solchen großen, man möchte sagen modernen Bauernfamilien, die die Kontakte zu ihren Kunden in allerlei Gegenden pflegen, die dadurch viel mit anderen Menschen zutun haben, ist etwas eigenständig seltenes.

Hochsommerplasma | Schwimmen

Ohne Schwere schwimmst du in der Farbwelt des Hochsommerplasmas unter steil stehender Sonne. Gestern in diesem Sinne fast ganztägig Malerei, sogar als die Hindemithkinder da waren, ging es mit den Farben weiter. Sie bastelten an ihren Museumsboxen, bemalten Rundhorizonte und belegen die Böden mit trockenem Moos. Auch in den Ferien wirst du mit ihnen zutun haben. Manchmal hättest du gerne auch für sie mehr Zeit.

Aber es drängen sich so viele Dinge. Es sind Strecken zurückzulegen, Kulturabende zu bestehen, und wenn Du morgens um Fünf am Schreibtisch gesessen hast, danach im senkrechten Sonnenfarbenmeer geschwommen bist, dein Körper und dein Hirn sich aufgeheizt haben, du dann die Erinnerungen auszuhalten hattest, die sich mit dem Schöpfungskonzert in Eberbach verbinden, fällst du in eine Trägheit und bist dennoch die ganze Zeit unter Strom.

Aus der Hitze heraus zu malen, bedeutet in eine andere Form von Beweglichkeit und Farbbehandlung einzutauchen. Du schaltest das Nachdenken über die Farben aus und versuchst eine Situation zu schaffen, in der direkt das, was du während des Schwimmens fühlst auf die Leinwand wandert.

Die Schöpfung von Haydn war somit gestern die richtige Musik für dich, die den großen rohen Raum der Basilika füllte. Weit hinten erlebst du die feine Akustik des riesigen Kirchenschiffes. Ich erinnere mich an den Schöpfungszyklus und an die darauf folgende Beschäftigung mit monumentalen Zyklen zu Umweltthemen in Dresden vor fünfunddreißig Jahren.

Mantelfiguren

Noch bevor die Marktleute heute da sind, sitzt du zwischen den Papierstapeln deines Schreibtisches, vor deinem Fenster in die Welt.

Der Besitzer des Adlers bekommt heute deinen Projektentwurf mit dem Angebot für die künstlerische Dokumentation der Restaurierungsarbeiten am „Goldenen Adler“ auf den Tisch. Wenn es zu dieser Arbeit kommt, wird sie einen großen Teil dessen einnehmen, was du in den kommenden Jahren tun wirst.

Gestern ging die Arbeit am großen Bild weiter. Schon am Nachmittag hast du begonnen, weitere farbige Ringe und Kreise zu verteilen. Das Hauptaugenmerk liegt derzeit nur auf einer Verdichtung dieser Struktur. Einzige gegenständliche Elemente sind die großen Mantelfiguren. Sie heben sich in hellen Pastelltönen und weiß von den anderen, kräftigen Tönen ab. Du kannst dir Linien vorstellen, die zwischen den Kreisen verlaufen und der Struktur weitere Figuren abverlangen. Eine enge Verbindung gibt es zur großen Mantelfigur auf dem ersten „Frankfurter Kraftfeld“. Diese, im Geflecht der Relieflinien versteckte Figur, könnte auch in mehreren farbigen Interpretationen weiter verarbeitet werden. Weitere Mantelfiguren gibt es auf der Transparentpapierrolle, die du für die Gestaltung des Kraftfeldes angefertigt hast So lässt sich der spontane Beginn dieser Malerei mit weiteren Arbeitsvorgängen unterfüttern und voranbringen. Das könnte in bewährter Zusammenarbeit mit Maj geschehen.

Am Abend bei „Reverend Beat Man“ im Bett. Ein schweizer Unikum mit einer kompromisslosen Show, mit Humor und Kraft und Seltsamkeit, einer Stimme zum Fürchten, die nahe an die Kunst grenzt. Schöner, kurzer Abend mit den Freunden.

Forstarbeit | frische Malerei

Du bist bei deiner Adlerkonzeption nach dem ersten Anlauf nicht so recht weitergekommen. Du bekamst aber Hilfe. Jetzt haben die Textteile eine logische Reihenfolge und sind inhaltlich konkret. Nun kann das Ganze fertig zusammengestellt und abgeschickt werden.

Am Hang gibt es weitere Anzeichnungen von zu fällenden Bäumen im Bereich des zweiten Abschnittes meines Weges. Du hast das Gefühl, dass alles, was in drei Jahren gewachsen ist nun zerstört werden wird. Es ist keine Katastrophe, aber ein tiefer Einschnitt. Du weißt noch nicht, wie es dann weitergehen soll und etwas desillusioniert kehrtest du dann ins Atelier zurück.

Dort allerdings erwartete dich eine frische Malerei, die heute mit Schwung fortgesetzt wird. Das Ganze sieht noch etwas nach Klimt aus, muss aber freilich noch dichter werden, farblich ausgewogener werden. Mal sehen, was Euch dazu noch alles einfällt. Du hast vor, die Weiterarbeit mit dem Workshop zu verbinden, hoffst auf eine lang anhaltende Beschäftigung mit dem großen Format. Vielleicht könnt ihr dann aber irgendwann eine neue Leinwand aufspannen.

