Trümmerschichten | impressionistischer Klang

Als letztes ging es gestern um den Transport von Waren, Ideen und Weltbildern durch die Sahara. Ralph A. Austen beschreibt in seinem Saharabuch die Welten, die sich dort verflochten. Auseinandersetzungen um Religionen, deren Vermischungen und Sprachformungen werden angerissen.

Im Hessischen Rundfunk wurde ein Archäologe um die Zukunft des Landes befragt, der bislang in Syrien grub. Sein Pessimismus stützte sich auf die Erkenntnis, dass der Mensch ein Zerstörer sei. Diese Überzeugung liegt nahe, wenn man es ständig mit Trümmerschichten zutun hat.

Täglich versuche ich nun die Griffe auf der Gitarre zu üben, die mir Arun gezeigt und aufgezeichnet hat. Der Klang des Instruments folgt mir bis an die Ränder des Schlafes.

Im Atelier wo ich den größten Heizkörper, weil der Wind auf Süden gedreht hat, abgeschaltet habe, formte ich das Zweifigurenrelief noch einmal aus. Bei dem Zeitaufwand, den ich für diese Arbeit aufwende, müsste ich mich nun auch intensiver um die farbliche Gestaltung und die Zeichnungen auf den Flächen kümmern. Während der Arbeit hörte ich Debussy und Ravel. Mich interessiert der impressionistische Klang.

Gekreuzte Finger

Wegen des wochenlangen stetigen Ostwindes ist es kaum bemerkenswert, dass heute Flugtag ist, die Maschinen also über uns hinweg starten. Wie oft habe ich das Wort „Flugtag“ schon hingeschrieben? Als ließe sich dadurch eine Linderung, eine Ruhe herbei beschwören.

Unsere zwei Ringeltauben sitzen etwas zerrupft in den Ästen, putzen sich immerhin und scheinen zuwarten.

Krishnababy zeigt auf:

„As long there`s sun“, aus dem Song „Where Are We Now“ von David Bowie.

Das Verlorensein im offenen Berliner Raum. Niemand, der die Mauer nicht kennt, kann das nachvollziehen. Für alle Fälle kreuzen wir immer noch die Finger, wenn wir die „Grenze“ überqueren, als wären wir in einem Fluchttunnel unter dem Todesstreifen. Die Leeren Flächen mitten in der Stadt, Wachtürme, Panzersperren und die blendend weiße Mauer am Potsdamer Platz. Die Erinnerungsniveaus schieben sich ineinander. Neunzehnhundertsechsundsiebzig wäre uns die Vorstellung, dass täglich achtlos abertausende Menschen auf Brücken über die Grenzspree gehen, absurd vorgekommen. Aus meinen Erinnerungen lässt sich die Mauer nicht herausfiltern.

So spazieren wir mit den Toten, führen sie aus

Inseln | Songs

Fast schon parallel zum Verlauf der Allee schlagen die Schatten des Sonnenaufgangs auf das lichte Ockergrau der Wege, die nun etwas orangefarbener aufgehellt werden.

Am Morgen las ich ein Interview mit einem Zypernexperten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Anschluss der Insel an die Europäische Union hatte offensichtlich einen Industrialisierungsschub nach sich gezogen. Die verschlafene Ländlichkeit, die wir aus Griechenland kennen, und schätzten, muss einem Aufblühen von Industriegeländen gewichen sein.

Erinnerungen an die griechischen Inseln, auch an Kreta und an Malta.

In den letzten Tagen hörte ich im Atelier noch einmal die Whitmarkdemos von Bob Dylan. Sean Wilentz schätzt die Arbeitsphase der Sechzigerjahre sehr hoch ein. Bislang blieben mir die Songs dieser Zeit, auch wegen der spartanischen Instrumentierung etwas ferner. Aber so langsam beginne ich ihre Qualität zu begreifen.

Ganz gegenteilig dazu die Erinnerungen von David Bowie an Berlin, mit den Eisler- Weill- Strukturen.

Ich übe, was ich bei Arun auf der Gitarre gelernt habe. Das macht zwar Spaß, tut aber an meiner etwas lädierten und operierten linken Hand weh. Mein Daumen findet sich selten an der richtigen Stelle ein, auch die anderen Finger müssen sich erst an diese Arbeit gewöhnen.

Im Atelier formte ich noch einmal das Kreuzstabträgerrelief aus. Ich habe das Gefühl ständig Exemplare der Reliefs herstellen zu müssen, um entsprechende Wandbilder zusammen zu bekommen.

Blinder Fleck

Mit verbogenen Fingern versuchte ich gestern mit Arun das erste Bluesschema nachzuspielen. Er zeichnete mit auf ein Notenblatt, was ich in den vierzehn Tagen bis zu meiner nächsten Stunde üben soll. Ich erklärte ihm, dass die Musik als eine Ergänzung zum Zeichnen dienen soll.

In einem unangenehm scharfen Ostwind stehen die Bäume immer noch schwarz. Wenn man lesen kann, was es heißt wirken die Bewegungen der Baumkronen bedrohlich. Leise und vereinzelt ist aus den bräunlichen Gärten Gesang von Amseln hörbar. Die Wolkendecke schwebt so tief, dass die Flugzeuge mit ihren im Start lärmenden Triebwerken nicht zu sehen sind. Sie sind eingesogen in die Schichten der Trübnis des Himmels, der ein blinder Fleck bleibt.

Am Bahndamm von Teves West blühen immerhin ein Mirabellen- und ein Pflaumenbaum.

Mit ihren spitzen Schnäbeln stachen Krähen gestern gezielt von der Seite in abgestellte Müllsäcke, um an ein Stück Brot heranzukommen. Vorher zogen sie Papier in langen Streifen durch die kleinen Löcher heraus.

Am Weinstand erzählte mir Gerd etwas von Surfmusik aus den frühen Sechzigerjahren. Erst später wurde sie mit dem Surfsport zusammengebracht und veränderte sich dadurch auch. Am Morgen hörte ich mir ein paar Beispiele im Netz an.

Auflösung

Zwischenergebnisse mit Frau Baehr Manolopoulou im Atelier angeschaut. Es ging um die inhaltlichen Dinge meiner Arbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD, aber auch um Sponsorenakquise. Sie setzt auf die Form einer Pyramide aus meinen Dreiecken, die vor allen dem Selbstverständnis von Sponsoren entgegen kommt.

Ich bin da ziemlich gespalten, glaube eher an meine unregelmäßigen skulpturalen Objekte. Eine Pyramide ist recht starr, lässt aber mehr Blick auf die Ornamente und auf ihre Auflösungen zu.

Vielleicht kann sie aber mehrere Objekte ins Feld führen, oder ich nehme die Herausforderung an, um die Module auch für außen mobiler zu machen. Einerseits könnte ich also eine neue Systematik entwickeln, andererseits aber einfach erst einmal nichts tun. Letzteres liegt meiner Natur ferner, aber der Vernunft näher.

Frau Manolopoulous Begeisterung für meine Arbeit steigerte sich, je mehr sie sich damit beschäftigte. So ein Feedback tut mir natürlich gut.

Gestern Abend formte ich noch ein Zweifigurenrelief aus. Für eine Ausstellung im Balken benötige ich davon noch viel mehr Exemplare.

Letzte Bilder | Krähennacht

Schwarze Krähennacht – Gesang von draußen. Noch ist die Heizung nicht angesprungen.

Im Atelier habe ich gestern aufgeräumt und den Fußboden vom Schmutz des Winters befreit, Tische abgebaut und Platz geschaffen. Wenn ich die Pflanzen herausstellen kann, gibt es noch einmal mehr Raum für die Objekte des FRANKFURTER KRAFTFELDES.

Die Entscheidung fiel gestern gegen den Hang Gang. Anstatt dessen baute ich noch weitere Gitterobjekte.

Am Abend Besuch der Schirn. Dort gibt es derzeit die Ausstellung „Letzte Bilder“. Es geht um die Konzentration in den letzten Aussagen einiger Künstler. Willem de Kooning gibt sich beispielsweise mit ruhig schwingenden Formen in klarer Stabilität. Überhaupt scheinen mir Gleichgewichtigkeit und Harmonie ein wichtiges Thema zu sein. Überraschend auch Manets kleine Blumensträuße in Kristallvasen.

Solch ein Bild gibt es auch von mir, vor vielleicht dreißig Jahren in Lasurtechnik gemalt.

Keines der Werke der Ausstellung ließ mich kalt – das hat Seltenheitswert nach der letzten Zeit und all dem Rummel um die Neuerfindungen kuratorischer Sichtweisen und Deutungshoheiten.

Gärten der Zeichnung

Mittwoch – Fünf – fast noch in der Nacht, lange noch keine Dämmerung zu erwarten, hatte ich die Idee, auf meinen verschneiten Pfad im Taunus zu gehen, um zu fotografieren.

Mindestens genau so präsent aber sind die Akquisevorhaben der nächsten Zeit. Sie konkurrieren mit den Vorstellungen um die Weiterarbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD.

Gestern hatte ich einen langen Arbeitstag im Atelier. Die Lehrlinge ließ ich Zuarbeiten machen. Pappmachéherstellung und Grundierungen. So bin ich ein gutes Stück weitergekommen.

Am Abend habe ich begonnen, den Text „Bob Dylan und Amerika“ von Sean Wilentz, etwas gründlicher zu erkunden. Dabei wird klar, wie wenig ich über die Geschichte dieses Landes weiß. Daher ist es ein Glücksfall, über diesen Umweg durch die impressionistischen Gärten der Musik und der Worte, ein wenig mehr darüber zu erfahren.

Es ist angenehm zu erleben, wie manche Zeichnung durch einen schnellen Handstreich zu Ende geführt wird. Kurz danach kann ich die Entscheidung treffen, dass sie fertig ist, obwohl ich, zumindest in diesem Moment, wenig Mühe darauf verwandt habe.

Die zeichnerische Arbeit an den Reliefs entwickelt langsam eigene Strukturen. Ich muss sie zunächst aus dem Gesamtkontext entfernen und nur für sich alleine stehen lassen.

Blendende Flut

Atelier – irgendwo hinter dem Bahndamm ist schon die Sonne aufgegangen. Das Deckenlicht habe ich, um ihre Ankunft im Raum deutlicher sichtbar werden zu lassen, abgeschaltet. Lichtspiel nach dem Märzwinter.

Am Morgen habe ich hier allerlei vorbereitet. Exemplare des Dreifigurenreliefs sollen heute zu einem geschlossenen Kreis zusammenwachsen. Ein unregelmäßiger Ring soll hervorgehoben werden. Pappmaché wird heute produziert und vielleicht ein neues Dreiecksgittermodell gebaut.

Auch Barbara war, genau wie Maj, zunächst, als ich ihr gestern erstmalig ein größeres zusammenhängendes Ornament aus sechs Dreiecken zeigte, etwas orientierungslos. Das legte sich aber schnell, wodurch die Vielschichtigkeit sichtbar werden konnte.

Während eines Spaziergans im kalten Wind am Main wärmten wir uns im Cafe des Städel auf, genossen die Ruhe und den Blick auf die Skyline. Danach gossen wir im Atelier die Pflanzen und schauten nach meiner Arbeit.

Jetzt ein Lichtraum, weißblendende Flut im Atelier.

In der Nacht träumte ich von Indien, von Hochwasser, Schlamm und versinkender Pracht. Erdwege waren wie Alleen von Stupas gesäumt. Schiffsverkehr mit farbigen Tüchern, eine Rasur bei einem faulen Barbier, bei der ich einschlief.

Kid Congo

Meine Vorderseite bleibt auf dem Südbalkon kalt, mein Rücken wird von der Sonne gewärmt. Der ehemals schöne Ahorn im rückwärtigen Garten ist misshandelt und verunziert durch einen brachialen Schnitt. Das geht auch ästhetischer.

Ein Anstoß von Gitta und Gerd brachte mich gestern nach Umwegen zu „Kid Congo“. Zunächst landete ich bei einer Punkband in roten Hosen und bunten Uniformjacken im Dreikönigskeller – etwas unruhig das Ganze, fand dann aber nach etwas Nachdenken im Ponyhof das richtige Konzert, etwas zu spät leider und konnte somit nicht mehr so richtig einsteigen. Der Sänger und Bandleader schien ein warmherziger Mensch zu sein, der mit seinen Songs, ihrem Sound das ganze Publikum umarmen wollte. Außerdem ist er ein Geschichtenerzähler.

Das ganze Gegenteil war die folgenden Band, die aus drei Russen bestand, die einen perfekten Sound ablieferten, aber mit der Musik, die sie spielten nichts zutun zu haben schienen. Nichts aus ihrer Kultur verband sich mit dem, was sie produzierten, was ihnen selbst eigenartig fremd zu bleiben schien. Deswegen klang das alles etwas auswendig gelernt und aufgesagt.

Bei Musikern wie Tav Falco oder Kid Congo gibt es auch immer das tänzerische Element, das das Bühnenunternehmen risikoreicher aber persönlicher werden lässt, den Musiker dadurch aber verletzbarer macht.

Schnell hell abends

Der regnende Segen des Südens – Angkor Wat in der Regenzeit des Augusts.

Krishnababy:

„…nach dem zweihundertsten Jahrestag der Schlachten von Lexington und Concord bei Boston.“

Die Ostertage über war ich nicht im Atelier. Die etwas abgebremste Arbeitskonzentration liegt auf den Tagebuchzeichnungen. Es ist nützlich, sie sich in Ruhe anzuschauen, sie zu vergleichen mit denen, die ich vor einem Jahr gemacht habe, oder vor zehn oder zwanzig Jahren.

Schnell bleibt es abends hell. Zeitumstellung. Sturm der Glocken der Friedenskirche und der startenden Flugzeuge. Unbeteiligtes kaltes Licht dazu.

Die Ärzte haben mir zum Geburtstag eine Ukulele geschenkt, eine rührende Geste und ein nicht minder rührendes Instrument.

Kon Tiki

Ostersonnabend. Mit blaugrauem Taubenlicht bespannter, langsamer Wind – dennoch scharf. Vier Euro vierzig für etwas Brot, das am Abend zum Käse auf den Tisch gestellt wird, wenn wir die Ärzte noch zu Besuch haben werden.

Auf dem Balkon kann man etwas Sonne aufnehmen, wenn man geduldig genug ist, sich nicht aufscheuchen lässt vom Perlentaucher oder anderen Surfspots.

Der Abwasch steht noch in der Küche – die Spülmaschine bin ich.

Krishnababy zeigt in Sean Wilentz „Bob Dylan und Amerika“ auf den Satz, der sich auf die Autobiografie „Cronicles“ bezieht:

„Was zuerst auffällt in diesem Buch, das ist seine Herzlichkeit, der direkte Stil und die Dankbarkeit im Ton.“

Im Staub des gegenüberliegenden Gehweges liegt Rocky, der Maskottchenhund der Cafebetreiber. Er dreht seinen Kopf hin und her, beobachtet die trägen Krähen, die sich manchmal aus einer Astgabel fallen lassen, um sich in lässigem Schwung kurz über dem kalten Boden abzufangen.

Im Kino gestern ein wenig spektakulärer Film mit dem Titel „Kon Tiki“ über Thor Heyerdahl und seine Balsafloßexpedition im Pazifik des Jahres Neunzehnhundertsiebenundvierzig.

Ordnung nach dem Tod | leerer Himmel

Auf den Dächern liegt etwas Schnee. Die Krähen, Meisen und Ringeltauben sparen Energie. Der Himmel ist von ihren Flugbildern entleert.

Meine Patschulipflanze, die ich vor ein paar Tagen etwas radikal zurück schnitt, treibt nur zögerlich neu aus. Sie sieht gerupft aus, kein Augenschmaus.

Im Atelier formte ich ein Zweifigurenrelief aus. In den letzten Tagen arbeitete ich an drei sehr sorgfältigen Exemplaren der drei Reliefs. Ich möchte sie am Dienstag den Jugendlichen als Vorbild zeigen, damit sie nicht so schlampig arbeiten, wie in der letzten Zeit.

Manchmal nehme ich meine gefädelten Ketten von Fuerteventura in meine Hände, ziehe sie auf eine neue Schnur, oder hänge sie an die obere Stange der Balkonbrüstung. Es gibt noch sehr viele solcher Ketten aus den vergangenen Jahren.

Ab und zu denke ich darüber nach, was mit all diesen gesammelten Dingen wird, wenn ich nicht mehr lebe. Auch die Arbeiten, die ich während meines künstlerischen Lebens geschaffen habe, werden eines Tages Hinterlassenschaften sein. Ich sollte damit beginnen, die Ordnung nach meinem Tod zu organisieren

Ordnungsprinzipien

Für das FRANKFURTER KRAFTFELD probierte ich verschiedene Reliefkonstellationen aus. Auf dem Atelierboden kann ich die identischen Dreiecke zu kreisen Reihen oder anderen Ordnungsprinzipien folgend legen. So kann ich fotografierte Varianten nebeneinander montieren, um die Möglichkeiten der Interaktion zu illustrieren.

Regelmäßig im Kreis, unregelmäßig im Kreis oder aufgebrochen, kombiniert mit anderen Reliefs, Rastereinteilungen mit Leerstellen etc.

Außerdem formte ich noch ein Blutkreislaufrelief aus.

Morgen gehe ich in mein sechzigstes Jahr. Ich versuche mich an Männer in diesem Alter zu erinnern. Da gibt es beispielsweise Heinrich Dächert, der in seinem gepflegten Schrebergarten glücklich war, etwas unter seinem Arbeitsleben litt, weil er Bauer und kein Fabrikarbeiter war. Ein stiller, etwas schwerhöriger Mensch, der nicht Gefängniswärter geworden ist, wie man es ihm nach seiner Zwangsaussiedlung in Waldheim, der neuen Heimat, angeboten hatte, sondern in einer Gießerei schuftete.

Meinen Vater, Gefängniswärter in Brandenburg, kannte ich in seinem sechzigsten Jahr gar nicht gut. Das war kurz nach der Wende, als er seine Anstellung als Kinderheimleiter verloren hatte und auch sonst viel Streit in der Luft lag. Erst danach habe ich begonnen eine regelmäßige Gesprächskultur einzurichten.

Modell

Im Atelier baute ich gestern eine Kugel, die aus fünfzehn gleichseitigen Dreiecken besteht. Die Seiten der Dreiecke sind aus Holzrundstäben mit einer Kantenlänge von achtzehn Zentimetern. Der Maßstab zu den geplanten Objekten beträgt also etwa 1:3,33. Der Durchmesser würde somit etwa einen Meter betragen. Mit dem System kann ich nun andere Formen ausprobieren. Die Kugel liegt etwa bei einem Herstellungspreis von dreitausend Euro. Das Glasfibermaterial ist nicht ganz preiswert, im Vergleich zu Bronze aber vielleicht schon…

Gestern kam eine Ablehnung meines Antrags von der Montagstiftung. Das sind nur kurze Schläge, die dazu führen, dass ich nur mit mehr Vehemenz nach Geldquellen suchen muss. Heute beginne ich mit den neuen Anträgen. Zeitlich – finanziell stellt sich mir der Monat Mai als zu lösende Aufgabe.

Gestern formte ich einen neuen Kreuzstabträger. Diese Arbeit kann ich auch weiter machen, wenn Schüler oder Gäste da sind.

Es ist sechs Uhr morgens und wolkenlos. Die Temperatur liegt bei minus einem Grad. Eine grundlegende Erwärmung ist nicht in Sicht. Das fühlt sich katastrophal an, wie: „Der Sommer fällt aus!“

Silber Turm

Zwischen dem Schlaf dachte an einem Konzept für den Silber Turm weiter. Das Projekt könnte mit dem Wolkenkratzerfestival beginnen und dann noch eine Weile in Anspruch nehmen. In dieser Zeit wäre meine Anwesenheit im Haus notwendig, weil ich Zeichnungen aus dem Inneren heraus machen würde. Sie beschäftigen sich mit Landmarken, zu denen ich dann mit den GPS hinwandern würde. Dort werden Fundstücke gesammelt und später zu Objekten verarbeitet. Alles findet seinen Platz im Zusammenhang mit dem vielen Glas im Innenausbau. Der Innenraum soll sich durch die Einbeziehung der äußeren Fixpunkte mit ihnen verbinden und somit wachsen.

Dann habe ich auch eine Lösung für die Fixierung der Stahlrohre erdacht, die ich zu den Dreiecksgitterobjekten zusammenschweißen will. Vorgefertigte Eckstücken aus dünnem Rundstahl können passgenau in die Röhren gesteckt, somit fixiert und dann verschweißt werden. Also genügend Arbeit für den Sommer, die aber noch finanziert werden muss.

Den ganzen gestrigen Tag habe ich mit Akquise zugebracht. Nun, da ich alle Sachberichte geschrieben habe, kann ich endlich die neuen Anträge schreiben. Das führt zu einer Atelierpause, was auch ganz entspannend ist.

Neutralisiertes Licht | Lärmschichten

Hoffnungslos kaltwindige, graue Trockenheit. Kaum Knospen an den Bäumen. Die Ringeltauben versuchen zaghaft kurze Rufe. Die Stundenglocke der Friedenskirche klingt gedämpft. Die Krähen scheinen aufgehört zu haben Nester zu bauen.

Sogar das Sonnenlicht, das durch die Schleierwolken scheint, wird neutralisiert und grau.

Ich habe eigentlich keine Zeit für Tagebuch, weil ich mich dringend weiter um Akquise kümmern muss. Deswegen werde ich einen Ateliernachmittag ausfallen lassen.

Die feinen Versteinerungen der kleinen Flugsaurier gestern im Senckenbergmuseum, die Zartheit der Blattabdrücke, die Millionen von Jahren als sind, versanken im Gebrüll der kinderreichen Familien, die hinter den Mauern des Museums einen geschützten Spielplatz gesucht hatten. Mehrere Lärmschichten, zu viele Menschen – eine Enttäuschung.

Immer noch gibt es in der Presse Reaktionen auf den Kriegsdreiteiler im Zweiten Deutschen Fernsehen. Mittlerweile fallen sie aber kritischer und differenzierter aus.

Großväter

Der Nordostwind hat zugenommen und die Temperaturen noch einmal sinken lassen. Ein grauer Himmelsklotz lässt keine Veränderungen zu, bleibt ein Ewigkeitszeichen.

Krishnababy zeigt auf Zeilen, die von Paul Valery stammen und von Rilke übersetzt worden sind:

„Geheiligt, zu, voll Feuer rein von Stoffen,

ein Erdenstück erstauntem Lichte offen.“

Im Atelier bemalte ich ein weiteres Kreuzstabträgerrelief. Nun schließen sich sechs Dreiecke zu einem geschlossenen Ornament zusammen. Eine reichliche Menge von Dreiecken gehört zum nun folgenden Spiel.

Eine Inszenierung nach „Woyzeck“ in den Kammerspielen. Die Fragmente der Textsammlung lassen viel Raum fürs Experiment. Diesmal allerdings wäre mir mehr Gewicht auf dem Text lieber gewesen.

Telefonat mit meinem Vater über Großväter, Männer, die Kinder gezeugt haben, sich dann aus dem Staub machten, an Tuberkulose starben oder sich selbst umbrachten. Allesamt haben keine einfachen Geschichten – Väterbilder im freien Fall.

Modular

Sonnabend – Kälte – Flugverkehr. Der Nordostwind dreht die einzelnen Teile der kahlen Ahornkronen in ein Menuett, das durch den Rhythmus des immer wieder anschwellenden Triebwerklärms angefeuert wird.

Unser „Fastenbrechen“ gestern am Weinstand und bei Pietro war eher unspektakulär. Auf dem Heimweg waren wir noch in der kleinen Galerie in der Schwalbacher Straße. Dort hielt ich dann peinlicherweise einen Vortrag über Drucktechniken wie Aquatinta, Aussprengverfahren und über Siebdruck.

Maj arbeitet derzeit an Reliefs uns sollte das ganze mit Zeichnungen begleiten. Druckgrafik wäre auch eine Möglichkeit.

