Duft

Die Ganze Atelierfront, die nach Südosten ausgerichtet ist hat Sonne, genau wie der wolkenlose Himmel. Irgendwo summt ein größeres Insekt, das den Weg nach draußen nicht findet.

Gestern war den ganzen Abend lang ein Zitronengeruch an mir, dessen Herkunft ich erst am Morgen bemerkte. Im Gärtchen hatte ich Pflanzen und Bäume geschnitten und umgetopft. Dabei war eine Duftgeranie, die an einem langen Trieb in die Höhe wuchs. Weil ich die ganze Zeit mit der Erde beschäftigt war, entging mir, dass ich mich die ganze Zeit in dieser starken Geruchswolke befand. Aber schon am Abend in der Pizzeria bei Pietro bemerkte ich meinen fremden Eigengeruch. Und jetzt habe ich ein Duftgeranienblatt in mein Buch gelegt – eine Erinnerung für später. Interessant wäre zu wissen, ob die Wolken dieser Pflanzen meine Stimmungen verändern können.

Seit dem mir klar ist, dass meine handschriftlichen Aufzeichnungen vielleicht in irgendeiner Form in eine Öffentlichkeit gelangen können, ich dann auch Verantwortung über das haben werde, was ich über andere Menschen schrieb, verändern sich die Texte langsam. Der Filter, der sich zwischen meine Empfindungen und ihre Niederschrift setzt, schafft einerseits einen Verlust. Vielleicht kann alles aber auch anders, zurückhaltender und bearbeiteter, weiter bestehen bleiben.

Kreisende Tuschefüllungen flossen gestern in die derzeitigen Scherben des dritten Totenbuches.