Fließende Komposition

Lange schaute ich gestern spät am Abend im Atelier noch auf die aneinander gereihten Reliefs, versuchte ihr Potential als Mal- und Zeichengründe zu erforschen. Zwischen den Flächen mit den dichteren Linien und denen mit einem übersichtlicheren Geflecht, bestehen ziemliche Spannungen, was zunächst mal eine gute Voraussetzung bildet. Obwohl sie durch die Motive, die sie miteinander gemeinsam haben, untereinander verbunden sind, bilden sie völlig unterschiedliche Herausforderungen, was die Weiterbearbeitung angeht. Wenn es zu einer Ansammlung von Dreiecken mit dichteren Linien kommt, entsteht eine eher malerische Vorstellung. Die Augen folgen einer fließenden Komposition, und wenn das Hirn versucht die Vorgaben mit Gegenständen zu vergleichen, die irgendwo abgespeichert sind, passen sie sich diesem Fließen an. Zum Beispiel erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an ein Jagdbild von Rubens.

Die miteinander verbundenen weißen Flächen schaffen eine Herausforderung, die in Richtung Lasurmalerei geht. Die vorhandenen Figuren können einzeln hervorgehoben werden, indem man ihre Nachbarschaft langsam farbig eindunkelt, Schelllackschichten können zwischendurch als Sperrflächen aufgebracht werden, die die darunter liegende Farbigkeit noch brillanter werden lassen wie ein Zwischenfirnis.

Schön war zu erleben wie sich die Lehrlinge gestern langsam in die Linienexpedition hineinbegaben und sich darin nach kurzer Zeit zurechtfanden.

Der gestrige Abendworkshop fand in einer konzentrierten und etwas gedeckten Atmosphäre statt. M. hat nun schon über ein halbes Jahr intensiv an verschiedenen Projekten gearbeitet und auch schon eine stattliche Sammlung von Bildern geschaffen. Gestern kam sie zu dunkel-melancholischen Tönen, die eine etwas fröhliche Naivität mancher Motive zurückdrängte. So trieb sie die Geister, die uns gerne mal in die Hölle des Banalen hinabziehen wollen, mit dunkel gewischten Lasuren aus. Das strengt an. A. beschäftigte sich mit Tusche, Schelllack, Graphit und Transparentpapier. Sie versuchte sich an der Technik, mit der ich vor zwei Jahren an den Synaptischen Kartierungen arbeitete.