Im Atelier bemalte ich ein weiteres Kreuzstabträgerrelief. Von allen Motiven habe ich nun etwa zehn Exemplare, womit ich nun schon beginnen könnte, sie modular zu Wandbildern zusammen zu stellen. In unserem Projektraum könnte ich dafür ein Hängeraster einrichten, in dem ich verschiedene Varianten ausprobieren kann, die Module immer neu arrangiere.

Die Dreiecksgitterobjekte müsste ich gleich mit dem anderen Material unter dem Vordach bauen, wo ich die Objekte in die Dachbalken hängen kann. Das ist eine gute Aussicht auf den Sommer, wenn denn diese Arbeit finanziert wird.

Wandbildprozess

Atelier – Nachmittag zwischen den Workshops.

Mit den Jugendlichen arbeitete ich den ganzen Tag am FRANKFURTER KRAFTFELD. Langsam zieht die Produktion auch mit ihnen etwas an. Es entsteht eine gewisse Routine bei der Herstellung des Pappmachés, beim Ausfüllen der Reliefs und bei den anderen Arbeiten. Auch das Interesse am Prozess wächst. Sie fragen mich, wie ich den dreiseitigen Rapport hinbekommen habe. Das geht schon weit.

Gestern und heute sind zusammen immerhin sechs Reliefrohlinge entstanden. Mehr ist mit den Trocknungszeiten an zwei Tagen nicht machbar.

Aufwendig bleiben aber die Nacharbeiten nach den Workshops. Die Jungen Menschen fühlen sich noch nicht zuständig dafür, Arbeiten zu Ende zu führen. Viele Dinge bleiben unvollständig bearbeitet liegen.

Ich bin noch entfernt davon, genügend Material für ein Wandbild zusammen zu haben. Aber vielleicht in zwei bis drei Wochen…

Gestaltungspotential

Die Kälte bekommt Nachschub aus Nordosten und wird sich bis nach Frankreich ausbreiten. Aber gegen sechs Uhr dreißig ist es schon recht hell. Die Schnelligkeit mit der die Helligkeit zunimmt, ist auf ihrem jährlichen Höhepunkt angelangt. Täglich geht die Sonne etwa zwei Minuten früher auf. Somit kann man sich mit dem Lichtzuwachs etwas trösten.

Was ich in den letzten Monaten für das FRANKFURTER KRAFTFELD entworfen und erfunden habe, beginnt sich nun einzulösen und Gestalt anzunehmen. Durch die Menge der Reliefs und deren Bemalung konkretisiert sich die bislang vage Vorstellung. Jetzt erscheint das Potential, das sich in der Spannung regelmäßiger, sich wiederholender Linienführungen und spontanen Veränderungen, die sich aus dem Gebot, immer neue Formen zu finden ergibt. Dadurch entsteht ein neuer Produktionsschub. Fließende Formen, die ineinander greifen, unterbrochen werden, während sie aber untergründig doch miteinander verbunden sind, ergeben so viele Gestaltungsmöglichkeiten, dass ein Wandbild mit auswechselbaren Dreiecken ausgestattet sein müsste. Das dürfte nicht so kompliziert sein.

Die Veröffentlichung des Projektes sollte nun mit einer Ausstellung auf Teves ihren Anfang bekommen.

Kurze Gesänge

Atelier – Güterzugverkehr auf dem Bahndamm, der das Gelände nach Osten hin begrenzt. Alle Bewegungen werden von kaltem Regen gedämpft. Keine Amsel singt, nur kurzzeitig, bei Sonnenschein tun es die Meisen.

Aus der Zweifigurenform holte ich nun das neunte Exemplar dieses Motivs heraus, das ich Vorgestern in die Form drückte. Gestern bemalte ich erstmalig das Kreuzstabträgerrelief. Ich machte das in der nun schon bewährten Weise und werde zunächst auch mal dabei bleiben.

Statt zu einem Empfang im Römer, bin ich in die Ausstellung von Yoko Ono in der Schirn gegangen. Ich hatte meine Einladung vergessen und wurde prompt abgewiesen. Es war wie ein Zeichen, die Ausstellung war auch schöner, wichtiger und passte besser zu mir.

Leise Töne

Es gibt über das Ausformen der Reliefs nichts zu berichten. Das ist eintönige Fließbandarbeit, für deren Gegengewicht ich die Bemalung der Reliefs nehmen kann.

Etwas aufwendig gestaltet sich der Dialog zur Sommer – Ausstellung in der Stadt. Immer neue Details sind erbeten, obwohl ich noch keine Zusage habe. Als nächstes will ich ein paar Objekte animieren und hoffe damit der Kommunikation Genüge getan zu haben. Ich kann mir auf der Zeil schwebende Objekte vorstellen, die in den Platanen hängen.

Die andere Baustelle wäre der Silver Tower. Ich bevorzuge die leisen Töne, und das lange, genaue Hinschauen.

Meine Kreise sind etwas eingeengt, wie zumeist während unserer Fastenzeit. Ich hätte Lust auf Ausstellungen, Wanderungen und auf etwas Sport. Dafür muss aber auch meine Erkältung ganz vorüber sein.

Höhe und Weitblick

Am Freitag auf dem Markt erzählte mir Helga Roos von einer Schreinerwerkstatt ihres verstorbenen Vaters. Sie lädt mich dorthin ein, um mir die Werkzeuge anzuschauen, die sich dort während eines Handwerkerlebens angesammelt haben, und um mir Dinge mitzunehmen, die ich gebrauchen kann. Der große Respekt vor so alten Werkstätten führt dazu, dass ich gerührt bin und mich gleichzeitig geehrt fühle.

Außerdem gab es ein vages Angebot, den Silvertower und seine Rolle beim Wolkenkratzerfestival betreffend. Ich habe mir nun schon ein paar konzeptionelle Gedanken gemacht und bin gespannt, ob es zum Gespräch kommt. Mir geht es um Ausblicke, Landmarken, Zeichnungen, Fundstücke, Transparentpapier, Schelllack, Objekte, und um den Zusammenhang zwischen Höhe und Weitblick.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat in ihrer Wochenendausgabe auf mehreren Seiten ausführlich eine mehrteilige Produktion des Zweiten Deutschen Fernsehens über den Zweiten Weltkrieg vorbesprochen und empfohlen. Wir haben uns den ersten Teil des aufwendigen Werkes angesehen. Die Dramaturgie hält den emotionalen Level die ganze Zeit so weit oben, das ruhiges Bedenken der gnadenlosen Situationen erschwert wird. Ein nüchternerer Ansatz hielte andere Erkenntnismöglichkeiten bereit.

„Sider“

„Fegefeuer in Ingolstadt“ am Freitag in den Kammerspielen. Ein Stück über Rudelbildung und Ausgrenzung, über die Orientierungslosigkeit von Jugendlichen. Die Figuren schien ich aus meiner Praxis zu kennen. Der Abend wurde von Schauspielstudenten bestritten und Regie führte die Schauspielerin Constanze Becker. Entsprechend gab es noch ein paar Entwicklungsmöglichkeiten.

Im Gegensatz dazu gestern „Sider“ von Bill Forsythe. Wir sahen das mit Carola Schlüter und Hans Zitko. Danach sprachen wir miteinander über den Abend, über psychologische Bedeutungen, über elisabethanisches Theater und über die klar voneinander abgegrenzten Handlungsebenen. Das alles zu einem Ganzen zusammen zu setzen, bereitet mir immer großes Vergnügen. Es gab auch sehr emotionale Momente, die stark mit dem Ensemblezusammenspiel zutun hatten. Gleichzeitig wurde deutlich, wie solistische Parts bei herausgehobenen Tänzerpersönlichkeiten diesen Zusammenhang verlieren und dadurch abgeschwächt werden. Das folgt den stark ausgeprägten Dynamiken des kontrapunktischen Zusammenspiels.

Unklare Windrichtung

Bei unklarer Windrichtung hat der Blick auf den südlichen Morgenhimmel einen besonders spannenden Moment, der manchmal etwas Geduld braucht. Über den Dächern nämlich in nur zwei Horizontausschnitten zeigen sich nah die Flugzeuge. Entscheidend ist ihre Richtung: landen sie gen Westen oder starten sie in östliche Richtung. Letzteres trägt die Möglichkeit in sich, dass viele, besonders kleinere Maschinen zeitig nach Norden schwenken, um somit über unser Haus und auch über mein Atelier zu fliegen. Das tun sie oft genug sehr niedrig. Landen sie aber Richtung Westen, bleiben wir für die nächste Zeit verschont, was eine bedeutende Änderung des Tagesgefühls mit sich bringt.

Im Atelier formte ich gestern das Relief mit den beiden Figuren aus. Sein dichtes Liniennetz fordert besonders viel Sorgfalt und Arbeitszeit. Auf Grund des neuerdings sehr geschmeidigen Pappmachematerials habe ich das gestern in schon zwei Stunden geschafft. Die anderen Formen trocknen wunschgemäß langsam ohne irgendwelche Verwerfungen.

In den Raum zeichnen

Leuchtend klar hält der Winter an.

Ich entferne mich derzeit etwas von meiner stetig sich in den Vordergrund drängenden Produktion.

Dennoch geht die Bemalung der Reliefs weiter und erzeugt neue Einsichten, was die Weiterentwicklung von Objekten betrifft. Ich habe derzeit einzelne Objekte vor Augen, die aus identischen Reliefs mit unterschiedlicher Bemalung bestehen, die verschiedentlich rundherum ineinander greifen.

Die Experimentalphasen sind etwas aufwendig, weil die Herstellung eines Reliefabdrucks viel Zeit benötigt. Aber ich kann mir ja Zeit nehmen.

Am Abend habe ich das Relief des Kreuzstabträgers ausgeformt, das tagsüber von den Auszubildenden begonnen worden ist. Die zwei Ausformungen von gestern habe ich nicht auf die Heizung gestellt, um zu verhindern, dass sich das Pappmache während des Trocknungsprozesses von der Formoberfläche zurückzieht.

Zerfließende Arbeitssituation

Ich sah den Sonnenaufgang vom Atelier aus. Durch die Pflanzen vor den Rolltoren wurde der Raum mit rosafarbenem Licht geflutet. Sofort zerfließt die Arbeitssituation.

Mit zehn Auszubildenden arbeitete ich dann den ganzen Tag am FRANKFURTER KRAFTFELD.

Jetzt am späten Nachmittag, etwas ausgelaugt, versuche ich mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Und vor dem Abendworkshop gehe ich noch irgendwo einen Kaffee trinken. Das normale Leben…

Meine Verdienstsituation verlangt neue Lösungen, auch die Abkehr vom Diktat mit Arbeiten, die nahe an der Entwicklung meines Werkes sind, mein Geld zu verdienen. Dennoch schreibe ich Sachberichte und beantrage neue Fördergelder – aber nicht mehr ausschließlich.

Insel | gedämpfte Geräusche

Als würden die langen orangefarbenen Ausleger der Baukräne von hinten her in das Ahorngeäst reichen, bewegen sie sich auf ihren abgestimmten Kreisen zwischen den Winterfarben.

Hinter dem Park mitten auf der Baustelle sind bereits Familien eingezogen. Zwischen den hydraulischen Baumaschinen Kinder in kleinen Mänteln.

Arbeit an einem weiteren Dreieck im Atelier. Pro Nachmittag lässt sich eine Fläche bearbeiten. Bald könnte ich schon Gitterskulpturen schweißen, um die eigentliche Bestimmung der Motive dreidimensional ausprobieren zu können.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schießt sich auf den neuen Oberbürgermeister ein, der aus seiner Kulturferne keinen Hehl macht. In seinem Büro ließ er eine abstrakte Arbeit von Gerhard Richter abhängen und ersetzte diese mit der Fotokopie einer orientalisierenden Darstellung einer lasziven Frau mit Turban – ein Geschenk seiner Ex-Frau. Ich meine, um sich seiner Wähler weiter zu versichern, sollte er als Dienstwagen einen weißen Ferrari leasen, damit zu Boxveranstaltungen fahren und für seinen Migrantenjungs bei Hip Hop Events die Schirmherrschaft übernehmen. Man schlägt die Augen nieder…

So ziehe ich mich auf meine unbewohnte Insel zurück, horche auf die von der dicken Schneedecke gedämpften Geräusche…

Schnee

Wintereinbruch – minus fünf Grad, Schneefall diagonal von Osten. Auch wenn sich die Lichtsituation wegen der hellen Flächen etwas verbessert, ist der Anblick kein Vergnügen.

Im Atelier arbeitete ich gestern an einem weiteren Dreieck. Im Vordergrund stand diesmal kein direkter Anschluss an ein Nachbardreieck, sondern das Ausprobieren von weiteren Bearbeitungsvarianten. Bis ich mich wieder in die Arbeit hineinversetzt hatte, wässerte ich die Pflanzen, willkommene Einstiegstätigkeit dort.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeite ich an meinen Entwicklungen. Mehr oder weniger desinteressiert schauen die Nachbarn und Teilnehmer auf die Ergebnisse. Ästhetischer Kahlschlag in den Köpfen, im öffentlichen Raum.

Wiegende graue Luft

Erinnerung an das erste Bühnenstück, an dem ich vor etwa fünfundzwanzig Jahren mitgewirkt hatte. Susanne Thaler stattete damals „Kasimir und Karoline“ von Horvath am Heidelberger Stadttheater aus. Ich erinnere mich genau wie der Infekt gewirkt hatte, wie ich für diese Zeit dem Theater verfiel.

Gestern im Schauspiel dasselbe Stück, nur viel stilisierter, strenger aber wirksamer als damals. Der Text steht gewissermaßen auf einem Sockel und kann von allen Seiten betrachtet werden. Die Figuren haben keine differenzierten Charaktere, alles erscheint holzschnittartig aber beeindruckend.

In der Panoramabar trafen wir Lilly, die nach Berlin zieht. Sie hat viel zutun, startet für eine Anfängerin ziemlich fulminant und hat sich verändert, ist älter geworden.

Innerhalb von sechs Stunden sank die Temperatur gestern um sechs Grad – der Wintereinbruch… ha ha. Die Luft wiegt sich grau in den grauen Bäumen.

Die Tagebuchreduktion beginnt zu funktionieren.

Zwei Tage schwiegen die Flugzeuge – heute ist wieder Ostwind, der Kälte nachholt und den Lärm der startenden Maschinen.

Zeit schreiten

Der Wintereinbruch kommt erst Morgen oder Übermorgen. An den vom Morgenlicht erstrahlten Zweigen rüttelt noch ein kräftiger Westwind.

Das Gehen am Rebstockweiher gestern fiel mir noch schwer. Im Atelier keine neue Namen, die etwas bezeichnen würden, was noch nicht beschrieben ist.

Aber das Licht vor dem Fenster beleuchtet eine andere Tiefe, der ich nun gewahr werde, während sie beginnt im Rötlichen der Knospen zu verschwinden, oder dem Grün weichen wird, das sie in sich schließt.

Wüsten ungelesener Bücher und Zeitungen. Papier allenthalben, Kolonnen von Wörtern.  Ich schaue Gedichte von Rilke an, weil ich hoffte einen Impressionismus der Worte zu finden. Das erfüllte sich nicht – zu ornamental und symmetrisch.

Baumschattenstreifen blaugrau auf lichtem Ocker, eine Schraffur von einem Taubenkanon untermalt. Zwischen ihren großen Schritten geht eine Sportlerin die Zeit ab und begegnet dem Dinosaurierruf einer Rangierlok.

Observation des Frühlings, schwarze Bronchien. Kein Ende in Sicht.

Spiel

Ein Spiel beginnt. Die Verdichtung der Reliefs durch Zeichnung. Gleichzeitig beginne ich, die Dreiecke absichtlich falsch zusammen zu setzen. Es entstehen Lücken, die kombinierend aufgefüllt werden wollen.

Die Reliefs sind brüchig und verletzlich.

Schwer fällt mir die Veränderung der Tagebucharbeit. Die fehlende Kontinuität hinterlässt auch Lücken. Eine neue Freiheit lässt sich noch nicht greifen. Das verunsichert.

Ich habe nun einfach an meinem Vorhaben dran zu bleiben. Es wird mir neue Gefilde aufschließen.

Keine kontinuierliche Frühlingssehnsucht

In jedem Jahr schreibe ich etwas zur Bezeichnung dieses ersten Frühlingsmonates. Aber im vergangenen Jahr waren wir um diese Zeit in Mumbai, und vor zwei Jahren war ich in die Tanzwelt verstrickt, in das Ikosaeder und in die Rolle Nummer Fünf. Also: falsch erinnert!

So erweist sich die Gedankenwelt in der Rückschau also flexibeler. Keine kontinuierliche Sehnsucht nach Krokussen oder nach dem Licht das im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Grün steht.

In diesem Jahr habe ich mir allerdings vorgenommen diese Vorgänge genauer zu betrachten, sie zu genießen und mit meinen Beschäftigungen zu verknüpfen.

Eine Parallelität zu 2011 gibt es allerdings: Nordostwind mit bedecktem Himmel unter dem das Ringeltaubenpaar vor meinem Fenster im Ahorn sitzt.

Langer Ateliertag mit Zeichnungen und einer Ausformung des Kreuzstabträgerreliefs. Ich legte viel Wert auf die sorgfältige Herstellung der Ausformmasse, wodurch sich der Prozess um die Hälfte der Zeit verkürzte. Die Fortführung der Zeichnungen auf den Reliefs führt mich in heimatliche Kunstgefilde. Ich werde jetzt der Modellierstruktur gerechter, spüre die Verdichtung der Arbeit im Vergleich zum Kraftfeld 2010, als die Suche nach dem Prinzip noch entscheidender war.

Fließende Komposition

Lange schaute ich gestern spät am Abend im Atelier noch auf die aneinander gereihten Reliefs, versuchte ihr Potential als Mal- und Zeichengründe zu erforschen. Zwischen den Flächen mit den dichteren Linien und denen mit einem übersichtlicheren Geflecht, bestehen ziemliche Spannungen, was zunächst mal eine gute Voraussetzung bildet. Obwohl sie durch die Motive, die sie miteinander gemeinsam haben, untereinander verbunden sind, bilden sie völlig unterschiedliche Herausforderungen, was die Weiterbearbeitung angeht. Wenn es zu einer Ansammlung von Dreiecken mit dichteren Linien kommt, entsteht eine eher malerische Vorstellung. Die Augen folgen einer fließenden Komposition, und wenn das Hirn versucht die Vorgaben mit Gegenständen zu vergleichen, die irgendwo abgespeichert sind, passen sie sich diesem Fließen an. Zum Beispiel erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an ein Jagdbild von Rubens.

Die miteinander verbundenen weißen Flächen schaffen eine Herausforderung, die in Richtung Lasurmalerei geht. Die vorhandenen Figuren können einzeln hervorgehoben werden, indem man ihre Nachbarschaft langsam farbig eindunkelt, Schelllackschichten können zwischendurch als Sperrflächen aufgebracht werden, die die darunter liegende Farbigkeit noch brillanter werden lassen wie ein Zwischenfirnis.

Schön war zu erleben wie sich die Lehrlinge gestern langsam in die Linienexpedition hineinbegaben und sich darin nach kurzer Zeit zurechtfanden.

Der gestrige Abendworkshop fand in einer konzentrierten und etwas gedeckten Atmosphäre statt. M. hat nun schon über ein halbes Jahr intensiv an verschiedenen Projekten gearbeitet und auch schon eine stattliche Sammlung von Bildern geschaffen. Gestern kam sie zu dunkel-melancholischen Tönen, die eine etwas fröhliche Naivität mancher Motive zurückdrängte. So trieb sie die Geister, die uns gerne mal in die Hölle des Banalen hinabziehen wollen, mit dunkel gewischten Lasuren aus. Das strengt an. A. beschäftigte sich mit Tusche, Schelllack, Graphit und Transparentpapier. Sie versuchte sich an der Technik, mit der ich vor zwei Jahren an den Synaptischen Kartierungen arbeitete.

Expedition in Relieflandschaften

Krishnababy zeigt im Feuilleton von gestern auf eine Ausstellungsbesprechung, in der es um Edouard Manet und seine Porträts geht, die derzeit in London gezeigt werden. Und da drinnen zeigt er auf ein Textzitat aus der Modernitätstheorie von Baudelaire: “von der Mode das loslösen, was sie im Geschichtlichen an Poetischem, im Flüchtigen an Ewigem enthalten mag“. Der Ausstellungseinrichtung werden allerdings die gleichen Mechanismen zugeschrieben und beklagt, die unseren Holleinhäusern derzeit anhängen. Auf Biegen und Brechen müssen die gezeigten Gruppen und Themen zu Blockbustern aufgeblasen werden. Das ist also keine Frankfurter Spezialität, sondern beruht auf einer globaleren Tendenz, die Hollein sicherlich aus New York mitgebracht hat. Den Namen der Rezensentin, die Gina Thomas heißt, würde ich gerne mal im Netz suchen, weil sie mir auch in anderen Beschreibungen der Ausstellungseinengungen durch Textvorgaben so aus der Seele spricht.

Gestern begann ich am Morgen im nüchternen Licht des Schulungsraumes des Internationalen Bundes, mein Tagebuch zu schreiben und zu zeichnen. Bald aber nach zwei Stunden Technischem Zeichnen, wechselte ich mit den Lehrlingen in mein Atelier, in dem sie auf eine andere Weise aufblühen. Wir arbeiteten an den Reliefs, verdichteten und vervielfältigten noch einmal das Material.

Am Ende des Tages legten wir vier der dichten Dreiecke mit Kreislauffigur und Kreuzstabträger zusammen und begannen uns auf die Suche nach verschiedenen Bildern zu begeben, die im Liniengeflecht verborgen sind. Die Expedition lief zunächst etwas stockend an, aber nachdem sich alle etwas hineingefunden haben, ging es Schlag auf Schlag. Plötzlich wurde der ganze Kosmos der Möglichkeiten greifbar. Im Handumdrehen waren über zwanzig neu entdeckte Figuren identifiziert und wie mit den Fingern auf der Landkarte umrissen worden. Währenddessen hatte ich die Idee, von den zusammenmontierten Dreiecken Fotos zu machen, um die Bilder vervielfältigen zu können. Auf diesen Blättern können dann die eigenen Figuren zunächst mit einem Stift entworfen werden. Dann kann man Transparentpapier hinzunehmen, um sie weiter zu entwickeln oder nur deutlicher heraus zu stellen.

Vor der Reise hat sich das System bewährt und kann danach in Betrieb gesetzt werden.

Katze und Schlange

Nach dem Salsaclub gestern saßen wir in unserem Eckchen im Urban Kitchen. Es liegt in der Nähe des Eingangs des Restaurants, hat eine gepolsterte Bank, Kissen, einen kleinen niedrigen Tisch und einen schönen Blick auf die Straße. Dort redeten wir noch mal über den Abend mit Priya. Der Moderator war schlecht vorbereitet und ein sich spiegelnder älterer Herr. Dagegen wären Barbara und Priya ein Team gewesen, die ihm gut das Heft aus der Hand hätten nehmen können, wären sie nicht so wohlerzogen und höflich. Aber für eine solche Aktion benötigt man Erfahrung, die Barbara weiterhin sammeln will. Der unverschuldete Misserfolg des Abends und die ungenutzt vorübergegangene Chance mit ihrer Autorin was Schönes zu machen, steckt ihr noch in den Knochen. Der andere Mangel, nämlich die niedrige Besucherzahl, wirkte sich auf diese Weise positiv aus.

Gestern verbrachte ich einen Nachmittag mit meinen Formen. Ich will mir manchmal ein wenig Zeit mit ihnen nehmen, sie ausbessern, reinigen und neu versiegeln. Mit der Abformmasse begann ich dann die Kreuzstabträgerform auszufüllen. Ich fotografierte nun auch Arbeitsschritte für die Dokumentationsstreifen des Arbeitstagebuchs, für neue Anträge oder Nachweise. Die stetige Produktion von Dreiecksreliefs ist nicht ganz unanstrengend. Eine Möglichkeit wäre es, eine Art Spritzgussverfahren zu wählen. In der Nachbarwerkstatt wurde eine Pressluftanlage eingerichtet, an die man eine Massenspritze anschließen könnte. Weiches Pappmache, fein gemahlen, könnte man da durchschicken. Aber auf der anderen Seite müssen meine Workshopteilnehmer auch etwas zutun haben.