Jetzt ist es soweit, dass ihr mit den Museumsboxen konkreter werden könnt. Die Zeit der Materialsammlung und des Objektbaus ist vorbei. Bei der Boxengestaltung geht es um Rundhorizonte vor denen transparente Artefakte präsentiert werden. Auch die Dinge, die Ihr mit der Panoramaschule gebaut habt, werden Eingang in die Gestaltungen finden.

Ringe und Kreise ineinander

Der Juli rauscht vorüber, feucht, warm und schnell. Gestern stelltest du fest, auch schon vorgestern, die Zeitraffung ist symptomatisch, dass es sich im Atelier ganz gut schreiben lässt. Deswegen hast du den Rechner mitgenommen, um endlich das „Adlerangebot“ fertig zu machen.

Das Beste passierte allerdings am Abend, als du begonnen hast, am großen Bild weiter zu arbeiten. Und es begann mit einer ganz und gar leichten Malerei, nichts als verschiedenfarbige Ringe und Kreise ineinander gemalt. So ergeben sich Farbklänge, die sich zunächst zufällig gruppieren. Im Nachhinein entwickeln sich Strukturen, die durch Pausieren, erneutes Hinschauen und durch den Perspektivwechsel hinter das durchleuchtete Bild, geordnet werden. Nachdem eine solche Struktur etabliert ist, verlässt du dich auf einen weiteren eigendynamischen  Prozess der ordnenden Blickverknüpfungsstruktur.

Vieles von dem, was dich zum Wiedereintritt in diese große Malerei ermutigte, hast du den Formaten zu verdanken, die in den letzten Monaten in Zusammenarbeit entstanden sind. So wurdest du auf die Farben aufmerksam, die in deinem Arbeitstagebuch täglich entstanden.

Vielleicht hast du jetzt erst, so spät in deinem Leben, die Farbe wirklich entdeckt. Dafür solltest du dankbar sein, denn es geht eine Tür in eine neue Landschaft auf. Und du bist auf die Entdeckung dieser Welt, auf die Wanderungen durch sie hindurch sehr gespannt. So einfach ist es manchmal.

Spielfelder | Parkwälder | Handschriftliches

Vormittags Tagebucharbeit und Mails. Am Nachmittag Konzeption für die Fortführung der künstlerischen Dokumentation der Sanierung des „Goldenen Adlers“. Damit begannst du handschriftlich im Atelier. Eine ganz andere Situation, als am Schreibtisch. Gedanken werden langsamer entwickelt, und diese Entwicklung wird sichtbarer. Jetzt aber ist das alles im Rechner noch zu ordnen, um es abschicken zu können.

Schon gestern am großen Bild weiter arbeiten zu können, gelang dir nicht. Die Zeit für eine solche Konzentration war doch zu knapp. Immer wieder schieben sich andere Dinge dazwischen, Ablenkungen vor dem Wiedereinstieg in die große Arbeit. Vielleicht gelingt es heute, den allzu großen Respekt abzulegen und wieder in die Selbstverständlichkeit der Malerei einzusteigen.

Gang durch die Parkwälder gestern Abend. Es waren viele Leute unterwegs: Jogger, Spaziergänger, Hundebesitzer. Du schaust dich um und entdeckst die Galegos auf einer Parkbank und willst immer schneller werden, schwitzen und Raum gewinnen.

Während des Fußballguckens sprachst du mit Vinzenz über Räume auf dem Spielfeld: dichtgemachte, zugestellte, freigelaufene und offene. Du kannst mit ihm wirklich gut über Arbeit reden. Den Waldpfad könnte man in ein Berlin-Frankfurt-Projekt mit einbeziehen. Mehrere Künstler aus Berlin könnten dort was installieren, und im Gegenzug werden wir im Berliner Stadtraum was machen.

Schweißtreibende Gänge

Allgemein positive Reaktionen auf unsere Wald- und Werkstattaktionen. Du hattest dich unhöflicher Weise noch nicht rückgemeldet. Es ist einfach zu viel los.

Am Morgen hattest du dich während des ausgedehnten Ganges durch die Parkwälder kurz unter einem Schutzdach einer Bushaltestelle untergestellt und hörtest den Gesang der Tropfen in den Höhlungen der Konstruktion und fühltest dich plötzlich zu Hause. Nach der Runde um den See, die Entspannung und schneller Gang zurück.

Wieder hast du diese wohltuenden Farben im Kopf, die motivieren zu einem anderen Arbeiten. Ich will mir nun die Abende dafür Zeit nehmen.

Tagsüber spaziertest du mit Vinzenz eine Runde am Main, ein schweißtreibender Gang wegen der herrschenden Schwüle. Dann kochten wir Lende und stärkten uns vor dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft.

