Fast dreihundert Jahre alte knorrige Buchen in den Wäldern des Rheingaus zeugen von einer speziellen Art der Grenzbefestigung, die sich „Gebückwerk“ nennt. Eine etwas sperrige Bezeichnung für ein Grenzbefestigungsvorgehen dass einer natürlichen Schutzwallarchitektur folgend angelegt wurde. Junge, hoch aufgeschossene Hainbuchenstangen wurden so zum Boden herab gebogen, dass sie weiter oben am Stamm neu wurzeln konnten. Die Triebe, die dann an den ineinander greifenden Bögen wuchsen, konnten anschließend miteinander verflochten werden. In dieser Weise wurden undurchdringliche Hecken gezogen. Grund dafür waren die materiellen und politischen Werte, die es im Rheingau gegen die Nachbarn und marodierende Haufen zu verteidigen galt. Mir gefällt daran besonders der Zusammenhang zwischen dem geflochtenen undurchdringlichen Wachstum und den zu schützenden freiheitlichen Werten. Manchmal waren die Streifen einhundert Meter breit. An den Stellen, wo Wege die Grenze passierten, standen stark befestigte Bollwerke mit Türmen, Torbögen und Schießscharten. Diesem etwa fünfzig Kilometer langen Streifen steht im Süden der Rhein als natürliches Hindernis gegenüber, das gut überwacht werden konnte.
Auf dem Heimweg begegnete uns noch ein anderes, sehr viel freundlicheres Bauwerk, das ebenfalls das Wachstum zur architektonischen Unterstützung benötigt. Es handelte sich um eine Tanzlinde, deren Äste jetzt noch zu jung sind, um den Tanzboden in etwa drei Metern Höhe zu tragen. Die alte Linde fiel einem Sturm zum Opfer, worauf 2003 eine neue gepflanzt und gleich eine achteckige Balkenkonstruktion mit dem Tanzboden drum herum gebaut wurde.