Das Atelier füllt sich immer weiter mit erarbeitetem Material. Freigeräumte Arbeitstische sind schon ein Luxus. Ich muss bei meinen Gästen aufpassen, dass sie nicht zu viel von ihrer Arbeit liegen lassen. Bei all den Materialschlachten muss ich mir auch etwas Raum zum Zeichnen freihalten.

In meinem Kopf nimmt so langsam eine Schlange mit einer Katze als Reliefmotiv Gestalt an. Vielleicht gelingt es mir, die Katze in die Mitte zu setzen, rundherum von Schlangen bedrängt.

Ernsthafte Kunst für Kinder

Als ich gestern mit etwas bangem Herzen im Atelier ankam, gespannt war, wie sich die dickere Ausformungsschicht aus der dritten Form herauslösen lässt, und wie ihre Stabilität sich mit den feinen Stegen der Form verträgt, stellte ich fest, dass ich mich beruhigt zurücklehnen kann und alles gut gegangen war. So konnte dieses erste Exemplar des Kreuzstabträgerornamentes fertig gemacht und auf die Heizung gestellt werden. Dies dauerte durch die erhebliche Sorgfalt und den gesteigerten Druck, mit dem ich nun mehr Masse in die fein modellierten Linien hineinpresste, meinen ganzen Arbeitsnachmittag. An andere Arbeit war nicht zu denken, außer daran, etwas Pappmache anzurühren und ein paar Fotos zu machen.

Neugierig schneiten die Lehrlinge am Feierabend zu einem Besuch herein. Auch S. besuchte mich, um mir eine DVD zurück zu bringen. Oft hat sie einen Rat für mich, meine Akquise betreffend. Diesmal meinte sie, dass es sich vielleicht lohnen würde, sich Gedanken um die Gestaltung einer Kindertagesstätte zu machen. Auch der Internationale Bund betreibt eine, die ein geeignetes Objekt abgeben könnte. Als ich mich mit der Idee angefreundet hatte, mit Kindern zu arbeiten, stellte ich mir folgendes Szenario vor: Zunächst sitzt ein Zeichner mitten unter den Kindern und zeichnet sie beim Spiel. Das würde ich in einer ähnlichen Weise tun, wie ich die Straßenszenen im Schaufenster übereinander gelagert habe. Wenn sie dann neugierig werden und mich vielleicht nachahmen wollen, nutze ich ihre Zeichnungen und verbinde sie mit meiner Arbeit. Daraus entsteht eine ornamentale Struktur, die man für verschiedene Gestaltungen benutzen kann. Es geht mir dabei darum, Kinder frühzeitig und ganz normal mit ernsthafter Kunst zu konfrontieren, so, wie ich in einem ehemaligen Kloster aufwachsend barocke Steinmetzkunst in mich aufgesogen habe. Das wirkt bis heute nach.

Der Ateliernachmittag war etwas kurz, weil wir am Abend zu einer Lesung und Podiumsveranstaltung zu Priya Basils Roman „Die Logik des Herzens“ gehen wollten, den B. übersetzt hat. Die beiden Frauen gaben auf dem Podium ein gutes Team ab, wurden aber an diesem Abend wenig gefordert. Stattdessen gerierte sich ein alter Selbstspiegler, der sich gerne reden hörte als wenig neugieriger Moderator. Ich traf die Verlegerin wieder, mit der B. bei Schöffling zusammenarbeitet. Wir kennen uns von der Mentorenstadt Frankfurt. Schöner Zufall!

Gestrig und Gültig

Durch den Altschnee der nassen Stadt, die gefährliche Eislawinen von den Dächern schickte, sind wir in ein kleines Kino gefahren, um uns einen Film der Gebrüder Taviani anzuschauen. Unter seinem Titel „Cäsar muss sterben“ wird Theaterarbeit in einem süditalienischen Gefängnis gezeigt. Laiendarsteller, die Strafgefangene des italienischen Staates sind, bilden die Theater spielende Gruppe von Insassen der Vollzugsanstalt, in der der Film spielt. Das Drehbuch behandelt die Probenarbeit zum Shakespeare Stück „Julius Cäsar“. Viele Insassen kommen aus den süditalienischen Städten, von deren Straßen die Sprache des Dichters herzukommen scheint. Auch wenn der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Konzept als aufgegangen beschreibt, kommt es ihm dennoch gestrig vor.

Am spannendsten für mich ist die Atmosphäre des Filmes, die von der brutalen Tristesse der Innenräume, die auch unter freiem Himmel Innenräume bleiben, gebildet wird. Im etwas unbeholfenen aber wahrhaftigen Spiel, werden einem die Mörder und Gewaltverbrecher sympathisch.

Im Cafe des Kunstvereines im „Steinernen Haus“ gibt es ein paar Tische unter einem schönen alten Kreuzgewölbe mit kunstvoll gestalteten Schlusssteinen. Natürlich ist vieles ergänzt und alles restauriert und fraglich ist, ob die Bildhauer der Gegenwart diese filigranen Durchbrüche und Schwünge noch hauen können, oder modelliert und in Steinguss hergestellt haben.

Unter diesem Himmel tranken wir Kaffee und schauten uns danach die aktuelle Ausstellung an. Eine Etage ist der eigenen fünfzigjährigen Geschichte des Vereins gewidmet. Der Bezug der Dokumentationen zu verschiedenen Designmoden der Zeit fällt unangenehm auf. Weiter oben gibt es noch aktuelle Installationen, die aus Blechen für Lüftungsschächte, großen trockenen Disteln und Rolltreppenhandlaufgummis bestanden. Ein Anspruch auf Zukunft geht in diesen Arbeiten immer mehr verloren. Sie sind nur vorübergehend gültig. Kontinuierliches Fortwirken ist das, was mir in der Gegenwartskunst am meisten fehlt. Ab und zu ist es aber noch zu entdecken, meist fern der Moden oder in Dokumentationen künstlerischer Prozesse.

Delhiplanet

Im Atelier habe ich begonnen, weitere Reliefausformungen zu grundieren. Manchmal folge ich den Mustern und lasse Teile von ihnen ungrundiert, was schon einen Test für die künftigen unterschiedlichen Bemalungsmöglichkeiten darstellt.

Als ich gestern begann, die nun schon zahlreichen Dreiecke zu einem Trixelplaneten zusammen zu klammern, bemerkte ich wie wichtig die Stabilität der einzelnen Dreiecke für die ganzen Konstruktionen ist. Das hängt natürlich zunächst von der Wandstärke ab, aber auch von der Dichte und Festigkeit des Pappmaches. Dann begann ich erstmalig das dritte Relief auszuformen. Entsprechend meiner Erfahrungen, ließ ich die Trennmittel ganz trocknen und beschichtete dann die Flächen recht kompakt und fest. Und wieder steigt die Spannung, wie sich der Rohling von der Form trennen lässt. Aber so sehr ich darauf brenne, ich werde heute am Sonntag nicht ins Atelier gehen.

Nach einem Anruf von C. kam ich auf die Idee, die Struktur des Frankfurter Kraftfeldes auf eine Arbeit zu übertragen, die ich in Delhi machen will. Dabei könnte der Weg durch die Stadt das Linienmaterial bilden, das sich derzeit aus den Erinnerungsbildern erschließt. Die dreieckigen Formen kann ich dann zum Delhiplaneten zusammenstellen.

Sie erzählte noch von einer Unterhaltung mit einer Kulturpolitikerin über das Gastarbeiterdenkmal. Die Stagnation bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes schieben die Städtischen Ämter und Dezernate auf die Bahn, die nicht wisse, was sie dort machen will. Etwas muss aber bald geschehen, denn der Platz verkommt immer mehr und steht im krassen Kontrast zum anderen Stadtbild.

So ist nun mit ihr ein neuerliches Gespräch erstanden, nachdem sie aus ihrem Universitätsprofessorenloch herausgekommen ist und wieder am Leben in der Stadt teilnimmt. Heute steht sie nach einer Restkarte für die „Walküre“ an. Es herrscht ja ein Wagnerjahr

Tav Falco

Die unebenen Flächen unterschiedlicher Tönungen, den Ausformungen der Reliefs zugehörend, grundierte ich gestern gründlich reinweiß, worauf mich gleich wieder eine Ahnung von Lasurmalerei beschlich. Ich traue ihr zwar nicht zu, dass sie diese großen Formate zusammenhaltend gestalten kann, werde es aber dennoch probieren. Die Schwachstelle bislang sind die Verbindungsfalze, an denen die Dreiecke zusammen montiert werden sollen. Sie müssen verstärkt oder stärker ausgeformt, d.h. beschichtet werden.

Giovanni Perluigi da Palestrina schrieb eine ätherische Missa Papae Marnelli, ein Chorwerk, das ich am Morgen hörte, als ich vom Orange Peel heimgekehrt war. Es klang wie das Versprechen der ewigen Reinheit, die an unbekanntem Ort wohnt.

Ein andersartiges Versprechen gab die Schlagzeugerin von TAV Falco vor der Show ab, indem sie einen lässigen Bauchtanz hinlegte, entsprechend der Vorstellung einer süßlichen Volksorientalistik. Dann aber an den Trommeln hielt sie als heimliche Chefin die Männerbanda im Zaum, ließ sie nie aus ihrem Diktat entkommen. Der Leadsänger, der einen guten Meter vor mir stand, erinnerte mich an eine tragisch alternde Schwulenfigur. Zu meinen Füßen lag er auf dem Rücken schaute mir von unten ins Gesicht und entlockte seinem Instrument das Dröhnen meiner Sozialisierung in den fernen Sechzigern. Jetzt auf der Bühne ist das ein etwas anonymisierter Sound einer ergrauten Rebellion, schwarz gefärbt und geglättet.

An der Haltestelle des Nachtbusses kaufte ich mir in einem Kiosk noch eine Flasche Bier, die ich auf dem Heimweg austrank. Dankbar fühlte ich mich wie Neunzehn. Die sommerlichen Heimwege damals auf den Schienen des Bahndamms von den Beat-Parkfesten der umliegenden Dörfer in die Dämmerung zu Hause. Davon hatte die kalte gestrige Nacht auch etwas.

Die dritte Form

Dunkle Tuschelinien durchziehen die Zeichnungen, die ich vor vier Jahren gemacht habe, und gestern vor vier Jahren sah ich die Richterausstellung in Köln. Aber erst viel später begann ich mit den Verwischungen der eigenen aquarellierten Tagebuchzeichnungen, die bis heute anhalten. Manchmal versuche ich mich etwas davon zu entfernen, was aber nur in Ansätzen gelingt.

Krishnababy zeigt auf einen Satz am fünfundzwanzigsten Januar Zweitausendneun: „ Die Schichten der geologischen Formationen werden in andere Richtungen gedreht, ein eingefrorenes versteinertes Bild als Knetmasse in den Schichten der Malerei.“ Das bezieht sich offensichtlich auf die ausgewalzten Gesteinsschichten am Stilftser Joch. So gibt es also verschiedene Auslöser für die Verwischungen und Rollbilder, die ich dann wenig später begann.

In die Nachbereitung der dritten Form habe ich mich nun viel intensiver begeben, als bei den beiden vorangegangenen. Kann sein, dass seine Exemplare etwas steriler, glatter daher kommen als die anderen. Aber ich gehe einfach meiner Lust nach, sie zu korrigieren, zu glätten und Fehlendes zu ergänzen.

Vor dem Workshop gestern Abend räumte ich das Atelier auf, um mehr Arbeitsfläche zur Verfügung stellen zu können. Das ordnet auch meine eigene Arbeitswelt, macht mehr Lust, auch das FRANKFURTER KRAFTFELD weiter zu verdichten, zu ordnen und das gefundene System produktiver zu machen.

Eine Mail kam von Jeanne van Stuyvenberg, die mich zum Gespräch über eine Internationale Ausstellung unter dem Titel ECO-Art einlädt. Die Internationalität täuscht nicht über gefällige Tendenzen der letzten Ausstellung dieser Reihe im vergangenen Jahr hinweg. Vielleicht ist es in diesem Jahr machbar, das Ganze mit aktuelleren Arbeitsansätzen zu bestücken. Dennoch ist es nett, dass sie an mich gedacht hat und dass die Website der Auslöser für die Einladung war. Ich denke dabei über die Präsentation der Dreiecksreliefs nach.

Kompaktes Sammelsurium

Durch einen Anruf der Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft, die das Projekt FRANKFURTER KRAFTFELD fördert, habe ich noch mal den Verlauf des ganzen Vorhabens vor Augen und denke erneut über die Rolle der Erinnerungsbilder nach. Die Katze und die Schlange verbinden sich mit einem Schlangenornament an einem Jaintempel der zweiten Indienreise und mit den großen Relieffragmenten des Neuen Museums in Berlin. Ich kann versuchen die zwei Figuren in einem dreidimensionalen Rapport zu verbinden und sie zusätzlich einzeln zu verarbeiten, so dass ich wieder drei Dreiecksmotive zur Verfügung habe. Für die nächsten Dreiecke sollte ich mehrere Motive probieren und die geeignetsten auswählen.

Der gestrige Ateliernachmittag verging mit dem Formenbau von Relief Nummer 3. Ich baute langsam eine kompakte Gipsschicht auf, die ich nun übernacht trocknen ließ. Heute kann ich sie auf den Rücken drehen, den Ton entfernen und mit der Nachbearbeitung beginnen.

Krishnababy zeigt auf den ersten November Zweitausendneun und da auf eine Zeichnung, die ausnahmsweise einen mit Bleistift darunter geschriebenen Titel trägt: „Ägyptische Schreiberfigur mit Preußisch Blau“. Die Reliefs aus dem Neuen Museum wirkten damals direkt in die Zeichnungen hinein. In diesem Fall war es zwar eine Vollplastik, aber es gibt viele schreitende, Tiermasken und Stäbe tragende Figuren. Die Katzenfigur werde ich vielleicht aus diesem Zusammenhang heraus entwickeln.

Das Sammelsurium im Atelier mündet nun in neue kompakte Gestaltungen. Gut, dass ich durch die langwierigen Arbeitsgänge nur langsam vorankomme. Somit haben die nächsten Arbeitsschritte immer genügend Zeit, sich in Ruhe zu entwickeln. Förderlich wirkt sich dabei aus, wenn sich ein gewisser Gestaltungsüberdruck aufbaut, der im richtigen Moment zu der Energie führt, die in das Bild fließt.

Zwischenräume zur Vervollständigung

Als wir Zweitausendneun in Berlin das neue Museum besuchten, das gerade neu restauriert eine großartige Sammlung beherbergte, fotografierte ich insbesondere die Art, wie die ägyptischen Relieffragmente präsentiert waren. In große, glatte Wände waren kleine Fragmente ehemals großformatiger Bildarbeiten so eingefügt, dass sie einerseits in der weiten Präsentationswand soweit versenkt wurden, dass sie mit der Gesamtoberfläche auf einem Niveau waren, und andererseits die Koordinaten des Platzes an dem sie saßen, durch die Wiederherstellung der weggefallenen und weggelassenen Gesamtkomposition ausgeklügelt wurden. Um manche kleine Einzelteile ergoss sich so ein Meer von rekonstruierbaren Szenen, die der Betrachter selbst finden muss. Ein großartiges Szenario für meine Arbeits- und Denkweisen.

Damals habe ich mit Relieffragmenten gearbeitet und damit die Ausstellung „Wien. Varanasi“ bestückt. Ägyptische Motive wechselten mit indischen und mit fragmentarischen Figurationen die aus Videostills von „One Flat Thing Reproduced“ stammten. All das komponierte ich mit musikalisch inspirierten Wiederholungen auf die große Backsteinwand des Balkenraumes.

Und plötzlich tauchen nun diese Arbeitswelten wieder auf und verbinden sich mit den Dreiecksreliefs, an denen ich gerade arbeite. Dabei entstand die Idee, ein blindes Dreieck, also ohne Motiv zu modellieren, dessen Abgüsse dann als Puffer oder Freiflächen zwischen völlig verschiedenen Ornamentdreiecken fungieren könnten.

Krishnababy zeigt auf den Satz vom dreizehnten November Zweitausendneun: „Gestern dachte ich über die Reliefs nach, die die Formen, die ich derzeit auf Rolle 4 erfinde, plastisch vergrößert wiederholen. Verschränkung der Formen und der Musik. Beim Anschauen der Zeichnungen von damals entsteht der Impuls, sie unter den Projektor zu legen und dann auf die Dreiecke zu übertragen. Es handelt sich bei ihnen um dynamische Vielfigurenkompositionen. Die Räume zwischen diesen unterschiedlichen Prozessen möchte ich gerne zur schauenden Vervollständigung freigeben.

Rhythmik der Volumina

Im Atelier modellierte ich den ganzen Tag am dritten Relief. Ich kombinierte auch das erste und das zweite Relief miteinander und stellte dabei fest, dass ich auf die Anschlüsse der Figuren achten muss, die die unterschiedlichen Motive gemeinsam haben, und die von einem Format in das andere übergehen.

Spannend werden die Muster sein und ihre Angebote, neue Figuren zu finden sein, die großflächig zusammengestellt werden können. Es wird Überraschungen geben.

Die Zunahme der Ateliertätigkeiten durch Formarbeiten, Vervielfältigungen, Modellieren und Entwerfen, fördert einerseits wieder viel Material zutage, aber auch eine festere Bindung an den Stoff, seine bildnerischen Ausprägungen und vor allem an die Möglichkeiten der weiteren Verarbeitung, die noch nicht zu überblicken sind.

Auch die Arbeitstische der Workshopteilnehmer haben eine anspornende Wirkung. Nicht zuletzt das Arbeitsmaterial, das herumsteht und die Farbigkeiten inspirieren zu anderen Vorgehensweisen.

Gestern dachte ich, schon in dieser Woche die dritte Form gießen zu können. Vorher kämpfe ich allerdings mit den weiteren Differenzierungen, die das Modell hergeben soll. Das Thema dabei ist die Rhythmik der Volumina, ihre Größen, Höhen, Richtungen, Strukturen und Gegensätze nebeneinander, die Wiederholungen und deren Übereinstimmungen.

So taste ich mich Stück für Stück voran. Gestern ging das leicht und harmonisch mit Musik, die mich dabei unterstützt.

Etwas uneins bin ich mit mir, was die Kontinuität der Arbeit während unserer Reise angeht. Wenn ich mir keinen Rechner mitnehme, wird es danach wieder einen Textarbeitsberg geben, den ich gerade dann, wenn das Projekt in eine entscheidende Phase kommt, nicht brauchen kann. Vielleicht kann ich die Abende nach den Sonnenuntergängen nutzen

Eisregen | Lasuren auf Reliefs

Den gestrigen Mainspaziergang begleitete Eisregen. Auf die alles überziehende Eisschicht fiel zusätzlich gefrorener Regen in Form von Eisstückchen. Wege wurden sehr glatt, Bäume senkten ihre Äste unter der Last, auf die es über Nacht noch schneite. Die gewohnte Ordnung des gewachsenen Holzes vor meinem Fenster ist außer Kraft gesetzt.

Es war ein ruhiger Sonntag, weitgehend ohne Arbeit. Nur die täglichen Notizen am Morgen bleiben.

Im Atelier habe ich am Sonnabend die Kamera vergessen. Ich fotografierte die zusammengesetzten Exemplare des zweiten Reliefs und den derzeitigen Zustand der Modellierarbeit am dritten. Weil ich diese Abbildungen heute benutzen und das undurchdringliche Schneegeäst fotografieren möchte, unterbreche ich die Arbeit an dieser um zu Fuß auf das Tevesgelände zu gehen.

Unterwegs auf der Mainzer Landstraße standen die Straßenbahnen aufgereiht und haben den Kontaktbügel zu den vereisten Oberleitungen heruntergefahren. Im Atelier stehen und liegen überall Arbeiten von Schülern herum. Ich sollte noch ein großes Regal für all dieses Material bauen.

Derzeit denke ich darüber nach, den Workshop, der gut funktioniert, noch auszubauen. Ich könnte ihn an zwei Abenden anbieten um mit bis zu acht Leuten arbeiten zu können.

Das Zusammenspiel von Reliefs und Lasurmalerei habe ich nun schon mit den Lehrlingen ausprobiert. Sie erkennen die Schönheit ihrer eigenen Arbeiten kaum und wissen nicht, was sie geschaffen haben. Gern hätte ich mehr Gelegenheit, ihnen das näher zu bringen. Man müsste mit ihnen in Ausstellungen, ins Theater und in die Natur gehen.

Relief 3 | neue Zusammenhänge

Weit oben weht mit der Windrichtung im Schneegriesel eine Krähe vorüber. Die Heizung im Atelier schafft sechzehn Grad. Der gestrige Nachmittag dort schuf mir eine produktive Situation zwischen der Bearbeitung der Ausformungen und dem Modellieren von Relief Nummer drei, dem Kreuzstabträger.

Das gestaltet sich als zunehmend intensiv. Ab und zu hilft es, die Komplexität der Motivverflechtung zu vergessen und nur einer Figur zu folgen. So kann ich Zusammenhänge leichter zu erkennen geben. Dann aber wiederum vergesse ich alle Gegenständlichkeit und gebe mich nur den Rhythmus der Volumina und Linien hin. Mich strengt das sehr an, wechsle den Standort von Staffelei auf den Tisch und zurück und ich probiere verschiedene Lichtsituationen.

Dann ist ein Wechsel zu den abgeformten Exemplaren eine Erholung. Bei ihnen sind die überstehenden Ränder, die bisher verhindert haben die Motive der Dreiecke ineinander fließen zu sehen, vorsichtig nach hinten zu falten. Das geschieht mit einer Wasserspur, die sich genau an der Kante entlang in das Material senkt, wo es dann weich wird und beweglich. Nach dem Trocknen können die Formate provisorisch von hinten miteinander verklammert werden. Nach den endlosen Arbeitsgängen fügen sich nun die Dreiecke mit ihren Motiven aneinander. Die Linien verbinden sich über die Formatgrenzen hinweg und bilden größere Zusammenhänge. Ein überraschend glücklicher Moment.

In den Kammerspielen gestern: „Der talentierte Mr. Ripley“ nach dem Roman von Patricia Highsmith. Das Handwerk siegte in diesem Bühnengeschehen und der Sinn des Unterfangens blieb verborgen. Das aber blieb das einzige Rätsel. Man kann den amüsanten Abend gleich wieder vergessen, er übersteht nicht einmal die Straßenbahnfahrt nach der Premierenfeier nach Hause.

So schlittern die Reeses und Holleins in die Zuschauerzahlenfalle und verlieren dabei gleichzeitig die mitdenkenden Teilnehmer.

Reliefbemalung | Sehnsucht nach Handwerk

In den spiegelnden Scheiben des Cafes verdoppelt rollen über gefrorene Schneereste, hart und knirschend die Räder eines langsamen Autos. Ski fahrend nannten wir den mehrmals überfrorenen Schnee verharscht oder Harschschnee. Ich kann mich nicht erinnern, dieses Wort je geschrieben zu haben. Harschen Reaktionen galten wohl manche der geschriebenen Worte. Die Skier bestanden aus Eschenholz und hatten Baudenzugbindungen, die die Ferse frei ließen und der Fuß somit beweglich blieb. Man konnte mit ihnen wandern und abfahren.

Einen großen Teil des gestrigen Tages verbrachte ich mit den Lehrlingen. Anhand der Bemalung ihrer Reliefs erklärte ich ihnen etwas über Lasurmalerei. Sie konnten sehen, wie sie mit drei Farben einen sehr reichen Farbklang herstellen können. Außerdem formten sie das dritte Exemplar des zweiten Dreiecksreliefs aus, wobei ich hoffen will, dass die Trennschicht völlig trocken war. Bei Experimenten in der letzten Woche habe ich herausbekommen, dass ein feuchtes Trennmittel das Pappmache vollkommen an die Formfläche bindet und ohne Wasser nicht herausgelöst werden kann.