Wir hofften im Gemeindesaal auf ein nettes gemeinschaftliches Fußballerlebnis und trafen dort aber eher auf wampiges Galluspersonal mit einem Wortschatz, der das Vergnügen etwas schmälern konnte. Mit zunehmendem Alkoholgenuss wurde die Stimmung aggressiver, und ein rutschiger Schlick aus Schimpfworten, von denen „Kanaken“ noch zu den freundlicheren gehörte, floss auf den Boden. Das ganze Übergewicht dieser Körper scheint aus Hass zu bestehen. Die deutsche Mannschaft hat gewonnen. Das hielt die Gesellschaft im Zaum. Dort werde ich nicht mehr hingehen.

Weit oben kreiseln Mauerseglerschwärme unter schnell nach Osten ziehenden Wolken, die etwas Frische bringen.

Soundfarben

Sonntag – Song im Kopf den wir gestern gespielt haben. Rote Quellwolken voller Wasser über unserer Party auf Teves. Das Gespräch über Musik und Farben geht weiter. Wie reagiere ich auf dies Rot mit der Gitarre? Einfacher wäre es als virtuoser Instrumentalist – oder nicht? Vielleicht ist das Laientum ja der Schlüssel zur unvoreingenommenen Beschäftigung mit Farben und Sound. Zunächst aber ist es einfach nur schön, gemeinsam zu musizieren. Zumal wir ja anfänglich schon Schwierigkeiten hatten, uns aufeinander abzustimmen. Nun hat es geklappt, und froh darüber spielten wir sogar, während das Halbfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft auf einer Leinwand auf Teves lief.

Unsere halbjährliche Zwischenraumsitzung und eine Nachfeier von Helgas Geburtstag fielen zusammen. Eine nette Gesellschaft kam da zusammen.

Carola berichtete von Zitko, dass er gesagt habe, du seiest der einzige ernstzunehmende Künstler in Frankfurt. Obwohl du das nicht ganz glaubst, macht dich dieses Statement ziemlich stolz.

Ein Gewitter zieht vorüber. Immer wieder fallen große Regenmengen und bilden kleine Seenlandschaften. Sehr schwül ist es, dabei aber nicht sehr warm.

Am Morgen warst du schnell gehend unterwegs im Regen, tatest was für deine Gesundheit. Ab morgen wird eine Zeit lang auf Alkohol verzichtet, um die Produktionsmaschine wieder voll anzuwerfen und den Kopf klar zu bekommen.

Sonnenenergie

Seit ein paar Tagen ist Vinzenz im Atelier. Das neue Regal ist eingeräumt. Alles wirkt ein wenig geordneter. Licht kommt mit Energie und Farbe durch die Fenster.

Schöner Workshop mit den Hindemithkindern. Paolo griff sich irgendwann die Gitarre und spielte so, dass wir Lust hatten, mitzusingen.

Gespräch über Farbensingen am Weinstand. Das ist eine neue Welt.

Vinzenz zeigte mir viele Bilder, die er in China gemacht hatte. Die Kinder fanden, dass wir uns ähnlich sehen. Er sei nur jünger, dünner und hätte mehr Haare. Das war wirklich lustig.

Tagebucharbeit hinkt hinterher – alles ein bisschen viel.

Umräumen

Materialeinkauf und Regalbau in Handarbeit gemeinsam mit Vinzenz am Vormittag.

Dann Farben – darauf hast du dich gefreut: Altrosa und Graugrün, Klänge voller musikalischer Spannung. Das Zusammenfügen von Sound und Farbe ist keine einfache Sache. Du wechselst vom Papier zur Gitarre. Das geht ganz selbstverständlich und führt irgendwo hin. Wohin, weißt du noch nicht.

Umräumarbeiten durch die andere Dinge in das Gesichtsfeld rücken. Das große Bild beispielsweise, das endlich weiter gemalt werden soll…

Mittags Besuch von Frau Hollstein. Wir versuchten ein Konzept vorzubereiten, um die künstlerische Dokumentation der Arbeit am „Goldenen Adler“ fortzuführen. Wir listeten unser gemeinsames Interesse auf.

Die Personalunion von Feind und Schlachtfeld

Mit Vinzenz und den Kindern in der Panoramaschule. Wir kümmerten uns um die Behinderten. Es entstanden viele Transparentpapierobjekte. Schön ist es ihr Vertrauen zu spüren.

Im Kopf befinden sich die Reflexionen des Sonnenlichtes. Sehr unterschiedliche Klänge wachsen und verästeln sich.

Versiegelte Güterzüge rollen vorüber, setzen Bilder in Gang, als wären die Waggons einzelne Frames eines langen Filmes.

Dein Kopf ist ein Airbag in Wartestellung. Nach einem Kindervormittag fällt die die Konzentration schwerer als sonst. Du rast durch eine unübersichtliche Landschaft. Sucht der Geschwindigkeit, die plötzlich in Langsamkeit übergeht. Schnell ändern sich die Farben am Rand des Gesichtsfeldes.

Gestern hast du noch einmal der Heraklestext gelesen und Erinnerungen an die Theaterarbeit aufgerufen.

