St. Georgen schlägt blechern die kurzen Stunden

Hamburg, Hotel Reichshof. Dem Haus steht eine Grundsanierung bevor, dem sicherlich auch die labyrinthischen Gänge zu den Zimmern zum Opfer fallen werden.

Die Inszenierung des Stückes hat mir gut gefallen, auch die meisten Schauspieler. Das Haus war voll und der Applaus war überschwänglich mit Bravos und Buhrufen. Eine Operndiva spielte sich selbst. Ein starker Kontrast zu den anderen Darstellern, der Lücken in der Aufmerksamkeit des Publikums schnitt. Eine etwas anstrengende Geschichte so eine Uraufführung… Danach freilich noch Gespräche mit manchen und Versuche, das einzuschätzen, was das gerade gewesen war. Mir kommt es meistens so vor, dass sich die Qualität einer Inszenierung und eines Textes erst in der Zeit nach der Vorstellung für mich erweisen. Wenn ich mich dann gut erinnere und wenn die eine oder andere Situation in meinem Alltag aufblitzt, dann hat der Theaterabend alles geschafft, was er schaffen kann.

Ich habe mich auf der Premierenfeier ausgetanzt und gegen Drei sind wir dann ins Hotel zurück, wohin es ja nicht so weit war.

Die Stadt hat mich bislang nicht so sehr interessiert, zumal es sehr windig, feucht und kalt war. Ein Kontrast zu den Sonnentagen zuvor. St. Georgen schlägt blechern die kurzen Stunden hinter den Taubennetzen, die den Hinterhof vor den Vögeln schützen sollen.

Uraufführung | Luxusdampfer

Hamburg, Hotel Reichshof, Glockenschlag, die summende Stadt, das nette, etwas heruntergekommene Haus, von dessen Rückfrontfenstern der oberen Geschosse das grüne Dach des Schauspielhauses zu sehen ist, in dem wir heute eine Uraufführung von Simons „Carmen Disruption“ in Barbaras Übersetzung sehen werden. Nübling hat inszeniert und alle sind da.

Der Frühstücksraum sieht aus wie der eines Luxusdampfers vor einhundert Jahren. Viele Drechseleien in Tropenholz, viel wild geaderter Marmor. In dem rührenden Prunk passt nichts zueinander, nicht das Lampenballett zu den Balkonen, nicht die Holztäfelungen zu den Bleiglasfenstern. Darum geht es auch nicht.

In der Lobby lag eine „Süddeutsche“ mit einem Interview mit Ai Weiwei. Er wird mir zu sehr nach seinen dissdentischen Denkweisen befragt, zu wenig nach seiner Kunst, die zwar mit ihnen verbunden ist, aber darüber hinausgeht.

Um die Ecke in einem Cafe haben wir Marisa getroffen und hatten dort ein sehr nettes Gespräch zusammen. Es ging um die Mäander, die der Weg eines Buchprojektes nimmt, dass sich mit einer bestimmten Vertreterin der Kostümbildnerei beschäftigt. Sie ist so freundlich und zugewandt, was mir sehr gut getan hat. Zufällig kamen auch Simon und Polly herein.

Auf der Zugfahrt hörte ich zweimal „Time Out of Mind“, lief mit den Ohrstöpseln in den Gängen umher, stand auf den Plattformen zwischen den Waggons, betrachtete die müden Reisenden, ihre Bildschirme und ihre Schlafhaltungen.

Musik

Das Elektropiano in Dylans Song „Lovesick“ auf dem Album „Time Out of Mind“ schwebt ganz nah in einem leeren Raum vorüber. Die Stimme hallt so, als würde sie sich in der Weite in einer kleinen Box wieder finden. Die Worte fallen in den Orbit von meinem schwebenden Körper aufgefangen, der ein wenig mitschwingt. Ich versuche in im Gravitationsbereich der Musik zu bleiben, und alles andere wird gleichgültig.

Schon am Vormittag im Atelier. Ragna hatte ihre Bratsche mitgebracht. Eigentlich probiert sie am liebsten allein mit den Fehlern und Wiederholungen. Zunächst zeichnete ich auf normales Papier zu ihrem Spiel und versuchte Spannungslinien gegeneinander zu stellen. Zwei Stunden ließ sie das Atelier mitschwingen. Die tanzenden Pflanzen vor den Scheiben, durch die das Sonnenlicht wellenschlagend den Raum tränkte. Von der Restaurantterrasse wurden Leute durch das Spiel angezogen, die ins Atelier kamen.

Später zeichnete ich Figuren auf dem Transparentpapier der Rolle 6. Sie eignen sich besonders gut, eine Komposition zeichnerisch zu umschreiben. Die Linien nähern sich einander, reagieren in ihren Wendungen und Schwüngen auf die Nachbarschaft und geben den Zwischenräumen Spannung. Daraus entwickelte sich ein umfangreiches Arsenal, das ich aufrollend übereinander lagerte. Somit hat nun die Arbeit an der musikalischen „Zeltersequenz“ begonnen, mit der ich die nächsten Ateliertage verbringen kann.

Bei Helga holten wir Vergrößerungen der Aufnahmen der britischen Air Force mit allen Aufnahmen auf CD ab. Ragna zeichnete am Nachmittag die Kartierung der Herkunftsorte der Zwangsarbeiter mit Linien, die nach Frankfurt führen auf Transparentpapier. Außerdem arbeitete sie an ihrer Zweifigurensequenz weiter.

Spirale am Schlussstein

Den Hangweg haben die Downhiller verschont. Mit Ragna bin ich gestern mit der Befürchtung in den Taunus gefahren, dass sie an dem vergangenen warmen Wochenende endgültig Geschmack an meinem Weg gefunden haben. Demnach fiel die Bewertung nach dem ersten Erkundungsritt nicht so positiv aus. Für ihre Slalomkünste benötigen sie eine andere Streckenführung mit schöneren Schwüngen. Jedenfalls war keine weitere Spur zu entdecken.

So beschäftigten wir uns in erster Linie mit der Pflege des Vorhandenen. Indem ich Ragna die Bedeutung der Arbeit für die anderen Zusammenhänge erklärte, merkte ich, dass der Hang schon voller Geschichten steckt. Dabei redete ich über den Raum, das Material und über die Gäste, erzählte von ihren Erinnerungen und von dem Projekt „Frankfurter Kraftfeld“. Am oberen Ende gingen wir eine Spirale um den „Schlussstein“. Danach im Atelier redeten wir noch etwas.

Vinz wird heute fünfundzwanzig Jahre alt und postete ein Tortenkunstwerk. Außerdem Gibt es ein Doppelporträt mit Angela Merkel.

Gestern sahen wir in der Schirn die Ausstellung „Esprit Montmartre“. Man bekam einen Einblick in die so glamouröse, aber ärmliche Welt, die voll so viel Erneuerungsenergie steckte. Ein Foto von Van Gogh überraschte mich total. Er wirkte fast ein wenig Dandyhaft und dicklich. Er hasste die Stadt und malte am liebsten ihre Ränder. Aufschlussreich waren auch die Fotografien der „Künstlerfavela“ und manch unbekannteres Werk.

Bewegungsstrukturen

Die Fortführung der Arbeiten, die wir am Montag begonnen hatten, wurde mit weiterem Dokumentationsmaterial der britischen Aufklärungsflüge von 1944 unterfüttert. Bei Helga ist eine CD angekommen, die Aufnahmen beinhaltet, die die Airforce kurz vor den Bombardierungen im März 1944 von Gallus gemacht hatte. Darauf sind die fünf Baracken nun sehr deutlich zu sehen, die das Lager Ackermannwiese ausmachten. Dabei handelt es sich um eine Wach- und um vier Unterkunftsbaracken.

Am Vormittag hat Ragna die Kartierung der Geburtsorte der betroffenen Personen weiter vervollständigt. Daraus entsteht langsam eine neue Struktur, die eine weitere Ebene innerhalb unseres Koordinatensystems bilden wird. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie es gehen kann, die unterschiedlichen geografischen Dimensionen zusammen zu bringen, glaube aber an eine Möglichkeit der weiteren Verdichtung durch verschiedene Raummaßstäbe.

Die nächste Struktur ist die unserer „Gedenkgänge“ auf der Ackermannwiese. Zunächst besuchten wir Helga, die uns die entsprechenden Ausschnitte der Fotos zum Arbeiten ausdruckte. Wir steckten am Nachmittag dann die geschätzten Größen von zwei weiteren nördlichen Baracken ab, und umgaben sie mit einem dichten Netz unserer Bewegungsstruktur. Auch zu erkennen ist die dichte Bebauungsstruktur der Rüstungsproduktion bei Teves. Material mannigfaltiger Art steht bereit.

Im Atelier dann zeichneten wir noch etwas auf Transparentpapier. Ich vervollständigte den Ausklang meiner Trümmersequenz. Sie wird in die Gedenkgänge-Sequenz übergehen. Ragna schlug ich vor, mit ihrer Bratsche eine Improvisation zu der gezeichneten partiturartigen Figurensequenz zu spielen.

Am Abend im Kino: „Grand Budapest Hotel“, großartiger Film, poetisch, sehr einfallsreich, surreal und humorvoll.

Gedenkgänge

Bei der Arbeit zu Gast ist Ragna als Praktikantin. Sie recherchiert hier zu Hause am Rechner und zeichnet im Atelier. Außerdem waren wir auf der Ackermannwiese und steckten die Größe der ersten Zwangsarbeiterbaracke ab. Wir stellten fest, dass sie riesig war, viel größer als man sich das von den Luftbildern her vorstellen konnte. Dann gingen wir mit dem GPS die engen Räume um die Baracke herum, stellten uns vor, es wäre ein sonniger Tag in Jahr 1944, vielleicht ein Sonntag, an dem wir frei hätten. Wir durften das Gelände nicht verlassen, wollten aber dennoch ein wenig spazieren gehen. So spürten wir einen Widerwillen gegen die Enge aufsteigen, die zu einem stumpfsinnigen Hin und Her führte. Und es wurde uns gleichzeitig klar, dass sich innerhalb der Barackengemeinschaft Gruppen gebildet haben mussten, die sicherlich aus Sprachübereinkunften zustande kamen. Es gab also verschiedene Zentren, auf die man sich bei den nächsten GPS-Erkundungen beziehen kann. Beim Gehen wechselten wir uns ab und tauschten danach darüber aus, was wir bei den Gedenkgängen fühlten. Im Atelier gab es noch etwas Transparentpapierarbeit. Außerdem zeichneten wir die blühenden Mirabellenbäume am Bahndamm.

Vinzenz mailte, dass es bei „Little Sun“ von Olafur Eliasson mitarbeitet und fragte mich, ob ich schon beim großen Mond mitgezeichnet hätte.

Ragna hat begonnen, mit den Daten vom Stadtarchiv eine Karte der Geburtsorte der Zwangsarbeiter herzustellen. Dabei trat die Schwierigkeit zutage, dass die Beamten die Schreibweise der Ortsnamen nach Gutdünken eintrugen, die mit den heutigen Namen nicht übereinstimmen. Auf diese Weise geht ein Drittel der Informationen verloren. Dennoch ergibt sich ein deutliches Bild, aus welchen Regionen die Menschen stammten, weil die Ländernamen klar sind.

Wisdom of No Escape

Tony Rizzi ist ein langjähriger Tänzer und Assistent von Bill Forsythe. In der Company tanzte er sehr besonders und sichtbar. Von ihm sahen wir gestern eine eigene Arbeit mit noch acht anderen Tänzern. Das Stück heißt „Wisdom of No Escape (keine Angst, es gibt Untertitel)“. Der erste Teil von etwa einer halben Stunde war in einer Stummfilmästhetik choreographiert, wobei die Figuren sehr schwarz-weiß geschminkt und kostümiert waren. Sie bewegten sich wie in einem alten wackeligen Film, der keine flüssigen Bewegungen zeigt. Weil die tänzerische Herausforderung für eine solche Szenerie ziemlich groß ist, hätte es größerer technischer Brillanz bedurft. In dieser Weise aber nutzte sich das Mittel schnell ab. So saßen wir in der Pause bei einem Wein und beschlossen, trotzdem noch den zweiten Teil zu sehen. Das war auch gut so, denn es wurde besser. Nun fand das Spiel hinter dem Bühnenabschluss in einem anderen Raum statt, in dem lauter Kartons als Sitzgelegenheiten standen, die man sich nehmen und platzieren konnte. Dadurch fand das Spiel um uns herum statt. Solche Zuschauerbedingungen gefallen mir meistens ziemlich gut, weil ich dadurch selbst aktiv werden, die Perspektiven wechseln und mich im Raum bewegen kann. Am liebsten verziehe ich mich dann in einen Winkel, in dem ich es mir gemütlich mache und von wo aus ich die ganze Szenerie im Auge habe. Dann aber begebe ich mich auch mitten ins Geschehen, werde von den Akteuren angefasst und im Zweifel auch woanders hingeschickt. Die ganze Arbeit von Rizzi benötigt mehr Dramaturgie, damit eine Spannungskurve erzeugt wird, die etwas gefehlt hat.

Vorher gingen wir mit vielen anderen Frankfurtern am Main spazieren, genossen die Sonne und die Frühlingstemperaturen. Etwas pflastermüde fuhren wir noch ein paar Stationen zur Vorstellung in Mousonturm.

Surf Adorno

Im Atelier, d.h. in der Sonne davor schnitt ich trockene Pflanzenteile auf die Materiallänge der Schattenboxen von 39 Zentimetern. Währenddessen versammelten sich türkische Frauen zum gemeinsamen Kochen in der Probebühne der anatolischen Freunde. Das ist mit viel Sprachlärm verbunden, der zu nicht unbedeutendem Teil von den Telefonaten ausgeht, die überall allenthalben unüberhörbar geführt werden müssen.

Im Bockenheimer Depot sahen wir am Abend „Je t`Adorno“ von René Pollesch. Man kann sehen, wie er in Würde altert, während seine Stücke um vieles jünger erscheinen. Es spielt da eine Straßenbahn mit, die „Desire“ heißt. Sie ist liebevoll, aus unbehandeltem Holz, einem Modell vom Anfang des vorigen Jahrhunderts nachempfunden. Mit ihr fahren die Darsteller durch eine sehr hoch aufgeschichtete Mauer aus großen weißen Kartons, deren Ruine danach immer noch genügend Projektionsfläche für ein reichhaltiges Videoprogramm hergibt. Was befindet sich nun in dieser Straßenbahn mit ihrer Aufschrift? Sind in den Dosen, auf denen „Erbsen“ steht, Erbsen drin? Was ist in mir, in meinem Inneren, wonach ich dauernd suchen soll? Ist nicht eigentlich alles außerhalb von mir? In dieser Weise mäandert der Text vergnüglich vor uns hin, gibt genug Anlässe um zu versuchen mitzudenken, bis man von den Worten ziemlich besoffen ist. Die assoziativen Texte bilden oft das Denken ab, reproduzieren seine Prozesse.

Noch während der Premierenfeier machte ich mich auf in den „Dreikönigskeller“, wo Gerd mit einer Surfband in die Nacht führte. Diese war sehr freundlich und irgendetwas hatten Stück und Konzert gemeinsam. Es war das unangestrengt Selbstverständliche, mit der witzigen Attitüde, die sich nur jene leisten können, in denen das drin steckt, was drauf steht. Es ist Reife. Ich wurde in den Teil meines elften Lebensjahres zurückgeworfen, auf dem „Paradies“ stand.

Archiv

Im Karmeliterkloster ist das analoge und digitale Gedächtnis der Stadt untergebracht. In diesem Stadtarchiv forschten Helga und ich wieder in Sachen Zwangsarbeiter auf der Ackermannwiese unter der Naziherrschaft. Zunächst trafen wir uns mit einer Archivarin, die uns Suchmasken einer internen Archivstruktur zeigte. Es wurde mir schnell klar, dass in den Zwangsarbeiterakten ein großes Potential steckt, das man auch künstlerisch nutzen kann. Neben den Namen sind Geburts- und Aufenthaltsorte, Berufe und weitere Angaben erfasst. Einblick in diese Datei bekommt man aber nur, wenn man ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Das gilt beispielsweise für wissenschaftliches Arbeiten. Als nächstes sichteten wir Pläne für den Bau von Zwangsarbeiterlagern im Gebiet auf der Ackermannwiese und ihrer westlichen Nachbarschaft. Diese Grundrisse und Ablaufzeichnungen von Wach-, Schlaf-, Küchen- und Entlausungsbaracken erscheinen im Duktus des akkuraten und attraktiven zeichnerischen Handwerks. Mit schönen Jugendstilversalien wurden hier Überschriften wie „Arbeitslager Gallus“ gestaltet. Alles in allen macht das „Russenlager“ den Eindruck eines Konzentrationslagers. Meine Erwartung, einen haptischen Eindruck zu bekommen, ist ganz und gar erfüllt worden. Wir sichteten noch Fotos und am Nachmittag erfuhr ich von Helga, dass wir auf die fünfhundert Einträge, die Zwangsarbeit auf Teves betreffen, zugreifen dürfen. Ein großer Erfolg und viel Material, mit dem wir beispielsweise Migrationsgeografie künstlerisch gestalten können. Dadurch erhält das künstlerische Koordinatensystem neues Material.

Mit den Hindemithkindern am Hang: Sammlungen und Gestaltungen, Paolo hat ein Filmchen gedreht, das ich gerne hätte. Die Gruppe ist sehr stabil und kreativ.

Pflanzenteile | Schriftzeichen

So, wie vorgestern im Wald, sammelte ich gestern Pflanzenmaterial für die Schattenboxen auf Teves. Stengel von vorjährigem getrocknetem Goldregen, schnitt ich auf neununddreißig Zentimeter Länge und füllte damit einen schwarzen Baueimer. All das tat ich draußen am Tisch in der Frühlingssonne.

Schon vor ein paar Tagen arbeitete ich mit Schriftzeichen, die chinesisch anmuteten und die Vinzenz gezeichnet hatte. Heute schickte er mir die Fotos von großen dreitausend Jahre alten Knochen, in die diese Zeichen eingeritzt wurden. Ich will sehen, ob ich damit weiter arbeiten kann. Sie erinnern mich an die gravierten Pilgerzeichen, die auf dem Friedhof in Noia, in Nordwestspanien zu sehen waren. Vielleicht ist das eine Möglichkeit, mich mit dem Aufenthalt von Vinzenz in Beijing auf meine Art zu beschäftigen und in meiner Weise den Dingen auf den Grund zu gehen.

Heute bin ich mit Helga im Stadtarchiv verabredet. Wir wollen dort Material sichten, dessen haptische Qualität etwas von Zeitzeugenschaft hat. Das ist wichtig für meinen künstlerischen Zugriff auf Geschichte.

Am Nachmittag fahre ich mit den Hindemithkindern in den Wald, in das Materiallager für unsere Produktion.

Auf einer Zusammenkunft, in der es um die Zukunft des Tevesgeländes ging, konnte man von unseren anatolischen Freunden hören, dass sie eine Solar – GmbH gründen wollen, durch die sie das Tevesgelände mit Strom versorgen wollen. Solarstrom wird von der Stadt gefördert.

Milch im Himmel

Aus Vinzenz Blog grüßt Ai`s Katze mit einem deutlichen Gähnen aus dem Atelier. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung steht etwas über das Gastarbeiterdenkmal auf dem Bahnhofsvorplatz. Der Himmel bleibt blassblau, als hätte man Milch in die große Schüssel geschüttet.

Vormittags scannte ich den letzten Zustand von Rolle 6 und fügte die Einzelteile zu einem digitalisierten Streifen zusammen, der nun nur eine Voraussetzung für eine Weiterentwicklung des Materials bildet.

Immerhin geht es in einem ganzen Kapitel der Teves-Chronik von 1936 um die Uniformierten der Firma. Unser zentrales Gebäude spielte im sozialen Bereich eine wichtige Rolle: Kantine, Aufenthaltsraum und Kulturraum mit Hakenkreuzfahnen. In der Benennung der historischen Gebäude, ihrer oft zweifelhaften Geschichte stabilisiert sich der heutige Standort.

Deutliche Spuren eines Downhillers auf fast dem gesamten unteren Drittel meines Weges. Reflexartig habe ich versucht, die Spuren zu beseitigen. Ernsthaft muss ich mir einen Umgang damit überlegen. Aber von dem langsam gewachsenen Waldboden bin ich so eingenommen, dass mich die Zerstörung der Nadelschicht, des Mooses und der schwarzen, feuchten Erde natürlich stört. Aber auch die Spuren der großen Hirschleiber, ihrer Ruheplätze auf dem Weg finden sich. Gestern habe ich Material für die Kinder gesammelt, will aber mit ihnen morgen noch mal hochfahren.

Im Frankfurt Lab gestern eine Performance mit Forced Entertainment. Mit improvisierten Requisiten des Barocktheaters erzählten sie choreografisch Geschichten vom Wald, Krieg, Himmel und vom Meer.

Fehler

Endlich ist es mir gelungen, daran zu denken, Rolle 6 mit aus dem Atelier nach Hause zu nehmen, um hier die Trümmersequenz zu scannen. Am Abend aber zeichnete ich sie fertig und ließ ihr noch ein Stück folgen, auf dem ich nur die hell verbliebenen kleinen Flächen umriss. Somit wird nun schon der Teil weiter hinten mit eingebunden, den ich zeichnen musste um die fälschlich kopfstehend gezeichnete Umrisszeichnung der Trümmerlandschaft wieder umzudrehen. Der Fehler hatte eine noch konsequentere Verdichtung des Materials zur Folge, weil sich beide Varianten überlagerten. Das erreichte Zwischenergebnis kann ich nun zu den Akten legen. Die Trümmersequenz ist aber ein wichtiger Schritt für einen mehrschichtigen Blick auf die Geschichtslandschaft.

Dazu kam gestern noch eine Datei zu einer Firmenchronik von Teves aus dem Jahr 1936. Manche architektonischen Details kann ich einordnen, viele nicht, weil es sich um Detailaufnahmen von Baustrukturen handelt, die vielleicht bald darauf zerstört worden sind. Eine Recherche in den Kellern, die nicht saniert worden sind, würde sich vielleicht lohnen und ein paar persönliche Kritzeleien hervorbringen, die etwas mehr Licht in die Befindlichkeiten des Einzelnen zu diesen glatt polierten Berichten hinzufügen könnten.

Die Blogs von Vinzenz führen mich in seine Entdeckungsreisen. Essstände, Straßenszenen, Schriftzeichen und Bildbezüge zur Heimat. Ich habe einige Zeichen in eine der täglichen Zeichnungen eingefügt.

Vor meinem Atelier in den zusammengefegten Laubhaufen keimen Ahornsamen. Alles, was auf dem Beton zu wurzeln versucht ist mir schützenswert. Die sonnigen Tage sind ein frühes Wärmegeschenk.

Sütterlin

Sütterlinschrift auf den Aktenauszügen der Sterbelisten der Friedhofsverwaltung:

Louis Moyson   Arbeiter

Lager Ackermann

Weiteres Bildmaterial ist auf die Arbeitsbedingungen bei Teves bezogen. Stolz wird die Betriebsküche in den Dreißigerjahren gezeigt, auf unserem Gelände. Ich hätte Lust, die Keller zu fotografieren, sie zu einem Ausstellungsort zu machen. Das vorhandene Bildmaterial hat Helga, ich kann es dort mit einem Datenträger abholen.