Am Nachmittag führte ich die Tagebucharbeit zu Ende, die ich am frühen Morgen nicht fertig bekommen hatte. Mit einer Kanüle habe ich fünfzig Prozent Wasser zur Tinte in der Patrone meines Füllers hinzu gegeben, damit die Schwärze der Tinte nicht durch das Tagebuchpapier hindurch schlägt.

In unsicheren Zeiten scheinen manche Menschen der Handarbeit oder dem Handwerk eine sicherere Existenzmöglichkeit zuzuschreiben. Vielleicht ist es aber auch nur eine Sehnsucht nach haptischen Erlebnissen, nach Material und seiner Verarbeitung, die etwas Reelles zu unserem fragil-digitalen Tun beifügen könnte. Gestern auf dem Markt führte ich ein solches Gespräch, das aber aus einer aktuellen Bedrohung durch einen Jobverlust angestoßen war.

Pietro hat nun seinen zweiten Raum in der Pizzeria eingerichtet und möchte ihn gerne mit einem Vorhang abteilbar zu einen Kleinkunstbühne umfunktionieren können. Ich habe ihm irgendwann mal versprochen, dort etwas vorzulesen.

Schnell zeichnen

Es ist eher noch in der Nacht als zeitig am Morgen. Am Abend, während mir die Luft schon etwas milder war, hat es noch etwas geschneit.

Bei meinem Workshop hatte ich gestern erstmalig drei Teilnehmerinnen. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen erfüllen meine Ziele, die ich mit der Rolltechnik hatte auf ebenso mannigfaltige Weisen. Das kommt daher, dass ich alsbald mit dieser Technik mangels Zeit und wegen anderer Herausforderungen, aufgehört hatte zu arbeiten. Nun kann ich versuchen in die Richtungen zu lenken, die ich selber eingeschlagen hätte. Somit ist das auch für mich ein sehr produktiver Prozess. Die Damen scheinen sich gründlich zu entspannen und lieben das Austoben, die Meditation und die Farben. Dadurch sind die Abende auch für mich angenehm.

Für den Workshop und für das Frankfurter Kraftfeld kaufte ich Materialien ein und modellierte dann bis zum Abend am dritten Relief, dem Kreuzträger weiter.

Freitag ist, und bald werden die ersten Marktleute kommen, um ihre Buden und Zelte aufzubauen. Bevor der Markt aber zu florieren beginnt, bin ich aber schon auf dem Tevesgelände, um mich den Lehrlingen zu widmen.

Mit dem dritten Relief bin ich nun schon so weit gekommen, dass ich annehmen kann, in der kommenden Woche damit fertig zu werden. In der übernächsten Woche kann ich dann in Ruhe mit dem Formenbau fortfahren. Somit kann der Zeitplan für das Projekt eingehalten werden.

Je weniger Zeit ich für die Morgenzeichnungen habe, umso spartanischer fallen sie aus. Das tut ihrer Qualität keinen Abbruch. Schnell zu arbeiten bedeutet ja oft, sich auf das Notwendigste zu beschränken. Außerdem sind die Ergebnisse in sich einheitlicher und konsequenter.

Gothic | Kreislaufrelief

Am dritten Relief habe ich im Atelier weiter modelliert. Manchmal fühle ich mich angesichts der Technik ins neunzehnte Jahrhundert zurückversetzt. Dabei denke ich an die Fragmente von Rodin und an die Strukturen des aufgetragenen Tons. Noch vor unserer Reise möchte ich diese Arbeit abgegossen, bzw. die Form fertig haben.

Immer noch trennt sich der Abguss zu schwer von der zweiten Form. Mit dem Trennmittel muss ich sorgfältiger umgehen, es unbedingt ganz durchtrocknen lassen. Ungeduld führt zu langwierigen Reparaturen und unbefriedigenden Ergebnissen. Bei der Arbeit an den großen Reliefs Zweitausendzehn hatte ich keine dieser Probleme. Allerdings benutzte ich die Filzpappe nicht im zermahlenen Zustand als Brei sondern in Lagen. Die Abbildungsqualität ist jetzt allerdings besser. Dennoch gibt es noch einiges auszuprobieren. Aber das zweite Relief, das Kreislaufrelief existiert nun schon in zwei Exemplaren.

Der Nachmittag im Atelier war kurz, weil wir uns vorgenommen hatten, noch die aktuelle Sonderausstellung „Schwarze Romantik“ im Städelmuseum anzuschauen. Nur in wenigen Ausnahmen hatte die ausgestellten Bilder etwas mit mir zutun. Zwischen den dick aufgetragenen Sujets kam ich mir wie in einem Gothic-Club vor. Entsprechend tätowierte, in dunkel Mäntel gehüllte, mit schweren Ketten und Stachelarmbändern ausgestattete Besucher konnte man passenderweise auch sichten. Manchmal dachte ich an die Popularkultur der Phantasy – Filmproduktionen und ihre Plakate, die mir schon im Stadtbild auf die Nerven gehen. Carl Blechen und Caspar David Friedrich hatten rücksichtsvollerweise einen eigenen Raum, was aber die Zumutung nicht vollends wettmachen konnte.

Nach der Ausstellung saßen wir noch im Städelcafe, wovon man einen schönen Blick auf die erleuchtete Skyline hat. Vorher erholten wir uns im Beckmannraum der ständigen Ausstellung und brachten uns wieder auf das Normalmaß visueller Betätigung.

Abwesendes Reittier

Schatten der Feder meines Füllers unter der entstehenden Schrift. Mit der Lichtquelle meiner Schreibtischlampe kann ich seinen Winkel und seine Größe einstellen. Gleich darunter verbunden in derselben Abhängigkeit, der Schatten meiner Hand.

Über das Geschehen wachen meine zwei Beschützer Krishnababy und Ganescha. Letzterer leider ohne sein Reittier. Es wäre logisch, diese Abwesenheit zu kommentieren, indem man von unten her in den Sockel eine negative Ratte einarbeitet.

Gestern formte ich ein zweites Exemplar des zweiten Reliefs aus und stellte die Form am Nachmittag auf die Heizung, so dass ich den Abguss heute hoffentlich unbeschädigt heraus nehmen kann.

Für heute hatte ich mir vorgenommen, nicht in den Taunus zu fahren, um am dritten Relief weiter zu modellieren. V. von den Lehrlingen erkannte das Prinzip der wegfallenden oder dazukommenden Figuren auf den beiden ersten Motiven schon. Sie wäre ein erster guter Kandidat, der auf den größeren zusammengesetzten Flächen neue Figuren entdecken könnte.

Es gibt Passagen in den ausgewählten poetischen Texten von John Cage, die eine gedichtartige äußere Form haben. Sie entsprechen in der Struktur dem, was ich mir manchmal für mein Arbeitstagebuch wünschte, nämlich eine Reduktion und gleichzeitig eine Konzentration.

Krishnababy zeigt auf:

„unD träume

In der nacht

das magiSche quadrat

dann Zufalls

operatIonen…“

Sprechpausen | THE RED ONE

Zurückhangeln, nachts, Schritt für Schritt, gestern die Kälte, Materialeinkauf, Atelier, Filzpappe, Reliefs. Eine Mail von Vinzenz. Auf seiner Website sah ich „The Red One“ eine Arbeit, die er in NY gemacht hat. Fotografiert hat ihn dabei Devvon Simpson. Den Ausschnitt einer Fotografie habe ich in den Bildstreifen oben aufgenommen. Krishnababy zeigt während dessen auf eine Cagepartitur. Alles mischt sich mit den täglichen Zeichnungen.

Wie aus einer Zeitverschiebung tauchen immer mehr Missbrauchsfälle in der Öffentlichkeit auf. Die heute erwachsenen Kinder kehren ihr Innerstes nach außen.

Während meiner Arbeit am Handprint Frankfurt hatte ich mit einem Lehrer zutun, der später ein Buch über den Missbrauch an der Odenwaldschule geschrieben hat, dem er zum Opfer gefallen ist. Ich erinnere mich an seine Sprechpausen, an seine Erzählungen von Triathlontraining und an eine gewisse Distanzherstellung seinerseits. Drei Jahre später ist seine Geschichte erst bekannt geworden.

Im Atelier bin ich mit der Herstellung von Pappmache nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Ich weichte grobe Stücke der Filzpappe ein und rührte sie dann sofort mit der Bohrmaschine durch, wodurch das Material schnell zu einem Brei zerfloss. Sowohl Menge und Herstellungszeit entspannen mich mit Blick auf die Projektarbeit im Februar. So kann ich das Ausformmaterial schnell mit den Teilnehmern selbst herstellen und habe gleichzeitig einen weiteren Arbeitsschritt, den ich anbieten kann.

Ein erstes Exemplar des zweiten Reliefs ist außerdem wieder neu ausgeformt, womit der Fehlgriff der vergangenen Woche beseitigt wäre. Vinzenz hat auf die Reliefs positiv reagiert, obwohl er ja nun ganz anders zu arbeiten beginnt. Er schleifte ein rotes Tuch durch die grauen Häuserschluchten von New York: wehend schleifend gewunden verletzlich gefährlich rot.

Erinnerungskonturen verwischen

Viel Licht gestern während eines Spaziergangs an Main. Im blendenden Gegenlicht und seiner Spiegelung im Fluss, waren die vielen Menschen, unterwegs, nur als Schattenrisse sichtbar.

Sprachschwall einer allein lebenden Bekannten bis die Beine im kalten Ostwind froren. Diese Spaziergänge sind nun etwas klein geratene Sonntagsvergnügen, weil sich immer mehr Arbeit in die Wochenenden drängt. Ich bremste das gestern ab. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, im Atelier an der Ausformung des Reliefs weiter zu arbeiten, legte mich aber anstatt dessen auf die Couch und schlief eine Dreiviertelstunde.

Vor mir liegen Zeichnungen und Texte, die ich vor neun Jahren gemacht habe. Ich beschrieb, wie heute das Tägliche. Damals quälte ich mich mit dem Frankenalleeprojekt.

Die Feuilletonkritik zu „Kleiner Mann – was nun?“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung besprach das Stück geradezu hymnisch. Wir kommen uns vor wie Menschen mit ihren gestrigen Ansichten, die der Zeitgeschmack überrollt hat. Jung, leicht und gefällig beeilt sich der Kulturbetrieb einen Massengeschmack zu bedienen, der zu einer anderen Generation zu gehören scheint.

Gestern hatte ich Schwarz-Weiß-Varianten meiner Polygonskulpturen vor Augen mit klar umrissen gezeichneten Figuren. Das widerspricht den Vorstellungen vom malerischen Herangehen. Beide Techniken könnten sich allerdings durchdringen. Vielleicht sollte ich mit dem Theoretisieren aufhören und endlich mit der Umsetzung beginnen!

Draußen fängt es an zu schneien. Die Konturen der Bilder, die mein Kopf immer wieder sehend und erinnernd zusammensetzt, werden durch ein Flirren etwas zerpflückt, verwischt und Erinnerung vergeht.

Radioguckkasten

Es interessiert mich, inwiefern mich die gewachsenen Formen der kahlen Äste im Blick aus meinem Fenster bei meinen täglichen Zeichnungen beeinflussen. Sicherlich war die gestrige Übernahme einer solchen Figuration eine Ausnahme, könnte aber unterschwellig auch in den anderen täglichen Bildern eine Rolle spielen.

Über den kleinen Rasen, der von der Quäkerwiese übrig geblieben ist, hüpft eine Elster mit ihrem weißen Bauch hin und her, im Turm der Friedenskirche läuten drei Glocken, Tauben kommen auf dem Rasenstück hinzu bis die Elster auffliegt, sich auf den geschlossenen Bretterzaun des Kindergartens setzt, sich umschaut und dahinter verschwindet. Die Schäfchenwolken nach Süden hin lösen sich eher auf, als dass sie fortziehen, was einen sonnigen Tag verspricht.

Im Atelier habe ich gestern die ausgewaschenen Formen neu versiegelt, die Flächen mit mehr Trennwachs beschichtet und habe begann, das zweite der Reliefs auszuformen. Damit bin ich zu drei Vierteln fertig geworden.

Als nächstes werde ich die ersten Dreiecke zu grundieren haben, um zu beginnen zu können, sie zu Körpern zu montieren. Außerdem habe ich mich um Materialnachschub zu kümmern und werde versuchen, wieder zur Filzpappe zurück zu kommen.

Als Chor fungierten die Nebenfiguren einer Inszenierung der Dramatisierung von „Kleiner Mann, was nun?“ auf der Bühne des Frankfurter Schauspiels. Sie stehen in einer Reihe nebeneinander hinten auf den Abschluss einer steilen Bühnenschräge. Der weitwinklige Guckkasten kam mir wie ein Radio vor, in den kleine Figuren sprechen. Der Regisseur Michael Thalheimer scheint ein routinierter Handwerker zu sein. Einer gewissen Banalität des Stoffes konnte er aber auch durch seine Kunstfertigkeit nicht entgehen. Dem Publikum hat’s gefallen, und ich hege den Verdacht, dass die Theaterpädagogik immer mehr zutun bekommt, genau wie die Museumspädagogik des Herrn Hollein. Ich fühle mich nicht mehr gefordert.

Erinnerungsfigur | Papier | Ast

Sonnabend – „Der Tag hat so viele Stunden, wie man hineinlegt“ zitiert John Cage Arnold Schönberg. – Und Krishnababy zeigt auf die Frage Schönbergs zuvor, der zu einer etwas faulen Schülerin sagte: „Wie viele Stunden hat der Tag?“ Sie sagte vierundzwanzig. Er darauf: “Unsinn…“ und dann geht es wieder von oben los. So könnte ich langsam an den Gliedmaßen der Bronzefigur zurück lesen.

Im Januar Zweitausendvier arbeitete ich an den Zeichnungen zu den Goldbergvariationen. Es sind winzige Tagebuchzeichnungen von vier Komma fünf Zentimetern im Quadrat. Sie sind von vielen Linien durchzogen, die ich mit einem spitzen Gegenstand hinein grub, ansonsten aber etwas vage-unbestimmt und sehr zart, was mir gut gefällt.

Mich umgaben damals die Kampflinien des Neulandes und war in den Streit um die Gestaltung der Frankenallee verstrickt. Eine unangenehme Erinnerung, die ich nun auch durch den Kreuzträger beginne zu bearbeiten. So wird diese Figur zu meiner Erinnerung von einer Wanderungsgeschichte eines Christen aus dem Nahen Osten nach Frankfurt.

Das Papier des Tagebuches, das ich gestern begonnen hatte, ist wieder von schlechterer Qualität. Man merkt es erst, wenn man damit arbeitet. Das Wasser der Aquarelle dringt schneller ein, was es schwerer macht, in mehreren Schichten zu malen. So hat es Auswirkungen auf die Zeichnungen und auf den ganzen Tag. Ich habe eher Lust auf dieses Papier mit Bleistift zu schreiben, weil die Tinte so satt aus der Feder läuft und fast ausfranst. Die Seite verwirft sich beim Trocknen und schlägt Wellen, auf deren Rückseite sich kaum noch schreiben lässt.

So können sich Veränderungen vollziehen, auf die ich vielleicht lange gewartet habe. Äußere Umstände führen zu neuen Ausrichtungen.

Ich fotografierte einen Ast, der Inspiration für einen Teil einer Zeichnung wurde, die ich mehrmals mit dem Handballen und Wasser in andere Konstellationen transportierte. Es war, als wollte ich an diesem dünnen Ast Halt finden.

Globeplotter

Desnachts reizen die immer gleichen Dinge zu anfänglicher Betrachtung. Natürlich sitzt Krishnababy wieder auf einem der Sätze, die er für sich in Besitz nimmt: „ Das Zufallsverfahren setzt die Geistergespräche in Szene gemäß seiner Devise der gegenseitigen Durchdringung ohne Behinderung.“, aus Walter Zimmermanns Aufsatz „John Cage und die zehntausend Dinge“. Dazu wieder die Spiegelungen vor einer finsteren klaren Nacht.

Gestern im Atelier habe ich mit einer Pappmacherezeptur oder anderen Fehlern beinahe die Form des zweiten Reliefs zerstört. Vielleicht war, als ich das Ausformen begann auch die Schelllackschicht noch nicht richtig trocken. Die Pappschicht war nur mit Gewalt herauszulösen, es brachen Stege und der Abguss war natürlich zerrissen. Ich werde in den nächsten Tagen herausbekommen, woran das gelegen hat.

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung habe ich einen Artikel über eine Werkstattrevolution gefunden, der von den Möglichkeiten der 3D-Drucker ausgehend eine neue industrielle Welt entwirft. Ab und zu habe ich ja auf der Messe „Euromold“ solche Plotter gesehen, die im Rechner entworfene Modelle dreidimensional Schicht für Schicht aufbauten. Jetzt aber gibt es dafür Begriffe wie Privatindustialisierung, Produktivitätsparadox und FabLab.

Ich denke das mit „Syncronus Objects“ zusammen und habe dabei das Gefühl, dass die wachsende Weltschnelllebigkeit sehr lange dafür benötigen wird, um diese Dinge unter einen Hut zu bringen, der wieder Kontinuität beschirmt.

Drei Tage der Woche habe ich mit jungen Menschen und ihrem herzerfrischenden Humor zugebracht. Den notwendigen Gegenpart, die ernsthafte Beschäftigung mit Gestaltung, versuche ich ihnen mit der Dreidimensionalität des Rapports, den ich für den TRIXEL PLANET entworfen habe, zu bieten. Sie begreifen ihn wie ich, nur zeichnend und annähernd. Mit V. habe ich begonnen, das dritte Relief mit der Figur des Kreuzstabträgers zu modellieren.

Vorspiel auf der Vorderbühne

In der Regie von Philipp Preuss sahen wir gestern Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“ im Schauspiel Frankfurt. Der Abend begann mit einem realen Irrtum der Platzanweiser. Die erste Reihe war von einem Chor besetzt, der in die Inszenierung eingebunden war. Das hatte zur Folge, dass die zweite Reihe nun für diejenigen vorbehalten war, die Karten für die erste Reihe hatten. In dieser Weise setzte sich die Verschiebung über alle Reihen hinweg bis in die letzte, die demnach nicht verkauft wurde. Das alles wäre kein Drama, wenn nicht der Umstand eingetreten wäre, dass die Platzanweiser diese geplante Verschiebung erst mitbekamen, als die gute Hälfte des Publikums schon saß. Auf der Vorbühne fand ein Vorspiel in Form des Songs „Dream a Little Dream of Me“ statt und in einer der Großen Zugangsflügeltüren erschien der aufgeschreckte Intendant und wies den Schauspieler auf der Bühne an, doch mit dem Song noch einmal anzufangen, was er auch tat, nur eine Oktave zu tief. Seiner Partnerin Vera Tscheplanova, dem Käthchen des Abends, mit dem er im Duett sang, war immer noch keine Nervosität anzumerken, während genau hinter uns eine Dozentin der Hochschule für Darstellende Künste begann, lautstark auf ihrem Platz zu beharren, der von einem Teil eines schwulen Pärchens besetzt war, das sich weigerte, sich getrennt voneinander zu platzieren. Mittlerweile hatte der Schauspieler auf der Vorbühne seinen Irrtum erkannt und das Licht ging langsam aus. Wenn ein Theaterabend so beginnt, kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen.

Dieser war eingebettet in eine musikalische Struktur, die von einem Bühnenmusiker in der Rolle eines omnipräsenten Dirigenten erfunden und durch das Stück hindurch geleitet worden ist. Es handelte sich geradezu um das Musical „Das Käthchen von Heilbronn“. Somit blieb aber leider der schöne Text etwas auf der Strecke. Das war aber sicher die Entscheidung für diesen Abend.

Im Anblick der sich verdichtenden Bürotürme sprachen wir bei einem Wein noch etwas in der Panoramabar und gingen dann weiter ins „Urban Kitchen“, wo wir den Abend beschlossen.

unCaged

Scharf zeichnen sich die Spieglungen meiner Hände im finsteren Fenster. Die Linke hält das linke Blatt der aufgeschlagenen weißen Doppelseite des Tagebuches. Krishnababy hält mit seinem Gewicht einen Aufsatz mit dem Titel „John Cage und die zehntausend Dinge“ offen, in dem die Beziehung der Kompositionsarbeit zu fernöstlicher Meditationspraktik umrissen wird. Dabei fällt der Begriff „unCaged“, der meint, dass der Zuhörer nicht eingesperrt, ihm wohl aber zufallsgeschichtliche Klangkonstellationen diktiert werden. Da begegne ich wieder dem sowohl als auch der gestrigen Indienexperten.

Ich erinnere mich an ein unbedeutendes Relief, dessen Komposition ich mit Hilfe von I Ging Konstellationen entwarf.

Den fiktiven Akt des gemeinsamen Sprechens verschiedener Figuren, wie Buckminster Fuller, Mao als Kind und Robert Rauschenberg, spielt Krishnababy mit, indem er auf die eine oder andere Textstelle zeigt. Sie taucht als Ausgangspunkt der Beschäftigungen tagsüber ab und an wieder auf.

Die andere Hand, die sich spiegelt, nimmt die etwas schräge Haltung einer Schreibhand ein. Sie hält den Füller der Firma Waterman Paris und folgt dem Mysterium der Zeichenlinien, die sich systematisch zu einem Sinnzusammenhang finden. Hier erfüllt sich die Raumerschaffung des Leibes, von der Z. am Wochenende sprach geradezu illustrativ.

Gestern saß ich eine ganze Zeit in einem Warteraum mit krebskranken Menschen. Ich hatte dabei das Gefühl, dass ich mich in einer anderen Kultur befinde. Oft sitzen Paare beieinander und sprechen zusammen. Es herrscht eine andere, fast heitere leichtere Konzentration als anderswo, die von vielen Nebensächlichkeiten befreit zu sein scheint.

Ich setzte mich danach in ein kleines Cafe, trank einen Milchkaffee und gönnte mir einen Moment Ruhe. Dann kaufte ich noch etwas Packpapier für den Workshop und hatte das Gefühl von einem Feriennachmittag.

Lasuren auf modellierter Oberfläche

Ein kleines Tier schleicht zwischen den Rabatten des Grünstreifens der Allee in der Dunkelheit herum. Sieht aus wie ein Vogel, eine Amsel. Motoren oder Aggregate grollen von ferne. Niedrigere Temperaturen werden jetzt bald einsetzen.

Die letzten Experimente mit dem Pappmache waren nicht sehr ermutigend. Das feinere Material aus dünnem Papier lässt sich schwerer verarbeiten als das grobe aus Filzpappe, außerdem dauert seine Herstellung mangels Masse sehr lange. Also wieder zurück zum alten Arbeitsprinzip.

Die Struktur der Reliefoberflächen wird von der des Modellierens mit Ton bestimmt. Ihr würde ich gerne eine adäquate Malerei zuordnen. Das heißt, dass sie nicht durch eine dicke Grundierung oder pastosen Farbauftrag überdeckt wird. Eher sollte es sich wieder um eine lasierende Acrylfarbe handeln. Den Zusammenhang zwischen Form und Farbigkeit will ich in Ruhe für mich ausprobieren.

RUHE – das Gebot der Stunde.

Gestern Abend im Atelier hörte ich die Sendung „Der Tag“, die von F. moderiert wurde. Nach einer brutalen Vergewaltigung mit Todesfolge in Delhi, gibt es in Indien Proteste gegen die untergeordnete Rolle der Frauen auf dem Subkontinent. Deswegen kreiste das Thema der Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderungen in Indien ein. Experten konnten dabei klar machen, dass es nicht „Die indische Gesellschaft“ als eine Einheit gibt. Im Gegenteil!. Die ist grundlegend multikulturell und baut dabei auf die zusammenhaltende Kraft der Vielfältigkeit auf. Es kann also nicht darum gehen, dass eine starke Zentralregierung in Delhi reglementiert, was indisch sein heißt. Eher muss sie dafür sorgen, dass die vielen Besonderheiten erhalten bleiben und sich nicht gegenseitig behindern. Durch die Sendung ist mir wieder klarer geworden, warum dieses Land für uns so faszinierend bleibt.