In den Wolken am Hang

Nach gewittriger Nacht der Ateliersommertag.

Mit zweiundzwanzig Kindern in den Wolken am Hang. Leiser Niesel die ganze Zeit. Dinge gebaut, Dinge gesammelt und morgen werden sie verarbeitet. Schön war der Nebel die ganze Zeit.

Vinzenz hat sich angesagt, trifft im Zollamt auf die hochmütigen Staedelleute. Da musst du nicht mitgehen.

Ansonsten wenig Konzentration. Lieber möchte ich mich den Farben widmen ihren Auffächerungen durch die Sonne. Manchmal willst du allein diese Begegnung, nur diese Ruhe um die Zeit zu dehnen.

Lichtbrechungen und Ruhe

Nach der gewittrigen Nacht, die dir den Schlaf geraubt hatte, hörte am Morgen der Regen auf. So sollte es bleiben, weil es heute mit den Kinderchen in den Wald geht.

Der gestrige Abend war noch schwül, dennoch leicht. Etwas Essen und trinken dort verleiht dem Ort mehr Heimat. Der Ateliersommer.

Du warst mit behinderten Schülern und einer Klasse aus der Hindmithschule am Hang. Die unterschiedlichen Verfassungen verlangen viel Aufmerksamkeit. Alle wurden mitten in den Wolken nass, haben aber gebaut und gesammelt. Morgen treffen wir uns noch mal in der Panoramaschule, die sehr gut ausgestattet ist. Dort werden wir das, was wir sammelten verarbeiten.

Vinzenz geht zu einer Eröffnung im Zollamt und wollte sich dort mit mir treffen. Ich werde nachher aber erst einmal ins Atelier gehen und zu mir kommen. Alles andere wird mir zu viel. Etwas mehr Konzentration auf die wichtigen Dinge, auf die Farben, ihre Brechungen im Sonnenlicht und auf die Raumplanung hinter dem großen Bild. Das Regal dort würdest du gerne noch in dieser Woche in Angriff nehmen. Weiter aufräumen, ausmessen, Materialeinkauf, anreißen, Schlitze stemmen und Sprossen mit Zapfen sägen. In dieses Regal sollen dann Formen und Werkzeuge kommen. Davor soll ein Raum entstehen, wie eine weitere Arbeitsnische.

Manchmal hast du alles im Atelier, die Lichtbrechungen und die Ruhe, hast aber keinen Produktionsdruck. Es ist als atmetest du das alles ein und hältst die Luft an. „Die Luft ist bei mir immer drinne“, wie Mathilda das formuliert.

Sturm

Wie der Herbst sah das Unwetter aus, das gestern schnell von Westen herangezogen kam. Das waren nicht einfach dunkle Wolken, sondern Ungetüme, die mit einem wuchtigen Sturm das heitere Sommergefühl verdrängten. Stühle flogen herum, alles Leichte in meinem Atelier wurde durcheinander gewirbelt. Ich geriet grundlos in Panik, die die Sonne weiter verdunkelte. Eine ungute Dynamik.

Aber das große Bild wird sehr präsent und fordert mehr und mehr auf, an ihm weiter zu arbeiten. Du denkst an Maltechniken, an einen lockeren Beginn, der die Düsternis vertreibt. Die jetzt noch weißen Punkte werden Farbfelder, die umrandet von Linien, miteinander verbunden sind. Du solltest sehen was dabei herauskommt und keine weiteren Konzepte mehr machen.

Morgen wird der junge Held Vinzenz auftauchen, um eine Weile zu bleiben. Es gibt viel zu erzählen und vielleicht kann man was Gemeinsames arbeiten, zumindest Regale bauen oder mit den Kinderchen am Mittwoch für die Kunst basteln. Dafür hast Du auch noch einiges vorzubereiten.

Eine allgemein andere Organisationsstruktur hast du dir vorgenommen. Dazu gehört beispielsweise ein vernünftiges Adressbuch in Verbindung mit einem funktionierenden Kalender. Das soll mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge einräumen: Farben, Songs und alles durchdringendes Sonnenlicht. In diesem Zusammenhang sollen die Atelierabende eine feste Institution im Arbeitsleben werden. Es wird keine Zeit mehr verschwendet.

Durchdringendes Licht

Die Friedenskirchenglocke schlägt die Stunde. Der Morgen ist warm und voll, ein Sonntagmorgen. Den Sommer festhalten willst du, immer weiter malen in der milden Luft.

Die Blätter halten still, als warteten sie auf den befreienden Sturm. Die Baumkronen schweigen, kein Mensch unterwegs. Die Mieträder der Bahn sind in der Nacht umgeworfen worden, liegen wie vergiftete Tiere auf dem Gehweg.

Der Gitarrensound wird kompakter, steigert sich zu intensivem Lärm, der die Voraussetzung für Malereisongs sein kann. Das willst du weiterentwickeln, bist aber auf Unterstützung angewiesen.

Die Sonne ergreift den Gehweg. In den Schattenfeldern leuchte Farben auf: Altrosa, Ocker und Indigo. Dazu kommt alles, was das Hirn hergibt, was es an Sonnenfarberinnerungen ausschütten kann. Du merkst, wie dich Licht durchdringen kann.