Vinzenz macht ein Projekt, bei dem er sich durch die Augen anderer Menschen anschauen will. Dazu sollten wir zwei Sätze schreiben, die uns zu ihm einfallen. Ich schrieb:

„Der erste Schlag auf dem Marmorblock in meinem Atelier kam von Dir. Ich habe mich nicht getraut.“

Am Nachmittag arbeitete ich lange und intensiv an der Trümmersequenz. Die Intensivierung kann sich zur Obsession steigern. Ich bleibe gerne bei den Verdichtungen. Draußen verstricken sich rötliche Blattriebe mit dem kahlen grauen Geflecht der Ahornzweige. Schon sitzen Mücken an den Außenseiten der Scheiben. Ein Insektensommer kommt…

Ein Herr Zimmermann aus Coswig schrieb mir, dass er sich um ein Wandbild von mir kümmerte, das er damals bei mir in Auftrag gegeben hat. Es sind acht Tafeln jeweils 1,5 x 1,5 Meter.

Ragna kommt zu einem einwöchigen Praktikum in mein Atelier. Ich zeige ihr die Verbindungen von Hangang, Gedenken, DAM, Studio Eliasson, moonmoonmoon, Aiww, Vinzenz, Zimmi, Rolle 6 und Bach.

Lärm

Eine Porträtausstellung aus Beständen der Städelsammlung. Mir begegnete Philip Glass in einer Radierung von Chuck Close wieder. Und als ich mir das Selbstporträt von Goya im Profil mit Zylinder anschaute, hallten Fragmente des Karnevalslärms vom gegenüberliegenden Mainufer durch die dicken Städelmauern. Weiter oben bei den Alten Meistern vor Vermeers Geografen war’s dann still. Wir nutzten die Zeit zwischen den Blockbustern, um in Ruhe schauen zu können und ohne in langen Schlangen warten zu müssen.

Am Vormittag rekapitulierte ich die Woche mit Vinzenz, Helga und den Kindern. Auch das Workshopgespräch beschäftigte mich noch einmal.

Abends ein Dokumentarfilm über die Arbeit oder das Leben von Ai Weiwei. Seine Dokumentation der fünftausend Namen aller Schüler, die während eines Erdbebens in schlecht gebauten chinesischen Schulen umgekommen sind, erinnerte mich an meine Arbeit in der DDR. Dort ging es um Erkrankungen rund um Industriestandorte und um in Industrieabgasen abgestorbene Wälder im Erzgebirge. Auch das war dem Staat ein Dorn im Auge und er ordnete so etwas unter feindlicher Propaganda ein.

Bilder der Blogs von Vinzenz: Menschen in gleichen Schlafanzügen in einem Supermarkt, Ai`s Katze am Fenster, deutscher Stempel zu Erfolgen bei der Erfüllung des Fünfjahresplanes von 1952 bis 1957, Selbstporträt mit Atemmaske auf einer trostlosen Straße.

Es ist, als färbten sich die Ringeltauben vor meinem Fenster in den grauen Bäumen im gefilterten Morgenlicht rot. Sie sitzen auf den Zweigen und betrachten die Bewegungen meiner weißen Blätter argwöhnisch, stets bereit zu erschrockenem Aufflattern.

Koordinatensystem

Sonntag. Treffen gestern mit Helga im Cafè gegenüber. Am Vormittag hatte ich ihr eine Dokumentation der künstlerischen Überlegungen geschickt. Sie berichtete von zahlreichen Gesprächen und Mailkontakten, in deren Ergebnis sich weitere Hinweise ergaben, in welcher Weise weiter recherchiert werden kann. Aus Justizakten beispielsweise geht hervor, dass eine Bewohnerin des Lagers zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. So ist das Lager also nicht nur als Luftbildaufnahme zu erkennen, sondern war auch „aktenkundlich“ bewohnt. Es wird uns im Verlauf der Arbeit klar, dass das Lager kein isoliertes Phänomen darstellt, sondern Teil eines für uns besonderen geschichtlichen Raumes ist. In Ihm verbinden sich verschiedene Ereignisse zu einem Beziehungsgeflecht. Auch unser gegenwärtiger Standort spielt als Perspektivpunkt, aus dem der Raum betrachtet wird eine Rolle. Nun geht mir die Möglichkeit durch den Kopf, sich, um die verschiedenen Fakten aufeinander beziehen zu können und vielleicht neue Konstellationen zu entdecken, ein Koordinatensystem zu bauen, in dem alles auf einen Blick sichtbar wird. Zunächst wäre eine zweidimensionale Einteilung der geografischen Fläche möglich zu der dann ein zeitlicher Parameter hinzukäme. In diesem Raum können neue Inspirationen über Sichtachsen entstehen, die heute ein Erleben der Vergangenheit möglich machen. Ich muss das mal zeichnen, um mir vorstellen zu können, wie ich die geografische Fläche in die Zeit strecken kann.

Um das Projekt „Schattenboxen“ zu bereichern, möchte ich Filzpappenflächen als Material für Boden, Plafond und Wände mit hinzunehmen. Sie können den Versatzstücken, die in die Boxen geschoben werden, Halt verschaffen. So kommen nun reichhaltigere Möglichkeiten hinzu.

Eliasson | Schattenboxen | Ai

Heller Märzmorgen – Dämmerung schon gegen Sechs – immer schneller heller.

Vormittags kam ich mit der Dokumentation der Arbeit zum Zwangsarbeitergedenken zu einem vorläufigen Ende. Nachher treffe ich mich mit Helga, um der Stand zu besprechen und zu schauen, wie wir weitermachen wollen.

In engem Kontakt mit Vinz schreibt er aus Beijing, bestätigt die Affinität Eliassons zur Architektur, hat noch etwas Zeit, um sich bei Ai Ww zurechtzufinden.

Den Hindemithkindern erzählte ich die Geschichte von Vinzenz und kam so zum Mies van der Rohe Preis für Eliasson und zur Kunstauffassung von Ai. Mit einer vehementen Ansprache versuchte ich ihnen ein Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln, das mit der Möglichkeit zusammenhängt, im Architekturmuseum ausstellen zu können. Wir haben uns vorgenommen, mit engem Bezug zur Gegenwart zu arbeiten. Dabei sollte Kinderkunstkrempel vermieden werden.

In dieser Weise angefeuert begannen sie ihre Boxen immer neu zu bestücken und das jeweils zu fotografieren. So können wir beispielsweise mit Animationen arbeiten. Das Wichtigste sind die Werke, die entstehen. Die Boxen sind unwichtig, engen uns ein, aber strukturieren auch. Eine weitere Beschränkung will ich mit der Materialauswahl einführen: weiße Farbe, Gips, Schellack Transparentpapier, Tusche und Waldmaterialien. Das soll eine gewisse Einheitlichkeit im Zusammenklang einer Ausstellung fördern.

Sprache | Malerei

Ein langes Gespräch im Atelier gestern Abend. Es ging um Verständigungsmöglichkeiten und ihre Grenzen durch Sprache. Davon ausgehend erschien uns die Malerei für viele Dinge, die man nicht leicht sagen kann, das geeignete Medium. Diesem Aspekt sollten wir später weiter folgen, um ihn gründlicher hinterfragen zu können.

Auf den Boden des Ateliers legte ich eine von einigen etwa fünf Meter hohen Zeichnungen aus den Neunzigerjahren, die ich damals zum Projekt „Lebensabend“ am Schauspiel Stuttgart gemacht hatte, um die Arbeitsweise auf dem Boden zu zeigen. Die Gesamtzeichnung auf Packpapier und Nessel war damals fünfzehn Meter lang und stützte sich auf über hundert Probenzeichnungen.

Vinz schreibt aus Beijing auf meine Anfrage ob er noch wie sein Onkel zeichnet, dass er das mit der Katze von Ai WW getan hat. Arbeiten unter Beobachtung – ein neuer Erfahrungsschatz tut sich nun bei ihm auf.

Im Architekturmuseum las ich gestern, als ich die „Schattenboxen“ abgeholt habe, dass das Studio Eliasson für den Bau eines Konzerthauses in Reykjavik den europäischen Mies van der Rohe Preis bekommen hat.

Vormittags begann ich mit der Dokumentation der Arbeit am Zwangsarbeitergedenken, indem ich die entsprechenden Texte aus dem Arbeitstagebuch zusammenstellte. Jetzt kommen noch die Abbildungen der dazugehörigen täglichen Collagen hinzu.

Im Atelier arbeitete ich auf Rolle 6 an der Trümmersequenz weiter.

Claire | Moon

Eine Zeichnung auf Transparentpapier im Atelier. Zunächst nahm ich einen harten Bleistift und zeichnete vorbearbeitete Fensterlöcher aus Ruinen an der Ackermannwiese durch. Die wiederholte ich dann durch Übereinanderrollen und walzte danach noch eine Schelllackspur mit Tuschekonturen darüber.

Der moonmoonmoon schickt Rückmeldungen über falsche Passwörter, weswegen ich auf ihm noch nicht unterwegs sein kann, um meine Spuren dort zu hinterlassen. Aber Clair schrieb mir jetzt, dass sie alles heil machen will.

Mailen mit Vinzenz auf dem Londoner Flughafen. Er steigert sein Tempo. Die Gesten erinnern mich an meine Jugend. Ich kann seine „Postbilder“ somit verstehen und bekomme komischerweise dadurch ein sichereres Gefühl. Ich kann zuschauen, wie die Entwicklung eines Teils von mir verlaufen wäre, kann in die Bilder von Vinzenz schlüpfen und mitreisen. Kaltes Licht über dem fremden Gebirgelabyrinth unter dem Flugzeugfenster bescheint das Gesicht. Vor einer Dreiviertelstunde aufgenommen, mit Respekt vor der nahen Zukunft.

Das Transparentpapier, das ich gestern benutzt habe ist nicht so durchlässig, wie das andere, ist weicher und weißer. Es schafft neue Kontraste. Bin gespannt auf neues Material von Helga, hole am Nachmittag den ersten Schwung Boxen aus dem Architekturmuseum ab.

Die Menschen laufen in die Stadt, das Cafe hat geöffnet, die Bilder sind gleichzeitig im Fluss und gleich bleibend. Aber es ist etwas anderes darum herum…

Milde | Mond | Widmung

Überraschende Milde nach der Rückkehr von der Insel. Amselfrühlingslieder in der Dämmerung zwischen den kahlen Ästen. Der Nachschub milder Luft reißt in der südwestlichen Strömung nicht ab. Der Temperaturunterschied nach der Landung ist moderat.

Es ist Mittwoch. Eigentlich sollte ich heute einen Hangang machen, bin aber noch nicht so richtig wieder zu Hause. Dass ich nach einer relativ kurzen Reise Starthemmungen habe, zeigt, dass ich mit meinen Gedanken ziemlich weit weg war. Was aber blieb, war das Sammeln, Zeichnen und Beobachten.

Immer wieder interessant sind die Flughafenszenarien, in denen so viele sehr verschiedene Menschen in Schlangen stehend, immer weiter komprimiert schließlich in der engen Transportröhre eingepfercht werden. Leicht entsteht eine explosive Stimmung. Siebzig Prozent Rentner, Nervosität und Verdichtung. Unterhaltungsprogramme, Shopping und etwas, das man Essen nennt, beschäftigt die Dösenden stundenlang. Gut, dass die Luft so schnell ausgetauscht wird.

Vor der Abreise beschäftigte ich mich mit dem Mond von Ai Weiwei und Olafur Eliasson. Vinz schickte einen Link zu einem Foto, das Eliassons Onkel, der ihm die erste Kamera schenkte, inmitten eines Gletschers machte. Eine liebevolle Widmung des Weltkünstlers an einen Förderer.

Vinzenz lässt mich an seinen Gedanken teilhaben. Ich hatte mir das gewünscht

Die Meister

Kopfüber wieselt ein Eichhorn durch das Geäst der Ginkobäume neben dem Cafe, rennt auf einem Zaun entlang und scheucht dabei eine Amsel auf. Immer in schneller Bewegung ist es kaum vorstellbar, es bedächtig oder gemächlich zu erleben.

Wir haben uns Martin Scorseses Film „No Direction Home“ über Bob Dylan angesehen. Er ergänzt die Autobiografie „Cronicles“, und zeigt einen auskunftsfreudigen, aufgeräumten und gut gelaunten Meister, der die Beweggründe seiner Arbeit auf den Punkt bringt, sie scharf umrissen und deutlich erklärt. Er meinte mit dem Schreiben von Songs anfangen zu müssen, weil er seine Geschichten in einer Weise erzählen wollte, wie sie es vorher nicht gab. Sowohl die Konzertmitschnitte, als auch die autobiografischen Erzählungen konzentrieren sich auf die wichtigen Wandlungen der Figur in den Sechzigerjahren.

Vinz erzählte gestern von seiner Chinareise und von seinem Vorhaben, dort eine Weile zu arbeiten. Ich glaube, dass er unter den anderen gesellschaftlichen Bedingungen viel lernen kann. Außerdem hat er dort einen wichtigen Meister, mit dem er Erfahrungen machen kann, die ihm hier verschlossen blieben. Im April wird es eine Ausstellung im Gropiusbau geben, während der ich Vinzenz vielleicht treffen kann. Eliasson hat sich in der Zeit, in der er mit Vinzenz befasst war, sehr um ihn gekümmert. Dafür muss man ihm dankbar sein, denn selbstverständlich ist das bei den Kunstprofessoren nicht.

Ich möchte nun einiges über den neuen Meister erfahren und mit Vinzenz intensiver sprechen als in den vergangenen Monaten.

Tarnkappe Arbeit

Als würde die Trümmersequenz mit dem Waldboden im Wasser versinken, im ersten Aquarell des Morgens.

Der Wind bläst die eintönig grauen Wollen auseinander. Das schafft Licht für die dunklen einparkenden Limousinen, deren Fahrer sich, für alle sichtbar, im Cafe treffen. Die Luft fährt geräuschvoll durch die Baumkronen, ein Dröhnen im sich wiegenden Holz. Schnelle Radfahrer machen die Gehwege unsicher, genießen die von ihnen gesäte Angst der alten Leute mit ihren Wägelchen, an denen sie sich gehend festhalten.

Der Nachtschlaf nimmt die Müdigkeit nicht ganz weg. Unsere Gäste saßen gestern sieben Stunden nett plaudernd am Tisch. Trägheit sitzt hinter meinen Augen, fixiert die Horizontalen im Raum.

Die ständige Arbeit ist wie eine Tarnkappe. Das bin nicht ich. Die Baumkronen tanzen dazu und werden das immer weiter tun – auch ohne mich.

Die Inspiration der Musik – Arun brachte mir etwas auf der Gitarre bei, das ich auch glaube zeichnen zu können. Gitta brachte gestern auch eine schöne Minimalmusik fürs Atelier mit. Musik kommt immer von Außen.

Fast ein halbes Jahr sind die Bäume ohne Blätter. Ich erinnere mich an die üppigen Wälder im kambodschanischen Monsun, an den flatternden Regenmantel unseres Tuktukfahrers. Ich erinnere mich, weil mir nichts anderes einfällt, bin heute aufgebraucht und leer.

Dejavu im Dejavu

Lothar Kittstein war vom Schauspiel Frankfurt beauftragt worden, ein Stück zu schreiben, das gestern unter dem Titel „Der weiße Wolf“ uraufgeführt wurde. Zwei Männer und eine Frau aus der Neonaziszene bilden ein Trio, in dem jeder etwa dieselben Spielanteile hat. Die Gruppe ist der bekannten NSU nachempfunden, die zehn Menschen aus rassistischen Gründen umgebracht hat. Man war in den Kammerspielen nahe dran, hätte sich in die emotionalen Verstrickungen der Figuren hineinversetzen können, wäre da nicht eine Inszenierung auf die Bühne gekommen, die das eher verhinderte. Dabei wäre die Gefährlichkeit der handelnden Personen nur dadurch zu steigern gewesen, indem man durch die Identifizierung mit ihnen, das eigene rassistische Potential erkennen könnte. Entsprechend wäre ein Denkprozess möglich geworden der über ein Erschrecken über sich selbst eingeführt würde. Aber leider wurde zu viel und gleichmäßig gebrüllt, dass einem das Trio von Anfang an fremd blieb.

Ich meine gar nicht, dass es dabei sozusagen um ein Lehrstück gehen sollte. Eher könnten Schichten des Unbewussten erweckt werden, die aus einem kollektiven Kriegstrauma der Deutschen auf die folgenden Generationen übertragen wurden. Vielleicht ist das Phänomen des Neonazismus ein Teil von versprengten Handlungsformen, die aus dem Stammhirn erwachsen. Der Osten wird als mythischer Raum angesprochen wobei man meint die Geschichten der Kriegsgenerationen auferstehen zu sehen in einem neu geschneiderten Kleid. Dejavu im Dejavu – das hatte ich doch kürzlich schon mal…

Lichtschwebe

Die Mittelsäule des Ateliers ist nun fast frei geräumt. Nur noch für eine Rolle Bodenbelag, eine Tischplatte und ein leeres Regal habe ich andere Plätze an der Peripherie des Raumes zu finden, die die Bewegungsfreiheit nicht einengen. Auch die verlängerte Front des Regals lässt das Atelier viel größer erscheinen, dass sich großzügiger arbeiten und denken lässt. Die zehnjährig gewachsene Ordnung ist stark verändert.

Am Nachmittag fuhr ich zum Hanggang in den Taunus. Weil das Außenthermometer im Auto bis zu zwölf Grad anzeigte, ging ich davon aus, dass der Schnee zu großen Teilen geschmolzen ist. Im unteren Bereich hielten sich die Reste und der freiliegende Waldboden etwa die Waage. Das Gewicht verschob sich mit gewinnender Höhe zugunsten des Schnees. Zu allen Jahreszeiten gibt es Unterschiede innerhalb der hundert Höhenmeter, die von verschiedenen klimatischen Bedingungen beeinflusst sind.

Zu den schütteren Schneesituationen im unteren Drittel gesellte sich ein Licht, das den lockeren Wolken und einem nicht mehr so niedrigen Sonnenstand geschuldet war. Es tauchte den gefleckten Boden in eine Art Schwebe. Vielleicht ist dieser Zustand auch durch die emotionale Wirkung des Lichtes zustande gekommen, das zwischenzeitlich einen überirdischen Ton zwischen Apricot und Altrosa annahm. Alle Farben der Umgebung wurden dadurch um eine Oktave angehoben. Die Geflechte und Wegzeichen aber waren ganz frei von Schnee und dunkel vom Wasser. So verschmolzen sie mit dem freigetauten Untergrund, hoben sich aber vom Schnee scharf ab, sodass die Kamera die Kontraste manchmal als Fehler registrierte.

Mentale Räume

Männerstimmen bewegen sich unter meinem Fenster nach Osten. Krishnababy zeigt auf einen Kontoauszug. Fossile Energiefahrzeuge rollen in verschiedene Richtungen. Es ist sechs Uhr am Morgen. Die Stimmungen der Träume wirken noch nach, obwohl ihre Storys längst verblasst sind. Stimmungen sind haltbarer als Geschichten.

Als ich die Kaffeemaschine noch vor der Schreibtischarbeit einschaltete, dachte ich an die neuen Erfahrungen, die mein Neffe nun in China machen wird. Die Haltungen des Dissidententums, die Überwachung durch den Staat und ihr Einfluss auf die künstlerische Arbeit werden für ihn sichtbar. Vielleicht kann er dann meine Haltungen aus der Zeit in Ostdeutschland besser nachvollziehen. Jedenfalls wird ihm Ai Wei Wei ein Lehrer von Neuem sein, das in dieser Weise in Europa nicht zu erfahren ist.

Stoisch bleibe ich auf Rolle 6 und verdichte dort die Trümmersequenz, mit der ich mich dem Zentrum des Interesses nähere. Ich versuche mit der Verdichtung einer Stimmung nahe zu kommen, die an der Peripherie des Lagers herrschte, wo sich die mentalen Zustände der verschiedenen Individuen, vor und hinter dem Zaun, überlagerten.

Gestern hat mich das scheußliche Wetter von meinem Hangang abgehalten, den ich heute nachholen werde. Der Schnee wird zu Teilen getaut sein – wieder andere Bilder.

Im Atelier will ich am Vormittag die Mittelsäule frei räumen, einiges auf unseren „Balkenboden“ bringen und somit eine neue Raumsituation einleiten. Dazu kommen die noch frei liegenden neuen Regalfächer, die das Material der Zukunft aufnehmen werden können.

Flussbiegungen

Noch weit vor der Dämmerung bellen die Hunde unten auf der Allee. Es ist, als würde man darüber die tief hängenden Wolken ziehen hören. Ein Stern, die Mondsichel und Frühlingsluft gestern Abend.

Wir sahen im Kino einen alten Schauspieler, der sein Boot im weiten Pazifik nicht retten sollte, ebenso wenig, wie sich selbst, allein und ohne Worte.

Nach ein paar Tagen Aufräumen im Atelier, wird es langsam etwas geräumiger um die Füße – auch um den Kopf. Immer wieder finde ich alte verstaubte Zeichnungen mit Landumrissen, Felsgravuren und Wanderungslinien. Manchmal verdichten sie sich beidseitig auf dem Transparentpapier zu Überlagerungssequenzen von innerer Kraft, wie ich finde.

Eine vorübergehende Farbwendung des Morgens endete nun doch wieder im allgemeinen Grau dieses Winters, der bisher kein richtiger war. Gestern stand ich, als es am frühen Abend aufklarte auf einer der Frankfurter Brücken und sah in die Spiegelung der untergehenden Sonne. Eine Flussbiegung macht diesen Blick auch vom nördlichen Ufer an einigen Stellen möglich. In Varanasi erhob sich dadurch eine zwei Jahrtausende alte, verdichtete religiöse Schicht an den Ghats. Schwemmsand der Monsunüberflutungen, Asche der verbrannten Hindus, Flitter der geschmückten Leichen und Kolibakterien.

Gespräch im Architekturmuseum über das weitere Projektverfahren des „Schattenboxens“. Die Verbindungen zu den weiteren Arbeitsthemen ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit meinen Teilnehmern, aus den Gesprächen über meine Arbeit und den Anknüpfungspunkten im Leben der jungen Mitstreiter.

Empfindungsmaterie

In früher Stunde am Schreibtisch registriert das Hirn zunächst nur die Anwesenheit des Körpers durch die Existenz von Schmerz. Schmerz definiert den spürbaren Raum. Das kann etwa eine wiederkehrende Verspannung oder etwas Druck sein, der von Außen zugefügt wird. Je spitzer der äußere Gegenstand, desto dichter das Raumempfinden. Ein Punkt konzentrierter Empfindungsmaterie.