Museen

Unser Direktor dreier Museen Max Hollein, schafft es noch, dass wir seine Ausstellungen nicht mehr besuchen. Sie sind derartige Publikumsmagneten, dass sich vor dem Städel mit der „Schwarzen Romantik“ lange Schlangen bilden. Drinnen wird vor Überfüllung wohl in einer Luft, die zum Schneiden ist, kaum etwas zu sehen sein. Ein Feuilletonkritik titelte: “Besser kann man sein Publikum nicht bedienen“. Im Mengen strömen Menschen in die Museen, die man früher dort nicht gesehen hat. Begierig saugen sie die Deutungen auf, die ihnen geboten werden. Jetzt wissen sie endlich, was sie über die Kunst, die jeweilig zum Schauen angeboten wird, denken sollen. Das Kunstmuseum ist ein Inplace geworden, es ist hip, am Wochenende dort gewesen zu sein, weil alle dort waren. Die Museumspädagogik treibt immer neue, vulgäre Blüten. So werden wir immer öfter ausgesperrt.

Gestern wollten wir die Flucht nach vorne antreten und landeten im Caricatura Museum, dem Tempel der „Neuen Frankfurter Schule“. Auch dort blieb uns vor lauter Banalität die Spucke weg. Das hat alles mit uns wenig zutun. Deswegen zieht es mich eher in mein Atelier.

Dort liegt aber zunächst ein Aufräumtag vor mir. Falls sich mein Donnerstagsworkshop doch mit weiteren Teilnehmern füllt, habe ich zumindest Tische abzuräumen und mehr Platz zu schaffen.

Wahrscheinlich bekomme ich in dieser Woche das dritte Relief doch nicht fertig. Ich sollte mich deswegen nicht hetzen und eher auf „Die Entdeckung der Langsamkeit“ setzen.

Die zweite Form

Die zweite Form. Wesentlich weniger Linien, größere Freiräume, Grate sind beseitigt und eine kompakte Schelllackschicht aufgestrichen. Die erste Form habe ich teilweise mit einer neuen Ausformungsmasse ausgefüllt und gemeinsam mit der zweiten auf die Heizung gestellt. Ich weiß nicht, wie ich die Herstellung des Pappmaches beschleunigen kann. Es wäre sicher klug, es einfach so lange dauern zu lassen, wie es braucht, ohne sich darüber aufzuregen. Die Geschwindigkeit spielt beim FRANKFURTER KRAFTFELD sowieso keine wichtige Rolle. Ich kann ja auch die Langsamkeit genießen.

Eine lange geplante Verabredung am Abend. Für die kochten wir ab dem späteren Nachmittag. Lange und vergnüglich saßen wir am Tisch und redeten über Kunst. Intensiv über den „Ring des Nibelungen“ und Wagners „Forschung“, über den Leib der den Raum erschafft und die Abwesenheit bei Mehldau und Forsythe. Dann bekomme ich Lust, mich mit diesen Dingen wieder näher zu beschäftigen, gedankliche Auseinandersetzungen damit in die aktuelle Arbeit mit einzubeziehen.

„You Made Me a Monster“ inspiriert mich zu einer Reihe von Polygonalstrukturen in denen sich die kompakt geschlossenen Architekturen langsam auflösen und die Dreiecksreliefs als Fragmente die Dreiecksgitterstrukturen bevölkern, Schatten werfen, die wieder gezeichnet werden können. Eine solche Installation würde den Balkenraum schnell füllen.

Mit der gefundenen Struktur können nun immer mehr neue Ideen nachwachsen. Sie kann viele Gestalten beherbergen.

Z. sprach gestern von seinen Studenten, die allen traditionellen Ballast abwerfen wollen, sich nur noch schwärmend aus dem Netz versorgen, um als entindividualisierte Bilderarbeiter Neues zu schaffen. Das trägt ein Potential in sich, das die Kunstwerke der Vergangenheit als überflüssig betrachtet und deswegen der Zerstörung anheim geben könnte. Bildersturm und Kulturrevolution sind das Bedrohungsszenario das mir daraus erwächst.

Relieflinien und Malereischichten

Es herrscht sehr mildes Wetter und die Feuchtigkeit der Luft tut dem Gesicht gut. Es fällt leicht im Park zu laufen.

Am Nachmittag goss ich die Gipsform des zweiten Reliefs mit dem Ornament der Blutkreislauffigur. Der Gips ist schnell hart geworden. So konnte ich schon bald Form und Modell trennen. Wenn ich heute Nachmittag die Schelllackschicht aufstreiche, kann ich in der nächsten Woche damit beginnen, das zweite Relief auszuformen. Ich bin gespannt, wie sich dabei das neue Material verhält. Ich habe das Pappmache aufgekocht und lange durchgerührt und wieder aufgekocht, sodass es sich in möglichst kleine Fasern zerteilt.

Beim betrachten von vier gleichen Dreiecken in einer Reihe, bekam ich gestern eine Ahnung von der Dimension der Objekte. Gleich stellte sich das Platzproblem in der Vorausschau. Daran sollte ich aber jetzt nur insofern denken, dass ich die Figuren so montiere, dass sie leicht wieder in die Einzeldreiecke zerlegbar sind. Auch die zweidimensionalen Wandbilder werden von einem Format sein, das die Möglichkeiten mancher Räume sprengen könnte. Die Dreiecke aus Pappmache kann man allerdings leicht stapelnd lagern.

Im Wald reparierte ich am vergangenen Mittwoch ein Objekt, das M. ein paar Tage vor ihrer Operation ziemlich schnell herstellte. Gestern traf ich sie auf dem Markt. Vielleicht kommt sie auch zum Donnerstags-Workshop.

In der kommenden Woche will ich versuchen das Kreuzstabträgermotiv zu modellieren. Es wird zeitlich etwas knapp. Aber vielleicht kann ich den Unterricht mit diesen Arbeiten verbinden.

Sehr gespannt bin ich auf die malerische Dimension vom FRANKFURTER KRAFTFELD. Manchmal denke ich daran, über die Schicht der Relieflinien völlig andere Motive zu legen. Ich sollte die Malerei als Befreiung von den fest gefügten Ornamentlinien feiern und eine wirklich neue Dimension aufschließen. Es wird langsam Zeit, damit zu beginnen.

Credo möglich

Weil ich mit der Tagebucharbeit gestern schon morgens gegen Fünf angefangen hatte, entsprechend früh damit fertig war, konnte ich am Vormittag länger im Atelier sein.

Das vierte Exemplar des ersten Reliefs war trocken, weswegen ich die Form für den nächsten Arbeitsgang schon präparieren konnte. Außerdem modellierte ich bis zum Abend das zweite Relief fertig und kaufte Gips für seine Form. Die könnte ich heute gießen. Am Abend habe ich neue Ausformmasse vorbereitet, die ich heute noch mal durchrühren kann. Das ist der Lauf der Produktion, an den sich in der nächsten Woche das Modellieren des dritten Reliefs anschließen kann.

Alles läuft nach Plan und behält die Spannung dadurch, dass die ausgeformten Dreiecke alsbald weiter verarbeitet werden. Eigentlich geht es einerseits um die Malerei und außerdem um die Zusammenstellung der Objekte.

Die Poesie der Arbeit wird erst in den nächsten Arbeitsschritten sichtbar werden. Anders als beim Kraftfeld 2010, werde ich nun mehr Wert auf Malerei und auf grafische Elemente legen, die sich aus der Reliefstruktur ergeben. Weil sich die Malerei auch in alle Richtungen ausbreiten kann, komme ich im Vergleich zum vorherigen Kraftfeld wirklich einen Schritt weiter.

Der wesentlichste Schritt aber bleibt die Dreidimensionalität. Sie fordert von der malerischen Behandlung noch einmal mehr Fingerspitzengefühl.

Meine größte Hoffnung aber gilt dem Auffinden neuer Figuren. Dieser Arbeitsvorgang gestaltete sich vor drei Jahren noch etwas steif. Somit handelte es sich tatsächlich nur um eine Testarbeit. Jetzt kann darauf mehr Zeit verwendet werden. Der Zusammenklang von zweidimensionalen malerischen Flächen und den skulpturalen Erscheinungen der TRIXELPLANETEN kann zu einem Credo der gesamten Arbeit an den Wanderungsspuren werden.

Helle Nacht

In ihrem Weltreisbericht im Netz bittet J. um Feedback. Sie schreibt fleißig kleine Berichte und Storys und bezichtigt sich selbst, nicht genügend geschnittenes Videomaterial auf ihre Seite gestellt zu haben. An mehreren Punkten begegnet sich ihr Problem mit meinem täglichen Arbeitstagebuch, und auch deswegen interessiert mich ihr „Notruf“. Ich glaube, dass der Hang nach Perfektion der Lebendigkeit des Reisetagebuches im Wege steht. Ein verwackelter Handyvideoschnipsel oder die Beschreibung eines Geräuschs, kann manchmal mehr erzählen als ein perfekt geschnittener Trailer. Wenn es ihr gelingt, den Druck raus zu nehmen, zugunsten einer Verknappung auf weniger, aber anderes Material, das mehr reale gefühlte Stofflichkeit in sich trägt, öfter eigene Befindlichkeiten hinterfragt, kann sie vielleicht auf mehr Feedback hoffen. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass die anderen Seiten des alleine Reisens eine nur geringe Rolle spielen.

Es ist eine helle Nacht, in der das Stadtlicht von einer niedrigen Wolkendecke reflektiert wird.

Gestern war ich schon am Vormittag im Atelier, um mit dem weiteren Ausformen des ersten Reliefs fortzufahren. Und am Nachmittag fuhr ich, wie ich es mir vorgenommen hatte zu meinem Hangweg im Taunus. Ich habe das Gefühl, dass die Wildtiere in die Stadt wandern und würde mich über Rehe in den Supermarkthinterhöfen nicht wundern, wo sie mit Füchsen um die Lebensmittelreste konkurrieren. Außerdem wird in der Stadt seltener geschossen.

In direkter Zuwendung, ohne störende Schneedecke, widmete ich mich wieder dem Verlauf meines Weges. Manche Teile der Bodengestaltungen sind von Wildschweinen zerstört worden. Ich denke daran, sie für neue Formen zu nutzen. An Stellen, wo der Verlauf des Weges noch nicht ganz klar geworden ist, habe ich Entscheidungen getroffen und den Weg entsprechend durch Beiseiteräumen von gröberem Bodenmaterial markiert. So sind nun alle Lücken geschlossen. Nach der Rückkehr aus dem mittlerweile eingedunkelten Wald, habe ich im Atelier das vierte Exemplar des ersten Reliefs fertig ausgeformt.

Bekannte Räume

Krishnababy zeigt auf der aufgeschlagenen Buchseite auf eine Stelle, wo es um die noch zu erfindenden Weltpumpen geht. Cage dachte ökologisch und meinte, sie müssten über das Universum funktionieren, sparsam allumfassend und dazu vergnüglich. Auf den Portraitfotos, die es von ihm gibt, lacht er meistens, als hätte er etwas zu viel von einem Psychopharmakon. Ein Gleichklang jenseits von Missmut würde schon reichen.

In der Schirn sahen wir eine Ausstellung, die sich mit früher Stadtfotografie im Zusammenhang mit dem malerischen Werk von Gustave Caillebotte beschäftigt. Durch die vordergründige Didaktik rückt die Malerei etwas in den Hintergrund. Das ärgerte mich schon bei der Munch – Ausstellung. Außerdem fühle ich mich durch die simpel hergestellten Zusammenhänge bevormundet und will doch die Interpretationshoheit für mich bei mir wissen. Weil aber diese Holleinkonzepte die Ausstellungshallen der Stadt durchziehen, wünschte ich mir etwas mehr Abwechslung und weniger Zurschaustellung des kuratorischen Gedankens.

Eine Abwechslung konnte ich mir im Cafe im Kunstverein verschaffen, indem ich mir einen Rhabarbersaft bestellte. Seit ewigen Zeiten schmeckte ich diese herbe, frühlingshafte und erdige Säure nicht mehr. Sofort schaltete das Hirn auf Kuchen-, Kompott- und Gartenidyllerinnerungen. Während mich der aufgeregte Lärm der vielen Menschen etwas störte, waren wir dennoch und gleichzeitig froh, in einer Stadt zu wohnen in der es Ausstellungen und nette Orte für Getränke gibt.

Mittwoch ist heute. Ich muss mir das nach all der Sonn- und Feiertagskonfusion etwas einprägen. Am Nachmittag steht demzufolge der Pfad am Hang im Taunus auf dem Programm, am Freitag werde ich wieder laufen und Regelmäßigkeit herstellen. An den Reliefs kann ich Morgen und Übermorgen weiterarbeiten.

Von Nordwesten her steigt eine kompakte, scharf konturierte Wolkenwand in den hellblauen Himmel. Weiche, warme Himmelsfarben in dünnen Wolken noch davor und das dunkle Geflecht der Äste – bekannter Raum.

Granit und Rokoko

Weit oben im Geäst spreizt eine Krähe ihr Gefieder asymmetrisch, schüttelt und reinigt es mit ihrem Schnabel. Sie wendet dafür ihren Kopf weit hin und her. Ich glaube, dass sie mit ihren Schnabelspitze an jede Stelle ihres Federkleides gelangt.

Im Atelier habe ich das zweite Relief grob fertig modelliert. Morgen kann ich an die Feinheiten gehen und dann danach die Form bauen. Parallel dazu stelle ich das vierte Exemplar des ersten Reliefs her und setze neues Pappmache an. Die Produktion läuft.

Der letzte Spaziergang im vergangenen Jahr führte uns am südlichen Mainufer entlang bis zur Eisenbahnbrücke, die wir überquerten. Die Ganze Zeit hat man die riesige Glasfassade der Doppeltürme der neuen Europäischen Zentralbank vor sich. In ihr spiegeln sich die Häuser des gegenüberliegenden Ufers und der Horizont in einer erstaunlichen Schräglage. Ein ungewohntes und etwas verstörendes Bild eines optischen Phänomens.

Wir sahen uns gestern am Silvesterabend Fotos unserer letzten Indienreise an und waren neu erstaunt über die Motive aus den Tempeln, die wir in Tamil Nadu besichtigten. Rituelle Handlungen in Verbindung mit Heiligenfiguren deren Patina eine lange Geschichte ihrer Anrufung bezeugt. In der Tempelarchitektur verändern sich, trotz strenger Bauvorschriften die Stile durch die Zeiten hindurch. Wir vergleichen das mit unseren Epochen, entdecken durchaus romanische bis barocke Anklänge. In der Stuckatur, die über die Granitfiguren gespachtelt ist und der dazugehörigen Malerei, meint man sogar Rokoko zu erkennen. So saßen wir still staunend bis zur Silvesterknallerei.

Mehr Platz für Experiment

Gestern mit B. auf meinem Weg im Wald. Wenn sie vorangeht, findet sie auch ohne mich seinen Verlauf. Anschließend schritten wir auf den Forstwegen noch etwas aus, kürzten querwaldein die vorgezeichneten Bewegungsmuster ab, stiegen dann zum Kleinen Feldberg hinauf und dann die Feldbergschneise wieder hinab zu meinem Weg. Einen schönen Kristall legte ich auf die weiße Steinpyramide. Der Wind hatte viel Material von dem Bäumen auf meinen frei geräumten Pfad fallen lassen, das beiseite geräumt werden musste. Damit hatten wir genug zutun.

Heute werden die Ordner dieses Jahres geschlossen. Die Arbeitstagebuchdatei, die der täglich gescannten Zeichnungen und die der täglichen Bildstreifen, die bildlich dokumentieren, womit ich mich beschäftige sind nun mit einem vollständigen Jahr zum Abschluss gekommen. Morgen werden die neuen Ordner und Dateien eingerichtet. Es zeigte sich besonders im abgelaufenen Jahr, wie mich die täglichen Reflektionen weiterbringen. Abgesehen vom Nutzen für Vorträge und Beantragungen von Fördergeldern, ordnet diese Arbeit alles zu einem System der gegenseitigen Bedingtheit. Dieses Beschreiben und Entdecken ist Teil des Werkes geworden.

Cage schreibt oft mit kulturellen Landkarten im Kopf und manchmal wie unter Drogeneinfluss.

Seit Tagen weht warme Luft aus Südwesten heran. Manchmal zwitschern die Meisen leise vor sich hin, als könnten sie einen vorzeitigen Frühling herbei singen. Fast unwillig rücken, von ihnen bewohnt die Äste im Wind hin und her, kein Tanz diesmal. Ich weiß nicht genau, wie groß der Radius ihrer kleinen Flüge ist. Mir kommt ihr Dasein eintönig vor und nicht weiter gespannt wie zwischen Ahornbaumkrone und unserer Hauswand.

Für mich geht ein eher schwieriges Jahr zu Ende. Und jetzt bin ich etwas angebundener durch viele Termine, was die Lebensqualität etwas beeinträchtigt.

Immer noch suche ich nach einer anderen flexibleren Möglichkeit der Arbeitstagebuchgestaltung, mit weniger ausschweifenden Texten und mehr Platz für Experiment.

Prozess statt Objekt

Gezeichnete Notationen von John Cage auf waagerechten Formaten, geteilt durch senkrechte Linien in viele gleichmäßige, aufrechte Rechtecke. Darüber hinweg laufen Zeichnungen von konzentrischen Kreisen, die wie von Wassertropfen ausgelöst sind, Spirallinien, Pflanzen, Symbolen, Gehspuren, Hausansichten und Booten. Außerdem entdeckte ich die gekreuzte Horizontlinie von „Where the Mountain Crosses“, die David Morrow für seine Landschaftszeichen benutzte.

Der Hang in den gestern eine Urne versenkt wurde, hat in seiner Mitte eine wasserführende Schicht, die einen Bach durch den Friedhof fließen lässt. Die ganze dunkle Trauergesellschaft watete durch den Schlamm. Die Urnen werden in geschlossene Betonröhren geführt und mit Stahldecken abgedeckt. Segnend verlieh sich die Pfarrerin mit den weiten Ärmeln ihres Gewandes Flügel, als wolle sie engelgleich losfliegen. Von Engeln war in der Traueransprache viel die Rede. Die kleinen dünnen Enkelmädchen weinten frierend um ihre Großmutter.  Die Heimfahrt war von einer flammenden lang anhaltenden Dämmerung begleitet worden. Das Band anonymer Autoscheinwerfer beängstigend schnell und nahe.

Ein Bildergruß mit einer Reihe von gerahmten Zeichnungen an einer Wand des MoMa in New York von V. in meinem Postfach zeigt an, dass er noch lebt. Auf die Weihnachtsfeier des Institutes für Raumexperimente hatte er A. als Gast mitgebracht und ihr Olafur Eliasson vorgestellt. Sie ist mit Künstlern auf gutem Fuß und beschäftigt sich mit ihren Werken. Das ist bereichernd.

Krishnababy zeigt auf Sätze aus „Empty Mind“ von John Cage, wie: „Einfluss leitet sich aus dem eigenen Werk her (nicht von außerhalb), oder: Prozess statt Objekt.

Fadenbindung | Cage | Krishna

Gestern formte ich schon routiniert das dritte Exemplar des ersten Dreiecks aus. Ich beeilte mich diesmal nicht so sehr, legte mehr Wert auf Sorgfalt. Das vorige Exemplar, das zweite, weist ein paar kleine Fehlstellen auf, die der Schnelligkeit geschuldet sind.

In den vergangenen zwei langen durchgehenden Arbeitstagen holte ich viel auf und konnte feststellen, dass ich nun zum Projektstart ganz gut in der Zeit liege. In der kommenden Woche sollte ich das zweite Relief bis zum Formenbau fertig bekommen. Gleichzeitig werde ich die Rezeptur des Ausformungsmaterials verändern, mit feineren Fasern arbeiten. Auf diesem Gebiet lässt sich die Arbeit noch um einige Aspekte erweitern und bereichern.

So dachte ich darüber nach, Waldmaterial zu zerkleinern und daraus einen Stoff herzustellen, mit dem ich die Reliefs abformen kann. Fichtennadel und –zapfen, Ästchen und Rindenfasern zu zerkleinern, ist sicherlich eine mühsame Angelegenheit, verliehe aber dem Ganzen eine weitere Dimension.

Ewig war ich nicht mehr im Wald. Das letzte Mal liegt vierzehn Tage oder länger zurück, und da hatte ich die Kamera vergessen. Vielleicht kann ich mir morgen am Sonntag ein paar Stunden dafür Zeit nehmen, meinen Weg zu inspizieren.

Der kleine bronzene Krishna assistiert mir manchmal, um mit seinem Gewicht eine eng gebundene Buchseite offen zu halten. Derzeit krabbelt er auf der festen Fadenbindung der poetischen Schlüsseltexte von John Cage. So präsentiert er sich innerhalb der zentralen Bedeutung der Leere, der Enthaltung zu einer Meinung, der Scheu vor einer endgültigen Aussage, wegen des sich ständig wandelnden Erfahrungshorizontes, ganz kindlich ungeniert. Die Gespinste meiner Zeichnungen haben mit dieser Verdichtung bis zur Unkenntlichkeit und kompakten Abwesenheit zutun.

B.,V. und Taryn Simon

B. entdeckte gestern vorgestern im Museum für moderne Kunst eine Reihe von Fotografien der amerikanischen Künstlerin Taryn Simon. Sie suchte mit einer analogen Großbildkamera Orte auf, die der amerikanischen Gesellschaft vorenthalten sind. Dennoch sind sie ein bestimmender Teil des allgemeinen Bewusstseins, der in diesem Fall durch seine Verdrängung anwesend bleibt. Der Roman, den B. derzeit übersetzt, handelt von solchen Orten, an denen sich Menschen aufhalten, die sich per Richterspruch bestimmten Territorien, die es in jeder Stadt gibt, nicht nähern dürfen. Eine Fotografie von Simon zeigt beispielsweise eine Gruppe von Männern in der Zentrale des Klu Klux Klans. Die Qualität der Ausleuchtung des Ortes, die Dramaturgie der Figurenanordnung und ihre einzelnen Ausstrahlungen machen diese Arbeiten sehr vielschichtig. Ich würde sie demnächst gerne noch einmal anschauen.

V. hält sich gerade in New York auf. Vielleicht arbeitet er etwas, was sich mit der dortigen Kunstwelt auseinandersetzt. In seiner Abschlussarbeit in Addis Abeba interviewte er zunächst seine Kommilitonen, welche Berufswünsche sie in ihrer Kindheit hatten. Dann versammelte er auf dem Abschlussfest lauter Menschen, die diese Berufe in Äthiopien ausüben.

Im Atelier gab es gestern für mich eine Überraschung. Schon zeitig am Morgen hatte ich meine Tagebucharbeit abgeschlossen, und konnte so schon gegen neun Uhr dreißig mit meiner Ausformarbeit erneut beginnen. Nachdem ich die Pflanzen gegossen und die Abformmasse fertig gerührt hatte, begann ich, das zweite Exemplar in die Form zu pressen. In zweieinhalb Stunden hatte ich schon dreiviertel der Form gefüllt. Dafür hatte ich vorher etwa sechs Stunden benötigt. Ich benutze etwas mehr Material, wodurch die Wanddicke größer wird. Außerdem gestaltet sich das Ausfüllen leichter, weil ich nicht mehr so genau auf Fehlstellen achten muss. Am Nachmittag konnte ich deswegen schon die Blutkreislauffigur, bzw. das Ornament, das drei von ihnen bilden auf mein Modellierbrett zeichnen und dann gleich mit dem Modellieren loslegen. Die grobe Anlage des Reliefs ist schon zur Hälfte fertig. Es ging also schnell vorwärts gestern. Vielleicht könnte ich mit den modellierten Motiven etwas freier umgehen, dem Zufall etwas mehr Raum geben.