Auf Teves gestern eine türkische Hochzeit. Höflich forderst Du die Staatskarossenbesitzer auf, von der Wiese herunter zu fahren. Eine schöne Dame in einem schwarzen Kleid und hohen Schuhen wird von deinem Gitarrensound angelockt, interessiert sich für das Projekt, fragt nach einem Spendenkonto!

Du trommelst Morast, Insekten und Quecksilber aus den Saiten, vertiefst dich in den Klang, wie in dich selbst. Das steigert sich, und der Hall zieht dich mit sich bis du nicht mehr aufhören willst. Du musst Dich losreißen, um nach Hause gehen zu können.

Malerinnerung

Im Hinterhof über den Gärten hörst du einzelne Erzählstimmen, die sich vom Grollen der Flugzeuge und dem stählernen Fahren der Bahnen abheben, leicht und sonntäglich. Der Wind verweht die Sirenen und Glocken nach Osten. Das Grau des Morgens lindert Sonnenbrände.

Acht Glockenschläge und der Blick in den Mauersegler strudelnden Himmel. Am Nachmittag triste Stimmung im Atelier. Nur Joana war da und schaute, ob die anderen noch kommen würden.

Dann hast Du dir noch mal die Bilder angesehen, die letztens entstanden sind. Am Ende bist Du vehementer geworden, hast dich an deinen Malrhythmus in der Achtziger- und Neunzigerjahren erinnert und bist nahe dran, das große Bild wieder in Angriff zu nehmen. Ich möchte ein Konzept finden, das sich mit Songstrukturen verbindet. Langsam stellen sich musikalische Entsprechungen zur Malerei ein. Mit einem Stab trommelst du auf die Saiten, lässt sie tropfen, zwitschern und brüllen wir im Wasserturm. Während des Traktierens der Saiten musst du die Farben im Blick halten, denn sie sind neu, plötzlich wie selbstverständlich durch die Tür gekommen, leuchtend und wertvoll durch die Sonne oder aus ihr.

Wir müssen öfter reden über die Kunst von Jasper Johns oder John Cage. So können neue Fundamente gegossen werden, die gemeinsame Fundamente sind.

Das Maigrün des Nachbarhauses trägt eine hohe Rauchspur vom Boden bis unter die Dachrinne, schöne Schattierungen, die dem Restgrün zugute kommen und es glaubhaft machen.

Zimmi in Zwickau

Eine Fahrt bis weit in den leuchtenden Osten, um der Tour von Bob Dylan zu folgen. Die Setlist ist hier in Zwickau im Vergleich zu Düsseldorf fast gleich geblieben, bis auf einen Wechsel von „What Good Am I“ zu Working Mans Blues #2“. Die Spielfreude war ausgeweiteter, Der Gesang war Variantenreicher mit Passagen zarter Hinwendung an sei Gegenüber. Manchmal setzen Songs mit einem kraftvollen Riff ein, wie bei „Wachtower“. Wer aber mitklatschen wollte wurde sofort durch leisen Gesang und musikalischem Improvisationsgeplänkel ausgebremst. Instrumentalpassagen waren wie Gespräche. Kleine Soundseifenblasen werden zwischen Piano und Gitarre hin und her geworfen. Und dabei klemmt der Meister hinter den Stutzflügelboogieläufen.

Unter Verzicht auf unsere Sitzplätze standen wir weit vorne am Piano, warteten geduldig bis zum pünktlichen Beginn. Auch die hatte sich kaum verändert. Zwei marmorweiße Büsten sind hinzugekommen, die auf Beethoven verweisen könnten und eine zweite auf irgendeine mythologische Figur, wie Inspiration oder Muse oder etwas Ähnliches aus dem neunzehnten Jahrhundert. Und natürlich stand der Oscar dabei. Um seinen Sockel gelegte Holzperlenketten verweisen auf religiöse Meditation oder so… Der Dylankosmos ist weit genug. Die Band blieb, wie immer zurückhaltend, und das schräge Klavier war ziemlich laut, keine Orgel diesmal.

Zwickau war eine Überraschung. Ein schöner gotischer Dom mit dabei stehenden uralten Priesterhäusern. In deren Obergeschoss fand ich wieder die Lehmritzungen, wie unterm Dach im „Adler“. Sie waren aber viel regelmäßiger, fast geometrisch.

Zeiterklärung

Zwischen den bedrohlich weitreichenden Zeichen an den Baumstämmen, die du nur teilweise deuten kannst, erscheint der Hangweg wieder in neuem Licht. Die Signaturen des Försters verfremden den Wald, kleiden ihn in neue Geheimnisse. Die weißen waagerechten Doppelstriche zeigen nicht die Transportschneisen der Holzerntemaschinen an. Sie tauchen hier und da wie Irrlichter auf und überlagern deine mühselig errichteten Wegzeichen mit einer neuen Organisationsschicht. Die Steine werden aus den Bäumen genommen, wieder am Boden gestapelt, eher setzt ein Rückbau des Ganzen ein. Das kann aber auch nur ein Verschanzen bedeuten, vor dem Großereignis des Holzeinschlags.