Die Neuordnung der Regalinhalte habe ich etwas unterschätzt und will mich damit nicht beeilen, denn es kommt mir so viel Material zwischen die Finger, das ich schon längst vergessen hatte. So hob ich Hibiskusblüten auf, um deren Blätter irgendwann in Schelllack zwischen Transparentpapier zu legen. Ich könnte mir vorstellen, sie mit gerasterten Vergrößerungen der Porträts von Zwangsarbeitern zu kombinieren. Sie wurden bei Ihrer „Einstellung“ fotografiert. Trockene Hibiskusblüten sind wie verblasstes Blut. Außerdem erinnern sie mich an ein feines Damasttaschentuch, das ich während meiner Militärzeit bei meinen Sachen hatte. Ich holte es manchmal aus meinem Spind, um mich der Existenz der anderen Welt zu versichern, die sich jenseits des Geruchs nach Waffenöl, Bohnerwachs, Leder und Schweiß befand. Ich litt unter der Grobheit allen Materials, des Umgangstones und unter dem Stumpfsinn in der Masse des Regiments.

Am Ende eines Gesprächs über digitale Bildbearbeitung zeigte ich Roland meine täglichen Collagen, wie sie auseinander hervorgehen und woraus sie sich ansonsten zusammenfügen.

Termine in dieser Woche noch mit Frau Budde zum „Schattenboxen“ und mit Helga. Wir haben zu klären, an welcher Stelle unserer Arbeit wir uns befinden.

Sprengung

Am Sonntagmorgen, als ich in die Straßenbahn stieg, um die Sprengung eines Hochhauses zu erleben, verschwanden die oberen Geschosse der Hochhäuser noch in den Wolken der Nacht, die sich nur zögerlich von der Dämmerung löste. Als ich mich dem Platz vor dem Messeturm langsam zu Fuß näherte, sah ich den Delinquenten zwischen den anderen Türmen noch aufragen. Ein gefleddertes Gebäude, fertig gemacht zur Hinrichtung. Ich hörte Geschichten von den unwirtlichen Verhältnissen in diesem Bau, dem kalten, zugigen Klima und den schlecht funktionierenden Aufzügen. Nie hatte das Gebäude so viel Aufmerksamkeit erfahren. In seinen letzten Minuten stand es hoch, aufrecht und einsam zwischen den vielen niedrigen Nachbarschaften. Um etwa drei Minuten verzögerte sich die Sprengung, die genau für zehn Uhr angekündigt war. Das war die Zeit der größten Anspannung. Erst als die Sprengfontänen an den Seiten heraustraten und die Struktur zu sinken begann, erreichte uns der gewaltige Donner des gezündeten Gelatinesprengstoffes. Atemberaubend war dann die Abwärtsbewegung der Materialmassen und eine Staubwolke von der halben Höhe des Gebäudes breitete sich über die nordöstlich angrenzende Stadt aus.

Erleichterung allenthalben. Wir Laien staunten über die Präzision, mit der man so viele Tonnen aufgetürmtes Material auf kleinem Raum zum Einsturz bringen kann. Die Sprengmeister lagen sich in den Armen ihrer gelben Jacken und gratulierten einander.

Am Nachmittag besuchten wir die Schutthalde, die exakt zwischen den aufgeworfenen Erdwällen der Sprengwanne gelandet war. Die offen gelegten Strukturen aus Stahlarmierungen, Beton, Leitungen aller Art erinnerte mich wieder an die Fotos von den Bombardierungen rund um die Ackermannwiese und an meine Trümmersequenz auf Rolle 6.

Sehschlitz

Meine Zurückgezogenheit zieht manches nach sich, aus dem sich ein noch stärkerer Rückzug entwickeln kann, der zu einer Konzentration führt, in der ich gerne arbeite. Die Vernachlässigung des Mobiltelefons führt zur Verlangsamung von Prozessen. Dadurch ist gründlicheres Arbeiten möglich. Das fördert meine Freiheit, aber beschränkt Flexibilität.

Anstatt gestern ins Atelier zu gehen, um die Umräumaktion voran zu bringen, ruhte ich mich aus, verlangsamte diesen Vorgang und ging ins Kino, als gäbe es nichts zutun. Dabei entwickelt sich der Stoff aus Geflechten, Trümmern, Wegen und Zeichen zu einem kompakten Block, zu einem Raum großer Dichte. Der Druck der dabei zunimmt, wird in Bildern spürbar, die immer deutlicher auftauchen. Ein Sehschlitz durch ein kompaktes Material, einen gegossenen Quader, der in einem Streifen aus 1,8 cm aus Acrylglas besteht, in das Artefakte eingegossen sind, die mit den oben genannten Dingen zutun haben.

Wenn ich mich von den Themen befreie, mit denen ich mich beschäftige, kommt mir oft eine Art abstrakt-impressionistische Malerei in den Sinn. Dass ich diese Idee nicht umsetze oder einfach probiere, liegt an den Verpflichtungen der Projekte, die gefördert werden, mich auch künstlerisch ausfüllen, aber auch anzeigen, dass es noch andere Optionen gibt. Da reift etwas heran, von dem ich noch nicht weiß, wie es aussehen wird. Ich sehe den Flug einer Elster, die ihre täglichen Stationen vor meinem Fenster absolviert und weiß, dass es etwas anderes zu bedeuten hat.

Trümmer

Krishnababy hält mit seinem für seine Kleinheit großen Gewicht, die ersten Seiten eines älteren Textes auf, der sich, nun erstmalig herausgegeben von Gernot Grube, unter dem Titel „Die Hand an der Wand“, mit den Höhlenzeichnungen von Altamira beschäftigt. Der Autor Max Raphael geht der Frage nach, ob die Kunstwerke, und als solche hat er sie als einer der ersten bezeichnet, von unserer Zeit her interpretierbar sind.

Außerdem interessiert mich der Blog des Dichters Wolfgang Herrndorf, der gedruckt unter dem Titel „Sand“ herausgegeben wurde. In beide Sachverhalte kann ich ziemlich emotional einsteigen und sie auch teilweise zu meinem Arbeitsmaterial machen. Mich interessiert aber außerdem der Zusammenhang zwischen meinen Waldgeflechten, den Barrikaden in Kiew, der Sprengung eines Hochhauses morgen in der Innenstadt, den Einzelschicksalen von Zwangsarbeitern und den ihr Lager umgebenden Ruinen. Immer bleiben Trümmer.

Das fügt sich in meinem Kopf zu einem Klang zusammen, den ich oft genug versuche, bildlich zusammen zu collagieren. Dabei ist es kaum neu und verwunderlich, dass man sich Parallelitäten besonders aufmerksam nähert, sie in seinen Erfahrungsschatz einverleibt. Schwierig wird es an der Stelle, wo sich jeweils eine starke Emotionalität einstellt. Deswegen schreibt man in der Nacht, weil dann genügend Gelegenheit ist, die durchlässigen Schichten übereinander zu legen.

Regalbau im Atelier. Maj half mir tatkräftig und überforderte mich etwas mit ihrem Tempo. Die sich über ein Jahrzehnt manifestierten Strukturen des Aufhebens, mussten nun ganz schnell beiseite geräumt werden. Das fiel mir schwer und tat mir zunächst nicht gut. Am Nachmittag aber stellte ich die Leitern auf, die wir zusammengebaut hatten und habe nun die Aussicht, Teile der Materialien neu zu ordnen. Somit ist der Wildwuchs erst einmal gezähmt.

Spiegelnd

Die architektonische Decollage, die ich auf Rolle 6 zeichnend verdichte, spiegelt sich in den Zeitungsfotos und Bildberichten des Fernsehens wieder, die Reportagen von den Barrikaden der Aufständischen in Kiew zum Inhalt haben. Die wüste Assemblage zusammengetragener Holz-, Beton- und Eisenteile, die auch aus Gummireifen, die brannten und aus Müll zusammengetragen wurde, zeigt, was man in Kiew spontan so alles zusammentragen kann. Daraus werden Unterstände, Beobachtungstürme und Schutzwälle gebaut, über denen verschiedenfarbige Fahnen schweben. Veteranen des Afghanistankrieges tragen ihre Stahlhelme und beschützen Krankenhäuser, die von marodierenden Politbanden überfallen werden. Das sind die Strukturen, die ich auf Rolle 6 meine.

Im Rückrollmodus entwickelte sich eine entscheidende Verdichtung des Linienmaterials. Das geschah schnell und unterscheidet die Partien der Kristalle und des Fließens noch deutlicher, schiebt sie aber gleichzeitig näher aneinander. Das erhöht die Spannung. Die Arbeitsschritte zum Schließen der Struktur habe ich verknappt. Deswegen entstand die Beschleunigung.

Am Abend der spannende Guss von Monikas Figur. Zunächst verlor die Form viel flüssigen Gips aus einem Leck, das wie nicht so schnell identifizieren konnten. Bei der zweiten Charge allerdings war das Loch fast geschlossen, so dass wir heute gespannt sein können, was dabei herauskommen wird.

Beim Einkauf und Laden der splittrigen Pressspanplatten für das Regal, das heute zusammengebaut werden soll, hat meine rechte Hand viele kleine Risse abbekommen. Nun beobachte ich die erstaunlich schnellen Heilungsprozesse meines Körpers, ein eigenes fließenden Thema.

Klang der Strukturen

Krishnababy zeigt heute auf die leere Buchseite, auf der bisher nur das Datum steht, als sei es schade, sie voreilig zu verbrauchen.

Am Hang liegt eine dicke Schneedecke, durch die der Weg nur zu ahnen ist. Manchmal erscheint er wie eine etwas vertiefte Rinne, ist aber letztlich fast nur durch die Zeichen an den Bäumen zu erkennen. Wenige Tierspuren, die dem Pfad manchmal folgen, erinnern an die gründliche Jagd, die vor etwa zwei Jahren veranstaltet worden ist. Die stark stilisierten Strukturen der Installationen erinnern mit ihren chaotischen diagonalen Verflechtungen an die Sequenz der decollagierten Architektur auf Rolle 6.

Im Übrigen ähneln sich die Wege meiner GPS-Wanderung auf der Ackermannwiese den Trampelpfaden der östlich benachbarten Wiese auf den Luftbildern von 1945. All diese Linien sind Schichten.

Die aktuelle Sequenz habe ich gestern nach dem Hanggang am Zeichentisch weiterentwickelt. Im „Rückrollverfahren“ verdichtete ich die mehrfach wiederholten Umrisslinien der Ruinen und Schutthalden. Dabei bemerkte ich, dass das zeichnerische Echo der sich nach drei Zentimetern einmal wiederholenden Linien das kristalline Erscheinungsbild verstärkt, während die fluiden Partien eher unbemerkt verschlungen ineinander übergehen. Der fortlaufende Rapport, der sich etwa nach zehn Zentimetern wiederholt, bindet alles in einen anderen überlagernden Rhythmus ein. Während dieser Arbeit denke ich an die Strukturen am Hang. Es ist, als entstünde ein Klang aus brechendem Holz, prasselndem Feuer und zusammenkrachenden Häusern. Aber auch ohne diese illustrativen Beschreibungen, klingen die Strukturen, wenn sie sich in immer variierenden Konstellationen übereinander schieben. Das Verhältnis dieser abstrakten Räume zueinander kann genauer auf seine Spannung untersucht werden.

Trampelpfade | Ruinensequenz

Im Stadtarchiv, das im Karmeliterkloster untergebracht ist, sah ich gestern Vormittag die Ausstellung „Heimatfront“. In ihr geht es um die Geschichte des Luftkrieges im Bezug auf Bombardierungen, und wie Frankfurt von ihnen erfasst wurde. Es ist eine Ausstellung über die Peripherie, von der aus ich mich an das Zwangsarbeiterthema langsam herantaste. Die Grenze des Lagers war keine geschlossene Wand, sondern ein Zaun, durch den man hindurchschauen konnte. Durch die Luftbilder wird die Benutzung des Raumes über Trampelpfade sichtbar. Dabei ist zu erkennen, dass der Zaun nicht gemieden worden ist. Die benachbarte Wiese wird von den östlichen Außenecken des Lagers diagonal überquert. Es bleibt beim kürzesten Weg. Allerdings gibt es Unterschiede in den Aufnahmen vom Frühjahr 1944 und 1945, die zeigen, dass die Wege nach der Zerstörung des Lagers ausgeprägter sind, was allerdings auch an der Aufnahmequalität oder an der unterschiedlichen Witterung liegen kann. Vom südlichen Zaun aus gibt es eine direkte Sichtverbindung zum Tevesgelände über die Tevesstraße, über die die Zwangsarbeiter wahrscheinlich zur Arbeit ausgerückt sind. Sie trugen den Aufnäher „OST“, blaue Blockbuchstaben auf weißem Grund, der sie als russische Zwangsarbeiter auswies.

Die Arbeit an der Ruinensequenz auf Rolle 6, an den Linien der decollagierten Architektur, deren Fragmente zunächst modifizierend wiederholt werden, um den Gegensatz zwischen fließenden und kristallinen Formen zu verstärken, habe ich am Nachmittag im Atelier fortgesetzt. Aber als Nächstes werde ich in einer rückrollenden Bewegung des Transparentpapiers die Verdichtung dieses Materials vorantreiben.

Am Abend Schreinerarbeit auf der Hobelbank an den Holmen des zu bauenden Regals. Nun noch die Sprossen.

Von der Peripherie aus

Auf Rolle 6 geht es nun innerhalb der Sequenz, die sich mit der Fragmentierung der Architektur an der Ackermannwiese durch alliierte Bombardements in den Jahren 1943 und 1944 beschäftigt, drunter und drüber. Das Chaos der Trümmerdiagonalen zwischen den noch aufrecht stehenden Mauerresten hat mich beim Zeichnen erfasst. Auch wenn ich die streng geordnete Musik von Steve Reich meiner streng geordneten Art auf den Rollen zu zeichnen zugeselle, kommt es zu chaotischen Situationen. Schon, dass ich begann das Motiv kopfstehend zu zeichnen rückt mich näher an die Geschehnisse heran. Ich gehe von der Peripherie aus und nähere mich nur langsam dem Kern, von dem ich nicht genau weiß, wo er sich befindet. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, die Ruinen zu einem intensiven Geflecht zu verdichten. In den nächsten Tagen möchte ich dabei Steve Reichs „Different Trains“ hören. Reichsbahn, Menschentransporte, Schienenschläge, Sirenen und Stimmen.

Der Hinweis auf Luftbilder des Kampfmittelräumdienstes hat zu einem entscheidenden Fortschritt geführt. Helga hat recherchiert und herausgefunden, dass auf unserem Gelände 1944 tatsächlich Baracken gestanden haben. 1945 waren sie offensichtlich durch die Sprengbomben, die in unmittelbarer Nähe gefallen sind, nahezu verschwunden. Dieser Zeitkorridor von 1943 bis 1944 beherbergt den Gegenstand unserer Forschung. Das ist schon wie ein Beweis, dass das Lager existiert hat, ein wichtiger Schritt dahin zumindest.

Im Focus befindet sich nun Regalbau und Umordnung der Objekte, Zeichnungen, Bilder und des Arbeitsmaterials im Atelier. Maj hat angeboten, mir zu helfen und forciert das Ganze auch etwas – sehr freundlich…

Angoloscuro

Durch eine falsche Tastatureingabe habe ich gestern einen Tagestext gelöscht. Er war nicht zwischengespeichert und nirgends mehr auffindbar. Spielerisch habe ich ihn dann aus dem Kopf wieder hergestellt, aber die Geduld, ihn abzurunden fehlte mir dann. Das kann mit den handschriftlichen Aufzeichnungen nicht so schnell passieren.

Ein sonntäglicher Lichtblick war, dass am Abend im „Lab“ das Tanzstück „Angoloscuro“ stattfand. Ich sah es mindestens schon zweimal. Aber was heißt das schon bei den Stücken der Forsythecompany, die sich ja während der Wiederaufnahmen immer erneuern, in einem Prozess weiterentwickelt werden, der für immer andere Erlebnisse sorgt. Auch die Tänzerpersönlichkeiten entwickeln sich weiter, werden in ihren Bewegungen vielleicht manchmal sparsamer, aber auch konzentrierter. So geht das beispielsweise im Zusammenspiel von Jone San Martin und Amancio Gonzalez. Sie entwickeln während ihrer nonverbalen, in einer Phantasiesprache abgehaltenen Dialoge sehr viel Humor, der sich ganz natürlich zwischen ihnen zu entwickeln scheint. Dieser würde auch nicht so gut funktionieren wenn er nicht einer sehr bedrohlichen Welt gegenüberstehen würde, die in der schwarzen Ecke des Bühnenraumes entwickelt wird. Dort, wo die dunklen Wände zusammentreffen, endet die diagonale Sichtlinie aus den ebenfalls im rechten Winkel aufgestellten Zuschauertribünen. In diesem quadratischen Grundriss treffen finstere Kleinkindträume mit Barockgestalten auf in schwarze Ganzkörpertrikots gekleidete Figuren, die grummelnde, pfeifende oder schreiende Geräusche von sich geben. Auch ihre Gesichter sind mit Trikotmasken vermummt. Die Brisanz entsteht auch durch die großartige Körperbeherrschung und Kontrolle extremer Gesten und Gesichtsausdrücke des ganzen Ensembles, das noch so groteske Situationen nicht ins Lächerliche abgleiten lässt.

Impuls

Es fiel Schnee, als wir stocknüchtern in der Nacht vom Grünkohlessen mit den ganzen Filmleuten zurück zum Auto liefen. Auf spiegelnder, nasser Straße leuchteten uns die Lichter nach Hause.

Am Tisch erzählte mir eine Historikerin von ihren Forschungen, die Briefwechsel der Witwe des Archäologen und Entdeckers der Büste der Nofretete, Berta Borchardt zum Gegenstand haben. Sie knüpfte von der Schweiz aus ein jüdisches Netzwerk in der Nazizeit. Die Absender der zweitausend Briefe, die sie in der ehemaligen Borchardt-Villa am Nil in Kairo fand, führen zu deren Nachlassverwaltern. Sie haben die Antworten aus denen sich nun eine Vervollständigung der Geschichte zusammensetzen lässt.

Meiner Gesprächspartnerin erzählte ich von den Verknüpfungen meiner Projekte, insbesondere von der Arbeit mit den Schattenboxern. Ihnen erklärte ich die abgestufte Rassenpolitik der Nazis den Zwangsarbeitern gegenüber. Auf dem Rückweg danach ins Atelier erzählte mir Paolo von seinen bitteren Erfahrungen mit Rassismus in der Schule. Er, als Schwarzer, wird insbesondere von Mädchen zischelnd aufs Korn genommen. Er wünscht sich, dass diese Mädchen nicht mehr mit ihm gemeinsam auf einer Schule sind.

Die Historikerin hat Recht, wenn sie sagt, dass dies ein aufhebenswerter Impuls ist, den man für eine Weiterarbeit mit Jugendlichen heran nehmen kann, mit denen man den heutigen Rassismus mit dem damaligen vergleicht.

Das kopfstehende Ruinenmotiv habe ich auf Rolle 6 mit einem komplizierten Verfahren, das auf dem Transparentpapierstreifen zu besichtigen ist, wieder gedreht. Nun bin ich gespannt, was sich aus diesem, gestern gefundenen Fehler Neues ergibt.

Die Zeichnung hören

Am Vormittag bereitete ich im Atelier den vorgestrigen Workshop nach. Den Ton, den ich am Vortag für Monikas Formenzusammenbau eingesumpft und vorbereitet hatte, musste wieder eingepackt werden. Das Schattenboxen mit den Hindemithkindern sollte für den Nachmittag vorbereitet werden. Dann aber hatte ich noch Zeit für Rolle 6 und konnte mit einer Sequenz beginnen, die sich mit den Strukturen des Ruinenmaterials der Bombardements von 1943 beschäftigen wird. Schon nach den ersten durchgezeichneten Tuschlinien der ersten Umdrehung einer möglichen neuen Sequenz auf der Transparentpapierrolle, wurde klar, dass sich das Material für eine derartige Verarbeitung gut eignet. Auf der gleichen Höhe des Ablaufs konnte ich leicht von kristallinen zu fluiden Formen wechseln. Diese Strukturveränderungen können sich im weiteren Verlauf über die modifizierten Wiederholungen verteilen.

Arun erzählte ich von der Arbeitsweise der Sequenzen, die ich ja von Bach, Steve Reich und Philip Glass her in die Zeichnung übertragen habe. Ich fragte ihn, ob wir mit dem Gitarrenspiel meine zeichnerischen „Fugen“ wieder zurück ins Musikalische transferieren könnten.

Weil Paolo aus der Hindemithschule schon mal eine eigene Komposition aus zusammengesampelten Sounds mitgebracht hatte, glaube ich, dass wir eine Installation aus Klangschatten herstellen könnten. Sie arbeitet mit dem Widerhall der gebauten Waldstrukturen. Man müsste ein System finden, das die zeichnerischen Strukturen abtastet und in Töne verwandelt. Die Zeichnung hören – Holz brechen.

Am Abend in der großen Dürerausstellung. Die Einbettung der Dürerbilder in zeitgenössische Werke überfrachtet die enge Ausstellung noch einmal. Dazu kommt die Masse von Besuchern, die sich vor allem vor den großen Ikonen drängt.

Linienforschung

Sperrig nimmt sich das Linienmaterial aus, das ich aus den Fotofragmenten der Ruinenaufnahmen aus dem Jahr 1946 in Rolle 6 aufgenommen habe. Und ich bin mir nicht sicher, ob meine Linienforschungen zu einer, für diesen Fall gültigen Gedenkstruktur führen können.

Am Hang versuchte ich mit einem großen Handbohrer vom Schreiner Roos, mit einem Rundholz zum Drehen in einer flach geschmiedeten Eisenöse, in einen toten noch aufrecht stehenden Stamm, ein Loch zu bohren. Da ich nicht mit einem kleineren Bohrer vorgearbeitet hatte, gelang mir das nur unzureichend. Vielleicht reicht auch der kleinere Handbohrer für meine Zwecke im Wald.

In dem Kreis, den ich gemeinsam mit Gudrun legte, begann ich nun das Bodenmaterial aus der Mitte an seine Peripherie zu schieben. So entsteht ein freier Platz, eine Bühne für die Inszenierung einer neuen Installation. Ein paar Geflechtstrukturen vom Hang werde ich ausdrucken um mit ihnen bei der Arbeit an Rolle 6, am Gedenken weiter zu kommen.

Die vielen Termine der vergangenen Woche haben den Arbeitsfluss unterbrochen. Das möchte ich in den Wochen bis zum Urlaub anders machen. Ein schriftlicher Arbeitsplan würde sicherlich helfen.

Am Abend im Atelier haben wir unter einigen Mühen die Form von Monika zusammengebaut. Wir ummantelten sie mit Majs Hilfe, und ohne sie hätten wir das nicht hinbekommen, mit Ton zur Stabilisierung, und in der kommenden Woche werden wir sie ausgießen.

Diagonalen

Die Fotografien der zerstörten Häuser, die neben der Ackermannwiese gestanden haben, sind sicherlich auf Grund von Versicherungsansprüchen, die die Geschädigten nach dem Krieg in Anspruch zu nehmen gedachten, entstanden. Strukturen zusammengefallener Gebäude kann man heute noch annähernd bei Abrissarbeiten, die allenthalben stattfinden, sehen. Allerdings fehlen dort die Diagonalen der Stahlträger, der Betonsäulen oder Holzbalken, die die Instabilität der Ruinen sichtbar machen. Außerdem fehlen die rauchgeschwärzten Wände, die von den tausenden von Brandbomben herrührten, die die Decken durchschlugen, nachdem Sprengbomben die Dachstühle aufgerissen hatten. Drei dieser Aufnahmen habe ich in Ausschnitten vergrößert und zur Benutzung auf Rolle 6 ausgedruckt. Vielleicht sind stärkere Vergrößerungen notwendig um das Wesen der Zerstörungsstruktur besser erfassen und wiedergeben zu können. Unter den verwischten Tagebuchzeichnungen liegen diese Strukturen als das innere Grundmaterial für das daraus folgende Bild.