Rückkehr

Die Rezension einer Cage – Ausstellung im Museum der Moderne in Mönchsberg ist ein regelrechter Verriss seiner bildnerischen Arbeit. Der Autor rückt in dem Artikel die Bildproduktion, die neben den revolutionären musikalischen Einfällen zurückbleibt, in die Nähe von Laienkunst: „Als konventioneller Maler ist er ungeahnt konservativ, bewegt sich traumversunken, streng und fast gehorsam innerhalb der Gattungen und Grenzen, die er andernorts pulverisierte.“ Durch die wenigen Abbildungen kann das nicht belegt werden. Dennoch bin ich, obwohl zunächst etwas schockiert, um diese kritische Stimme dankbar.

Gestern schlenderten wir durch einige Räume des Museums für Moderne Kunst. A. wollte die Fotografien eines Künstlers sehen, den sie zu dem Tag, an dem es um ihren Text ging, in das Dichterhaus am Wannsee einlud. In einer Reihe von Aktionen hat er Hotelzimmermobilar zu Schlafhöhlen zusammengestellt und darin übernachtet. Die Eingriffe waren dergestalt, dass sie leicht wieder rückbaubar gewesen sind. Das ist eine zunächst schnell begreifbare Idee, die aber auch das Potential zu einigen Hintersinn besitzt, nimmt man die Orte und die Zeitpunkte hinzu, an denen die einzelnen Arbeiten entstanden sind.

Eigenartigerweise sind wir keine regelmäßigen Besucher dieses Museums. Es liegt einfach nicht auf unseren Wegen, wir machen eher einen Bogen darum herum. Beschreite ich aber die immer mehr wuchernden temporären Installationen der Gegenwartskunst, die Materialschlachten aus Billigmaterialien, beschleicht mich die Sehnsucht nach einem Stoff, der Jahrhunderte überdauert. Ich stelle mir vor, dass der Boom solcher Kunstäußerungen zugunsten kleiner konzentrierter Formate zurückgeht, die sich deutlich von der billigen Lautstärke abheben können.

Von den Feiertagen bin ich nun befreit und kann in den nächsten zwei Tagen konzentriert am FRANKFURTER KRAFTFELD weiterarbeiten. Damit habe ich heute begonnen, indem ich fünf Uhr dreißig aufstand, um mein tägliches Schreibtischpensum schon am frühen Vormittag abschließen zu können. Dann geht’s gleich ins Atelier!

Raumschnitt

Auf der Buchseite Sechsundfünfzig beschwert das krabbelnde Bronzekrishna-Baby das noch steife Papier in der festen Fadenbindung des Buches „Empty Mind“, das poetische Texte von John Cage versammelt. Es handelt sich dabei teilweise um Tagebucheintragungen, wie z.B.: „Ein Chinese (so erzählt von Tschuang-tse) legte sich schlafen und träumte, er wäre ein Schmetterling. Später, als er erwachte, fragte er sich: „Bin ich nun ein Schmetterling, der träumt, er wäre ein Mensch?“ Viele seiner kleinen hintersinnigen Texte befassen sich natürlich mit dem Zufall und seinen Einfluss auf das Zusammenleben der Menschen. Dabei würfelt er die Attribute verschiedener Kulturen durcheinander, bezieht sich aber gerne auf den fernöstlichen Gegenpart. Das Buch ist ein Geschenk von Barbara, das mir helfen wird, mich im Labyrinth der Geometrie des Frankfurter Kraftfeldes zurecht zu finden.

Jetzt aber darf ich meinem Blick erlauben vom Lichtkegel in dem meine Schrift entsteht in das tiefblaue Leuchten der Dämmerung zu wandern. Hin und her tänzelnd werden die Patchouliblätter von der aufsteigenden Heizungsluft bewegt. Das tun sie im Einklang mit den schwarzen Baumkronen, im Südwest vor dem dunklen Leuchten. Daraus fällt immer wieder Regen auf den schon gesättigt voll gesogenen Boden. Außerhalb der befestigten Betonstadtinseln, meint man in einem apokalyptischen Morast versinken zu müssen. Diese Archipele kann man gut bei Nacht vom Flugzeug aus als Lichterkettengespinste ausmessen, wie die Oasen in den Sandmeeren wandernder Berge.

Der vom Mayakalender prophezeite Weltuntergang ist von uns nicht bemerkt worden. Vielleicht sind wir aber von einem unmerklichen Raumschnitt plötzlich in eine andere Dimension gelangt, und die Welt, die wir verließen, blieb eingefroren an einem Zeitort stehen. Und vielleicht wandern wir unmerklich von einer Dimension in die andere, wie einst die Karawanen von Oase zu Oase.

Während einer Zugfahrt gestern blickte ich in die Tiefe der klaren Dunkelheit, die von Weihnachtslichterketten strukturiert war. Ich erinnerte mich an die Einfahrt über weit gespannte Gleiskörper nach Berlin, an die Schienenstöße und den Geruch nach Kohlenruß.

Erstes Reliefexemplar | Gloriosa

Während des Glockenläutens gestern am Dom erinnerte ich mich an die kalten Heiligabende der letzten Jahre, an denen wir dem großen Geläut lauschend, es aushaltend und kindlich bestaunend, in der archäologischen Grube westlich des Turmes froren. Nun ist die Grube zugeschüttet und darüber wird ein kleinteiliges und dennoch großes Stadthaus errichtet, was die Sicht auf das erleuchtete Sakralbauwerk einschränken wird. In Form einer verglühenden Weltraumschrottarchitektur fuhr im vergangenen Jahr am Himmel über der Schirn der russische Stern von Bethlehem von Westen nach Osten.

Gestern standen wir nördlich vom Turm. Mit der Erinnerung an die Standorte der anderen Jahre wurde das Läuten nun dreidimensional. In diesem Raum kommt die große Gloriosa erst in etwa zehn Minuten erst richtig in Schwung und braucht beim Auspendeln, wenn alle anderen Glocken schweigen noch einmal zehn Minuten, bis man wieder die Stimmen der vielen Menschen wahrnimmt, die sich versammelt hatten.

An die Schaufensterscheibe eines Nachbargebäudes gelehnt, fuhr der Schall über die Fußsohlen und vom Rücken her in mich hinein und brach sich im Brustkorb. Auf das akustische Ereignis blickend, das große Stück Metall,  bemerke ich, dass die silbernen höheren Töne der kleineren Glocken besser zu hören sind, wenn ich mir meine Hände zu größeren Ohrmuscheln geformt seitlich an den Kopf halte. Der Baukörper des Doms klingt nach jeden Schlag wie ein Instrument nach.

Zuvor in der Mittagszeit ging ich mit klopfendem Herzen ins Atelier, um nachzuschauen, was aus der Ausformung geworden ist. Zunächst löste ich das erste Exemplar von den Seiten her vorsichtig mit einem Messer und hob dann, mit meinen Fingern zwischen Form und Pappmache langsam die Fläche an, bis sie herausgelöst war. Alles war exakt abgebildet, kein einziger Steg war heraus gebrochen und ich hatte das Gefühl, mir nach all den Wochen Arbeit, ein Weihnachtsgeschenk gemacht zu haben. Nun, mit der Festlegung der nächsten Arbeitsschritte, kann die Produktion beginnen, auf die ich so lange gewartet habe.

Geometrische Schritte zu Trixelplaneten

Verschiedene geometrische Figuren fügen sich in meiner Vorstellung zu Objekten, die ich mit meinen Dreiecken zusammensetzen könnte. Sie heißen Ikosaeder, bestehend aus zwanzig gleichseitigen Dreiecken, Oktaeder, mit acht Seiten, Dodekaeder mit sechzig Dreiecken, Dekakaeder und die Buckminster-Fuller-Kugel, die aus achtzig Dreiecken besteht. Diese Polygonversammlungen haben alle eine stringente Logik in sich und weisen keine überflüssigen Volumina auf. Anders ist es bei Figuren, die aus einer freien Improvisation der Formen entstehen, die wachsen, wie die Äste an dem Baum vor meinem Fenster. Bevor man aber in diese Improvisationsphase eintritt, kann man sich erst einmal mit Geometrie beschäftigen.

Der nächste Schritt zur Klärung der weiteren Arbeitsvorgänge, bestand darin, dass ich gestern die Motive auswählte, mit denen ich die nächsten Dreiecksreliefs modellieren will. Zunächst sind das Ornamente der Einzelfiguren des Kreuzstabträgers und der Blutkreislauffigur. Diese möchte ich einzeln zu dreifach miteinander verflochtenen Ornamenten verarbeiten. Sie können als mehrfache ineinander greifende Wiederholungen zu Trixelplaneten zusammengestellt werden. Gleichzeitig können sie den Übergang zu anderen Verflechtungen bilden, in denen langsam andere Figuren auftauchen und sich so das ganze Motivpersonal verändern kann.

In diesem Zusammenhang denke ich über ein standardisiertes Montagesystem nach, mit dem alle Dreiecke aneinandergefügt werden können. So können auch überraschende Motivmixturen entstehen.

Bei John Cage sah ich handgeschöpftes Papier aus verschiedenen Pflanzenmaterialien. Das inspiriert mich zu Überlegungen die Farbigkeit des Materials als ein Element des Zufalls mitspielen zu lassen.

Wie ich es mir vorgenommen hatte, füllte ich gestern die Form vollständig fertig aus. Ich nahm mit Zeit dafür und arbeitete sorgfältig, stärkte die Ränder etwas und suchte nach kleinen Fehlstellen, die noch aufzufüllen waren

Flächen

Schwere, tief hängende Wolken, deren Farben manchmal ins Bräunliche gingen, zogen gestern Nachmittag über den östlichen Taunus. Ich unternahm eine Fahrt nach Grävenwiesbach, um das bildnerische Produkt der Performance hinzubringen. Alles lief nach Wunsch, und ich fuhr in guter Stimmung wieder nach Frankfurt zurück.

Dort ging ich gleich ins Atelier, um an der Abformung des kleinteiligen Reliefs weiter zu arbeiten. Tatsächlich bleibt es eine Frage des Zeitaufwandes, die klebrige Masse in die vielen kleinen Vertiefungen zu drücken, die Schicht dabei nicht zu dick werden zu lassen und dabei auch die hoch stehenden Stege abzudecken. Aber zwischen sechzehn Uhr dreißig und neunzehn Uhr habe ich eine größere Fläche geschafft, als vorgestern in drei Stunden.

In meinem Computerprogramm Bryce schaute ich mir die nach Buckminster Fuller gestaltete Kugel an, die aus achtzig, sofern ich es erkennen kann, gleichseitigen Dreiecken besteht. Dieses Prinzip könnte ich auf meine Reliefdreiecke übertragen. Der Durchmesser der Kugel würde etwa einen Meter und sechzig Zentimeter betragen. Ich frage mich, ob die Statik der Figur ohne Gerüst auskommen könnte. Aber eigentlich möchte ich mich nicht wieder in ein solches Abenteuer stürzen und lieber bei kleineren Formen bleiben. Zunächst sollte es nur um die Fläche gehen und um ihre Gestaltung.

Wenn ich heute noch mal ins Atelier gehe, schaffe ich es vielleicht das erste Dreieck fertig zu bekommen. Wenn es dabei bleibt, dass ich für ein Dreieck drei mal drei Stunden benötige, muss ich das akzeptieren. Nun fehlt mir nur noch eine Zeit, in der ich mich nur auf dieses Projekt konzentrieren kann.

Die Integrationsdezernentin schickte einen bemerkenswerten Neujahrsgruß. Ein konventioneller Text bedankt sich für die Zusammenarbeit und gibt der Freude auf weitere Zusammenarbeit Ausdruck. Auf der Vorderseite aber befindet sich ein verschneiter Frankfurter Platz mit einem Brunnen, der von einem Adventskranz gekrönt ist.

Ich habe das Gefühl, dass mir die Thematik der Wanderungsspuren nicht abhanden kommen wird.

Bergsee

Punkt Sieben sitze ich, mit dem Blick zwischen der Spiegelung meines Fensters und dem Entstehen meiner Schrift auf dem Papier hin und her pendelnd, am Schreibtisch. Zwischen die Muscheln mit ihren Versteinerungen auf dem Fensterbrett fallen gelbe Blätter des Patchoulibäumchens. Viel Regen geht über das Land, und die schwellenden Flüsse treten schon über ihre Ufer.

D. habe ich den Artikel von Herrmann Parzinger über die türkische Zusammenarbeit mit internationalen Archäologen gegeben. Die Islamisierung der orientalischen Welt in Verbindung mit ihrem Hang zum fundamentalistischen Bildersturm, hat bedrohliche Züge angenommen. Das kulturrevolutionäre Potential ungebildeter radikaler Islamisten, schafft geschichtliche Leerstellen, als müsse man vor der Geschichte und ihren Zeugnissen Angst haben. Schon haben die Vereinten Nationen einen Militärschlag gegen eine solche erstarkende Gruppierung in Nordostmali beschlossen. Auch dort werden Kunstschätze zerstört.

Mit Nadjib sprach ich noch einmal über seinen Bergsee und über das Bild, das ich ihm von davon malen soll. Gleich dort in der Nähe wurden die großen, in die Felsen geschlagenen Buddhafiguren von den Taliban gesprengt. Auch das gehört zu dieser unerhört schönen Landschaft.

Auf dem Tevesgelände brechen Jugendliche ihre Ausbildung ab, um sich ganz ihrer Religion hinzugeben. Wahrscheinlich sind es Salafisten, die diese wankelmütigen und orientierungslosen Jungs auf ihre Seite ziehen. Die Ziele, für die sie Werben, bündeln sich alle im Gottesstaat.

Im Atelier arbeitete ich an der Ausformung des Reliefs mit einer Masse aus aufgelöster Filzpappe. Das lässt sich zwar gut verarbeiten, benötigt aber viel Zeit. In drei Stunden formte ich etwa ein Dritte des Dreiecks aus. Durch die politischen Entwicklungen bekommt das Projekt neue Energie. Ich befinde mich in einem Kristallisationsbereich der Auswirkungen der Islamisierung und werde mit muslimischen Jugendlichen an meinem Projekt arbeiten.

Wie am Anfang des Jahres kommt mir als erstes plastisches Objekt, das aus den Dreiecken bestehen kann, das Isokaeder in den Sinn.

Kindheit auf der Bühne

Der kürzeste Tag des Jahres beginnt mit Nebel und Regen. Morgens um Acht ist es zwar schon ein wenig hell, aber eigentlich eher noch dunkel. Der Himmel scheint unbewohnt zu sein, oder ist gar nicht vorhanden.

Der Ausformungsversuch mit der Pappmachemasse war ein Misserfolg. Ich habe das getrocknete Material in stundenlanger, mühsamer Arbeit wieder vorsichtig in kleinen Einzelteilen aus der Form herausgelöst. Eine Übung in Demut. Eigentlich wollte ich die Form sofort wieder mit einer anderen Masse füllen, hatte aber noch die während der Performance entstandene Arbeit zu präparieren.

Vorgestern waren wir im Schauspiel. Markus Bothe hat Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“ dramatisiert und in Szene gesetzt. „Get Well Soon“ steuerte Begleitmusik und Songs hinzu. Das Bühnenbild bestand aus einem sich drehenden überdimensionalen roten Sowjetstern, der schräg gelagert,  auseinandernehmbar war und dann seine Innenkonstruktion preisgab. Außerdem gab es, besonders bei den Kostümen einige Versatzstücke aus der Sowjetunion (wie lange habe ich dieses Wort oder UdSSR – Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken nicht geschrieben und nicht gesagt?).

Das Bühnengeschehen vermischte sich mit meinen Kindheitserinnerungen an die Pionieruniform, weiße Hemden mit einem Emblem auf dem Ärmel, bestehend aus einem J und einem P, gekrönt von einer eigenartig statischen Flamme. Dazu gehörten ein blaues Halstuch und ein Käppi, auch in Blau. Die älteren Thälmannpioniere trugen schon rote Halstücher, und natürlich wollten wir schnell Thälmannpioniere werden, um dann zu den Größeren zu gehören. Später kamen dann die Blauhemden der Freien Deutschen Jugend. Aber da war die Begeisterung schon verflogen. Ich war nicht mehr mit meinem Herzen dabei, begann den Sinn der Uniformierung zu durchschauen. Außerdem gab es am entgegengesetzten Pol die Rolling Stones, die den Soundtrack der Ablösung schrieben. In diesem Moment sah ich, dass die Vögel einfach so über die Westgrenze flogen, und über meinem Kopf pendelte Pam Am zwischen Westberlin und Frankfurt.

Pergamon-Metamorphose

Blasse Farben des Himmels: ein Rosa, ein helles Grau, über dem eine türkisfarbene Lasur liegt. Sehr schwarz davor die Baumskelette, besetzt von den Bewohnern der Lüfte. Im mäßigen Ostwind pendelt an einem Faden noch ein Blatt. Eine Krähe blickt weit über allen gleitend hin und her. Ihr Schnabel zeigt die Sehrichtungen an. Je höher die Sonne steigt, desto tiefer scheinen die Schatten Gegenstände zu verschlingen. Die Gegenläufigkeit irritiert mich und ich zweifle an meiner Wahrnehmung.

Im Atelier richtete ich gestern die nächste Experimentalschleife ein, die mit der Such nach dem geeigneten Abformungsverfahren zutun hatte. Die neue Masse drückte ich nur in eine Ecke der Form, um eventuelle Schäden in Grenzen halten zu können.

Nach einer ganzen Woche ist das nun der erste Morgen, an dem ich wieder an meinem Schreibtisch sitze. In Ruhe kann mein Denken mit dem Licht erwachen und die Geräusche können nach zugelassenen und auszublendenden akustisch wandernden Horizontalen sortiert werden.

In einem der Feuilletons der letzten Tage berichtete Herrmann Parzinger über den Zustand der archäologischen Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Deutschland. Die Grabungsgeschichte wird demnach von den Türken verdreht und die internationalen Teams werden behindert und brüskiert, während historische Stätten geflutet werden. Erdogan meinte bei der Eröffnung eines neuen Botschaftsgebäudes in Berlin, dass Türken auch Kant, Hegel und Goethe verstehen sollten. Vor einem Jahr noch sagte er in einer Wahlveranstaltung in Berlin, dass die türkische Sprache für Türken in Deutschland sehr wichtig sei. Er redet das, was die Zuhörer hören wollen und das, was ihm gerade nützt. Damit missachtet er seine Zuhörer. Auf dem Tevesgelände entdecke ich immer mehr Plakate in rein türkischer Sprache. Es gibt kaum einen Integrationswillen. Ethnische Abgrenzung nimmt zu. Gespräche zwischen uns werden nicht gesucht. Die Identität rückt wieder nach Anatolien. Aber die Rettungsgrabungen und die Aufklärung sind dort gescheitert.

Ich habe die Projektidee nach den Resten des Pergamonaltars in Gestalt des Kalks zu suchen, der aus den Skulpturen gebrannt worden ist. Die Gebäude, die dort errichtet worden sind, sind Zeugnisse einer besonderen Metamorphose.

Experimentschleifen

Jetzt im Atelier. Mein selbst hergestelltes Pappmache hat zum Abformen ganz gut funktioniert. Es ließ sich gut herauslösen, weil es einerseits etwas flexibel getrocknet ist und andererseits auf einer gut isolierenden und abweisenden Trennschicht saß. Dafür habe ich ein Bienenwachshaltiges Holzpflegemittel mit farbloser Schuhcreme gemischt. In der Stadt kaufte ich noch eine andere Pappmachemixtur, um weiter experimentieren und dranbleiben zu können. Diese Probleme möchte ich bis spätestens zum Ende des Jahres gelöst haben. Deswegen habe ich mir auch meine heutige Hangwanderung versagt.

Meine Augen schielen nach den Zeichnungen, die sich auf meinem Arbeitstisch stapeln. Besonders die gefundene Lösung der Figurenübergänge suchen sie. Kaum kann ich mich zurückhalten, die zu suchen, mit dem Wühlen zu beginnen. Ich weiß, dass ich die Lösung gefunden hatte, erinnere mich aber nicht mehr an die genaue Gestalt und muss mich zwingen, beim Text zu bleiben.

Währenddessen hegen meine zwei Winterfliegen ein Interesse an den Flüssigkeiten, die offen herumstehen, fliegen durch die Nebel, die ich auf meine Pflanzen sprühe und durchschlängeln mit ihren Flugbahnen die warmen Lichtkegel meiner Arbeitslampen.

Mich in die aktuellen Farben der Tagebuchzeichnungen bettend, wächst eine Lust auf unifarbene Flächen, die klar zueinander stehen und keine malerischen Ausfransungen und Übergänge aufweisen.

Eine weitere Arbeit, die ich noch vor Weihnachten erledigen möchte, ist die Aufbereitung der während der Performance entstandenen Arbeit. Das große Blatt soll oben und unten Leisten von hinten aufgeklebt bekommen, die erlauben, es glatt an eine Wand hängen zu können. Dann soll es noch nach Gelnhausen transportiert werden.

Wachsein

Aus dem Schnee wird mein Hangweg vorübergehend wieder aufgetaucht sein. Ab sechshundert Höhenmetern wird allerdings wieder Schneefall angesagt. So wird es nun einen Rhythmus zwischen Erscheinen und Verschwinden geben, ein Hin und Her. Trotz der Orientierungs-Schwierigkeiten bei dichtem Nebel, scheint mir dieser Ort der sicherste für meine Befindlichkeit zu sein.

Probeweise kaschierte ich gestern ein Stück Form mit Tapetenkleisterpapier aus, ohne die Fläche, die gut mit Schelllack versiegelt ist, noch einmal mit einem weiteren Trennmittel zu versehen. Das gestaltete sich eher schwierig und war ein Misserfolg. Weil mir ständig neue Termine hereinschneiten, war es kaum möglich das Projekt in Ruhe weiter zu entwickeln. Aber am Abend ging ich doch noch den Abformungsversuch rückgängig zu machen. Ich benötige also doch noch ein wirksames Trennmittel. Um die richtige Mixtur heraus zu bekommen, müsste ich mich ein paar Tage konzentrieren. Von der zeichnerischen Weiterentwicklung des Ganzen, ganz zu schweigen.

Es ist kurz nach Vier in der Nacht. Es gehen mir zu viele Dinge durch den Kopf, weswegen ich immer munterer geworden bin.

Beim Internationalen Bund kann ich das FRANKFURTER KRAFTFELD nicht alleine anbinden. Das wäre der gleiche Fehler, den ich mit NEULAND gemacht habe. Ich sollte mich wieder mal um die Ämter kümmern, die mir in letzter Zeit immer ganz wohl gesonnen waren. Die Leiterin des Kulturausschusses wollte mich auch mit dem Museum für Weltkulturen zusammenbringen.

Die Konzentration auf dieses eine Projekt wird derzeit von meiner Arbeit beim Internationalen Bund (fünf Tage am Stück!), von der Tagebucharbeit, vom Hang Gang und vom Atelierabend mit M. unterbrochen. Das müsste eigentlich reichen um davon etwas Abstand zu bekommen.

Es muss nicht alles nach Plan gehen und nicht alles gleich verwirklicht werden

Marina Abramovic

In einem kleinen Kino sahen wir einen Dokumentarfilm über eine Performance von Marina Abramovic. Ihre Aktion bei der sie drei Monate lang im Museum of Modern Art in New York, einzelnen Zuschauern, die ihr gegenüber saßen in die Augen schaute, war eingebettet in eine Gesamtschau ihres Werkes. Somit beschäftigte sich der Film auch mit diesem Künstlerinnenleben. Interessant und erstaunlich war für mich, dass sie schon in den Siebzigerjahren in Jugoslawien diese Kunstform pflegte.

Für B. war der Unterschied zwischen darstellender Kunst und Performance die entscheidende und wichtigste Erkenntnis des Filmes. Zufällig hatten wir Gudrun getroffen, mit der wir danach noch einen Wein tranken und über das sprachen, was wir gerade gesehen hatten.

Maria Abramovic ist die Tochter zweier Partisanenheldenfiguren der jugoslawischen Nachkriegszeit, die dann in der kommunistischen Regierung des Landes arbeiteten. Durch den militärischen Drill ihrer Erziehung und dem damit verbundenen konzeptionellen Liebesentzug der Eltern, begann sie sich nach der Liebe der Welt zu sehnen. Fast ohne Geld fuhr sie in einer symbiotischen Beziehung mit einem Künstler fünf Jahre lang in einem Transporter durch die Welt. Auf dem Höhepunkt einer dreimonatigen Wanderung, während der das Paar auf der Chinesischen Mauer aus entgegengesetzten Richtungen aufeinander zu wanderte, im Moment ihres Zusammentreffens, trennte sich das Paar.