Das hoch stehende Gras schafft neue Bilder. Geschlossene Flächen stehen über dem kleinteiligen Boden. Aus flacher Perspektive füllt sich dieser Raum mit neuen Welten kleinen Gekrabbels.

In den Baumkronen rauscht ein wenig Westwind, der dich überirdisch flüsternd, als spräche er am Tag mit den Sternen, einhüllt, als erkläre er dir Zeit.

Nach dem Übergang von der Wald- in die Stadtmaschine, fuhr das Rolltor des „Rotationsraumes“ nach oben. Das große Bild, ewige Herausforderung, steht wieder auf seinem Platz. Vielleicht ist dies nun der Zeitpunkt für ein Weitermalen daran.

Malerei auch am Abend mit immer neuen Erkenntnissen. Manchmal tauchen, wie selbstverständlich Gegenstände auf, Figuren auch. Durch gemeinsames Arbeiten an den Formaten, tauchen Dir fremde Strukturen auf, auf die du beschwichtigend, ergänzend und ermunternd reagieren möchtest. Das Blatt liegt nass auf dem Brett. Im Umrunden schafft man den Perspektivwechsel, der Kompositionssicherheit erleichtert.

Rotationsraum

Das Atelier, das umgeräumt wird, kommt Dir vor, wie ein Bühnenraum, der in allen Achsen gedreht werden kann. Kontinuität wird zur unsteten Behauptung und die Rotation beginnt. Fliehkräfte greifen ins Volumen, dein Spiegelbild bleibt eigenartig ruhig, während sich rundherum Verknüpfungen verschieben. Die Haltegriffe sind das morgendliche Innehalten in den sich aufsplitternden Farben und Denkkapriolen.

Du kommst Dir am Schreibtisch so fern vor, fern von den hochhackigen Damen, die in schwarzen Anzügen ihren Dienstwagen mit einem Arm voll gereinigter Klamotten entgegenstreben. Ultramarinefarbener Seidenrock, das Tackern der Baumaschinen und von Ferne die Radio Hour von Mister Zimmerman, wie an jedem Morgen.

Es stellen sich neue Soundstrukturen ein. Aus einer Vielzahl von Diskrepanzen ergibt sich ein Muster textlich rhythmisierter Erinnerung.

Da hilft körperliche Arbeit. Formteile der Gruppen „Wien Varanasi“ und „Frankfurter Kraftfeld“ wanderten in den Projektraum „Balken“. „Komm liebe Schwester tanz mit mir“ steht jetzt dort oben, wie eine Anzahl von anderen Formaten, z.B. die alten Packpapierrollen, die ich auf Nessel aufgeklebt und bemalt hatte. Und unten im „Rotationsraum“ löst sich eine Spannung.

Im Treppauf Treppab Erinnerung an eine Weinlese in Ungarn. Nach jedem Kopfüberkippen der vollen Holzbütt in das große Maischfass, nach jedem Bergauf und Bergab gab es den ganzen Tag über ein Glas vom ungepanschten Weisswein der Vorjahre, der alle Sonne schmecken ließ.

Songs und Parks

Am Abend in der letzten Sonne auf einer Bierbank, über die sich ein Haselnussbaum beugt. Die Geräusche der vorüberrollenden Güterzüge durchdringen dich vollständig. Alles wird plötzlich überdeutlich, gewinnt an Schärfe, und dann fallen dir Worte ein, die vielleicht zu einem Song gehören könnten, der auf eine Erinnerung zurückgeht, die mit diesem tiefen Sonnenstand zutun hat. Moosstreifen zwischen den grauen Knochenpflastersteinen leuchten kurz golden auf.

Du frierst, wenn das Licht verschwindet, gehst zurück ins Atelier und beginnst aufzuräumen. Der faulige Geruch der alten Farben stört, außerdem soll Platz geschaffen werden für die weitere Forschung. Beim Räumen entdeckst du dein Gesicht im Spiegel neben den neuen Malereien. Du denkst Songstrukturen, deren Entwicklung mit den neuen Bildern zutun haben. Die Farbflecke bedürfen an manchen Stellen noch einer linearen, ordnenden Schicht, ist noch nicht dunkel, aber du machst das Licht an, um alles genauer zu sehen.

Auf dem Segeltuchhocker vom alten Meister Roos nehme ich die Filzpappenformate der Hindemithkinder in die Hand, lehne mich an und blättere sie durch. Ruhe nimmt Besitz von mir und ich starre in die Tiefe des Bilderraumes unter mir.

Zuvor in den Parks, den großen unfertigen, den kleinen abschüssigen, in denen voll mit Fußball spielenden Kindern. Mit der Aufnahme von Geschwindigkeit steigen die als Düsternis abgelagerten bitteren Erinnerungen auf und werden transparent. Du gehst über das weiche Moos unter den Baumkronen der Rebstockbäume, willst noch mal schneller werden, umrundest zweimal den Rebstockweiher mit Schlenkern durch das Wäldchen, das einen Hügel krönt, merkst wie dein Körper zu dampfen beginnt und glaubst nicht, dass dir der Rückweg reicht. Mindestens drei Mal die Woche jetzt oder immer!