Am frühen Nachmittag verdichteten sich die Schneereste beim Steigen am Hang innerhalb der hundert Höhenmeter. Das wenige Licht wurde vom Nebel diffus verteilt. Meine Hauptbeschäftigung ist es derzeit, möglichst viel Material in Augenhöhe zu platzieren, das einen geschlossenen visuellen Eindruck hervorrufen soll.

Im Atelier baute ich nach dem Hanggang noch ein sechsteiliges Reliefformat zusammen, wodurch ich nun fast alle Dreiecksrahmen verbaut habe und dadurch Platz im gewann.

Am Abend ein enttäuschender philosophischer Vortrag zur Kunst von Christoph Menke, von dem ich mir Aufschlüsse für meine Arbeit erhoffte.

Langzeitwirkung

Langsam sinkt nun doch die Schneegrenze. Sicherlich ist mein Hang schon etwas eingeschneit. Das will ich mir heute ansehen. Bei einer dünnen Schneedecke treten die Strukturen der Geflechte durch den Kontrast deutlicher hervor.

In der vergangenen Woche war ich durch meine Berlinreise verhindert, die Waldarbeit fortzuführen. Das hat auch Folgen für die andere Produktion. Die Arbeit an Rolle 6 läuft schleppender. Manchmal wird der Arbeitsrhythmus durch eine kurze Reise genauso nachhaltig gestört, wie durch eine längere.

Normalerweise befinden sich Schreibtisch- und Atelierzeit in einem ausgewogenen Verhältnis. Durch das Radiointerview bin ich gestern gar nicht ins Atelier gekommen. Gut daran war, dass wir unser Zwangsarbeiterprojekt vorgestellt haben und versuchten, den Entwicklungsprozess deutlich zu machen. In diesem Zusammenhang habe ich erstmalig öffentlich eine konservative künstlerische Position vertreten, indem ich mich gegen die Mode der temporären Kunst im öffentlichen Raum gewandt habe. Ich hob einen Anspruch auf Langzeitwirkung hervor, die täglich etwas Neues preisgibt. Dazu passte, wie ich finde, Helgas Beharren auf Fakten, die unserer Arbeit zugrunde liegen.

Vinzenz hat Ai Wei Wei getroffen und stellt seine Chinaeindrücke eifrig in seine Blogs. Ich denke dabei an die Intensität meiner Brasilienreisen. Man reißt die Augen weit auf und sammelt Material für Jahre.

Nun will ich Rolle 6 in die Weiterentwicklung des Erinnerungsmaterials intensiver mit einbeziehen. Dazu benötige ich die Strukturen der alten Dokumentationen der Bombardements rund um die Ackermannwiese.

Reisen

Zweieinhalb Jahre lang schlief eine Raumsonde der ESA abgeschaltet auf einer Bahn zwischen Gravitationsbeschleunigungen in sonnenferner Finsternis. Gestern wurde sie wieder eingeschaltet, um sich während der Annäherung an einen Asteroiden darauf vorzubereiten, auf ihm eine Laborsonde abzusetzen und ihn zwei Jahre umkreisend zu untersuchen. Das alles bewegt sich außerhalb meiner Vorstellungskraft. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen klären, ob das Wasser der Erde und somit ihre Lebensentwicklungsgrundlage von Einschlägen solcher Himmelskörper stammen kann.

Auf dem Blog von Vinzenz kann ich verfolgen, wie seine täglichen Eindrücke die Suche nach vergleichbaren Bildern seines neuen Handwerkserwerbs bezeugen. Er ist mit Olafur Eliasson und dem Institut für Raumexperimente in China unterwegs.

Ein Rahmengestell aus sechs Dreiecken steht zusammengeschraubt im Atelier. Es wird nun mit Reliefrohlingen belegt, wie geplant. Es gibt einen Interessenten für das große Format im Startorante. Mal sehen, wie ernst er es meint.

Beim Holzeinkauf für die nächsten Rahmen im Baumarkt, traf ich Winnie Becker. Wir sprachen kurz über das Radiointerview, das wir heute gemeinsam mit Helga führen wollen. Ich will erklären, dass es mir beim Zwangsarbeitergedenken um eine Form geht, die über das Pädagogische hinausgeht. Die Gründlichkeit der Recherche soll als grundlegendes Element in seiner Bedeutung für die Glaubwürdigkeit, Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit im Umgang mit dem Thema herausgestellt werden.

Neinsagen

„Kinder der Sonne“ von Gorki vorgestern im Schauspiel. Ein etwas uneinheitlicher Stil wegen eines Regiewechsels, auch holpriges Zusammenspiel, das aber sicher durch die weiteren Aufführungen geglättet wird. Dann wird die Inszenierung vielleicht bald vergessen sein. Die alltägliche Tragik der Darsteller.

„Alles was gewesen ist, ist auf irgendeine Art zeitlos, ist Gegenwart -: in der Erinnerung.“ Das ist der Schlusssatz aus Tuvina Rübners Autobiografie.

Wir sahen gestern im Kino „Das radikal Böse“ von Stefan Ruzowitzky, eine Kooperation mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen. Gemeinsam mit einer Untermalungsmusik zerstückeln unprägnante „Kunstgriffe“ eine stringente Handlung und verhindern eine klare Aussage. Es ist als müsse man dem Zuschauer, der blöd und fern in den Kinosesseln hockt, mit manipulativen Mitteln klarmachen, wie mit manipulativen Mitteln Schulabgänger zu Massenmördern gemacht werden. Das Dokumentarmaterial, wie die Feldpostbriefe werden verramscht und mit Landschaftsaufnahmen zu Kitschpostkarten zusammengestellt. Die so gefärbten und zersplitterten Geschehnisse bleiben in dieser Weise kopfausschaltend und reaktionär, wie Stadelmaier heute „Die Rasenden“ von Karin Beier am Hamburger Schauspielhaus charakterisiert. Man traut dem Team zu, gedrehte Aufnahmen als Dokumentarmaterial, neben den echten Dokumentaraufnahmen, postproduziert zu haben. Mittlerweise ärgere ich mich nicht mehr darüber, den Film angeschaut zu haben, weil ich nun wieder genauer weiß, wie ich an das Fremdarbeitergedenken nicht herangehen darf. Die Skrupel im Umgang mit Originalfotos wachsen, was hoffentlich zu einer ernsthaften und ergebnisreichen Konzentration führen kann.

Wesentlicher, zukunftsweisender und nachzufühlender Gesichtspunkt für mich war das mögliche Neinsagen.

Im Komplex TRIXEL PLANET

Ein weiteres aus sechs Dreiecken bestehendes Wandbild mit dem Zweifigurenornament steht zusammengebaut im Atelier. Der Linienführung des Motivgeflechts entspringt ein abstraktes, kreisförmig – bandartiges Gebilde. Drei Exemplare sechseckiger Objekte stehen nun unterschiedlich bearbeitet im Raum. Weitere, schon gefertigte Rahmen können nun erst einmal zusammengebaut werden, bevor ich sie mit grundierten Reliefrohlingen, die auch noch hergestellt werden müssen, belege. So können sie besser verschraubt werden. Da die Reliefflächen unbemalt sind, lässt sich eine große zusammenhängende Komposition in einem geschlossenen Vorgang fertig stellen. Diese großflächige Malerei hat sich als Methode bewährt. Zwischendrin gibt es immer viel Tischlerarbeit an meiner Hobelbank, wie gestern Nachmittag.

Die Collage, die ich gestern über meinen Arbeitstagebuchtext gesetzt habe, weist noch nicht den Grad von Einbindung eines gerasterten Fotos in die malerischen Strukturen der täglichen Tagebuchbilder auf, wie ich es mir vorstelle. Daran habe ich noch gründlicher zu arbeiten. Dabei beziehe ich mich auf den formalen Vorgang der verwischt gemalten Dokumentarfotografien von Gerhard Richter. Die Intention der verwischten Erinnerung im Zusammenhang mit der vergehenden Zeit spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Aufgabe ist nun, eine eigene künstlerische Antwort auf dieses Phänomen zu finden. Ich kann mit stärkeren Vergrößerungen der Rasterdrucke arbeiten und das ganze vielleicht auch mal in 3D Formate umwandeln. Das technische Umsetzungsverfahren übernimmt in diesem Fall einen Transport des Motivs in die Gegenwart. Im größeren Zusammenhang der Wanderungsspuren fügen sich die Dreiecksreliefs, das Zwangsarbeitergedenken und Schattenboxen zu einem künstlerischen Komplex, der TRIXEL PLANET weiter entwickelt.

Abbild, Zeit, Erinnerung

In den Zeiten, in denen ich weniger im Atelier zeichnend nachdenken kann, in denen es dort eher um praktische Arbeit geht, oder um die Struktur von Arbeitsflächen, werden die täglich angefertigten Bilder im Tagebuch wichtiger. Sie setzen sich in Beziehung zu den Themen, die mir durch den Kopf gehen und erweitern sie in effizienter Weise, weil sie aus einer ganz anderen Richtung herein gleiten.

Derzeit verändern sich die Zeichnungen in der Weise, dass die konkreten Abdrücke der Handkantenlinien einen immer stärkeren Kontrast zu den Verwischungen bilden und somit Platz für Konkretionen beanspruchen. Das Spiel zwischen den zwei verschiedenen Vorgehensweisen gleicht dem Nachdenken über Abbild, Zeit und Erinnerung.

Gleich möchte ich im heutigen Bildstreifen probieren, wie die stark gerasterten Dokumentationsfotos in diese Erinnerungsverwischungen einmontieren lassen. – Und sofort zweifle ich an der Methode, wegen ihres illustrierenden Charakters.

Am Nachmittag waren die Schattenboxer im Atelier und arbeiteten an ihren Projekten. Vorher aber erklärte ich ihnen das mögliche Zusammenspiel von Installationen am Hang und Geschehnissen in der Stadt, die uns beschäftigen. Dazu beschrieb ich ihnen die Beziehung der geflochtenen Spirale zur Mentorenstadt Frankfurt. Nun können wir mit Installationen am Hang auf das Thema Zwangsarbeiterlager auf der Ackermannwiese und der damit verbundenen erzwungenen Migration reagieren.

Gedenken | Hanggang | Schattenboxen

Das Material aus Berlin liegt auf dem Schreibtisch, wartet darauf, bearbeitet und benutzt zu werden. Zunächst gilt es rauszubekommen, welche Webseiten und beim „beackern“ der Wiese helfen und auf die Spur des Lagers führen können. Aus verschiedenen Richtungen kann recherchiert werden. Einzelschicksale werden beispielsweise beim Suchdienst in Bad Arolsen erforscht. Dort kann man vielleicht etwas über Fotografien herausbekommen, die von den „Ostarbeitern“ in Frankfurt gemacht worden sind. Diese Suche nach Individuen folgt anderen Regeln und deckt somit andere Fakten auf, als die bei der es um allgemeine Standorte geht oder um die Verhältnisse unter denen gearbeitet worden ist. Von anderer Warte beschäftigt sich das Fritz-Bauer-Institut mit der Zeit. Alle Dinge die mit der Ermordung der Juden zutun haben, also auch deren Zwangsarbeit, werden dort in Augenschein genommen und Schlüsse daraus gezogen. Das wäre ein weiterer Suchpartner.

Die Nacharbeit des Tagebuchs dauerte gestern bis in den Nachmittag. Am Vormittag war ein Treffen mit Alexander an der Hindemithschule. Zwei weitere Fragesteller lenkten die Aufmerksamkeit in etwas andere Richtungen. Alexander möchte gerne innerhalb des Projektes „Schattenboxen“ Migrationsgeschichte mit bearbeiten und in diesem Zusammenhang auch die Geschehnisse um Zwangsmigration und Deportation. Weil der Gedanke nun schon mehrfach auftauchte, sollte er nun ernster genommen werden.

Das führt direkt zur Verbindung des Hanggangs mit dem Zwangsarbeitergedenken. Es gab ja schon Beispiele des Bezugs der „Spiralfigur“ zur „Mentorenstadt“ und anderer Figuren zu einzelnen Personen. Die Herstellung von Bezügen der Waldarbeit zu Gegenständen der Geschichte ist also nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Vielleicht geht da sogar eine neue Tür auf.

Muster

Frankfurt. Während der Berlinreise ist Arbeit liegen geblieben, mit deren Aufarbeitung ich nun beschäftigt bin. Das benötigt aber nur ein paar Stunden über ein paar Tage verteilt. Es kollidieren Dinge, die scheinbar wenig miteinander zutun haben, aber auch das vielleicht Unwichtige soll getan werden.

Vor der Reise hatte ich die Pflanzen im Atelier großzügig gewässert, so dass sie bis jetzt, wo sie wieder gegossen wurden, keinen Mangel zu leiden hatten.

An der Hobelbank habe ich für die Weiterarbeit an den nächsten Formaten zwei Dreiecksrahmen gebaut. Es ist eher ein Wiedereingewöhnen nach der kurzen Abwesenheit.

Im Kunstforum zur Documenta 13 las ich über ein Projekt, das in seiner Form meinem Trixel-Planet-Pavillon in Nizza 1999 glich. Drei Projektionswände im Dreieck aufgestellt, mit parallel laufenden Filmen. Diese bezogen sich auf ähnliche Situationen in der deutschen Geschichte in den Jahren 1940, 1970 und 1990. Der Ansatz paralleler Betrachtung von ähnlichen Mustern in unterschiedlichen geschichtlichen Situationen geht mir auch beim Fremdarbeitergedenken durch den Kopf. Nur, dass mein künstlerischer Ansatz eher eine hintereinander gestaffelte, durchscheinende Bildsituation bevorzugt. Ob es sich um gerasterte Szenen handelt, die beim Vorübergehen einen Moireeffekt erzeugen, ob es die verschiedenen GPS-Aufnahmen sind oder Hologramme, wird sich zeigen. Das Gewicht des Formalen muss die Entwicklung des Eigenlebens der Arbeit entscheidend beeinflussen.

Baracken

Berlin – noch in der Stadt, schon im Zug am Gripstheater vorbei auf der Heimfahrt nach Frankfurt. Ich verweilte gestern etwas in der Wohnung in Schöneberg, um dort mein Tagebuch nachzuarbeiten.

Am Nachmittag besichtigte ich mit Anne das Dokumentationszentrum zur Zwangsarbeit in Schöneweide. Die Ausstellung ist in einer ehemaligen Sammelunterkunft eingerichtet, deren Baracken heute noch stehen und zwischenzeitlich durch Kleinindustrie genutzt wurden. Sie ähneln in den Grundrissen und von der Größe her denen, die wir auf dem Wasserleitungsplan gefunden haben, aber auch denen auf Teves West.

Ich lernte dort, dass Zwangsarbeiter in Polen auch angeworben wurden, sich also auch mehr oder weniger freiwillig, wegen der Vortäuschung falscher Tatsachen in diese Situationen begaben. In Deutschland wurden Arbeitskräfte benötigt. Erstmalig wurde mir auch klar, welches Ausmaß die Zwangsarbeit hatte, dass etwa jeder zweite Landarbeiter Zwangsarbeiter war. Dreihundert Lager gab es alleine in Berlin.

Ein Kunstwerk, bestehend aus fünf Panelen entwickelt einen eigenen Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart des Themas. Zum einen gibt es Luftbilder von Unterkünften, die es heute noch als Architektur gibt und dann erscheint eine verrätselte Auflistung von Firmen, die Zwangsarbeiter in ganz Deutschland beschäftigt hatten. Die Firmennamen werden nicht direkt genannt nur nach Anfangsbuchstaben und Städten geordnet. Vielleicht ist es eher sinnvoll zu fragen, welche Firmen keine Zwangsarbeiter beschäftigt hatten.

Die Rolle der Bevölkerung spielte wieder eine wichtige Rolle. Das könnte ein entscheidender Ansatz für eine künstlerische Arbeit sein. Ein Experimentalaufbau der Gleichschaltung…

Bildstrecke

Berlin. Im Gropiusbau sahen wir eine Retrospektive von Barbara Klemm, die die Bildstrecke unseres „bewussten“ politischen Lebens schuf. Auf der Treppe am Rande und anschließend im Restaurant sah ich Birgitta Trommler, mit der ich vor Jahren im Heidelberger Theater arbeitete. Zu den Fotografien passte, dass sie sich überhaupt nicht verändert hatte. Man konnte anhand der Bilder in die vergangenen Welten der sozialistischen Tristesse, der Studentenrevolte, des kalten Krieges und der Wendezeit eintauchen. Die Rolling Stones, Heiner Müller, Christa Wolf und Durs Grünbein in teilweise entlarvenden Kompositionen. Nach der Ausstellung brauchte ich Zeit, um aus den Zeiten wieder aufzutauchen.

Gleich neben dem Gropiusbau steht nun das Dokumentationszentrum „Topografie des Terrors“. In der zeitlich geordneten Ausstellung war der Anteil der öffentlichen Meinung an der Ermöglichung der grauenhaften Taten deutlich herausgearbeitet. Deutlich auch die Verstrickung der Wehrmacht in die Tötungsmaschinerie, die von hier, der Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße in Gang gesetzt wurde. Im Untergeschoss gibt es eine ausführliche Bibliothek, die sich mit den Geschehnissen beschäftigt. Dort lernten wir einen Archivar kennen, der uns Tipps für die weitere Recherche zum Zwangsarbeiterlager auf der Ackermannwiese gab. Es gibt einen internationalen Suchdienst in Bad Arolsen, bei uns vor der Tür das Fritz-Bauer-Institut und das Dokumentationszentrum „NS-Zwangsarbeit“ in Berlin Schöneweide.

Ich bekam einen etwas neuen Zugang zu Möglichkeiten der Darstellung der Geschichte. Insgesamt leisteten Sechsundzwanzigmillionen Männer, Frauen und Kinder Zwangsarbeit.

Flutende Bilder

Im KW, was die Abkürzung für Kunstwerk und ein Ausstellungszentrum für Gegenwartskunst ist, sahen wir eine umfangreiche Werkschau von Christoph Schlingensief. Gleich am Anfang stieg ich in den „Animatograph Edition Parsipark (Ragnarök)“ von 2003. Auf einer Drehbühne waren verschiedene Versatzstücke zu einem Enviroment montiert, das ein Labyrinth von Aufenthaltsorten miteinander verband, durch welches man wandeln konnte. In vielen Ecken schimmerten kleinere Bildschirme, waren voll geschriebene Hefte zu sehen, und alles wurde von Projektionen von außen durchdrungen. Die rotierende Plattform mit einem Durchmesser von etwa zehn Metern war noch von einem Kastenbau umgeben, der seinerseits wieder Bildschirme hielt und Projektionen auffing. Innerhalb des sich drehenden Baus konnte man einen Aussichtsturm besteigen, von dem aus man mit Ferngläsern auf das Szenario schauen konnte. Dort balgten sich in Soldatenuniformen gesteckte, projizierte Affen zwischen Honeckerbildern, Seeelefantenherden wälzten sich ständig durch die offenen Architekturen, in denen sich Nachrichten aus der anderen Sphäre unseres Alltags befanden. Auf Stühlen sitzend konnte man auf diesem Karussell mitfahren, um sich in die Kollisionen der Bilder zu vertiefen. Eigentlich hätte das schon gereicht. Man hätte mit diesen Bildern angefüllt hinausgehen können. Aber es warteten noch zwei Etagen mit Überforderungen flutender Sprache, sengender Bilder und medialen Bienenschwarmgesumms. Unzählige Filmdokumentationen lenkten gegenseitig voneinander ab. Interessant war der Bericht über den Bau des Operndorfes in Burkina Faso, an dessen Organisation und Entwurf der Künstler bis zu seinem frühen Tod im Alter von neunundvierzig Jahren arbeitete.

„Judas“, ein Stück von Lot Vekemans war in einem Gastspiel der Münchner Kammersiele im Deutschen Theater zu sehen. Übersetzt war es von unserer Freundin Eva Pieper und Christine Bais. In der Regie von Johan Simons spielte Steven Scharf in dem Einpersonenstück einen sehr intensiven Part. Eine Stunde lang sprach er mit dem Rücken zum Publikum, auf dem oberen Ende einer hohen Leiter sitzend, gegen eine Wand.

Just in case

Berlin, Schöneberg, im Westen der Stadt (crossing my fingers just in case). Eine von Künstlern angenehm eingerichtete kleine Wohnung. Polaroids eines von beiden, die schon auf einer Documenta hingen.

Aus den Wäldern um Kassel stiegen Nebel, weiß und wunderbar – dann das Flachland mit Windrädern. Die Strecke führt an Stendal vorbei und nicht an Brandenburg, meiner Geburtsstadt. Meine Erinnerungen, dass wir dicht an ihr vorbeigefahren sind, war also eine Täuschung. Einzig eine andere Streckenführung könnte meine falsche Erinnerung rehabilitieren: Braunschweig – Magdeburg – Brandenburg – Potsdam… Die Elbe floss zum Überlaufen durch die Auenlandschaft, immer kleine Buchten durchstrudelnd. In der grauen Dämmerung um den Hauptbahnhof, die schon kurz nach Vier einzusetzen schien, dachte ich mit Lokalstolz an die Frankfurter Skyline.

Am Abend in der Schaubühne Molières „Tartuffe“ in einer Inszenierung von Thalheimer, der auch schon einige Male am Frankfurter Schauspiel Gastarbeiten gemacht hatte. Von den Schauspielern erkannte ich Judith Engel und Lars Eidinger. Das Bühnenbild bestand aus einem hochgesetzten quadratischen Guckkasten aus Goldpigmentplatten. Zunächst dachte ich, dass die Schauspieler, durch eine leichte Schräglage ihrer Körper, eine Neigung des Raumes im Uhrzeigersinn vortäuschten. Dann aber gab es heftigere Bewegungen des Kastens, die anzeigten, dass er sich wie eine Waschmaschinentrommel drehen kann. Das tat er dann später auch und wirbelte die Szenerie mit samt den Schauspielern gehörig durcheinander. Abgesehen davon, dass sich das mit dem Stück gut zusammen tat, waren insbesondere die anfänglichen kleineren Schräglagen in der Lage, einem ein wenig Schwindel einzuflößen. Die Spielweise war einerseits durch seelische und körperliche Behinderungen der Figuren stilisiert und auch überzogen. Das sichtbare Bedürfnis der Spieler, die „Sau raus zu lassen“, wurde vom Regisseur in einer Weise begrenzt, dass es mir nie zu viel wurde. Ein vergnüglicher Abend mit hervorragenden Darstellern auf sehr hohem artistischem Niveau.

Autonomie | Mode

Weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal so entspannt an der Staffelei stand und vor mich hin malte, wie gestern. Ganz langsam und überlegt gehe ich vor, schon anders als früher. Eine fast erholsame Angelegenheit, mit der ich langsam zum vorläufigen Ende komme. Weitere Formate werden aber sicherlich folgen. Jedenfalls bin ich auf eine weitere Entwicklung dieser Arbeit gespannt. Jetzt am Ende der Malerei an diesem Relief, komme ich immer mehr zur Überzeugung, dass ich zumindest einen konträren Farbton benötige, wie ein etwas stumpfes, sehr helles Ultramarin.

