Während des Glockenläutens gestern am Dom erinnerte ich mich an die kalten Heiligabende der letzten Jahre, an denen wir dem großen Geläut lauschend, es aushaltend und kindlich bestaunend, in der archäologischen Grube westlich des Turmes froren. Nun ist die Grube zugeschüttet und darüber wird ein kleinteiliges und dennoch großes Stadthaus errichtet, was die Sicht auf das erleuchtete Sakralbauwerk einschränken wird. In Form einer verglühenden Weltraumschrottarchitektur fuhr im vergangenen Jahr am Himmel über der Schirn der russische Stern von Bethlehem von Westen nach Osten.
Gestern standen wir nördlich vom Turm. Mit der Erinnerung an die Standorte der anderen Jahre wurde das Läuten nun dreidimensional. In diesem Raum kommt die große Gloriosa erst in etwa zehn Minuten erst richtig in Schwung und braucht beim Auspendeln, wenn alle anderen Glocken schweigen noch einmal zehn Minuten, bis man wieder die Stimmen der vielen Menschen wahrnimmt, die sich versammelt hatten.
An die Schaufensterscheibe eines Nachbargebäudes gelehnt, fuhr der Schall über die Fußsohlen und vom Rücken her in mich hinein und brach sich im Brustkorb. Auf das akustische Ereignis blickend, das große Stück Metall, bemerke ich, dass die silbernen höheren Töne der kleineren Glocken besser zu hören sind, wenn ich mir meine Hände zu größeren Ohrmuscheln geformt seitlich an den Kopf halte. Der Baukörper des Doms klingt nach jeden Schlag wie ein Instrument nach.
Zuvor in der Mittagszeit ging ich mit klopfendem Herzen ins Atelier, um nachzuschauen, was aus der Ausformung geworden ist. Zunächst löste ich das erste Exemplar von den Seiten her vorsichtig mit einem Messer und hob dann, mit meinen Fingern zwischen Form und Pappmache langsam die Fläche an, bis sie herausgelöst war. Alles war exakt abgebildet, kein einziger Steg war heraus gebrochen und ich hatte das Gefühl, mir nach all den Wochen Arbeit, ein Weihnachtsgeschenk gemacht zu haben. Nun, mit der Festlegung der nächsten Arbeitsschritte, kann die Produktion beginnen, auf die ich so lange gewartet habe.