Bewegungen | Wendungen

Ich sitze ganz normal am Schreibtisch und beobachte das Aufräumen drüben am Cafe nach der gestrigen Fußballniederlage, die Mütter beim allmorgendlichen Transport ihrer Kinder und die Wolken die in die entgegengesetzte Richtung nach Osten fliegen und die Sonne frei lassen. Die Energie dieses Lichtes bekommt aber durch die nächsten Projekte eine andere Qualität. Die Vorhaben vervielfältigen sich, die Geschwindigkeit erhöht sich.

Gestern am Sonntag arbeitete ich mein Pensum ohne Groll ab, telefonierte und wir machten einen Spaziergang am Main. In dieser Bewegung kann ein ruhiger Austausch einsetzen. Gehen, sprechen, schweigen, klären und zur Ruhe kommen.

Von dieser Bewegung soll mein Alltag mehr profitieren. Mit überlasteten Gelenken habe ich vor einer Zeit das Laufen aufgegeben. Nun möchte ich wieder schnell größere Strecken zurücklegen, aber weicher gehend. Es ergab sich gestern noch mal eine schöne Runde mit Waldstücken, genug, um richtig warm zu werden. Das tränkt die Seele und befreit den Kopf. Es ist mir nicht ganz klar, warum ich damit nicht schon früher begonnen hatte.

Die Mauersegler haben nun wieder ihre Bedeutung bekommen, wie in den letzten Jahren. Gitta hatte uns zwischenzeitlich etwas mit einer Rundmail verunsichert, was unseren Kleinen vom Dachboden anging. Er wäre aber ohne uns dort oben verhungert. Jetzt kreist er wieder in Schleifen und Achten, Spiralen und kleinen abgehackten Wendungen.

Die Idee von der Vergrößerung des Atelierraumes gefällt mir. In den Stauraum hinter dem Bild würde noch ein großes Regal passen, in das man die Dinge tun kann, die jetzt dort einfach so rum liegen.

Neue Begriffe tauchen auf

Der Regen hat sich etwas stabilisiert, wie ich es mir für unsere Wiese gewünscht hatte. Zwei Wochen war ich nicht am Hang. Das fehlt mir nicht nur, sondern ist auch nachlässig. Die Bedrohung des nächsten Holzeinschlages, die derzeitig starke Vegetationsphase und das Projekt, das ich in der übernächsten Woche vorhabe, sind Faktoren, die es unbedingt nötig machen, am kommenden Mittwoch in den Wald zu gehen.

Nachmittags in der Ausstellung lernte ich junge Menschen kennen, die im fertig restaurierten „Goldenen Adler“ eine Wohngruppe bilden möchten. Mit einer Historikerin, die auch Ausstellungskuratorin ist, kam ich etwas gründlicher ins Gespräch. Das gemeinsame historische Interesse, das Projekt betreffend, könnte zu einem länger geknüpften Gesprächsfaden führen.

Der Bogen, den ich spannen möchte reicht über die gesamte Bauzeit, bezieht die Jahrhunderte mit ein, in denen das Haus gebaut und bewohnt wurde, verbrannte und neu erstand. Es geht dabei insbesondere um die Empfindungen dem Material gegenüber, das bei der Restauration verloren gehen wird. Die Container mit diesen Stoffen hätte ich am liebsten neben meinem Atelier. Die Schichten, mit denen der Brunnen Meter um Meter zugeschüttet wurde bilden die Grundlage für eine konzeptionelle skulpturale Arbeit. Neue Begriffe tauchen auf: Musterrollen, Grundwasser, Hopfen und Malz. Die lange Treppe in den tiefen Brauereikeller ist ein starkes räumliches Element.

Die Gedanken, die um die Gestaltung der Konzepte eines künstlerisch-dokumentarischen Projektes kreisen, das die Verwandlung des Hauses begleitet, beziehen auch mit ein, dass einem nur einmal im Leben ein solch reiches Thema über den Weg läuft.

Klangteppich

Gewitter in der Nacht, wohltuender Regen, ich denke an unsere kleine spärliche Wiese auf Teves.

Ausstellungseröffnung gestern im „Goldenen Adler“. Viele Menschen, Wein, gehaltene Reden und Gespräche. Die Möglichkeit einer weiteren künstlerischen Dokumentation ist ins Auge gefasst. Ich werde dem Besitzer des „Goldenen Adlers“ ein Angebot über eine künstlerisch-dokumentarische Begleitung des Umbauprojektes machen. Die würde ich dann einfach so weiterführen, wie ich jetzt begonnen hatte. Als Endprodukt schwebt mir eine Publikation vor, die Faktizität und Inspiration verbindet. Gerne würde ich mich auch weiter mit den Wortspielen befassen, die ich begonnen hatte.

