Entehrt

Das Stück von Ayad Akhtar hat im Amerikanischen einen Titel mit einer anderen Bedeutung als im Deutschen. Eigentlich heißt es nicht „Geächtet“ sondern „Entehrt“. Dieser trifft eher die Gemütslage der jungen, radikalisierten Anhänger des schiitischen Faschismus. Der Theaterabend geht mir nach. Fast bin ich der Meinung, dass es sich weniger um ein Konversationsstück als um ein Lehrstück handelt.

Die Hoffnung, dass sich das muslimische Denken aus sich selbst heraus reformiert, rückt in weite Ferne. Die jungen Menschen, die den dschihadistischen Populisten hinterher laufen, legen keinen Wert auf ein eigenes aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein. In meiner Nachbarschaft sammeln sie sich offen und leben ihre Jugendkultur, die aus den gewalttätigen Videoclips der diversen „Gotteskriegerorganisationen“ mit bestätigenden Bildern versorgt wird. Der Ehrbegriff ist, wie schon so oft in der Geschichte, missbraucht.

Weil ich mich seit Jahrzehnten mit dem Migrationsthema befasst habe, glaube ich nun, mir erlauben zu dürfen, mich um ein ureigenes Thema, nämlich meiner Erinnerung widmen zu können. Auch in Ai Weiweis Atelier begegnete mir die Flüchtlingsproblematik auf Schritt und Tritt.

In der Dunkelkammer meiner Erinnerung schwimmen Formate in der Entwicklerflüssigkeit, die nur zögerlich die Konturen der Momente preisgeben, die bisher nicht festgehalten wurden. Im Nachhinein ist es schwierig, die Tiefenschärfe zu bekommen, die die Bilder, die vielleicht fünfzig Jahre zurückliegen, klar werden lassen.