Die Reflektion des wichtigen Einflusses der Kindheit auf das Werk, sollte ich vielleicht auch noch ernster nehmen, als ich es ohnehin schon tue. Die Emotionalität des Filmes wir durch all diese vorangegangenen Geschichten verschärft. Mit dem Blick, der die Zuschauer der Performance aus einer Konzentration nach dem Aufschlagen der Lider traf, wollte sie die Sehnsucht nach der Liebe der Welt in die gegenüber sitzenden Mensche projizieren. Es wird deutlich, wie viel diese Arbeit mit Versenkung und Hingabe zutun hatte und wie diese gebündelte Kraft die Menschen traf.

In der Nacht träumte ich, wie ich im eigenen Auto von einem Bus von vorne und einem Laster von hinten zusammengedrückt wurde. Niemand hörte mein Schreien.

Lohn für Mutige

Kurz entschlossen bin ich gestern in den Taunus gefahren. Und weil ich noch etliche Dinge unterwegs zu erledigen hatte, vergaß ich die Kamera und Wasser. Der Hang lag in dichtem Nebel. Die noch vorhandene Schneedecke war nass und schwer, jeder Schritt wie im Morast. So kam ich nur langsam vorwärts. Der von den Ästen herabgefallene, tauende Schnee machte mit seinen vielen kleinen Kratern die Spuren der Tiere im unteren Bereich unkenntlich. Am hellen Nachmittag herrschte eine bedrückende Finsternis. Manchmal, nur für Sekunden verlor ich die Orientierung – Herzklopfen und völlige Stille. Dunkel aufgeworfene Lachen des von den Wildschweinen auf der Suche nach etwas Fressbaren zerwühlten Bodens, keine Hirschkühe, keine Vögel. Die aufgebrochenen Wildschweinareale, bilden markante Räume, die ich, sofern sie meinen Weg berühren, nutzen kann. Die Bodenwunden können mit Moos oder Steinen geschlossen werden.

Der Schnee schmilzt auf dem Pfad teilweise schneller als in seiner direkten Umgebung. Dafür habe ich noch keine Erklärung. Wie kann der festgetretene Untergrund, der von meinem Gewicht etwas tiefer liegt als das allgemeine Niveau, wärmer sein. Steckt dort die ganze Energie der vielen Wanderungen? Weiter oben konnte ich verfolgen, wie sich häufig begangene Tierpfade meinem Weg näherten, ihm eine Weile folgten, um dann wieder eine andere Richtung einzuschlagen. Dadurch, dass ich die Kamera nicht mit hatte, sah ich viele Dinge neu, sah sie einfach länger an. Meine Wegzeichenfiguren standen dunkel und nass in dem gleichmäßig undurchdringlichen Raum aus Nebel und Schnee. Teilweise waren nun selbst für mich die Installationen meine einzigen Orientierungsmarken, die mich auf dem Weg hielten. Dicht neben meinen Kristallgruben schloss sich die Wühlspur eines Wildschweins an, als sei es von meinen Ausgrabungen inspiriert gewesen.

Nachdem ich die Spirale am oberen Ende gelaufen war, rutschte ich durch den Matsch bergab. Es gibt eine vage Unentschlossenheit, die auf Langsamkeit hinausläuft. Ich möchte, dass der Weg begangen wird, will ihn aber in keiner Weise beschildern. So werden nur die Mutigen belohnt.

Gotisches Geäst

Seit längerer Zeit sitze ich mal wieder an meinem Schreibtisch, und die Schrift bewegt sich im warmen Lichtkegel. Mitten in der Nacht stand ich auf und besuchte B. am Küchentisch, die von einer Premiere im Schauspiel zurückgekommen war. Und so konnte sie mir nur Grüße von den Damen der Verlage und des Theaters ausrichten. N. war auch da, weil es um ein Rowohltstück ging.

Ich war stattdessen auf dem Wochenmarkt bei meinen netten Weinfreunden. Dort erfuhr ich wieder von jemandem der mein Arbeitstagebuch liest. Das berührt mich und ich denke, ich müsse mehr Sorgfalt walten lassen.

Ich habe einen kleinen Zweig im Blick, der einem Ornament des Teppichs von Bayeux entsprungen sein könnte. Ich kann seine Verzweigungen lange betrachten, versuchen das Gotische seiner Architektur zu verstehen. Das Holz wächst in den Lichtraum, den seine Blätter brauchen. Dafür nimmt es fast jede Wendung in Kauf. Und während ich noch genauer hinschaue, entdecke ich immer mehr sehr spektakuläre Architekturen. Sie bewegen sich leicht im südwestlichen Wind – dunkel gekleidete Ballerinen vor einem hellgrauen, nach Nordosten ziehenden Himmel. Die vielen kugelrunden Meisen dazwischen ernähren sich von einer Gabe unserer Nachbarin auf dem Balkon über uns. Durch eine Wolkenlücke schaut für kurze Zeit eine weiße Sonne, sendet das wenige Licht der Jahreszeit den Ästen zu.

Ich überlege Bezüge zum Raum, denen die Lehrlinge folgen sollen. An die Tafel zeichnete ich ohne Hintersinn ein Trixelgebilde, das dann einige schriftliche Kommentare nach sich zog. Auch dieses Spiel könnte man zu Unterrichtszwecken weiter kultivieren.

In die blauen Himmelsflecken läuten die Kirchenglocken. Leute besorgen sich kostenlose Kleidung, die offensichtlich in der Kirche ausgegeben wird. Bedürftigkeit und Reichtum nehmen zu. Die Mieten in unserem Viertel steigen. Die arbeitslosen Verlierer werden verdrängt. Aggression und Armut nehmen zu.

Atelierabende mit M.

Die Atelierabende mit M. sind auch für mich recht produktiv. Und nach einem Tag, der am Morgen mit dem handschriftlichen Tagebuch beginnt, was direkt in die Beschäftigung mit den Lehrlingen mündet und am späten Nachmittag mit dem weiteren täglichen Tagebuchprozedere weitergeht, ist ein neuer Anlauf am Abend das richtige Mittel, noch einmal durchzustarten.

Für den gestrigen Abend ist das für mich vielleicht etwas übertrieben, denn ich habe mich lediglich mit der Versiegelung der Form beschäftigt. Aber auch das ist zeitaufwendig. Trotz der vielen anderen Arbeiten habe ich so meinen Wochen-Plan für das Frankfurter Kraftfeld fast geschafft.

Hier unter dem kalten Licht eines Unterrichtsraumes sitzend, fehlen mit meine blinkenden Krähenfreunde und der Blick auf den Aufbau des Wochenmarktes.

M. arbeitet am Abend an ihren Rollbildern weiter. Ich schlug ihr vor, sie im Startorante auszustellen, mit Leisten von hinten etwas stabilisiert und etwas vor der Wand schwebend. Auf meine Frage, ob sie in unserem Verein mitarbeiten will antwortete sie erfreut und zustimmend. Durch sie ergeben sich bestimmt ein paar neue Verknüpfungen.

Bei allem Hin und Her kommt die Konzentration auf die eigene Arbeit etwas zu kurz. Aber in der kommenden Woche und während der Feiertage wird wieder Zeit und Platz dafür sein. Das muss auch sein, wenn die Produktion anlaufen soll, die ich in den letzten Tagen beschrieben habe.

Etwas verzagt bin ich darüber, dass ich meinen Weg nun nicht in diesem hohen Schnee gesehen habe, denn nun ist wieder Tauwetter angesagt und hat auch schon eingesetzt.

Fremde Terrains

Als ich gestern die Form umdrehte, blieb fast der ganze Ton auf dem Brett, was ein gutes Zeichen für die Herauslösbarkeit der Pappmacheteile ist. Dann befreite ich die Gipsformmuster vom restlichen Ton und stellte das handliche Dreieck auf einen Heizkörper. Gerade eben prüfte ich die Trocknung, weil ich wegen Aushilfe beim IB schon auf dem Tevesgelände bin. Am Abend könnte ich mit der Versiegelung begonnen.

M. bat mich über ein Konzept nachzudenken, das sich für die Verbesserung der Gesprächskultur von Führungskräften aus verschiedenen Lebensbereichen eignet. Ich dachte daran, ihnen eigene Umrissfiguren zuzuordnen, die zu einem Gesträuch übereinander gezeichnet und dann zu einem Rapport zusammengesetzt werden sollten. Das kann in derselben Weise geschehen, wie ich es mit den Transparentpapierfiguren mache. Ich kann nicht genau beschreiben, wie das wirken soll, glaube aber um die besondere Wirkung besonderer Aktionen. Vielleicht kann ich sogar mit ihnen einzeln meinen Pfad gehen. Jedenfalls möchte ich mit Maja in diese Richtung weiter denken, auch was andere Projekte angeht.

Auch beim IB, der mich nun für fast eine Woche zur Vertretung buchte arbeite ich mit dem Themen Rapport, Rastervergrößerung und Modellieren. Es ist am leichtesten für mich und am wirkungsvollsten für die anderen, wenn ich mit den Materialien und Strukturen arbeite, mit denen ich auch gerade zutun habe.

Die Zusammenhänge, in denen ich mit meinen Techniken arbeite,  werden durch meine Arbeit bereichert. Dennoch geht es immer ums Handwerkliche. So gehen nun schon mehrfach meine gezeichneten Figuren von Hand zu Hand und erfüllen die verschiedensten Aufgaben. Das ist für alle gut.

Die Form

Endlich habe ich gestern die Form gebaut. Vormittag korrigierte ich noch ein paar Linien, die auf die drei Außenkanten stoßen und Anschlüsse bilden müssen. Die Abstände zwischen ihnen und den Eckpunkten müssen ausgemessen werden, damit alle drei Seiten zueinander passen. Dann hatte ich nur noch Modellgips zu besorgen, der etwas besser als normaler Gips abbildet. Mittags war alles bereit. Am Nachmittag konnte ich dann in Ruhe die erste Schicht anlegen, alles immer wieder etwas rütteln, damit die Luftbläschen aufsteigen und der flüssige Gips in alle Ritzen und Unebenheiten fließt. Und ich hielt mich zurück, die sich langsam erwärmende Platte gestern schon vom Untergrund zu lösen, sondern ließ sie bis heute etwas stärker antrocknen.

Die Sperrholzplatte, auf der ich modellierte, hat sich durch die Feuchtigkeit etwas nach oben gewölbt und mit ihr das Relief. Diese Spannung ist mir ganz recht, zumal das erste Abformmaterial Pappmache sein wird, das diese Bewegung durch seine Flexibilität ausgleichen kann.

Nun kann wieder eine der Situationen entstehen, die eine Produktion nach sich zieht, in der weitere Dreiecksmotive entstehen. Die Arbeitsgänge, wie die Figurenwechsel gehen fließend ineinander über, so dass ein Relief nach dem anderen und die sich verändernden Anschlüsse die Folge sein werden. Die nächsten Arbeitsgänge haben mit den Entwürfen der neuen Dreiecke zutun, womit ich teilweise schon begonnen habe. Parallel dazu kann ich die fertig gestellte Form mit Schelllack versiegeln und mit Pappmache ausfüllen, was dann trocknen kann. In dieser Zeit kann ich mich um die weiteren Motive kümmern, sie zeichnen, modellieren und abformen. Währenddessen entstehen weitere Exemplare des ersten Reliefs, mit denen ich nun die Wirkung ihres Zusammenspiels prüfen kann. Währenddessen wird das zweite Motiv abgegossen und auch abgeformt.

Mit diesem Arbeitsfluss wird das Projekt soweit vorbereitet, dass die Jugendlichen in einem Stadium einsteigen können, in dem die verschiedensten Arbeitsgänge angeboten werden können. Vielleicht können sie selber Motive mit dem Projektor vergrößern und modellieren.

Geld und Raum

Öfter denke ich in letzter Zeit an die Lektüre der Assmann-Texte zurück. Innerhalb der Themenkomplexe des Ägyptologen interessiert mich insbesondere der Zusammenhang zwischen Monotheismus und Antisemitismus. Dass durch die Jahrhunderte hindurch Antisemitismus wie ein Reflex in der Bevölkerung verankert ist, legt den Schluss nahe, dass sich eine tief verankerte Angst, wie aus einem gemeinschaftlichen Trauma sich in dem Hass auf eine Bevölkerungsgruppe Platz macht. Die jeweils aktuellen Gründe dafür können Neid oder an den Haaren herbeigezogene Fiktionen sein.

Das Niltal gedieh nach außen hin durch die Verbindung des wechselnden Wasserstandes mir einer festlichen Jahreslithurgie und der Versklavung großer Bevölkerungsteile durch eine strenge Kastenaufteilung. Echnaton, der die an die verschiedensten Götter angebundenen jahreszeitlichen Feste und Rituale abschaffte und ein absolutes, sich nur nach der Sonne ausrichtendes System erzwang, war ein Kulturrevolutionär. Die Verwerfungen in der ägyptischen Gesellschaft müssen durch die Einrichtung des Monotheismus gewaltig gewesen sein. Sicherlich war damit auch eine grundlegende Verunsicherung verbunden, die zu katastrophalen Lebensumständen führte. Es scheint mir möglich, dass es aus dieser Katastrophe einen gesellschaftlichen Erinnerungsreflex bis in die Gegenwart gibt. Und soweit ich mich an die Lektüre erinnere entstammt die Mosesfigur dem Zusammenhang des Zusammenbruchs des monotheistischen Systems von Echnaton.

Nun ist man in Deutschland schnell Vorwürfen ausgesetzt, die der Betrachtung dieser Zusammenhänge, vor allem der Unversöhnlichkeit des monotheistischen Systems, antisemitische Tendenzen zuschreiben wollen. Dieses kontrapunktische System könnte bei besonnenem Umgang sehr fruchtbar sein.

Im Zusammenhang mit dem kulturrevolutionären Potential der Echnatonzeit, denke ich an das Primat der Beschleunigung, an das Wachstum des immateriellen Rohstoffes „Information“ und die schnelle Zuwendung der Welt an die Geschwindigkeit um der Geschwindigkeit willen. Keine Vielgötterei, kein Kontrapunkt, denn Zeit ist Geld und nicht Raum.

Klangbilderinnerung

Schon am Tag zuvor hatte ich die Flächen ins Auto geräumt, die ich auf der Saalburg zum Einwalzen mit Druckfarbe benötigte. Ich war bei Schneefall unterwegs, die Sicht war eingeschränkt, die Straßen noch nicht geräumt und die Schilder vom Schneetreiben teilweise zugeweht, so dass ich mich nicht so leicht orientieren konnte. Ein geistig behinderter Dorfbewohner meinte, ich müsse umkehren um zur Saalburg zu kommen, was ich auch auf meinem gefühlsmäßig eingeschlagenen Kurs auch tat. Mit etwas Geduld erreichte ich dann direkt die Einfahrt zum Kastell. Die Performance lief ohne Pannen mit tatkräftiger Unterstützung aller Gäste. Am Nachmittag war ich schon wieder in Frankfurt und legte das entstandene große Format zum Trocknen ins Atelier.

Dort feuchtete ich noch mal das Tonrelief an, das ich in dieser Woche abgießen wollte. Allerdings habe ich zwei Tage die Auszubildenden, für die ich nun auch noch ein neues Programm vorzubereiten habe.

Kein Krähen weit und breit, keine schwarzen Flugbilder oder äugende Beobachter auf den Ahornästen. Helles Braun mit etwas Apricot treibt vom nordwestlichen Himmel heran. Greifvögel kreisten in einem ungewöhnlich großen Schwarm über der Stadt, als wollten sie in der urbanen Abwärmethermik an Höhe gewinnen, um sich dann in einem Gleitflug weit nach Süden abzusetzen.

Einen Text von Juan Carlos Onetti hörte ich gestern auf meiner Heimfahrt vom Taunus in die Stadt. Die Klangcollagen, die sich mit dem traumartigen Text verbanden, entführten meine Erinnerungen in verschiedene Richtungen, mal nach Brasilien, mal in meine Militärzeit in Eisenach. Töne und Text hatten eine große Bildkraft, die viel mit mehrschichtigen Zeichnungen oder Malerei zutun hat. Marschierende Stiefel, graugrüne Soldatenmäntel, gleichmäßig wippende Stahlhelme auf dem Marktplatz der Kleinstadt. Eine pompöse Vereidigung, wir in unserer Verkleidung in der Öffentlichkeit. Ich sprach nicht, bewegte nur tonlos die Lippen in der Kolonne von eintausend Grenzsoldaten, die an eine angebliche Front geschickt werden sollten. An der Südseite des Platzes stand das Museum, in dem ich wenig später die Gläser und Figuren in den Vitrinen zeichnete.

Bildersturmzeit


Sonntag. Nach einer kalten Nacht bin ich zeitig auf, um vor meiner Kunstaktion auf der Saalburg, wenigstens einen Teil des Tagebuches erledigt zu haben. Am gestrigen Abend waren wir bei Bekannten in ihr neues Haus eingeladen worden. Es handelte sich um einen etwa einhundert Jahre alten Wohnpalast, den sie mit viel Mühe und Energie sehr sorgfältig und liebevoll renoviert haben. Nun kommen sie mir in den drei Etagen mit etwa vierhundert Quadratmetern Wohnfläche etwas alleine und verloren vor. Es handelt sich um keine notwendige Raumveränderung sondern um Luxus, der sicherlich dem Umstand, nicht zu viel Geld beim Finanzamt zu lassen, geschuldet ist. Wir haben wieder gemerkt, wie sehr wir uns mit unseren Tätigkeiten und mit dem Verständnis von unserer Rolle in der uns umgebenden Gesellschaft, als Exoten an ihren Rand manövrieren. Auch die anderen Gäste sprachen sehr viel von Geld, am liebsten von viel Geld…

Auf der Berliner Museumsinsel wird derzeit eine große Nofreteteausstellung gezeigt, in der es um Fundstücke aus Nachgrabungen um den Fundort der Büste geht und um das einhundertjährige Jubiläum ihrer Auffindung. Üblicherweise handelt es sich bei den ausgestellten Exponaten um Fragmente aus einem Formenkontext, der die Bilderstürme der Geschichte in seiner Vollständigkeit kaum überleben konnte. In diesen Zusammenhängen werden immer wieder die Rückgabeforderungen ägyptischer Regierungskreise diskutiert, die der Meinung sind, die Nofretetebüste gehöre nach Kairo. Sieht man von den Verdiensten deutscher Archäologen und ihrer Grabungskampangen, dem Vertrag über die Übereignung der Büste und dem damit verbundenen rechtlich unanstößigen Standort ab, kann man sich kaum vorstellen, was in den ungesicherten Museen während der Revolutionszeit im vergangenen Jahr mit der Büste geschehen wäre. Kommen die fundamentalistischen Bilderstürmer im maghrebinischen Raum an die Macht, muss man um die ausgegrabenen Schätze fürchten, wie um die großen Buddhastatuen in Afghanistan.

Sich in kultureller Sicherheit zu fühlen ist Luxus. Ich lebe mit der Gewissheit, dass jederzeit eine neue „Kulturrevolution“ über uns hereinbrechen kann, wenn es nicht schon im Zuge der Digitalisierung und der Urheberrechtsdebatten soweit ist.

Eingetrocknetes Blau | Melancholie

Noch einmal überarbeitete ich gestern Nachmittag das Relief im Atelier. Mit einem speziellen Modellierholz drückte ich die tiefer liegenden Linien in solcher Weise nach, dass die Seitenwände der „Täler“ nicht mehr so steil aufragten. Der etwas flachere Winkel hat zur Folge, dass die Zeichnungen nun deutlicher werden und sich das getrocknete Pappmache dann später besser aus der Form herauslösen lässt. In ihr stehen die Gräben als Grate in den Raum und sind immer etwas bruchgefährdet. Ich kenne das Problem von der Form des Kraftfeldes 2010, das hoffentlich nun schon von vornherein entschärft ist.

Schon am Vormittag habe ich meine morgige Kunstaktion vorbereitet. Zunächst prüfte ich die alten Druckfarben, noch aus den DDR – Beständen, auf ihre Verwendbarkeit. Das Blau, die Farbe der Jungpioniertücher war längst eingetrocknet. Das Grün hatte sich aufgespalten in eine bernsteinfarbene Flüssigkeit und grünen trockenen Stein. Einzig Schwarz, Gelb und Rot sind einsatzfähig geblieben. Wenn ich bei meiner eigenen Wanderungsgeschichte als den Ausgangspunkt der Performance bleibe, geht es also im Folgenden um Reduktion. Es gibt außer den Geschichten, der über das Blatt wandernden Gäste, die sich so auch ein wenig produzieren können, nun also genügend Material, über das sich etwas erzählen lasst.

N. hatte ein sehr schönes Foto einer afghanischen Landschaft auf seinem Bildschirm, so dass ich nachfragte, um was es sich da handelt. Mit der tiefen Melancholie seiner Heimaterinnerungen erzählte er mir von den Landschaften und von der Schönheit vor dem Krieg. Jetzt sucht er jemanden, der ihm diese Landschaft malt. Er fragte mich und ich würde das gerne für ihn machen.

Kristallschichten | Erinnerungslinien

Die Spuren die ich gestern am Hang hinterließ, werden jetzt schon abgedeckt oder zumindest von den neuen Kristallschichten relativiert sein. Ich würde gerne nachschauen, um zu sehen, ob sie hier und da noch sichtbar sind und was sich schon wieder verändert hat. Dass ich am Hang so hänge hat sicherlich auch mit meinem nur ideellen Besitz des Weges zutun. Es ist eine Zuneigung zu etwas, das ich nicht wirklich ganz besitzen kann, das mir aber dennoch gehört, oder zu mir gehört.

Im Atelier habe ich das Rohmodell des ersten Dreiecks fertig geformt. Noch am Abend als M. an ihren Rollbildern arbeitete, modellierte ich die letzten Felder bis in die dritte Ecke hinein.

Verschiedene, teilweise dreitausend Jahre alte Linien gehen mir bei der Arbeit durch den Kopf. Da sind die Schleifspuren in Malta, die sich in unterschiedlichen Spurbreiten wie Straßenbahnschienen in den karstigen Boden gruben, oder die Felsgravuren auf dem 8. westlichen Längengrad und die tiefen Karrenspuren hinter einem hethitischen Relief in Zentralanatolien. Die Erinnerungen an die Reisen, die sich gemeinsam mit den Erinnerungen derer, die mich dazu inspirierten, in den Motiven der FRANKFURTER KRAFTFELDES wieder finden. Sie erzählen die Geschichten der Wanderungen der Galegos, der Yoruba, der Italiener, der Bosnier, der Inder, der Finnen, der Polen, der Afghanen …. Ich muss diesen Linien nur vertrauen und sie sich behaupten lassen.

Heute stand ich sehr zeitig auf, um nach der Tagebucharbeit im Atelier die Performance bis zum Mittag vorzubereiten. Am Nachmittag will ich dann die Zeit dafür finden, das Relief vielleicht zu Ende zu modellieren. Dann könnte ich einem Zeitplan folgen, der vorsieht, in der kommenden oder darauf folgenden Woche die Form zu gießen.

Kraft des Gedankens

Um die gestrigen Bilder vom Hang noch einmal zu sehen, schob ich den Chip in den Rechner und übertrug die Dateien auf die Festplatte. Wie erwartet, war der Weg eingeschneit. Dennoch war sein Verlauf am Boden durch die etwa zehn Zentimeter dicke Schneeschicht, durch die sich die deutlich glattere Struktur immer noch gut abbildete, zu sehen. Die Spuren des Wildes, die vielfältiger sind als gedacht, gehen nur teilweise auf meinem Weg entlang. Ich dachte, dass dies fast durchweg so sei, weil ich meinen eigenen Wanderungen nicht diese abbildende Wirkung zugetraut hatte. Es kann aber sein, dass die kurze Zeit einer frischen Schneeschicht trügt. Im oberen Bereich, an der Lichtung, wo ich auch eine der Hirschkühe sah, folgten sie aber dem Pfad, der also zu Recht dort oben ihren Namen trägt.