TOBACCO ROAD   LUNGE   RUSS  FETT

STROH  STAUB  WEIDEN  LEHMPUPPEN

SIEBENZINKENKAMM

Wohin das führt wird man sehen. Besonders interessant wird das Abrissmaterial.

Danach in der Pizzeria um die Ecke, Versuche über das gemeinsame musizieren zu sprechen. Es gibt Diskrepanzen zwischen dem, was wir wollen und dem was wir können. Maj hat viel Musikpraxis hinter sich, ist deswegen virtuos im Vergleich zu mir. Ich möchte mich eher mit Sounds beschäftigen. Wir sind nun drauf gekommen, dass sie einen Klangteppich mit dem Bass knüpft, auf dem ich meine Schwingungen ausprobieren kann. Vielleicht ist es auch möglich, brachial anders in das Geschehen einzugreifen, hörbar eine andere Linie zu verfolgen. Ich rede wie der Blinde von der Farbe! Als nächstes muss eine regelmäßige Probenzeit her.

Segeln

Vor einiger Zeit, es ist bestimmt schon Jahre her, da hat mit Maj von ihren Mauerseglerbefreiungsaktionen erzählt. Manchmal verfliegen sie sich auf ihrem Dachboden, versuchen, wieder hochzukommen, rascheln dabei herum. Ohne Hilfe gelingt es ihnen nicht, wieder aufzufliegen. Dann geht sie hinauf, fängt sie vorsichtig ein, nimmt sie zwischen ihre Hände und wirft sie hoch in die Luft. Ich wünschte mir immer sehr, das auch mal tun zu können.

Und heute Früh, vor Acht kam der Anruf, ob ich kommen wolle, weil sie wieder eines dieser kleinen wunderbaren Tiere eingefangen hatte. Es befand sich in einem Korb abgedeckt mit einem indigofarbenen Tuch, in eine Ecke gedrängt.

In manchen Sommern beschrieb ich täglich die Figuren, Schwünge und Wendungen, die sie fliegen, das Licht unter ihren Flügeln und ihre quirlig strudelnden Versammlungen in der Luft.

Jetzt also saß am Boden eines Wäschekorbes so ein kleines, zartes, junges Exemplar. Vorsichtig, mit einem Paar Handschuhen, umfasste ich den Köper von beiden Seiten, trug ihn mit festem Griff zum Küchenfenster, nahm ein wenig Anlauf und schleuderte ihn so weit wie möglich in den Himmel. Schnell bekam er genug Luft unter die Flügel, nahm Tempo auf und startete direkt in das Treiben über den Dächern. Vielleicht war es schon ein Jungtier, das sich in diesem Sommer erstmalig auf die große Reise machen wird. Wir konnten ihm nachschauen, wie es noch ein paar Runden in der Nähe drehte. Das war ein erhabener Augenblick. Danke Maj.

Gestern im Frankfurt Lab mit der Festivalgemeinschaft aus ganz Europa. Wir sahen „Drei Tage Hölle“ von dem Weißrussen Pawel Prioschka. Eine Alltagstextfläche armer sehr einfacher Menschen, mir vielen Schichten und Verwebungen. In einem Militärzelt, in dem wir saßen, wurde ein Sack Kartoffeln ausgeschüttet. Schöner, strenger Text. Das zweite Stück des Abends hieß „Dementia“, kam aus Ungarn, und ich will es schnell vergessen.

Farben | SONNE | Musik

Nun sind alle Blätter auf die Räume des „Goldenen Adlers“ verteilt. Somit kommt der erste Stock ein wenig in die Schwebe. Meine Konzentration reichte gerade so aus, um diese fünf Räume fertig zu gestalten.

Am Nachmittag stellte ich ein paar Texte aus dem Tagebuch zusammen und ordnete sie umgekehrt chronologisch, was ich heute wieder rückgängig machen will.

Jetzt aber interessieren mich eher die Farben der Sonne, und das, wie ich sie mit Klängen verbinden kann. Während eines Spaziergangs um den Rebstockweiher schob sich ein dunkelindigofarbenes Gewitter vor das diffuse blassblaue Licht einer dunstigen Dämmerung. Auf der Wasserfläche, die mit vielen schlammgrünen Algen durchsetzt ist, berührten die ersten Tropfen die freien, glasklaren Flächen und setzten ihre Ringe darauf. Unter einem Blätterdach konnte ich sehen, wie die milliarden Tropfen glühten, sich wie ein goldgelber Schleier vor die erdig chromoxydfarbene Landschaft setzten. Um mehr von diesem rauschhaften Anblick und dem aufsteigenden Geruch zu haben, setzte ich meinen Weg von einer schützenden Baumkrone zur nächsten fort.

Und dann frage ich mich, was eine klangliche Entsprechung dessen sein kann, die nicht illustrativ ist. Aus einer solchen Stimmung heraus zu musizieren oder zu malen, kann zu der Intensität führen, die der Auslöser hatte, aber etwas anderes bedeuten.

Innerhalb der Tagebuchzeichnungen wird das nun möglich. Wie sich diese Arbeitsweise ins Atelier übertragen lässt, wird sich zeigen.