Als ich am späteren Nachmittag aus dem Atelier zurückkam, spielte ich, während ich aus dem Fenster sah, noch etwas Gitarre, lauschte den Klängen nur eines Griffs nach, wie sie durch meinen Körper schwangen. Mit Arun verabredete ich am Weinstand weitere Gitarrenstunden, nachdem wir aus Berlin zurück sind.

Kleine hellblaue Himmelsflecken werden als Lichtblicke nach Osten geschoben. Überall heben derzeit Diskussionen an, die mit der dunklen Kriegsvergangenheit Deutschlands zutun haben. Zu den traurigen siebzigjährigen Jubiläen der Kriegsereignisse erscheinen überall künstlerische Statements in Form von Filmen und den dazugehörigen Kritiken. Eine Wandlung in der Betrachtungsweise ist dabei auszumachen.

Ich bin nun in der Kriegsgefangenenthematik auch schon etwas eingearbeitet und merke, dass ich darüber noch viel mehr erfahren will. Gleichzeitig kommt mir die allgemein überall postulierte neue Betrachtungsweise auch wie eine Mode vor, der ich eigentlich und grundsätzlich nicht folgen will. Ich möchte mich da heraushalten, um meine eigene Arbeit autonomer gestalten zu können.

Assoziationskette

Vor Sechs auf dem heute entstehenden Markt rattert und dieselt zunächst das schwere Abschleppfahrzeug vor sich hin. Dieser Maschinengeruch nach Öl, Gummiabrieb, heißem Metall, Abgasen und Schmierfett erinnert mich an meine Zeit in der Gummiindustrie im VEB Gummikombinat Thüringen.

In dieser Assoziationskette stelle ich mir die Arbeitswelt der russischen Kriegsgefangenen bei Teves vor. Sie führte allerdings in der Regel zum Tod. Heutige Ausbeutung körperlicher Arbeit gibt es heute rund um uns herum auf dem Baustellen dieser Stadt. Das gründet in Gier, menschlicher Missachtung und führt zu Ausgrenzungen durch Niedriglöhne.

Monika wollte gestern wissen, was es mit Rolle 6 auf sich hat. Ich zeigte ihr die Begegnung von meinem GPS-Gang auf der Ackermannwiese mit den Fragmentscherben der vorhergehenden Sequenz auf dem Transparentpapier. Maj porträtierte mich und stellte sich dabei sehr geschickt an. Vielleicht sollte sie nach einigen grundsätzlichen Überlegungen zur Komposition solcher Bilder bald mit gemalten Porträts beginnen.

Mit den Lehrlingen war ich in der Schirn Kunsthalle und im Museum für Moderne Kunst. Zunächst zeigte ich ihnen die Umgebung und Architektur der Museen, und wie sie in den Innenräumen weiter funktionieren. Zu Philip Gustons Bildern in der Schirn konnte ich ausführliche Geschichten erfinden, denen auch noch aufmerksam zugehört wurde. Im MMK war dann die Konzentration schon merklich zurückgegangen.

Noch verweilt der vorgestrige Hangang bei mir. Der bislang ausbleibende Winter kam dem Pfad zugute, auch seine Gäste.

Holzkreis | Malerei

Wenn ich gemeinsam mit Gästen auf meinen Pfad gehe, werden andere Dinge getan, als wenn ich dort alleine unterwegs bin. Meistens kommen kleinere neue Räume in den Blick. Sie werden mit ihren eigenen Insignien ausgestattet, die sie bezeichnen und auf sie aufmerksam machen. Ich bemerke diese Inspiration durch die gemeinsamen Gänge, aber auch gleichzeitig mein von ihnen unterschiedenes und besser ausgebildetes Gefühl für diesen Raum, der mir gehört.

Gestern war ich mit Gudrun unterwegs. An unteren Anfang des dritten Drittels stießen wir auf einen Kreis, der von Bäumen umstanden und von mir in noch keiner Weise gestaltet war. Wir räumten ihn etwas frei und umschrieben ihn noch mal mit einem etwas größeren Kreis aus Holz. Das dauerte nur kurze Zeit. Dann sagten wir: “Mal sehn, was daraus wird.“ Dass Mittwoch um Mittwoch etwas dazukommt ist sicher und beruhigend.

Im Blick habe ich jetzt meine Reliefmalerei. Sechs zu einem gleichseitigen Sechseck montierte identische Dreiecksabformungen. Güterzüge donnern quietschen unter einer hinter den Pflanzen und Atelierfenster blau leuchtenden Dämmerung über den Bahndamm. Die Gewächse dehnen sich von innen dem Licht entgegen, auch der sture Ficus hat seinen Standort akzeptiert und dreht sich weiter zu den Scheiben hin. Die Malerei steht acht Meter entfernt von meinem Zeichentisch und nur durch das allgemeine Neonlicht beleuchtet. Der Hintergrund besteht aus dem Regal, das vollgestellt eine optische Konkurrenz zum Bild ist. Es muss sich davor behaupten. Wenn ich die Beleuchtungssituation zugunsten des Bildes verändere, schone ich seine Komposition. Was für die Malerei besser ist, ist schwer zu sagen. Am besten wird wahrscheinlich sein, wenn ich das Licht öfter wechsle.

Konformität | Schattenboxen

Wie geplant übertrug ich gestern meine GPS-Linien auf Rolle 6. Dort konnte ich das Areal beim zweiten Zeichnen mit den Fragmenten der vorausgegangenen Figuration konfrontieren. Währenddessen musste ich darüber nachdenken, in welcher Weise es möglich wäre, heutige Strukturen mit solchen aus der Zeit des Gefangenenlagers zu vergleichen, oder sie übereinander zu legen. Dabei spielt der Gedanke eine Rolle die Ferne der Ereignisse zu verringern, verschiedene Verhaltensmuster, die zu brutalem Handeln führten auch in der Gegenwart zu entdecken.

Gestern wurde im Fernsehsender 3 sat der Film „Das radikal Böse“ von Stefan Ruzowitzky vorgestellt. In einer stilistischen Herangehensweise, die Dokumentarmaterial mit gedrehten Szenen verbindet, beschäftigt sich der Film mit den Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung durch deutsche Einsatzgruppen in Osteuropa. In einem Konformitätsexperiment wird gezeigt, wie Gruppenzwang zu Handlungen führen kann, die uns aus dem Abstand unbegreiflich sind.

Man kann daraus eine Aufgabe für die Gedenkkultur ableiten. Eine künstlerische Auseinandersetzung sollte aber über pädagogische Ansätze, wie sie im Konformitätsexperiment von Asch entwickelt sind, hinausgehen. Dieses Experiment könnte man mit Jugendlichen mal durchspielen, was etwas aufwendig wäre, aber vielleicht mit dem Falkenheim gelänge. Das ist aber nur eine Schicht

Im Atelier arbeitete ich außerdem an der Bemalung des Reliefs. Innerhalb der dunkleren Felder hob ich die vertieften Linien weiß hervor, wie sich Raureif über meine Zweiggeflechte am Hang legt. Auch ein Thema für die „Schattenboxen“.

GPS Ackermannwiese

In irgendeiner Weise werden die Projekte Schattenboxen und Gefangenengedenken miteinander und mit dem Hang zutun bekommen. Schattenboxen wird gefördert und wird bis in den Herbst laufen.

Auf der Ackermannwiese habe ich gestern meine erste GPS-Wanderung gemacht. Das Gehen im Gedenken kommt mir wie eine Pilgerreise vor, oder wie eine rituelle Wanderung. Vielleicht kann ich unabhängig voneinander verschiedene Linien, an verschiedenen Tagen, auf demselben Gelände gehen. Diesmal dienten mir Unebenheiten im Boden, die Richtungen der umher liegenden Stäbe der Silvesterraketen, die Architekturen des Hochbunkers und der Nachbarhäuser als Orientierung. Später stellte ich mir das auf dem Plan konstruierte Lager vor. Bei der nächsten Gelegenheit will ich diesen Grundriss mitnehmen und zurate ziehen. Das Geflecht, das ich gestern gelaufen bin, kann ich nun auf Rolle 6 übertragen und sehen was daraus noch werden kann.

Die Diskussion um die Gedenkkultur in Deutschland kreist um pädagogische Ansätze. Die Vermittlung von gegenwärtigen Haltungen, die zu ähnlichen Ausgrenzungen führen könnten, wie vor siebzig Jahren und Experimente dazu, stehen als beispielhaft im Mittelpunkt.

Im Atelier malte ich noch etwas am Relief und begann die zu weich fließenden Formen mit weißen Schichten zu verfestigen. Auch die Linien der Wanderungen ließen sich zu einem dreidimensionalen Ornament zusammenfügen, mit dem Reliefs gestaltet werden könnten…

Gedenkkultur

Der Frankfurter Sportverein „Eintracht“ besitzt eine Vereinsgaststätte in einem der Hinterhöfe am Oederweg. Sie wird von einem Nordinder betrieben, der indische und deutsche Küche anbietet. Wir trafen uns dort mit Carola und Hans. Sie brachten mir zwei Fotos aus der Auvergne mit, auf denen wilde Holzbauten in einem wilden Wald zu sehen sind, bei denen sie an meine Gebilde am Hang dachten.

Währen dem ich ihnen von der breiten Schneise erzählte, die genau auf der Linie geschlagen worden ist, auf der der Kampfjet in den Hang gestürzt ist, dachte ich mir, dass das Königsteiner Forstamt dort im Zusammenhang mit „Siegfriedidyll“ ein temporäres Kunstwerk geschaffen hat. Jetzt blickt man dort, wo vor gut dreißig Jahren der Einschlag geschah, über eine lang gezogene leere Fläche auf eine weite, hügelige Landschaft bei Glashütten.

Im Zusammenhang mit der Arbeit am Gefangenengedenken wies mich Hans auf zwei Dinge hin. Einerseits gibt es Flugaufklärungsfotos der Alliierten, die vor dem Ausheben von Baugruben zurate gezogen werden. Dort sind Niedergänge von Blindgängern während der Bombardierungen eingezeichnet. Ich weiß nicht, von wem die Luftbilder stammen, mit denen wir arbeiten. Außerdem gibt es umfangreiche kulturhistorische Forschungen zur Gedenkkultur. Mein Gefühl sagt mir, dass ein veränderbares oder sich veränderndes Konzept meinem bisherigen Stand entsprechen würde, vielleicht aber auch ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack wäre. Ich werde mich mal um diese Forschungen kümmern.

Vielleicht komme ich heute zu einer ersten GPS-Begehung des Areals, die nach der Grabungssammlung eine weitere Schicht der Arbeit bilden soll.

Verhakt und vogelfrei

Glocken läuten den Sonntag ein, Menschen führen ihre Hunde aus. Oben fährt eine lockere Bewölkung von Nordwesten her über uns hinweg und verdeckt teilweise die Flugzeuge, die auf ihren vorgeschriebenen Warteschleifen den Himmel beleben. Der ist wie von einem Zauber von allen Vögeln entvölkert. Verhakt hängt ein schon lange abgebrochener Ast über der Strasse, schaukelt in den sich drehenden Luftströmungen.

Im Atelier habe ich gestern beide Figuren des Reliefs etwas weicher in die Umgebung eingebunden. Das kräftige Weiß und seine harten dunklen Umfassungslinien sind gedämpft. Beim abschließenden Betrachten dessen, was ich in den zwei-drei Stunden gemacht habe, musste ich feststellen, dass es zu viel war. Nun habe ich einen Teil der Arbeit mit erneuten weißen Inseln zurückzunehmen, damit wieder mehr Spannung entsteht.

An Rolle 6 werde ich erst weiterarbeiten, wenn ich mit den GPS-Gängen auf der Ackermannwiese begonnen habe. Diese Linien, die viel mit dem historischen Material und der aus gegenwärtigen Strukturen abzulesender Geschichte zutun haben werden, können auf dem Transparentpapier noch einmal verdichtet werden.

Auf Monikas Küchentisch steht die Dylanbox mit den siebenundvierzig Alben. Sie zeigte uns eine Aktmalerei und ein größeres gerahmtes Aquarell mit schönen Farben und vorläufigen Formen, die zum Fertiglesen einladen.

Krishnababy zeigt im Song „SAD EYED LADY OF THE LOWLANDS“ auf:

„And your streetcarvisions wich you place on the grass

Hinter dem grauen Spiegel

Der Tag sieht aus wie ein älterer gepflegter Herr, der dasteht und in den Himmel schaut wie in einen Spiegel. Und weil alle Farben ausgewaschen, gebleicht und verblasst sind, versucht er die Farben hinter dem Grau zu sehen, verfolgt die Linien der leeren Baumkronen, auf denen im Sommer Kleininsekten ihre Pfade haben.

Am gestrigen späten Nachmittag fand der heilige Freitagsmarkt statt. Nach den Feiertagen und der Marktpause haben sich wieder alle versammelt, die die schönen Stunden des beginnenden Wochenendes immer miteinander verbringen. Mit Helga sprach ich eine Weile über unsere Forschungsarbeit. Jetzt erscheint sie mir ein wesentlicher Teil des Gedenkens zu sein, der eine gesonderte Ausstellung mit der Dokumentation der geleisteten Arbeit verdient hat.

In den vielen freien Tagen zwischen den Jahren, die mit wenig Arbeit vorübergegangen sind, kam ich dazu, an den Verlauf des vergangenen Jahres zu denken. Ich glaube, dass die Erhaltung des kulturellen Niveaus auf dem Tevesgelände, mit der Zielrichtung künstlerischer Wissensproduktion, ein wesentliches Ergebnis stabilisierender Arbeit für unsere Umgebung ist. Es ist relative Ruhe eingekehrt, die eine solche Konzentration wieder möglich macht. Es geht mir insbesondere um die Atmosphäre künstlerischer Produktion, die eine Ausstrahlung auf die anderen Aktivitäten auf dem Gelände haben soll. Eine Stabilisierung ist nur auf diesem Weg zu erreichen, weil sonst das Kulturgelände von den Investoren, die seine Umgebung jetzt bebauen werden, gefährdet wird. Die „charmante“ Lösung einer Zusammenarbeit mit ihnen kann somit in den Mittelpunkt rücken. Ich möchte mit Helga und meinen Kollegen auf dem Gelände weiter darüber reden.

Ferner Strudel

In der letzten Zeit gibt es einen wiederkehrenden Traum, in dessen Zentrum der Brand meines Ateliers steht. In der vergangenen Nacht habe ich diesen Brand selbst gelegt, mit dem Ziel, sämtliche Zeugnisse meiner selbst zu vernichten, dann die Gegend, das Land oder den Kontinent zu verlassen. Beim Nachschauen am nächsten Tag, stellte ich fest, dass nur der Bereich um mein westliches Tor vom Brand skelettiert war. Die Regale aber, in denen in diesem Traum meine Tagebücher standen, waren nicht abgebrannt, sondern ausgeräumt. Meine Fassungslosigkeit, meine aufgeschriebene Erinnerung nicht ausgelöscht zu haben, lässt sich mit dem Konflikt zwischen aufgeschriebener und erzählter Geschichte erklären. Dieser Zwist spielt hier mit der Erinnerung an die Verbrennung von tausend Zeichnungen, gleich neben meinem selbstgebauten Atelier, vor dreißig Jahren zusammen. Aber weder Bilder, noch Texte bleiben in der analogen Wirklichkeit bestehen. Nur im Strudel der aufgesogenen Informationen existiert alles weiter bis zur Implosion dieses virtuellen Raums.

Am Tisch eines Familienfestes wurde das Für uns Wider von Smartphones diskutiert. Ich hatte dabei einen schönen Blick über ein besiedeltes Tal, dessen einstige Weinhänge später mit Wegen zu einem anthroposophischen Garten umgewandelt werden sollten. Schon war ein großes mondänes Kurhaus gebaut worden. Gleichzeitig siedelte sich aber immer mehr Industrie in der Talsohle an. Jetzt kämpft das Städtchen gegen ein Absterben im Inneren. Fast kann man sich vorstellen, wie sich Magistralen wilden Bewuchses durch die brachliegenden Innenstadtflächen ziehen und den Ort wieder in kleinere verschiedene Lebenszentren zerteilen.

Die jungen Menschen blickten während unserer Gespräche immer wieder gesenkten Kopfes in ihre blau strahlenden Bildschirmchen, in den Augen die Ferne, die sich immer Mal zögernd, unserer Nähe wegen, entfernte

Credo suchen

Durch den Zustand heutiger Strukturen und aus dem Vorhandensein gegenwärtiger gesellschaftlicher Zustände, müsste ein Pfad der Erinnerung an das Gefangenenlager anzulegen sein.

In letzter Zeit denke ich sehr oft über die letzten Lebensjahre nach, die man, wenn man Glück hat, im hohen Alter erleben kann. Das Produktive dieser Zeit kann nur aus einer Gelassenheit erwachsen, durch die es möglich wird, sich auf ein eigenes Credo zu konzentrieren und das in der Arbeit sichtbar werden zu lassen.

Vor einiger Zeit gab es in der Schirn eine Ausstellung letzter Werke bekannter Künstler. Dabei wurde sichtbar, wer überraschend aus einem Schaffensprozess gerissen wurde und wo ein Leben langsam und bewusst zu Ende ging. Ich glaube, dass das bewusste auf das Ende ausgerichtete Arbeiten, besondere Ergebnisse erbringen kann. Diesem Zustand fühle ich mich manchmal nahe. Auch die nachlassende Kraft fordert eine Konzentration auf das Wesentliche. Die Frage danach steht immer im Raum, ob es sich um die Gestalt des Hangweges, ob es um Entscheidungen zur Bemalung der Reliefs geht, um die täglichen Zeichnungen oder um die geförderten Projekte.

Die Einbindung des Gedenkens an die versklavten Gefangenen in einen größeren Zusammenhang, ist ein Schritt auf der Suche nach dem Wesentlichen dieses Projektes. Dass sich eine Kunstpädagogin dafür interessiert, mit Kindern einen Einblick in das Projekt zu bekommen, könnte zu einer weiteren Schicht der allgemeinen und größeren Zusammenhänge und der Gegenwartsausrichtung führen.

Glas um Glas

Mittags erst kommen die Menschen vom Bäcker zurück, nachdem sie die Flaschen, die sie im Gedenken an die Zeit geleert hatten, Stück für Stück, dem begonnenen Jahr einen Rhythmus gebend, in den Glascontainer geworfen haben. Ein klirrendes Ornament als Zeitmesser, Glas um Glas verrinnend.

Die Werkzeuge des alten Tischlers, ein wunderbares Geschenk des vergangenen Jahres, würden für eine besondere Waldarbeit taugen. Dexel- und Hohleisen, Handbohrer und Schnitzmesser sollte in den Rucksack wandern, denn auf meinem Weg stehen einige tote Bäume.

Giles, den ich in Varanasi traf, schickte mir seit dem immer mal Abbildungen von Bäumen, die er in englischen Wäldern bearbeitet hat. Manchmal schuf er an stehenden Stämmen Durchbrüche, die aussahen, wie die gefletschten Zähne eines Raubtieres. Solcherlei Gegenständlichkeit ist sicher nicht die Sache, die am Hang passend wäre. Ich muss damit langsam beginnen, mit Bohrungen, ausgesägten Formen oder nur mit Ritzungen. Durch den großen Unterschied zu den anderen Bearbeitungen würde sich eine neue Raumdefinition einleiten, die sich durch den Bezug der geschnitzten Elemente aufeinander, den anderen Raumbeziehungen hinzugesellte. Eine weitere Schicht. Vielleicht dürften diese Eingriffe beim ersten Hinschauen eher der Arbeit eines Spechtes ähneln. Und erst beim zweiten Hinsehen würde sich die gestaltende Hand zu erkennen geben.

Manchmal geht mir ein Geschichtspfad durch den Kopf, der durchs Tevesgelände führt. Schritt für Schritt trifft man auf Landmarken, die Ereignisse oder verlorene Architekturen markieren. Pfeiler, Bodenplatten, Sichtachsen und Architekturkonstellationen als Erinnerungsorte. So versuche ich das Gedenken an die Gefangenen in einen größeren Kontext zu setzen.

Engere Räume am Hang

Die lärmende Durchdringung der Stadtlandschaft ist grob motorisiert. Müllautos entwickeln alleine im Stehen unter dem Fenster ein Geräusch, das sich dem Hörbarmachen eines Erdbebens nähert. Aber auch die Anlieferungslaster des Supermarktes, reifen im Stehen zu Lärmschleudern mit fahrenden Plattformen und klappernden Wagen auf den Gehwegen. Der angesagte Südostwind hat noch nicht eingesetzt, wodurch wir noch keinen startenden Flugverkehr über dem Haus haben.

Kurz entschlossen bin ich gestern in den Wald gefahren Der Hang lag an der Untergrenze der lockeren Wolkenschicht. Je weiter ich nach oben stieg, umso nebeliger wurde es. Die Lichtwechsel der eingefärbten Wolken waren wieder anders und unwirklich, weil das warme Apricot dem wenigen Raureif an meinen Astgespinsten kontrastreich gegenüberstand. Das gut zu fotografieren ist nicht so leicht. Ich arbeitete fleißig, die Lücken am Weg zu füllen. Die Masse von Veränderungen bildet nun mittlerweile einen entscheidenden Anteil an der Qualität der Arbeit. Immer schneller findet das Auge die vielen kleinen Veränderungen. Sie nehmen so zu, dass sie mittlerweile als das Normale auf dem Weg erscheinen. Wenn ich ihn verlasse, vermisse ich die Steine in Augenhöhe und finde das am Boden ungeordnet liegende Material ungewöhnlich. Zwischen den drei beieinander stehenden Stämmen setzte ich einen weiteren gebogenen Ast ein. Jetzt stehen sich dort zwei gespannte Formen gegenüber. Diese Stelle reizt zum Weiterarbeiten. Sie ist der Impuls, der dem dritten Drittel des Weges noch mehr Dichte verleihen kann. Das Materialangebot ist dort oben groß und stammt neben dem frisch abgeschlagenen Ästen aus solchen, die von Forstarbeiten vor vielleicht sechs Jahren stammen. Dieses Holz ist schon von allem fein strukturierten Material befreit.

Die Räume auf dem Weg werden langsam enger.

Keimling

Neben einem Baum, den ich aus einem Samen einer langen Schote eines unbekannten Baumes zog, wächst im selben Topf ein mir ebenfalls unbekannter Keimling. Die frisch sprießenden Blätter sind etwas behaart und eher weißgrün, um dann eilig in ein dunkles, kaltes Grün zu wechseln. Diesem Spross sollte ich einen eigenen Topf mit eigener Erde geben und etwas mehr Licht.

Das Essen gestern Abend „zwischen den Jahren“ bei Tine und Adi, zu dem wir nun schon seit vielen Jahren, einem Jahrzehnt verschwimmender Zeit eingeladen werden, bleibt ein kleines Ereignis. Manchmal sitze ich gerne ein Weilchen schweigend zwischen all den Leuten, die sich viel zu erzählen haben.

Im winterlichen Beginn dieses Jahres fotografierte ich manchmal einzelne Abschnitte der blattlosen Baumkronen vor meinem Fenster. Nun versuche ich die Stellen wieder zu finden, die mir damals ins Auge fielen.