Es ist der zweite Winter, der meine Wegzeichen so stark verändert. Es ist nun nicht mehr zutun, als diese Metamorphosen genauer anzuschauen und sie festzuhalten.

Von Nordwesten her waren alle Zweige halb mit einer Kristallschicht ummantelt, die die Feinstruktur verschwinden lässt. Gleich am Anfang über der Straße, ist ein Areal vom etwa dreihundert Quadratmetern völlig von Hirschen auf Futtersuche zerwühlt worden. Der eigentlich spitze, weiße Stein am Ende wurde von einer gestapften Spiralwanderung weiter mit etwas Energie versorgt. Dann folgte ich meiner eigenen Spur durch den Schneefall hinab. Die vielen Flocken in der Luft, auf den Ästen und am Boden verpackten jedes Geräusch und lassen es gleichzeitig dunkler und heller werden.

Am Abend am Rande eines kleinen Festes zu Ehren des achtzigsten Geburtstages von Karlheinz Braun, gab es ein überraschendes Wiedersehen mit Dea. Wir sprachen aus Anlass ihrer bevorstehenden Reise nach Rio über das Glück auf eigenes Material in der Arbeit zurückgreifen zu können, wenn man nach einiger Zeit erneut in eine bekannte Kultur oder Situation gelangt. Wir gehen der Kraft unserer Gedanken nach, nehmen den Arbeitsfaden wieder auf. Viele weitere Autoren und Bekannte waren da, dass es keinen Mangel an Gesprächen gab. Einzig das Buffet ließ zu wünschen übrig.

Abstrakte Geschichten

Nach dem Club gestern erzählte B. im „Swagat“ von ihren aktuellen Romanfiguren, der Schwierigkeit, die Namen zu übersetzen und von der Reife des Textes dieses älteren amerikanischen Autors. Währenddessen stellte sich für mich eine Verbindung zu meinen Figuren her, die sich auch zu einer, wenn auch abstrakteren Geschichte verflechten. Die Abstraktion entspricht auch ihren Charakteren, die dadurch gezeichnet sind, dass Gliedmaßen, die fehlen durch andere Gegenstände, wie Teile von Möbeln, Waffen oder Figuren, wie vom Counterpoint Tool des Syncronus Objects konstruiert, ersetzt werden. Dafür kann dann die Geschichte variantenreich erzählt werden.

Während der Modellierarbeit dachte ich an meine gestrigen Landschaftsbeschreibungen und achtete mehr auf das, was ich glaubte, erkannt zu haben. Neu ist, dass mir die Motive innerhalb eines Formates nun dreimal begegnen. Daraus folgt, dass die Erfahrung mit den Formen rund herumgereicht werden kann. Dieser Kreislauf schafft eine weitere Perfektion, sofern ich nicht zu früh damit aufhöre, oder zu lange „verschlimmbessere“. Gestern schaffte ich eine Fläche über die Hälfte hinaus und kann somit davon ausgehen, dass ich meine Rohform in dieser Woche zu Ende bekomme. In der kommenden Woche werde ich nicht sehr viel Zeit für die Fortführung dieser Arbeit haben.

Auch gestern musste ich die Arbeit am Relief unterbrechen, um die Performance in der Saalburg vorzubereiten. Ich trug das Material zusammen und stieß dabei auf Linoldruckfarbensortimente aus DDR-Produktion von 1984. Die werde ich benutzen.

Am Morgen dachte ich daran, Abdrücke aus meiner Sammlung von Ornamenten einzufügen. Sie könnten nur anmutungsweise auf größeren modellierten Tonflächen erscheinen. Das muss aber erst einmal ausprobiert werden.

Modellieren

Nachmittags Modellierarbeit im Atelier. Sie hat lange auf sich warten lassen. Gegenüber der zähen Entwurfsarbeit ist dieses handwerkliche Arbeiten geradezu eine Erholung. Nun bleibt es zwar noch abzuwarten, wie sich das beim fünften Motiv verhält, dessen Entwurfarbeiten schneller vonstatten gehen sollten. Aber dazwischen gibt es Formenbau, Ausformung und Malerei. Was bisher plastisch entstanden ist, erinnert an eine etwas unruhige, wellige und gleichzeitig zerfurchte Landschaft. Manche Flächen zwischen den Gräben, die die Ebene durchziehen, sind sehr klein und werden mit nur wenigen stecknadelgroßen Tonpartikeln gebaut. Da bewährt sich der Ton von M. aufs Vorzüglichste. Seine Feinheit und Gleichmäßigkeit erlaubt wirklich, ins Detail zu gehen. Es sieht so aus, als müsste ich mir spezielle Modellierhölzer, die der Kleinteiligkeit der Arbeit gewachsen sind, anfertigen. Derzeit wölben sich die größeren Flächen etwas stärker auf und die kleineren bleiben etwas mehr in der Tiefe. Es kommt zum Wechselspiel der verschiedenen Qualitäten: klein und schroff, groß und wellig, oder geschlossen und glatt gespannt. Es erinnert mich an Blicke aus dem Flugzeug, wenn man über kultivierte Landschaften fliegt. Vielleicht entwickelt sich im Laufe der Arbeit eine gut nachvollziehbare Rhythmik von Strukturen, Volumina, Senken und Wölbungen. Ähnlich, wie bei den oft durchgezeichneten Entwürfen, können sich eine Perfektion der Formen und ihre Vielfalt weiter entwickeln. Ich muss nur die Geduld behalten und darf nicht zu früh mit dem Formenbau beginnen und sollte nach der langen Suche die jetzige Arbeitsphase genießen. Die Neugier auf einen Abguss und auf die Vervielfältigungen ist zu zähmen. Die Abformung soll mit einer anderen Pappmachemasse geschehen, die alles genauer abbildet. Öfter denke ich schon über eine Bemalung nach, die der plastischen Differenzierung von Formen und Strukturen gerecht wird. Die Lasuren, die ich mit M. derzeit probiere, sind gewiss ein richtiger Schritt in Richtung einer adäquaten Behandlung der Flächen. Bei Kraftfeld 2010 hatte die Bemalung nur die Funktion, einzelne Figuren im Geflecht hervorzuheben. Diese grafische Wirkung, die auch die Modellierstruktur hervorhob soll nun einer malerischeren Behandlung der Flächen weichen. Somit bekommt die Malerei verschiedene reichhaltigere Funktionen. Neutrale Flächen deren Oberflächenstruktur besonders hervortritt, wechseln sich mit strahlenden oder tiefen Partien ab. Die Abbildung der Figuren geht über ihre lineare Charakterisierung hinaus.

Sonntägliche Beschleunigung

Der Bus fährt vor der Tür ab und bringt uns bis zur S-Bahnstation „Galluswarte“. Dort steht schon ein Kurzzug, und weil wir die hintere Rolltreppe hinaufgeeilt sind, haben wir noch einen kleinen Sprint hinzulegen, um in die letzte Tür am Ende des Zuges hinein zu springen. Bis zur nächsten Station, dem Hauptbahnhof, wo wir in die U-Bahn umsteigen, atmen wir tief durch. Eine Station bis zum Theater und dann hinauf von der tiefsten Ebene bis in den kalten Wind des Willy-Brandt-Platzes. Schnell, um nicht zu frieren passieren wir die etwa hundert Meter lange östliche Flanke des Theaterkarrees und bestellen uns einen Wein im Foyer des Kammerspiels. Mit einer Bekannten plauderten wir über die Forsythecompany und über unsere Wanderungen im Taunus. So streifte das Gespräch auch den Hang Gang am Kleinen Feldberg.

Das Stück des Abends war von Felicitas Zeller und trägt den Titel „X-Freunde“. Informationen darüber las ich in „Theater Heute“, wo das Stück auch abgedruckt war und gewann den Eindruck, dass es sich um ein Gebrauchsstück handelt. Die etwas abwertende Bezeichnung steht wohl für leichte dramatische Literatur, was in Anbetracht der soliden Schreibleistung etwas ungerecht erscheinen mag. Thema waren die ineinander greifenden Beschleunigungen der Arbeits-, Medien- und Lebenswelt. Selbst ein arbeitsloser Koch, der eigentlich nichts zutun hat, wird durch die sinnlose Schnelligkeit ins Verderben gezogen. Das alles wird überzogen atemlos erzählt, keinesfalls leise, differenziert und vielschichtig. Die holzschnittartigen Figuren sprechen ausschließlich Halbsätze, die sich der Zuhörer zu Ende basteln könnte, würde nicht sofort die nächste abgehackte Plattheit abgefeuert. Diese Konstellationen bestätigen unsere Alltagseindrücke und führen mithin zu nichts Neuem. Eine geradlinige, konsequente und zweifelsfreie Regie führte zu einem enttäuschenden Theaterabend.

Auf der Heimfahrt kam der Schienenersatzverkehr nicht, weswegen wir uns in die Katakomben des Hauptbahnhofes aufmachten. Von der Galluswarte aus liefen wie zu Fuß nach Hause, und vor lauter Beschleunigung wehten unsere Mäntel. Nach nur einem Glas am Küchentisch ging ich sofort ins Bett, weil ich am frühen Morgen zu einer ärztlichen Untersuchung verabredet war.

Unter einem blassen hellblauen Himmel weht schneller Wind Schnee heran, der hoffentlich ab dem Nachmittag entschleunigend wirken wird.

Dynamik der Verstörung des Ornaments

Die Milch aus dem gestrigen Nebelaquarium ist pünktlich zum ersten Advent zu Schneefall geronnen. Zum Mitzählen schlägt die Glocke aus dem Turm der Friedenskirche ihren expressionistisch scheppernden Klang. Die lärmende Verdichtung der Alkoholiker innerhalb der rituellen Behauptung eines Weihmachtsmarktes des Gallusviertels ebbte erst nach Mitternacht ab. Den traurigen Anblick hätten wir uns sparen sollen.

Am Nachmittag zeichnete ich nun den Entwurf des ersten Dreiecks des FRANKFURTER KRAFTFELDES auf die weiß grundierte Holzfläche. Noch einmal fiel Überflüssiges der Zeichnung weg. Vorher holte ich mir verabredungsgemäß bei M. Ton ab und kann so am Montag endlich mit dem Modellieren beginnen.

Im Dezember und Januar sollte ich weitere Entwürfe machen. Mit den Erfahrungen, die ich in den letzen Wochen während einer an aufwendigen Irrtümern reichen Arbeitsphase gemacht habe, sollte das nun schneller gehen. Nun sollte eine Produktion anlaufen deren Dynamik ansteckend sein muss.

Während des Zeichnens hörte ich die explosionsartigen konträren Kompositionseinfälle von Jack White auf seiner kurzen und verdichteten Platte „Blunderbuss“, und es entstand das Bedürfnis davon etwas auf die Reliefarbeit übertragen zu wollen. Das wäre die Verstörung des Ornamentes durch falsche Anschlüsse zwischen den verschiedenen Dreiecken. Natürlich kann ich das herbeiführen, indem ich den Verlauf der abgestimmten Komposition, während der sich die Motive langsam verändern, absichtlich durcheinander bringe und „verstimme“.

Meine derzeitige Planung sieht aber vor, alle Übergänge perfekt zusammen zu zeichnen, um dann danach mit dem Material spielen zu können. Dabei werden genügend präsentable Beispiele entstehen, um das Projekt vorzustellen. Es wird also verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten geben.

Eine Schar von Krähen entdeckte im Schnee eine weggeworfene Tüte mit frittierten Kartoffeln. Nun sieht es aus als hätten einige von ihnen gelbe Schnäbel und würden deswegen von den anderen gejagt.

Licht

Dezember, Minusgrade, die Konstruktion eines Baukranes reflektiert bläuliches Scheinwerferlicht mit ihrem gelben Gestänge hinter dem vielschichtigen Geäst dessen, was von der Quäkerwiese übrig geblieben ist. Glänzendes Rot der Kapuze meines Schokoladenweihnachtsmannes, den mir B. von Supermarkt mitbrachte, spiegelt sich in der Scheibe hinter dem Schreibtisch und vor der Allee. Dort wird ein Gallusweihnachtsmarkt aufgebaut. Schon jetzt lärmt es in der Dunkelheit des frühen Morgens. Der Freitagsmarkt ist mir lieber. Dort kauft man, was man braucht, kann was essen und trinkt mit seinen Freunden Wein. Das ist schöner Alltag.

Am Morgen könnte ich eigentlich immer nur über das Licht schreiben, das sich während meiner  Arbeit langsam verändert und Gegenstände aus der Abstraktheit der Nacht hervorholt. Gleichzeitig verblassen die Spiegelungen im Fenster und verbinden sich mit dem Aufscheinenden draußen.

Eine große ausziehbare Aluminiumleiter steht an einen Baum gelehnt und wird von einem, einen roten Overall tragenden Elektriker langsam, wie von einem Chamäleon bestiegen. Er traut sich nicht die oberen Sprossen zu erklimmen und kriecht nun wieder ganz langsam herab, um die Leiter weiter auszufahren. Auf etwa sechs Metern Höhe sollte es ihm nun gelingen, das Stromkabel über die dicke unterste Astgabel des Ahorns hinweg zu führen. Aber woher hat er sein Rot?

Nebel kommt auf, der das Lärmen der Wichtigtuer, die dick in dicken Sachen aus den Nähten platzen, einhüllt und die Abstraktion der Nacht auf eine neue, das Licht verteilende Weise fortführt. Der Weichzeichner eines milchigen Aquariums, in dem nun alles stiller schwimmt, tröstet.

Baustellen durchziehen die Straßenzüge und versorgen alle mit Daten, Gas, Strom und Wasser. Immer mehr technischer Aufwand wird selbst bei kleineren Arbeiten getrieben. Alleine der Fuhrpark der vielen kleinen Firmen, die sich zusammengeschlossen haben, um den Weihnachtsmarkt auszubauen, strotzt vor finanziellen Potenz und Wirtschaftskraft. Ich kann mich, selbst in meinem vergleichsweise beschaulichen Alltag, der grassierenden Beschleunigung kaum enthalten.

Kartierung des Arbeitsterrains

Freitag. Gestern Abend im Atelier hielt ich M. zu größeren Malereien an. Dafür habe ich ihr die Rolltechnik beigebracht und kann sehen, dass es ihr viel Spaß bereitet. Manchmal gehen die Gespräche in die Richtung der Verantwortung für ein eigenes kreatives Leben. Ich erzählte vom Stipendium des Literarischen Kolloquiums, das B. gestern zugesagt bekam, um Zeit dafür zu haben, sich mehr mit Tanz auseinanderzusetzen. Die Frage, wie selbst bestimmt die Lebenszeit gestaltet werden kann, treibt viele der Bekannten um, die ich auf dem Markt treffe. Sie machen beispielsweise Musik und träumen davon, damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dabei geht es vielleicht nicht in erster Linie um die Musik, sondern um die Verbindung von eigenem Befinden, um dessen Ausdruck und um dessen Veröffentlichung.

Im Atelier grundierte ich eine Sperrholzplatte und räumte Arbeitsflächen frei, um alsbald mit dem Modellieren beginnen zu können. Das Transparentpapier mit der Entwurfszeichnung versah ich von der anderen Seite aus mit einer fetten Bleistiftdurchzeichnung des seitenverkehrten Motivs, die ich nun auf die grundierte Fläche „durchschreiben“ kann. Die Linien stilisieren auf diese Weise die Motive immer weiter. Die Maßverhältnisse und kontrapunktischen Begegnungen werden ausgewogener und ihre Schwünge spannen sich kraftvoller zwischen ihre Ausgangspunkte.

Mir kommt eine Moosarchipelkartierung in den Sinn, in der ich die Ufer trianguliere. Die Schneefallgrenze ist auf dreihundert Meter gesunken. Sicherlich ist der Weg nun schon abgedeckt. Auch im Wald findet eine Stilisierung und ausgewogenere Gestaltung der Weglinien statt, ähnlich, wie bei den Entwurfszeichnungen für das FRANKFURTER KRAFTFELD. Ich schwanke, was den Begriff „Illustration eines Weges“ angeht. Ein Weg ist auch ein Weg, wenn ich ihn fast nur alleine gehe!

Das Arbeitsterrain, das vor mir liegt habe ich nun schon ganz gut frei geräumt. Das Material der Mainzer Landstrasse, die Kartierungen und Zeichnungen räumte ich in einen Karton und werde am Wochenende von M. etwas Ton bekommen, um mit dem Modellieren beginnen zu können – es wird Zeit.

Zeitvolumen | Wegmarke | Illustration

Mit H. stand ich vor der Landkarte von Jordanien – Transjordanien -, wo er seinen fünfzigsten Geburtstag verbringen will. Ein Streifen Land, lange Zeit von den Menschen durchwandert, die die Erde besiedelt haben. Jordanien jetzt durchstreifen, heißt den Touknouts zu folgen, hin zu den schmierigen Oasen und den erstaunlich kleinen Wüstenschlössern.

Als ich gestern den Hang hinab stieg, hatte sich kurz nach Vier der Wald schon stark verfinstert. Wegen einer Erkältung geriet mir der Hangang eher zu einer Inspektion. Dabei interessierte mich nur der Weg mit seinen Moosinselgruppen. Seine Kenntlichkeit hat in den letzten Wochen stark zugenommen. Vage Bereiche gibt es nur noch im mittleren Abschnitt in der Nähe der Kristallgruben. Beim Abstieg nehme ich von dort immer zwanzig helle Steine mit, um sie bei der Zeitmarke am unteren Ende des mittleren Abschnitts hinzu zu fügen. Jede Woche zwanzig Steine, eine Zeitvolumenwegmarke.

Einen schönen Kristalleinschluss habe ich mit nach Hause genommen, der mich an meine Schaufensterzeichnung erinnert.

Über einer Ampelkreuzung in Königstein beschrieb ein großer Graureiher ein Stück Kreisbogen, landete auf dem roten Dachfirst eines Einfamilienhauses und stand dort wie eine Skulptur. Das sah ich im langsamen Vorüberfahren, bedrängt von einem Schnellfahrer, der meiner hinteren Stoßstange bis zur Schnellstraße erhalten blieb. Dort überholte er mich röhrend und stob schnell beschleunigend davon.

An der Straße im Wald warnte ein Schild vor vermehrtem Wildwechsel durch eine weitere Jagd. Es ist überhaupt kein Wild mehr zu sehen. Auch von meinen Hirschkühen gibt es keine frischen Spuren. Nun warte ich auf den Schnee, der meinen Weg zudecken und die Bewegungen, die darüber hinweg gehen sichtbar machen wird.

Die Illustration eines Weges querwaldein mit Randbegrenzungen und einer Namensgebung. Nur dort, wo er sich in den Boden gräbt scheint er real zu sein.

Reinzeichnung | White

Eine Krähe schaute mir auf mein beleuchtetes Blatt und zupfte dabei an den Resten des Nestes vom vergangenen Jahr herum. Während sie die Äste hinauf hüpfte, sendete ich ihr Blinkzeichen zu. Sie blickte auf das Faszinosum der entstehenden Schrift, wie ich auf die entstehenden Zeichnungen in meinem Atelier.

Mühevolle Entwurfsarbeit am Frankfurter Kraftfeld. Die „Reinzeichnung“ mit all ihren exakten Abmessungen braucht viel behutsame Geduld. Ich entdeckte, dass ich die Dreiecke noch einmal dritteln könnte, um das kleinste Element des Ganzen zu umreißen. Ich arbeite viel genauer und sorgfältiger als bei Kraftfeld 2010. Die kommenden Arbeitsgänge entsprechen auch eher handwerklichen Herausforderungen.

Vorgestern sumpfte ich einen getrockneten Strang etwas grobsandigen Ton ein, den ich gestern zu einer gut handhabbaren Masse zerstampfte. Jetzt lagert sie griffbereit in einem Baueimer, wobei noch nicht klar ist, ob sich dieser Ton auch für meine feine Modellierarbeit eignet.

Beim Aufräumen im Atelier entdecke ich viele Tuschzeichnungen auf Transparentpapier, die mit Bleistiftstrichen und Schelllackfeldern angereichert sind. Oft sind es sehr kleine Formate, die die Zeit überdauerten, und die ich irgendwie wieder auffindbar einlagern sollte.

Oliver brachte am vergangenen Wochenende eine neue Platte von Jack White mit. Die habe ich mir im Atelier schon mehrmals angehört. Ich tue das aus der Perspektive meiner bildnerischen Arbeit, wie schon bei dem Brad Mehldau Konzert. White greift auf ein Arsenal musikalischer Mittel zurück, die ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Amerika entstanden sind, oder an seine Gestade gespült wurden. Lyrische Episoden werden von trocken eingeschobenen Explosionen zerfetzt, und überraschende kleine Klangideen bereichern die Songs um die Fremdkörper, die benötigt werden um Spannung zu halten. Zitate, die banal erscheinen können, bekommen auf diese Weise eine Kraft zugewiesen, die der musikgeschichtlichen Spur eine tiefere Bedeutung verleiht, um in dieser Weise hell aufzuleuchten.

Krähen | Dämmerung | Reliefentwurf

Schwere Fahrzeuge queren unter der Dämmerung, die ihren Höhepunkt, die Waage zwischen Finsternis und Mittag erreicht hat,  das Format meines Fensters. Meine schreibenden Finger spiegeln sich hell beleuchtet. Dort mischen sich die Handschrift und das zu Beschreibende zur Gemeinsamkeit von Spiegelung und Durchblick. Der Fluss der Schrift bewegt sich entgegen der Fahrtrichtung auf der gegenüberliegenden Spur.

Noch keine Krähen im Moment. Sehr bald werden sie aber von weit oben hereinschweben, aufgestiegen von irgendeinem Hotspot ihrer Fressstadtkartierung. Da sind sie schon, die ersten zwei hoch im Geäst über dem Pavillon. Die erste dreht beim Herabschwingen nach Norden ab, als folgte sie dem Dieselknarrenden Stadtbus, der von der Ersatzhaltestelle vor meinem Schreibtisch zur Galluswarte weiter fährt.

Das langsam zunehmende Licht holt mich in die andere Welt. – Im Atelier konnte ich gestern beginnen, die Dreiecksreliefgröße auszuprobieren. Dafür habe ich den alten Liesegangprojektor aufgestellt, den ich aus dem Müll der Günes gezogen hatte und legte die Zeichnung vom Sonntag darunter, deren Reflektionsbild von der starken Projektionslampe nun beliebig stufenlos vergrößerbar benutzt werden konnte. Im zweiten Versuch zeichnete ich ein Dreieck mit einer Kantenlänge von sechzig Zentimetern und richtete die Projektion so ein, dass sie die Fläche möglichst genau ausfüllte. Als ich dann das Deckenlicht löschte, brach die Dunkelheit von draußen herein und tauchte den Raum in eine auf einen Punkt konzentrierte Stimmung. All die Versuche, das Motiv zu entwickeln, bündelten sich nun in diesem Lichtkegel. Die erste Variante mit einer Kantenlänge von fünfundvierzig Zentimetern, zeichnete ich mit Bleistift auf eine glatte weiße Plastikfläche, was einen feinen verletzlichen, perlend metallischen Strich hinterließ. Die zweite größere Variante probierte ich auf Zeichenpapier von der Rolle. Sie ist an einigen Stellen nachzuarbeiten, weil insbesondere die Anschlüsse genau stimmen müssen. Wenn ich beim Zeichnen die Orientierung in der Weise verloren habe, dass ich nicht mehr weiß, an welcher Stelle ich mich bei den beteiligten Figuren befinde, werden die Formen etwas freier und besser proportioniert. So bekommen sie das Eigenleben, das für das Auffinden von neuen Figuren notwendig ist. Die Größen dieser Flächen sind so, dass man sie gut einzeln modellieren kann. Dieses Relief wird feiner und vielfältiger als Kraftfeld 2010. Am Abend hatte ich das Gefühl nun einen wichtigen und sichtbaren Schritt vorangekommen zu sein.