Die täglichen Zeichnungen bekommen immer mal etwas mehr beobachtende Aufmerksamkeit, als würde sie ein Anderer herstellen. Meine Sinne schärfen sich durch die Beobachtung der Linienanbdrücke meines rechten Handballens, der auf die Handkante zuläuft. Meinem Ziel, Zeichnungen dergestalt hinzubekommen, dass sie fast unendlich vergrößerbar sind, ohne an Spannung zu verlieren, bin ich nun auf Umwegen näher gekommen. Die Kompositionen der täglichen Collagen haben Rückwirkungen auf mein Kompositionsverhalten beim Anfertigen der täglichen Zeichnungen in den Büchern. Ich hoffe auf eine konzentrierende Wirkung in der Kontinuität von Hanggängen und den stetigen zeichnerischen Verflechtungen.

Brasilianisch | Raumtreue

Die brasilianischen Installationen in der Schirnkunsthalle boten, was zu erwarten war: von sparsam lustvollen Gedanken durchbrochene kindliche Naivität, weitgehend unpolitisch, frisch und leicht konsumierbar und sich seiner selbst sicher. Das machte durchaus gute Laune, war weniger auf ein geistiges Erlebnisse, als auf haptische Erfahrungen ausgerichtet. Somit waren wir schnell wieder draußen und suchten uns im Metropol ein Plätzchen für ein kühles alkoholisches Getränk.

Im Atelier, vorher am Nachmittag, wandte ich mich, wie ich mir es Vorgestern vorgenommen hatte, der Blutkreislauffigur innerhalb des Geflechtes der Reliefmalerei zu. Während der Arbeit tastete ich mich geruhsam an die Maßverhältnisse heran, die zu einem spannenden Bild und einer ausgewogenen Komposition führen sollen. In den nächsten Arbeitsschritten werde ich die Dunkelheiten weiter differenzieren. Die ganze Zeit schon denke ich darüber nach, ein dunkles Indigo mit einzufügen, mache es aber vielleicht erst während der nächsten Malerei von Anfang an.

Das bisher ganz gut dokumentierte Geschehen füllte ich mit weiteren Fotos vom Fortgang auf. Die Entstehung des Bildes könnte per Diashow mit Überblendungen ganz gut sichtbar gemacht werden

Die Tage zwischen den Jahren sind ganz erholsam. Gestern arbeitete ich viereinhalb Stunden. Mehr muss es manchmal nicht sein, wenn die Versorgungsverhältnisse geklärt sind.

Ich habe Sehnsucht nach den Raumgreifern meines Hangs, die ihrerseits meine Treue einfordern.

Katze im Brunnen

Gestern, am Freitagnachmittag, bin ich ins Atelier gegangen, um an meiner Reliefmalerei weiter zu arbeiten und um die Pflanzen nach ein paar Tagen wieder zu wässern.

Von der Findung abstrakter Figuren habe ich mich nun dem Kreuzstabträger zugewandt. Auf der rechten oberen Seite hob ich ihn hell hervor, legte Schicht um Schicht Weiß auf und dunkelte die Umgebung etwas ab. Die Figur funktioniert nun als klare Orientierung und verweist mit ihrer Erscheinung auf die fragmentarischen Hervorhebungen der Figur an anderen Stellen, meist nur durch die Betonung der Vertiefungen mit dunklen Linien. Nach diesem klaren Schritt, der dem Format gut getan hat, werde ich auch die Blutkreislauffigur an anderer Stelle hervorheben, um dann weiterschauen zu können, was sich entwickelt.

Am Abend hörte ich aus der Musiksammlung von siebenundvierzig Dylanalben die zwei „Oh Mercy“ und „Under The Red Sky“. Der Titelsong des letzteren mit demselben Namen, kam mir immer, sowohl textlich als auch musikalisch, wie ein Bezug auf George Harrison vor. Nun habe ich in dem reichhaltigen Material, das uns zur Entstehung aller Alben zur Verfügung steht, gefunden, dass er selbst in der Aufnahme zugegen war und Slideguitar spielte.

Während ich die Alben höre, lese ich die Texte mit. Das ist manchmal anstrengend, weil ich zu vielen Assoziationen verleitet werde, die mich zu selbst erfundenen Geschichten inspirieren.

Krishnababy zeigt auf:

„The cat`s in the well and the servant is at the door

The drinks are ready and the dogs are going to war”

aus “Cat`s in the Well”.

Nok-Kultur

Die Archäologen der Frankfurter Universität graben unter Herrn Breunig im Süden von Nigeria Reste einer schon länger durch Funde bekannten, über zweitausend Jahre alten Nok-Kultur aus. Die auffälligsten Objekte, durch die überhaupt erst die Aufmerksamkeit geweckt wurde, sind röhrenförmige Terrakottaplastiken, die menschliche Figuren oder die Geister Verstorbener darstellen könnten. Im Liebieghaus ist dazu eine Ausstellung zu besichtigen, die diese Funde zwischen griechisch-römischen Skulpturen aus ähnlicher Zeit präsentiert. Weil die Arbeiten aus völlig unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen stammen, erscheint mir die gemeinsame Entstehungszeit eine willkürliche Klammer. Dadurch kann sich der Blick nicht auf die Eigenart der Fragmente konzentrieren, wird eher durch den Vergleich abgelenkt. Neben stereotypen dreieckigen Augen und Mensch-Tier-Vermischungen, fällt besonders der fein ausgearbeitete Schmuck auf. Die Wirkung der Figuren wird sehr auf die Gesichter gelenkt. Sie könnten solche von Verstorbenen sein, deren Seelen gebändigt werden, indem die Figuren zerbrochen wurden und ihre Einzelteile weit voneinander entfernt bestattet wurden.

Afrikanische Friedhöfe, die ich aus Namibia kenne, sind weit von den Siedlungen entfernt und werden kaum besucht. Die Leute haben vor den Geistern Angst.

Zur Nok-Kultur gibt es keine schriftlichen Zeugnisse, wodurch sich die wissenschaftliche Forschung nur auf die Kunstwerke stützen kann. Oft sind die Umgebungen, also die Fundkontexte durch Raubgrabungen zerstört. Ähnlich wie in Ägypten, Tadschikistan, Sibirien und in der Türkei. So wird Geschichte gelöscht.

Das große Feuer 1984

Regenspaziergang am Main, Vogelschwärme bewohnen die Ufer. Die Wildgänse sind schon fast Haustiere. Mövenwolken flogen die spiralförmigen Formationen, die ich vor dreißig Jahren an der Elbe zeichnete. Es gab bei Gauernitz eine Insel, zu der man bei Niedrigwasser über einen diagonal zur Strömung verlaufenden Damm laufen konnte. Auf ihr ragte aus wildem Unterholz eine Kastanienallee, die auf ein Rondell zulief, in dem ein kleiner, alter Pavillon stand. Die Anlage ist gewiss von den ehemaligen Besitzern des Gauernitzer Schlosses als eine Art Lustgarten geschaffen worden.

Ich zeichnete damals alles, was ich sah, überall wo ich ging, saß oder stand. Vieles davon habe ich dann im Frühjahr 1984 in einem großen Feuer im Garten verbrannt. Mitsamt einem Tisch gingen etwa tausend Zeichnungen in den Flammen auf. Sie galten als Kulturgut der Deutschen Demokratischen Republik und hätten bei einem Umzug in den Westen verzollt werden müssen. Ich konnte mir meine eigenen Zeichnungen nicht leisten. Auch war nach der überraschenden Benachrichtigung, dass man ausreisen könne, Eile geboten.

Das Ufer der Elbe war damals von den stark schwankenden Wasserständen und andererseits von all dem ungeklärten Unrat geprägt, den sie mit sich führte. Der Fluss stank.

Im Tagebuch von 1978 las ich, dass ich damals mit dem Bau meines Ateliers beschäftigt war, Sauerkirschen zur Weinherstellung stahl und meine Tochter windelte. Die künstlerische Arbeit war vielfältig – Steinskulpturen, Grafik, Zeichnungen, Aquarelle und Ölmalerei. Im Tagebuch befinden sich eingeklebte Skizzen von Gesträuchen, ein Selbstporträt und Entwürfe für Holzschnitte oder für Malerei.

Farbiges Grau

Ein Regentag. Die Krähen erwarten den regelmäßigen Zug der Müllautos, die heute, am Weihnachtstag allerdings nichts Fressbares für sie nebenher fallenlassen werden. Kaum Bewegung auf der Allee.

Aber in den vielen Pfützen spiegeln sich grauweiße Himmelsflecken und die Streifen der schwarzen Baumstämme. Von den Tropfentreffern breiten sich die Ringe aus, schneiden sich mit anderen, überlagern ihre Kreislinien und reflektieren so neue Energiewellen.

Von der Schreibtischplatte habe ich einiges nach hinten auf die Fensterbank verschoben. Auch Krishnababy musste ein wenig, wie auch ein großes Stück Perlmutt vom Golf von Thailand, weichen. Dahinter stehen leer und verschachtelt das Cafe, der Kindergarten und die Schule im warmen Grau des Ecken füllenden Windes. Er schafft es nicht mehr, die nassen, schweren Laubreste aufzuwirbeln. Alles klebt im Schlamm fest.

Wenn ich intensiv in den grauen Himmel schaue, kann ich verschiedene Farben wahrnehmen. Es kommt darauf an, in welche Richtungen ich dabei denken und somit manche Farbtöne in diese Richtungen verändern kann. Oft verstärke ich auf diese Weise die apricotfarbenen Elemente durch eine Betonung ihres tiefdunklen, blauen Gegensatzes, der vom herabfließenden Wasser feuchten Baumstämme. Das Grün des Mooses leuchtet in diesen Monaten besonders intensiv. Es bildet die Miniaturwälder, die auf den steilen Landschaften der dicken Äste wachsen, den Jagdräumen der verschiedenen Vögel.

Tausend Meter für mich alleine

Gestern am Hang auf den tausend Metern Raum für mich alleine, kam ich auf die Idee, die Dichte der Eingriffe in die vorhandenen Strukturen so zu steigern, dass auf jeden Meter eine kleine Installation kommt, also tausend ineinander greifende Stücke, Bilder und Geflechte. Das ist durchaus möglich, wenn ich mehrere so inspirierte Tage habe, wie gestern und an ihnen so richtig zulange. Außerdem dachte ich, fehlende Äste als Halterungen in Augenhöhe mit einem Bohrer einzusetzen. Ich versuchte, als es schon fast dunkel war, einen Ast zwischen zwei von drei relativ eng beieinander stehenden Bäumen im oberen Drittel zu spannen. Leichter wäre das mit zwei Bohrungen gegangen, in die ich die jeweiligen Enden des Astes hätte stecken können. Etwas Zweifel an diesem Konzept habe ich schon, weil es die Strenge des Umgangs mit den vorhandenen Möglichkeiten verlässt. Andererseits habe ich von Herrn Roos so schöne Handbohrer geerbt – probieren kann ich’s ja mal. Entspannt und fleißig war ich gestern unterwegs. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, bin ich spät aufgestanden und ließ mir mit dem Tagebuch am Vormittag Zeit. Am Hang war es relativ warm. Manchmal zogen Wolken zwischen die Stämme. Aber dann kam so ein hörbarer Luftzug, der durch die Wipfel streift, und alles war wieder klar. Dieses Geräusch in meinem Rücken war aber unheimlich, hätte auch was anderes sein können. Ich war allein, kein Mensch zu sehen und zu hören, und es dunkelte schon merklich.

Das Gras des Sommers ist jetzt ganz umgelegt und es erscheinen Figuren, die ich vor einiger Zeit mit kleinen Steinen gelegt hatte wieder. Manchmal, ein ganzes Stück vom Weg entfernt, stoße ich auf Steine die auf Ästen liegen oder in Astgabeln geklemmt sind, welche ich in einer Zeit platziert hatte, in denen der Weg noch nicht so deutlich markiert war.

Alltägliche Szenerie

Während ein kleiner Blues im Kopf klingt, geht der Blick weit hinter die Bäume. In diese Richtung schauend, suche ich nach einer Verbindung zu meinem Hang. Ein Junge mit einem leuchtenden gelbgrünen Streifen auf seinem grauen Anorak läuft nach Links, nach Westen. Die eilig nach Osten ziehenden Wolken sorgen für schnelle Lichtwechsel. Vor ihnen, im sich in meinem Fenster leuchtend spiegelnden südlichen Fensterausschnitt, zeichnen sich die Silhouetten der Glöckchen ab. Ähnliches Licht spiegelt sich in den großen Giebelfensterflächen der Hindemithschule. Die alltägliche, immer neue, oft beschriebene Szenerie.

In der großen Bahnhofshalle, zwischen den banalen Weihnachtsbuden, die unter der imposanten Kuppel den Krämerkleingeist des Managements bezeugen, verabschiedeten wir am frühen Abend Kirsten und Mona, mit denen wir eine paar Stunden in einem Cafe  verbracht haben. Seit einigen Monaten arbeitet Mona in Istanbul und erzählte glücklich von ihrem Leben in der Metropole.

Außer dort gibt es derzeit in vielen großen Städten der Welt Demonstrationen gegen undemokratische Machtstrukturen der Regierungen, deren Mitglieder sich als Herrscher aufspielen. Die Bewegungen wissen durch die elektronische Vernetzung voneinander und bestärken sich gegenseitig. Auffällig ist dabei überall der große Unterschied zwischen den Forderungen einer Stadtbevölkerung und dem Beharren auf dem Land, wo Clanstrukturen ein traditionelles Überleben althergebrachter Lebensweisen garantieren. In der Regel bleiben dort die Rechte der Frauen und von Minderheiten auf der Strecke.

Der heutige Tag zeigt zwischen lockeren Wolken mildes Licht. Es wäre der richtige Tag für einen Hangang.

Katzengold | Glaspunkt

Durch den Wind springt eine Elster die Äste hinauf. Sie interessiert sich nicht für meine Blinkzeichen, die ich ihr mit dem Spiegel von der Schreibtischlampe hinauf sende. Aber als ein seltener Schwarm Ringeltauben herbeigeweht wurde, duckte sie sich gegen seine Flugrichtung.

Der gestrige Tag verging ohne Arbeit. Im Atelier drehte ich lediglich die Heizung runter, warf einen Blick auf mein halbfertiges Bild, ohne einen Impuls, daran weiter zu arbeiten. Den Nachbarn, auch der Anatolierin wünschte ich schöne Feiertage. Das war ganz leicht. In diesem Moment verschmolzen die vergangenen Gesten mit ihrem gegenwärtigen Lächeln zu einem stecknadelkopfgroßen Glaspunkt zusammen.

Manchmal schlage ich unsere Glöckchensammlung unter dem Türsturz zwischen unseren Arbeitszimmern an. Das klingt wie Katzengold.

In der TAZ ist eine kleine Geschichte von B. zum Tod von Doris Lessing erschienen. Sie erzählt wie die Dichterin als Mädchen die selbst genähten sackartigen Kleider ihrer Mutter satt hatte. Um eigene Stoffe kaufen zu können, und sie selber zu nähen, ging sie mit einer Flinte in den Busch, um dort Rebhühner zu schießen, die sie verkaufen konnte. Zum Text war ein Bild gestellt, das das Gesicht der alten Frau mit ihrer ganzen jungen Verwegenheit zeigte.

Am Abend hatten wir Besuch von Gudrun und Carola zur Lammkeule, die wir im Römertopf gemacht hatten. Heute treffen wir Mona und Kirsten. Mona war zwei Monate in Istanbul, um an ihrem Roman weiter zu arbeiten. Ich freue mich auf ihre Geschichten.

Lichtsegel

Im derzeitigen Stadium der Malerei geht es nur langsam voran. Ich habe zu viele Möglichkeiten, die die Relieflinien anbieten in Anspruch genommen, die das Ganze nun etwas auseinander fliegen lassen. Die Bildfläche flüstert mir: “Du hast dich übernommen.“, zu. Das Echo klingt von den Atelierwänden zurück, wenn die Schüler nicht da sind und ich alleine bin. Gestern trieb es mich dann raus. Ich hatte das Gefühl, ein paar Tage fernbleiben zu müssen. Vielleicht ändert sich in dieser Zeit etwas an mir, das es mir ermöglicht, das Relief-Bild auf eine einfache Art zu Ende zu malen.

In den kahlen Ästen vor dem Fenster hängt ein großes rosafarbenes Wolkenschiff. Langsam fährt es, in dem es die Segel mit immer mehr Licht füllt nach Osten. Mein Kaffee ist ausgetrunken und die Nachtlichter der Schlaflosen verblassen.

Mit Grauburgunderschorle fühlte ich mich am Weinstand betrogen, weder Fisch noch Fleisch. Nur die kompakte Kälte kroch an den Beinen herauf.

Mit unserem ganz normalen Freitagsritual in Pietros Pizzeria begingen wir unseren siebzehnten Hochzeitstag. Er schenkte uns, wie in jedem Jahr zu Weihnachten einen klassischen Panettone. Am Küchentisch redeten wir noch über unseren hausgottähnlichen performing Artist, über seine Art, sich aus dem amerikanischen Songbook und aus seinen eigenen Arbeitsphasen vergangener Zeiten zu bedienen. Seine Auftritte zeigen eine sich langsam verändernde Kunstfigur. Krishnababy zeigt auf einen Satz eines jüngeren Interviews mit Dylan im „Rolling Stone“: „Ein Performer kennt eigentlich überhaupt keine Gefühle. Er ist eine Art Alchemist, könnte man sagen.“

Die Last allen Erinnerns

Positive Meldung zu unserem Förderantrag vom Architekturmuseum. Die Mühlen mahlen aber nach wie vor langsam. Eine endgültige Entscheidung erfolgt dann erst im kommenden Jahr.

Auf dem Bildschirm, denn nur dort ist es möglich, habe ich mir mittels einer Diashowfunktion die Collagen des bisherigen Jahres angesehen. Durch das Überblenden der angezeigten Collage in die nächste Abbildung, kommt es zu dem weichen Übergang, der sichtbar macht, wie manche Elemente ein paar Tage mitwandern und dann langsam verschwinden. Ein Gleichnis zum Erinnern und Vergessen. Das Ausblenden ist ein Verwandter des Vergessens, und wir brauchten keinen Gedenkstein, wenn es das Vergessen nicht gäbe. Die Last allen Erinnerns würde uns niederdrücken und in den Boden stampfen, aus dem wir dann als Erinnerung wieder aufstehen könnten. Ich frage mich, ob ein Gedenkstein mit einem Panoramafenster in die Vergangenheit eine Last mindern kann oder soll.

Auf altägyptischen Reliefs erkennt man die Gefangenen; die im Gleichschritt in die Sklaverei ziehen daran, dass ihre Arme schmerzhaft verdreht auf dem Rücken gebunden sind. Die Ordnung der Dokumentation ist die Schwester des Erinnerns und der kalten Grausamkeit.

Den ganzen Ateliernachmittag beschäftigte mich die Reliefmalerei. Am Abend dann war es mir so, als würde ich an einer Landschaft arbeiten. Immer wieder vertiefte ich im Gedenken an das Gedenken die Gräben der Linien mit Graphit zu Mustern eines Neuanfangs.

Rhythmisch – Malerei, Hanggang, Theater

Noch kein Frost in den Nächten, eher milde Luft folgt der anhaltenden südwestlichen Luftströmung. Als ich gestern in den Taunus fuhr, wurde es, je weiter ich nach oben zu meinem Hang kam, immer wärmer. Es waren zehn Grad, als ich ankam.

Die Hanggänge, wenn es geht wöchentlich, stabilisieren meinen Raum, indem ich nur wenig Hand anlegen muss. Die kleinen Geflechte bekommen meine besondere Aufmerksamkeit. Jedes gegabelte Stück Holz, das ich an einem kurzen Fichtenast im unteren Bereich der Baumstämme hänge, harrt einer Zukunft aus erneuten Verspannungen, Verflechtungen und anderen Additionen, Verschlankungen und weiteren Verformungen, während des Ausbaus in der Zeit der noch folgenden Hanggänge. Während des Abstiegs zählte ich diesmal zweihundertfünfzehn Bodenzeichnungen, Steinsetzungen oder andere Veränderungen des Raumes.

Vor und nach dem Hanggang Malerei im Atelier. Die wichtigsten Entscheidungen, die ich da derzeit zu treffen habe, beziehen sich immer darauf, wie viel Ornament ich auf den Reliefs zulassen will. Ansonsten komme ich so langsam in den Rhythmus von Malerei, wie ich sie körperlich erinnere, wie sie mir Variantenreichtum ermöglicht.

Eine berserkerhafte Inszenierung von Borcherts „Draußen vor der Tür“ im kleinen Haus des Schauspiels. Das Stationendrama wurde als Steinbruch benutzt. Die losgeschlagenen und zertrümmerten Brocken sind in einen Block aus Bühnenkitsch gegossen worden. Der bestand beispielsweise aus dem feudalistischen Bühnenrelikt des entwürdigenden Vorsprechens. Jeder Grad an Entäußerung, der von einem Regisseur oder einem Team als nicht passend für Ensemble oder Stück abgelehnt wird, vergrößert die Schmach. Der Absolutismus der Intendanten ist unzeitgemäß, wie das Theater selber…

Gekontert

Nachdem ich meine Website aktualisiert und den neuen Eintrag mit dem Titel „Streiflicht“ überschrieben und veröffentlicht hatte, ging ich ins Atelier. Das strahlte im milden Vormittagslicht. In ihm malte ich, wie auch am Nachmittag am Relief und begann ein einzelnes Element, den Längsstab des Kreuzstabträgers mehrmals, wie in einem ausgerichteten Raster zu wiederholen. Dadurch tat sich eine neue Ebene auf, die durch die Einbeziehung desselben Elementes in den zwei anderen Winkeln der Überlagerungsrichtungen noch vervielfältigt werden kann. Die blumenartigen Ornamentfragmente werden also durch einen strengen Rhythmus gekontert.

Daneben zeichnete ich in sicherer Entfernung an Rolle 6 weiter. Die dortigen Figuren haben Ähnlichkeiten mit denen, die derzeit auf dem Relief entstehen. Der Zeichentisch ist der Beobachtungsposten für die Malerei an den Staffelei.

Immer mal denke ich daran, dass sich die Behandlung der Überlagerungslinien für eine Oberflächenstruktur eines Gedenkblocks eignen würde. Die Durchlässigkeit eines Fensters träfe auf den hermetischen Materialblock. In beiden Elementen geht es auch um Wiederholungsmuster. Die Geschichte von Kriegsgefangenschaft und Versklavung ist so alt wie die Menschheit. So steht also wieder ein exemplarisches Gedenken für kontinuierlich wiederholte Prozesse, wie beim Gastarbeiterdenkmal.

Am Abend während eines Treffens mit Helga, Thomas und Tobias ging es um die weitere Organisation und neue Ergebnisse unserer Forschungen. Ich erzählte auch Deniz davon, von dem Fortkommen dieser Arbeiten und ihren Zusammenhängen mit der Geschichte des Tevesgeländes.

Streiflicht

Auf der ersten der zwei Schallplatten des Folk- und Bluesfestivals Neunzehnhundertsechsundsechzig in Dresden von der Plattenfirma Amiga, ist der zweite Titel auf der ersten Seite „All Your Love“ von Otis Rush. Seine musikalische Struktur gleicht dem Dylansong „Beyond Here Lies Nothing“ aus dem neueren Album „Together Through Life“. Der Text ist ein anderer und die Autorenschaft ist ganz mit Dylan angegeben. Wenn Zeilen oder Abschnitte neu zusammengestellt werden, handelt es sich um eine postmoderne Montagetechnik, die als eigene Kunstform gelten kann. Ich würde mich allerdings auch wohler finden, wenn die Urheber längerer Passagen oder ganzer Songstrukturen, die genau übernommen worden sind, genannt würden.

Vormittags war ich zwei Stunden im Atelier, arbeitete etwas am Relief und fotografierte es. Die Sonne schien durch die Pflanzen, dass ich die Staffelei mit der Arbeit darauf ins Streiflicht schieben konnte. Nach wie vor arbeite ich eher vorsichtig. Für Eile gibt es keinen Grund.

Nach meinem letzten Hanggang ist wieder eine Woche rum, und ich will in den Wald, sehne mich nach seiner feuchten Frische und seinem geisternden Raum.

Mit den vier Dimensionen des Hustens habe ich genug. In seinen krampfigen Nächten beschert er mir Traumräume in gefährlichen Terrains.

Meine gelebte Zeit wird von dem regelmäßigen Ornament des Schreibens überzogen. Das Ritual der täglichen Anstrengung schreibt sich immer tiefer in den Ablauf. Drei Abschnitte und drei Zeichnungen auf zwei Seiten. Alle drei Monate ein neues Buch. Ich zähle einen langsamen Walzer mit der Betonung auf dem ersten Takt.

Vögel | Wasserfarben | Kinder

Der noch graue Beton der Neubauten hinter dem Astgeflecht der Allee und der Quäkerwiese, bekommt an diesem klaren Montagmorgen apricotfarbenes Licht. Links daneben ist die Horizontlinie des Taunus noch zu ahnen. Aber die Kräne davor zeigen an, dass das nicht mehr lange so bleiben wird. Es kann dennoch ein leuchtender Tag werden.

Durch die Ereignislosigkeit des bronchitischen Wochenendes, ist die Arbeit und alles, was mit Kunst zutun hat, etwas von mir abgerückt. Manchmal brauche ich ein paar Stunden, in denen nichts wichtig ist. Oft hängt das am Montag noch an mir. Und dann scheue ich davor zurück, Krishnababy auf einen Zeitungsartikel zum siebzigsten Geburtstag von Keith Richards zu setzen. Mir fehlen die Kommentare zu den hin- und herwandernden Müttern, deren zurückgelehnt, unwillig laufende, mitgeschleppte Kinder sichtbar an einem anderen Ort der Welt sein wollen.

Beobachten kann ich, was mein rechter Handballen mit den Wasserfarben der Zeichnungen macht, der Variantenreichtum der Wischbewegungen und Handlinienabdrücken. Keiner der Vorgänge lässt sich mit genau dem gleichen Ergebnis wiederholen.

Im Himmel des Fensters hinter mir, der sich im Fenster vor mir gemeinsam mit der Glöckchensammlung in der Tür zwischen unseren Zimmern spiegelt, kreist ein Taubenschwarm. In den Bäumen sitzen Spechte, Eichelhäher und Ringeltauben.

Die kleine Dosis Atelierarbeit am Sonnabend reichte genau, um an den Stellen auf Rolle 6 und dem Wandbild langsam weiterarbeiten zu können.

Gegenstandsmasken | Traum

Während es in Jerusalem schneit, bringt ein kräftiger Südwestwind milde Luft in unsere Breiten. Die Abgase der Autos, die unter einer austauscharmen Inversionswetterlage angereichert waren, sind fort geblasen. Es ist Sonntag, fünf Uhr dreißig am Morgen. Ich meine die ersten Starts am Flughafen schon gehört zu haben, ein Aufheulen von Triebwerken jedenfalls.

Erinnerungen an die Schreinerlehre, als ich gestern die Schraubzwingen vom montierten Wandbild löste – der Klang Metall auf Metall beim Beiseitelegen der Zwingen. Das sechsteilige Format steht nun auf meiner schweren Staffelei. Ganz vorsichtig begann ich mit Bleistift Linien zu ziehen, die allein der Intuition des Momentes folgten. So entstanden abstrakte Formen, die, wollte man sie in Gegenstandsmasken stecken, am ehesten Pflanzen ähneln könnten. Aber die Vorsicht und Langsamkeit, mit der ich vorging, ließ mich dann bald innehalten, um mich der Rolle 6 zuzuwenden. So konnte ich aus sicherer Entfernung vom Zeichentisch aus beobachten, wie sich die silbrigen Reliefspitzen im Streiflicht neben den zartgrauen Feldern ausnahmen. Ein kurzes Gespräch zu dritt in Deniz` Atelier. Auch Roland erzählte mir von seiner Arbeit.

Abends zeitig im Bett. Ich träumte von einer wilden Hundejagd in einem Raum mit großen vielteiligen Werkstattscheibenfenstern, von Korridoren umgeben. Ich lag am Boden, während die Hunde immer im Kreis über mich hinweg rannten. Ein Förster stieg am Hang gemeinsam mit einem Bären von einem Baum. Eine vierköpfige Bärenfamilie erschien, während mich der Förster mit Namen ansprach und meinte, ich hätte nun ein Problem. Ich flüchtete auf einen Baum, stürzte mit einem herabfallenden Ast ab, verletzte mich dabei nicht und flüchtete weiter und versteckte mich klopfenden Herzens. Froh glitt ich aus dem Schlaf.

Irrtum | Dekalog

Gestern früh irrte ich. Nach Acht kam ein Anruf, ob ich nicht die Lehrlinge übernehmen könnte. Ich stieg also in meine Ausbilderuniform, nannte fortan Simone zur Strafe Marianne und brachte Jasmina Perspektivkonstruktion bei, ein wirkliches Unterfangen. Ab vierzehn Uhr die Hindemithkinder. Alle verlangen die ganze Aufmerksamkeit von mir.

Dennoch konnte ich die grundierten Reliefs in mein Wandbildgestell montieren. Nun kann ich es auf die Staffelei stellen, es lange anschauen und dann versuchen, etwas Neues damit zu beginnen.

Ein Abend mit Mathilda auf dem Markt. Was für eine Freude…

Aus grauer Vorzeit ist mir noch der Titel des Filmzyklus „Dekalog“ im Kopf, weiß aber nicht ob ich jemals was davon gesehen habe. Im Kleinen Haus, der Bühne, die sich an der Mainseite des großen Theaterklotzes befindet, wurde gestern die Premiere einer Dramatisierung dieses Stoffes gezeigt. Auf verschiedenen Podien, die durch Treppen miteinander verbunden waren, wurden Situationen durchgespielt, in denen die Einhaltung der zehn Gebote infrage gestellt wurde. Die Zuschauer konnten mit digitalen Abstimmungsfernbedienungen über zugespitzte Fragestellungen entscheiden. Je nach Abstimmungsergebnis, führte die Handlung in eine der beiden möglichen Richtungen weiter. Allerdings hätte es weitaus mehr Handlungsmöglichkeiten gegeben, wodurch das Spielkonstrukt etwas hölzern und letztlich unzutreffend blieb.

Auf dem Heimweg begegnen einem in letzter Zeit immer mehr junge Menschen, die mit Schnapsflaschen unterwegs sind. In der Folge tritt leichter eine Aggressivität zutage, die mit der Unmöglichkeit des Unterfangens zutun hat, mit der allgemeinen Beschleunigung standzuhalten.

Erinnerungsmaterie

Es ist Freitag der Dreizehnte kurz nach Sechs Uhr morgens. Hinter den Spiegelungen meiner Hände beginnt sich der wöchentliche Kleinhandel zu organisieren. So kann ich am Vormittag, wenn ich meine Arbeitstagebuchdatei nacharbeite, dem Treiben auf der anderen Alleeseite zuschauen.

Als wir diese Wohnung besichtigten, sprach der Verwalter von der vom Wochenmarkt herrührenden Lebensqualität. Damit sollte er auf lange Zeit Recht behalten.

Ich fragte damals auch nach den deutlich hörbaren Durchsagen des Güterbahnhofes. In der Ferne knackten die weit verteilten Flüstertüten, bevor eine Art hallender unverständlicher Gesang anhob, dessen Echo von den großen Abständen der Lautsprecher herkam. Ich hätte mir Songs vom Tom Waits in dieser Soundumgebung gewünscht.

Tom Waits haben wir den ganzen Workshopabend hindurch gehört. Beim „Black Rider“ erinnerte ich mich an die Arbeitsorgien im Malsaal des Heidelberger Theaters. Nora konnte meine schlechte Laune mit Velvet Underground heilen. Sie war frech, sanft, fleißig, humorvoll, zielstrebig und ehrlich. Man kann sich über Musik schnell und direkt erinnern, meinte Monika gestern, und Nora ist eine gute Erinnerung.

So können sich die Gefühle der Vergangenheit auf einen Punkt, der die Gegenwart ist, konzentrieren, wie Materie, die sich in schwarzen Löchern verdichtet und die Bewegungen der Elektronen einschränkt.

Handelndes Holz

Ein großer Ficus, der schon als wir das Heidelberger Theater verließen ein betagter Baum war, steht nun schon seit Jahren an derselben Stelle auf der linken Seite am nördlichen Rolltor des Ateliers. Ich stellte ihn so, dass die etwas einseitig gewachsene Krone vom Licht weg in den Raum ragt. Erst im vergangenen Jahr begann er langsam das, was ich mit dieser Ausrichtung bezweckt hatte, indem er die Äste vorsichtig zum Licht hin wendet und sich somit wieder ein Gleichgewicht schafft. Bisher ist es nur eine vorsichtige Tendenz des handelnden Holzes, die wieder illustriert, was ein Zeitraum sein kann. Der Olivenbaum, den mir Roland in bedauernswertem Zustand mitbrachte, beginnt nun auch neue Blätter zu entwickeln. Die große Sukkulente treibt zwei riesige gelbe Blütendolden, die, wenn sie nicht ihren stattlichen Umfang hätte, die Pflanze zum Sterben verurteilt hätten. Aber sie ist so häufig verzweigt, dass ich das nicht befürchten muss.

Im Museum für angewandte Kunst zeigte ich den Lehrlingen die Ausstellung zur Entstehung einer Modekollektion. Besonders versuchte ich ihnen die Materialcollagen, oder die Fotos mit den unterschiedlichen Bezügen zum Thema nahe zu bringen.

Die Farbe des geschmolzenen Lichts auf dem Waldboden erwärmt mich im Nachhinein. Die Schatten meiner Geflechte führen darin ein Eigenleben. Mit einfachen digitalen Handgriffen kann ich sie durchlässig werden lassen, um Durchblicke auf tiefere Schichten zu ermöglichen.

Versorgung

Zunächst nur kurz am Schreibtisch, sechs Uhr dreißig, Lichter und Spiegelungen, meine Hände im Fenster, einparkende Autos.

Gestern endlich wieder am Hang im Taunus. Übers Jahr hin herrscht immer verschiedenes Licht, nur zwei Mal höchstens derselbe Winkel, und die Farben gleichen sich auch nur annähernd. Je flacher der Winkel umso mehr Rotanteile und umso schneller die wandernden Schatten. Eine Zeit stand ich, die Wärme im Rücken, in einer Schneise und sah zu, wie die Strahlen langsam auf eines meiner Geflechte zu krochen, wartete darauf, fotografieren zu können. Beim Gehen kam das Gefühl auf, dass sich der Weg mit all seinen Zeichen langsam stabilisiert, wie durch ein Gewohnheitsrecht. Am Rand des oberen Querweges lag eine grüne Weinflasche. Unter dem Schraubverschluss roch der Rest noch fruchtig nach Traminer. Ich steckte die Flasche auf einen nach Westen zeigenden Querast. In allen vielen unversehrten Wegzeichen lese ich, wie in einem Buch, präge mir die Gestalt ihres Flechtwerkes ein. Die Anzahl und Vielgestalt wächst mit jedem Hanggang. Sichtbar sind die Eingriffe von fremder Hand. Helle Steine werden auf einem Querholz verrückt oder anders angeordnet, gebogene Stangen werden im unteren Bereich von den „Downhillern“ wieder aufgestellt, wenn sie umgefallen sind – friedliche Koexistenz. Hier, jetzt im Atelier spüre ich, wie mich der Wald mit Formkraft versorgt, mit Farben, Raum, Ruhe und Genugtuung.

Der Rückweg hinab ist meistens eher ein Schlendern. Von den Kristallgruben nehme ich immer ein paar Steine mit, zum Steinhaufen am Anfang des zweiten Drittels. Die Lichtfelder, waren gestern wie Pfeile, die geschmolzen auf dem Boden lagen. Während des Sonnenuntergangs wurde alles warmfarbig eingenebelt.

Unfug | Durchblick

Manchmal sind die Arbeitsvormittage am Schreibtisch in letzter Zeit etwas langsamer. Ich nehme mir für die Zusammenstellung der täglichen Collagen mehr Ruhe und lasse die Scans der Tagebuchzeichnungen weich ineinander übergehen. Gelegentlich taucht ein harter Schnitt auf, mit dem sich eine Tuschezeichnung der aktuellen Transparentpapierrolle hinzugesellt. Dabei bleiben mir Durchblicke auf die Collagen des Vortages und auch Fenster in die Zeit noch davor wichtig.

Dieser Gedanke führt direkt zu einer Form des Gedenkens, die mit solchen Zeitfenstern, durch die man in die Tiefe der Vergangenheit schauen kann, zutun hat. Diese Fenster haben viele hintereinander liegende Glasscheiben, die wie ein durchscheinender, aufgestellter Bilderstapel erscheinen. Ich stelle mir die aufeinander folgenden Frames einer Animation oder eines Filmes vor, die man alle gleichzeitig durchschauen kann.

In der FAZ ist ein Brief, den Matthias Altenburg an den Oberbürgermeister Peter Feldmann geschrieben hat, veröffentlicht. Er bezieht sich dabei auf ein Thesenpapier zur Kulturpolitik aus dem Büro Feldmann, die darin als „Schmiermittel sozialer Infrastruktur“ bezeichnet wird. Und jetzt zeigt Krishnababy in der Zeitung auf den Satz: „Selten hat man einen größeren Unfug gelesen, selten einen Text, der sich mit Kultur beschäftigt und ihr zugleich so fern ist.“ Danke Matthias, es ist mutig, einen Oberbürgermeister solchen Zuschnitts der Dummheit zu bezichtigen und ich bin froh, dass es Künstler gibt, die so etwas tun.

Im Atelier hatte ich einen handwerklichen Nachmittag. Mit einer Handsäge baute ich an der Hobelbank von Helgas Vater sechs Dreiecksrahmen, die als Trägerstruktur für mein persönliches Zweifigurenwandbild funktionieren sollen. Eine glückliche Arbeit.

Twyfelfontein | Ackermannwiese

Gestern sah ich einen kurzen Filmbericht über die Felsgravuren von Twyfelfontein. Mittlerweile wird das Alter der frühesten Abbildungen auf fünftausend Jahre geschätzt. Als ich mich vor Jahren dort umsah, sprach man noch von einem doppelten Zeitraum ihrer Existenz. Wichtige Felsbearbeitungen sind nicht gezeigt worden. So gibt es beispielsweise die Abbildung einer Antilope, die nur in einem bestimmten Einfallswinkel der Sonnenstrahlen sichtbar wird. Dann aber sieht sie einer schwebenden Lichterscheinung ähnlich. Auch die rätselhaften Linienflechtwerke, die wie abstrakte Zeichnungen anmuten, wurden weggelassen. Stattdessen viel Landschaft, Buschleute und Sonnenuntergänge.

Die Reliefs, die ich jetzt anfertige, sind ein Echo der Reise nach Namibia vor vielen Jahren. Meine modellierten Linien folgen einem ähnlichen Abbildungsimpuls. Einerseite geht es um Erinnerung, aber auch um Weitergabe und Konzentration.

Ich beginne nun ernsthaft die Linien des Lagergrundrisses auf der Ackermannwiese ins Auge zu fassen. Dort möchte ich mir einen Rhythmus erarbeiten, der meine Emotionalität als gegangene Zeichnung zeigt. Gleichzeitig möchte ich aber auch an den Recherchen von Helga mehr beteiligt sein, denn in den Akten aus der Zeit findet sich ein Stimmungsbild, das ich wahrnehmen und als Voraussetzung für die Arbeit kennen lernen möchte. Beim betrachten der jetzigen Luftbilder auf Google Earth, kann ich mich schon mit dem Zeichnen von Polygonen einarbeiten. Die unterschiedlichen Quellen, wie die Fundstücke, die Wanderungen, die Akten und die alten Fotos werden sich zu einem Materialblock zusammenfügen, der den soliden Grund für die künstlerische Arbeit bieten soll.

Rolle 6 | Wandbilder

An einer einzigen Stelle im Baumareal vor meinem Fenster, vielleicht in etwa dreißig Kubikmetern Raum, hängt noch ein gelber Rest von Blättern an ein paar Ästen. Alles andere hat der Sturm in der vergangenen Woche davongetragen. Die Straßenbeleuchtung ist schon ausgegangen, obwohl die graue Dämmerung, weil unter einer dicken Wolkenschicht nur wenig Licht bis zum Boden durchdringt, noch anhält. Eine Frau mit langem Mantel und Kopftuch sucht in den Papierkörben auf dem Spielplatz nach Flaschen.

Auf Rolle 6 habe ich planmäßig, wie ich es mir vorgenommen hatte, weitergearbeitet. Beide gegensätzlichen Versionen der einen Figuration habe ich noch einmal übereinander addiert. Auf diese Weise sind nun drei identische Konturzeichnungen entstanden, deren Füllungen sich unterscheiden, aber logisch miteinander verbunden sind. Die Formen sind mittlerweile völlig abstrakt.

Auf vier miteinander verbundene Dreiecksrahmen, die dann wieder ein großes Dreieck bilden, montierte ich vier Formate des Blutkreislaufreliefs, die ich mit den Jugendlichen des Internationalen Bundes ausgeformt und bemalt habe. Das Wandbild soll in den Räumen des IB aufgehängt werden.

Als Nächstes werde ich mein eigenes Zweifigurenwandbild zusammenbauen. Ich freue mich sehr auf diese Mischung aus Zeichnung und Malerei, die ich nun über Jahre entwickelt habe und die dem Liniengeflecht der Reliefs und dem meines Geistes folgen wird.

Versöhnlich

Die Glocke der Friedenskirche schlägt sechs Mal und gibt mir nun viel Zeit zum Zeichnen, zum Schreiben und zum Lesen.

Krishnababy zeigt auf ein Stück Text des Songs „Forever Young“:

„May you have a strong foundation

When the wind of changes shift”

An Rolle 6 arbeite ich mit dem Motiv von Rolle 3 aus dem Jahr Zweitausendsieben weiter. Ich füllte zunächst die Binnenfiguren der Formation mit den Strukturen der vorigen Sequenz. In der ersten Wiederholung drehte ich die Füllung um und beschränkte sie auf den Raum um die Binnenfiguren.

Mit der Entscheidung des Beirates, das Gedenkprojekt mit der vollen Summe der Beantragung zu fördern, ist nun ruhiges Weiterarbeiten möglich. Die Arbeitsteilung im Team funktioniert gut. Meine Konzentration kann ganz dem künstlerischen Prozess gelten. So ähnlich war es schon bei der Projektbeschreibung, die ich mit dem Architekturmuseum zusammenstellte. In solchen Konstellationen, wo ich meine Kraft ganz für den Kunstprozess aufwenden kann, fühle ich mich wohl.

Am Abend nach dem Markt, wo wir unseren Erfolg ein wenig feierten, gingen wir noch mal um die Häuser und besichtigten dabei sechs neu eröffnete Ateliers, die von der ABG Holding subventioniert werden. Etwas ernüchternd waren die Werke.

Es ist aber Advent, ich bin versöhnlich gestimmt…

Abstimmung

Vor dem Atelier, in der städtisch dämmernden Dunkelheit, fährt der kleine Himmelswagen in sein Verschwinden. Durch die geschlossenen Tore dringt das ferne Brüllen des Morgenverkehrs.

Der Verein „Ninja“ fragte am Rande des Treffens der Förderer junger Strafentlassener in Wiesbaden nach einem Projekt, das ich mit solchen oder mit einsitzenden Jugendlichen machen könnte. Ich sagte zu und werde mich dabei an meinem Entwurf für Rockenberg orientieren.

Am frühen Nachmittag wurde ein weiteres renoviertes Teilstück der Frankenallee feierlich eröffnet. Wir hörten Reden zu und steckten Blumenzwiebeln. Viele schauen mich, um das verlorene Projekt wissend, bei diesen Gelegenheiten an.

Nachmittags übertrug ich eine Form von Rolle 3 auf Rolle 6, will damit etwas vor mich hin experimentieren und fühle mich sehr wohl damit.

Über unseren Antrag zur Förderung des Forschungs- und Kunstprojektes zum Gedenken an die Kriegsgefangenen wurde gestern im Beirat der sozialen Stadt abgestimmt. Zuvor sind Lobreden gehalten worden, die mit der Vergangenheit aber auch mit meiner gegenwärtigen Arbeit zutun hatten. Helga referierte den organisatorischen Part und ich den emotionalen. Wir ergänzten uns dabei gut. Ich versuchte außerdem klar zu machen, wie schwierig es ist, ein würdiges Gedenken in Form eines Kunstwerkes in Szene zu setzen. Wir hatten außerdem die doppelte der möglichen Summe beantragt, worüber extra abgestimmt werden musste. Der Antrag wurde in voller Höhe und einstimmig befürwortet. All das tat mir gut.

Eigenes Zweifigurenrelief

Im Atelier schraubte ich die Holzdreiecksrahmen eines sechsteiligen Blutkreislaufwandbildes für das Startorante zusammen. Das ist das zweite Format. Ein drittes, mit dem Zweifigurenmotiv, kann ich auch noch zusammenfügen.

Am frühen Abend ein harmlos-gemütliches Kaffeetrinken mit den anatolischen Freunden. Sie hatten mich dazu eingeladen, und ich bin der Einladung gerne gefolgt. Alle Probleme blieben ausgespart.

Viele Termine und Organisationsarbeit in dieser Woche, da bin ich froh, wenn ich zwischendurch zum Ausformen eines Zweifigurenreliefs komme. Gestern belegte ich ein solches Exemplar, noch in der Form angetrocknet, mit einer zweiten Pappmacheschicht zur Stabilisierung. Ich habe bemerkt, dass die Ecken besonders bruchgefährdet sind, und deshalb kann man das angetrocknete Material dort noch einmal aufdoppeln.

Ich bin froh über meine gestrige Idee, mir ein eigenes Zweifigurenwandbild zusammen zu bauen, das ich selber bemalen kann. Das Graphit sollte ich verflüssigen, dafür im Baumarkt Graphtipuder einkaufen und es mit Spiritus und Schelllack anrühren. Die aufgeklebte Pappe würde bei der Arbeit mit einem Graphitstift zu sehr nachgeben.

Morgen habe ich die Lehrlinge noch mal den ganzen Tag und danach die Hindemithschüler. Ihnen möchte ich nun großzügigeres Zeichnen beibringen. Mit dieser Voraussetzung können sie dann auch größere Reliefs modellieren und vielleicht sogar ein eigenes Dreiecksrelief erfinden.

Wandbilder | Wege

Schon am Vormittag habe ich im Atelier begonnen, eine weitere Ausformung des Doppelfigurenreliefs zu erstellen, mit der ich mich am Nachmittag dann weiter beschäftigt habe. Nachdem nun im „Startorante“ ein zehnteiliges Wandbild mit dem Kreuzstabträgerornament hängt, sollen nun noch mehr Reliefexemplare an die Wände. Ich überlege nun nach eine sechsteilige Blutkreislaufarbeit zu montieren und aufzuhängen. Dazu vielleicht auch noch ein Doppelfigurenwandbild. Dann habe ich erstmalig ein vollständiges Ensemble im öffentlichen Raum hängen.

Außerdem kam ich auf die Idee, ein weißes sechsteiliges Doppelfigurenformat für mich zur freien Bemalung zusammen zu bauen. Damit öffne ich nun auch mir die Möglichkeiten, die ich schon Anderen bot.

Am Abend war ich bei einer Bürgerfragestunde zur Bebauung der Gelände rund um Teves West. Die Atmosphäre, geleitet von Eva, war recht konzentriert und konstruktiv. Ich stellte eine Frage nach einer inhaltlichen Widmung des zu bebauenden Raumes, die sich mit seiner Geschichte auseinandersetzt. Das stieß auf Zustimmung beim Investor. Weil das Thema noch nicht besetzt wurde, lohnt es sich nun darüber nachzudenken, es mit der Arbeit an Ackermannwiesenthema zu verbinden.

Daneben taucht nun bei mir die Vorstellung auf, den Wegen der Gefangenen nachzugehen, ihren Blicken zu folgen, den Sound ihrer Tritte im Schweigen unter unserer Backsteinbrücke zu Gehör zu bringen.

Denkraum

Lange und konzentriert konnte ich gestern im Atelier an Rolle 6 zeichnen. Die neue Sequenz zieht sich nicht, wie die meisten anderen über eine längere Stecke Transparentpapier hin, sondern konzentriert sich eher auf zwei Monsterfiguren, die rasselnd und scheppernd, bedrängt vom Hin und Her der Rollenbewegungen entstehen.

Eigentlich wollte ich diese Verdichtung mit Motiven der Rolle 4 weiter entwickeln, was aber mit den Richtungswechseln der Überlagerungen nicht zusammen geht. Eher müsste ich fortlaufend in eine Richtung von Links nach Rechts, immer unter Zuhilfenahme neuer Motive und ihrer gleichzeitig aufeinander folgenden Vervielfältigung, kontinuierlich weiter zeichnen, wie ich das vor einem Jahr im Schaufenster gemacht habe.

Während dieser Arbeit wurde mir erneut klar, welche Rolle das Tevesgelände inmitten der schnell hochgezogenen neuen Quartiere in Zukunft spielen müsste. Der Freiraum müsste ein Denkraum werden, für die Konzepte einer künstlerischen Verdichtung, ein Labor ruhiger Wissensproduktion.

In diese Richtung geht die Arbeit am Zwangsarbeitergedenken, das mit Teves zutun hat, aber auch mit der ganzen Gegend rund herum.

Am Vormittag hängten wir im Startorante mein Wandbild des Kreuzstabträgerornamentes. Auch das trägt zu einem Profil des Geländes bei. Demnächst soll es noch einen Text geben, der etwas über diese Arbeit erzählt.

Ajax von Sophokles

Im Gezweig über der Alle hüpfen die Eichelhäher durch die Stadt. Tatsächlich tragen sie dabei manchmal Eicheln zwischen ihren Schnäbeln, wer weiß wohin…

Unter der Regie von Thibaud Delpeut hatte gestern „Ajax“ von Sophokles Premiere. Achill wird als posttraumatischer Selbstmörder gezeigt. Nachdem er sich in den Mund schoss sind sein Leichnam und seine Waffen Streitobjekt zwischen Odysseus und Ajax. Interessant ist wie Sophokles den Wahnsinn des Helden vorführt, der, gesandt von Athene, ihn in den Tod treibt. Und keine Gesprächstherapie konnte das verhindern.

Das Ganze fand im Bockenheimer Depot statt auf dessen Holzhallenarchitektur ich mich schon den ganzen Tag gefreut hatte. Eine Schar kultivierter Menschen unter der hohen Balkenkonstruktion, dazu ein gut gearbeiteter, etwas rätselhafter Text – was will man mehr. Spielflächen waren unterschiedlich hoch gefüllte Wasserbehälter, mit deren spiegelnder Beleuchtung rechts und links eine Parallelhandlung in die Architektur projiziert wurde. Ein Klarinettist machte mit einem Effektgerät(!) den Lifesound zum Stück. Der Einsatz der handgemachten Musik in Stücken nimmt zu. Eine Sehnsucht der Theatermacher und ihres Publikums nach einer vordigitalen Zeit wird hörbar. Auch die Bratschistin im vorgestrigen Tanzstück unterstrich diesen Trend. Gleichzeitig aber werden die Stimmen der Schauspieler über Mikrofone verstärkt, als gäbe es keine Sprachausbildung mehr. Auf der Premierenfeier trafen wir Simon Werle, der das Stück neu übersetzt hat. Es entspann sich ein schönes Gespräch mit ihm, bis jemand hineinsprach und nicht mehr zu unterbrechen war.

Motion Bank

Im Frankfurt LAB haben wir an einer Veranstaltung von Motion Bank teilgenommen, in der Tanzwissenschaftler von ihren Erfahrungen im Umgang mit der Software oder dem ganzen System berichteten.

Danach ein Tanzstück der ZOO Company mit ihrem Choreografen Thomas Hauert. Er ist Gastkünstler bei Motion Bank Im LAB. Bei solchen Gelegenheiten wird mir immer klar, was wir an der Forsythecompany haben, und wie meine eigene künstlerische Arbeit von ihr beeinflusst wurde. Die jahrzehntelange Anwesenheit dieser Stücke, die Entwicklungen, die wir als Zuschauer mitgemacht haben, die Veränderungen der Tanzsprache, der Technologien, hat unsere Sicht auf die Kunstdinge nicht unentscheidend geprägt. Ähnlich wie bei Bob Dylan ist man ständig herausgefordert. Der Abend gestern war mir zu illustrativ und künstlerisch-dramaturgisch zu spannungslos.

Krishnababy zeigt auf einen Textabsatz, in dem es um den Film „I`m Not There“ geht. Die Überlagerungen der Zeitebenen, die von verschiedenen Schauspielern personifiziert werden, geschehen durch Rückblenden, Vorgriffe und dadurch, dass die Figuren auch über die Grenzen der Zeitphasen hinausagieren, die ihnen eigentlich zugewiesen sind. Somit verkörpert dieser Film die Rätselhaftigkeit der Dylanfigur und die zeigt die vielen Deutungsmöglichkeiten ihrer Werke. Eine solche Dramaturgie möchte ich gerne innerhalb meiner Transparentpapierrollen weiter entwickeln.

Am Abend feierten wir noch in den sechzigsten Geburtstag von Hans Nerlich hinein. Ein fröhlicher Umtrunk mit vielen Freunden und Leuten, die man gerne kennen lernte.

WORTE ERSCHEINEN.

Auf der Rückseite der schwarz verdichteten Apsarasequenz begann ich mit Tusche ein Streifenmuster zu zeichnen, das von den Streifenmustern der Malereien von Jasper Johns inspiriert ist. Es bildet einen Übergang zum Seiten- und Richtungswechsel der fortlaufenden Zeichnungen. Auch die aktuelle Sequenz, die noch keinen Namen hat, bearbeite ich auf beiden Seiten.

Auf der jenseitigen Alleehälfte wird in erster Linie von übergewichtigen Menschen der Weihnachtsmarkt des Stadtviertels aufgebaut. Bald werden die verballhornten Weihnachtslieder aus den Musikanlagen der Kleinunternehmer den Raum unter den leeren Baumkronen sättigen.

Die Songstrukturen von Bob Dylan gehen mir öfter während meiner Arbeit an Rolle 6 durch den Kopf. In Hinblick auf die Gleichzeitigkeit von Geschichte ähneln sich die Arbeitsweisen. Der Einfluss des Zufalls wird ähnlich ernst genommen, wie es Cage oder Richter taten und tun. Ich kann mir die Situation vorstellen, wenn Worte erscheinen, die vermeintlich mit dem Verlauf einer Geschichte nichts zutun haben und deswegen einen neuen Korridor öffnen, in den man hineingehen kann, um irgendwann wieder an den Punkt zurück zu kommen, von dem man abgebogen ist.

WORTE ERSCHEINEN.

Figuren erscheinen und bilden Strukturen. Letztendlich kommt meiner Arbeitsweise die tägliche Collage am nahesten. Aber auch die Schaufenstersequenz geht in diese Richtung. Diese Wege kartieren meine Vorstellungen von Erzählung.

Farbenergie

Überraschend hatte ich gestern einen Abend zum Zeichnen. Verschiedene Figuren formierten sich auf der Vorderseite der Rolle 6 zum Beginn einer neuen Sequenz, die noch keinen Namen trägt. Zunächst habe ich durch den Seitenwechsel auch die Betrachtungsrichtung gewechselt. Nun ist die Abfolge der Zeichnungen wieder in erster Linie von Links nach Rechts lesbar. Auch, wenn ich nun immer mal die Rollrichtung wegen der Verdichtung ändern werde, ist das „Koranexperiment“ des Rückwärtslesens beendet.

Zwei Figuren vom 18.09. 2007 übernommen, überlagern sich mit der in die größten Dreiecke abstrahierten Apsarafigur. Es verbinden sich ganz verschiedene Formensprachen. In der Vergangenheit berührten mich solche Uneinheitlichkeiten negativ. Jetzt bilden sie einen neuen Reiz und erinnern mich an das Problem der SAP-Mathematiker fluide und kristalline Systeme für ihr R3 zu verbinden.

Auch bei der Apsarasequenz war das ein Thema für mich, das nun in anderer Weise weiter entwickelt werden kann.

Ich überlege ein neues Ausstellungsthema aus meinem letzten Vortrag zu skizzieren. Es könnte dabei um die Kontinuität der Rückgriffe gehen, und was aus ihnen entsteht. Dabei hat man das Gefühl, dass es mehr Aufmerksamkeit benötigt, um etwas Neues zu werden.

Nach dem schnellen Entstehen einer Tagebuchzeichnung, muss ich manchmal vom Schreibtisch aufstehen, um der Emotionalität des Vorgangs Raum zu geben. Beim folgenden Umherlaufen ist es so, als ob die Wirkung der Farben, direkt in den Körper gelangt und dort zu Bewegungsenergie umgewandelt wird.

Formentransfer auf Rolle 6

Immer noch fallen gelbe Blätter in des trüben Tages Raum. Das Grau bettet alle Farben sanft, nimmt auch mal, bei näherem Hinsehen, etwas von ihnen entgegen. Es ist als würden im allgemeinen Verschwimmen gleichzeitig neue Farbkontraste möglich. Das liegt aber auch an der, durch die Luftfeuchtigkeit veränderten Staffelung der Gegenstände im Raum, wie es am besten am nebeligen Hang zu beobachten ist. Der Hang – schon fehlt er mir, weil ich ihn wegen verschiedener Verhinderungen länger, also maximal vierzehn Tage nicht sah.

Ersatzweise sah ich mich gestern bei den Transparentpapierzeichnungen aus den Jahr Zweitausendsieben um. Dort mischten sich im September Fragmente der vielfigurigen Tagebuchzeichnungen mit anderen Elementen, die ich gefunden hatte, fotografierte oder anders aufnahm und so in den Streifen der Rolle 4 aufnahm. Das war kurz vor meinem Arbeitsaufenthalt in Wien.

Dass die Zeichnungen dieser Zeit, im Gegensatz zu den Texten, sehr konzentriert waren, macht sich dann auch wieder auf der Transparentpapierrolle bemerkbar.

Gestern übernahm ich eine Form, die einem inneren Organ mit Eingang und Ausgang ähnelt auf Rolle 6. Im Inneren dieser geschwungenen Umrisszeichnung befindet sich eine Abrissstruktur des Stahlskelettes der Ostfassade des Palastes der Republik. Bei den Umarbeitungen und Fragmentierungen in dieser Zeit spielte ein skythisches Amulett im Tierstil eine wichtige Rolle, weil die Profilabbildung des Hirsches in der Hüfte um 180° gedreht war. Weil ich dafür keine Erklärungen gefunden hatte, versuchte ich das zeichnerisch mit eigenen Motiven zu erkunden. Die Vorderhufe zeigten zum Boden, die hinteren gen Himmel.

Gefrorenes Schweigen

Mit dem Winter, wenn man darauf aus ist, so wenig Energie zu verbrauchen wie möglich, kann leichter als sonst eine Zeit des Schweigens entstehen. Situationen, die einem nur die nötigsten Kraftanstrengungen abfordern, in denen man den Überfluss an Worten leicht begegnen kann, haben etwas Tröstliches. Dabei können Dinge gefunden werden, die verschollen waren, eingefroren im Eisblock der Zeit. Entweder sind es eigene Erinnerungen oder ererbte Ahnungen im Körper.

Weil ich möglichst schnell eine Erkältung loswerden will, sind die letzten Tage nicht so produktiv gewesen, wie ich mir es gewünscht hätte. Hilfreich in Zeiten einer solchen Zurückhaltung sind die täglichen Zeichnungen. Sie haben in ihrer Kontinuität immer ein Potential zur Veränderung. Sie folgen meinen veränderlichen Vorlieben, die manchmal Farbbeschränkung bevorzugen, oder mehrmals hintereinander immer nur dieselben Stifte für eine Reihe von Zeichnungen dulden. Manchmal zeichne ich schmale Wasserspuren in die gewischten Farbschichten, tue das in letzter Zeit mit einer Feder und wische dann mit dem Handballen noch einmal darüber. Das bereite ich vor indem ich hellere Farbschichten aus Weiß und Gelbtönen als Untergrund anlege. Die dann durch erneutes Wischen entstehenden hellen Linien stehen in deutlichem Kontrast zum anderen Geschehen, eine Konkretion, die dem Vorübergleiten des gefrorenen Zeitblocks zuwider läuft.

Ich erinnere mich an die streifig zugestrichenen Fenster indischer Züge, an die Kratzspuren darin und die Landschaften, die dahinter durchscheinend vorüberzogen. Räumliches Nebeneinander getrennter Zeit.

Kinderschwärme | Geschichtspanoramen

Wie ein Ausrufungszeichen sitzt weit oben im Geäst eine Elster, biegt sich nur manchmal nach rechts oder links unter Spreizen des Gefieders. Der Vormittag ist wieder blau und vereist.

Im Atelier zeichnete ich gestern die Apsarasequenz fertig, legte dann die Rolle 6, auf der sie sich befindet in ihre Holzkiste und transportierte sie nach Hause. Dort scannte ich einen Teil für die täglichen Collagen im Arbeitstagebuch ein.

Schwärme von Kindern bewegen sich auf dem Pausenplatz der Hindemith-Schule. Ihr Hin und Her folgt irgendwelchen energetischen Regeln, Anziehungs- und Abstoßungskräften und am Ende natürlich der Pausenglocke.

Nach den vielen tief hängenden Wolken der letzten Wochen, die Feuchtigkeit in die Räume schoben, sieht der milchig leere Himmel etwas bedrohlich aus, wie über einer Wüste. In ihm schwimmen wieder die silbern kreisenden Flugzeuge.

Sean Wilentz beschreibt in quälend langen Passagen genau und ausführlich, die Verbindungen von einzelnen Dylan-Songs in die amerikanische Geschichte. Vierzig Seiten geht es dabei beispielsweise nur um „Blind Willie McTell“, Jede Zeile der verschiedenen Versionen wird untersucht und oft werden daraus ganze Geschichtspanoramen entwickelt. Indem er alles Greifbare zur Interpretation heranzieht stellt sich bei mir das Gefühl einer Verwässerung des dichten Songs ein. Mir stellt sich die Frage, ob ich das alles wissen will. Interessant für mich sind die Verweise auf eine Sängertradition, die mündlich Geschichten und Geschichte überliefern, der Dylan angehört, die er weiterentwickelt.

Ornamentierte Jahre

Rotorangefarben leuchten die Äste mit dem wenigen verbliebenen Laub vor dem blauen Himmel. Silbern glänzen die Flugzeuge in ihren Warteschleifen. Der Wind hat wieder gedreht, wodurch wir keinen Lärm von startenden Maschinen haben. Aber die Luft von Westen ist gesättigt mit Autoabgasen.

Wütende Laubbläser lärmen auf der Allee und im rechten Fensterausschnitt streift eine Krähe das sonnige Luftareal.

Wir hatten ein ruhiges Wochenende mit einem langen Mainspaziergang vom Osthafen bis zum Westhafen und zurück. Zu Hause hatte ich Zeit zum Gitarrespielen und um am Vormittag in der Sonne zu lesen. Solche Wochenenden sollten wir uns wieder öfter gönnen, denn unmerklich ist der Sonnabend in den letzten Jahren zu einem normalen Arbeitstag geworden.

Der Hanggang der letzten Woche ist wegen der Projektskizze, den Trümmergrabungen und dem Förderantrag ausgefallen. Mit fehlen die Eindrücke der Strukturen und Waldräume, wie auch ihre fotografierten Abbilder, die sich auf meine tägliche Arbeit auswirken. Die Hanggänge sind wie Versorgungsstreifzüge.

Bald steht schon wieder die Wintersonnenwende an. Die Jahre vergehen immer schneller, ornamentiert durch die sich wiederholenden Rituale. Der Weihnachtsmarkt am Römer ist aufgebaut.

Zeit außer Kraft

Die kleine Bronzefigur von Krishnababy ist verhältnismäßig schwer. Deswegen eignet sie sich dafür, die aufgeschlagenen Seiten fest gebundener Bücher so zu fixieren, dass sie nicht wieder nach oben aufstehen können und verblättert werden. Gleichzeitig kann sie mit der linken Hand mit der sie sich aufstützt, auf die Textstelle zeigen, sie so markieren, die ich noch mal lesen möchte.

Heute Früh zeigt er auf Zeilen von Richard Klein in dem Bob-Dylan-Lesebuch „How Does It Feel“, das Klaus Theweleit herausgegeben hat. Und dieser Klein schreibt: „Singt Dylan alte Lieder,… singt er sie modern, nicht traditionell, nicht konservierend … in jedem Fall aber mit der Möglichkeit der Korrektur. Im Alten ist das Jetzt zu hören, im Jetzt das Alte. Vielleicht ist das die Formel für den Dylan von heute – und die „Never Ending Tour“ sein Versuch, mit Bewusstsein die Geschichte zu singen und singend fortzuschreiben.

Am Abend sah ich mir noch ein paar Konzertmitschnitte der letzten Monate an und fand die Zeilen bestätigt. Tatsächlich, wie auch in meiner Erinnerung, singt er „Blowing In The Wind“ in einer völlig neuen Weise. In der gesteigerten Aufmerksamkeit der begleitenden Band, glaube ich auch eine steige Bereitschaft zu sehen, die darauf zielt, eventuelle Variationen sofort aufzunehmen. In den verschiedenen Mitschnitten ist zu bemerken, dass er den Song aber immer fast gleich interpretiert. Die neuen Songs zeigen traditionelle Strukturen auf, sind der amerikanischen Musikgeschichte verpflichtet. Wenn das Wort „Wind“ am Ende des Konzertes lang gedehnt wird, erscheint wieder der nasale Ton, der den Sound der frühen Dylanzeit heraufbeschwört. In dieser Weise scheint es möglich zu sein, die Zeit außer Kraft zu setzen und Vergangenes mit Künftigem zu verschmelzen.

Anatol

Nun kann ich am Ahorn vor meinem Fenster einzeln gelbe Blätter noch wedeln sehen, die sich im lebhaften Wind wippend weigern, aus der Krone zu fallen.

Am Nachmittag war ich im Atelier mit dem Waschen der ausgegrabenen Trümmer beschäftigt. Joana und Paolo bastelten an ihren Reliefformen – ein ruhiger Nachmittag.

Unsere anatolischen Freunde auf dem Gelände sind nun zu einer allgemein ruhigeren Gangart veranlasst worden. Das war ein wenig aufwendig, hat sich nun aber gelohnt.

Mit Helga habe ich mich auf dem Markt kurz über unsere weitere Zusammenarbeit verständigt und darüber, wie wir mit unseren Projektbeschreibungen weiter verfahren wollen. Die bisherige Zusammenarbeit ist von einem gemeinsamen Tempo und gemeinsamen Beweggründen das zu tun, was wir tun, geprägt. Außerdem sind wir fast gleichaltrig.

Die Fundstücke liegen auf der Hobelbank im Weg. Ich sollte schleunigst neue große Regale bauen, damit auch die Arbeiten und Materialien meiner Schüler darin ihren Platz bekommen.

Im Theater gestern die Premiere von Schnitzlers Stück „Anatol“. Ein wildes, sich selbst nicht ganz ernst nehmendes Gevögel auf der Bühne. Während jeder Protagonist mit jedem anderen oder alle zusammen zugange waren, jedes Möbelstück, jede Bühnenkante für einen Geschlechtsakt, falls man ihn noch so nennen wollte, genutzt wurde, trat hinter dem etwas süffisanten Text, die wahrhaftige Bedeutung der Worte hervor. Eine sympathische Arbeit.

Zeitverfärbung

Der erste Marktstand, der des Gemüsehändlers wird aufgebaut. Er richtet seinen Zeltwagen ein mit den Kisten voller herbstfarbenen Obstes. Ein Metzgereiauto und der Textilhändler, der noch ein Schläfchen macht, sind auch schon da. In Nordhessen, woher die meisten kommen, hat es geschneit.

Mit Monika und Maj gestern im Atelier – Malerei und Formenbau. Ich habe begonnen, meine Fundstücke zu waschen. Dabei treffe ich auf seltsame Glasfarben, Produkte eines Zeitgeschmacks. So sehe ich nun gefärbt in den Raum. Ein Blick hindurch, und die Tönung des göttlichen Lichtes, Echnatons Stoff, dringt in die Vergleichsmaschinerie meines Hirns

Der zweite Metzgereiwagen kommt, das Fischauto ist noch nicht da und das Gemüse leuchtet.

Die lange Phase, in der sich B. mit Doris Lessing beschäftigt hat, machte sie zeitweise zu einer Art Mitbewohnerin. Nun, nach ihrer Zeit lesen wir die Nachrufe. Sie weisen schon Fehler auf…

Ich denke an die Zwiespältigkeit menschlicher Zeitzeugenschaft mit den immer wieder erzählten Geschichten, die unmerklich im Verlauf des Lebens ihre Färbungen verändern.

Indem ich die Glassplitter wasche, ist es als hörte ich das Krachen und Splittern im Rauschen des Zeitstromes. Schallwellen der Detonationen werden durch die noch stehenden Mauern chaotisch gebrochen. Im Echo geht Glas massenweise zu Bruch. Das stelle ich mir nun mit dem Effektgerät und der Elektroschockgitarre vor.