Während mein Gesicht noch im Schatten liegt, bekommt mein Haar schon Wärmewellen aus Sonnenlicht. Die ersten Blitze fahren über die Betonkante des Hauses, das im rechten Winkel das Quartier begrenzt, in meine Augen. Der großzügige Raum hinter den Häusern ist nur spärlich bebaut.
Während eine Hochzeitsgesellschaft auf Teves Bionade trank und sich gegenseitig mit meinem Einbaum fotografierte, zeichnete ich gestern an der zweiten Figurensequenz. Sie besteht aus dem König, an dessen Rohrenden immer neue Vasallen nachwachsen. Sein Volk wächst aus seinem Körper, wie die Knospen eines Rosenstocks. Die zweite Figur ist Herakles der Schwertmann, der statt Armen ein angewachsenes Schwert hat, das zwei längliche spitz zulaufende Durchbrüche besitzt. Er selbst scheint sich öfter damit verletzt zu haben, während „gelegentlicher Schläge gegen die Eigensubstanz“, wie sie in Müllers „Herakles II oder die Hydra“ beschrieben werden. Der Dritte im Bunde ist der Hirschmann mit großem Geweih. Ihm fliegt ein Baby zu, für das sein Körper einen Empfangsstutzen entwickelt und ausgefahren hat. So bekommt nun jede Figur im Nachhinein ihre Geschichte, die mir beim Zeichnen noch nicht klar war, die ich vielleicht nur geahnt hatte.
Die Lücken zwischen den überlagerten Formen sind nun etwas größer, und langsam sehe ich ein gut handhabbares Format vor mir, das ich bald modellieren kann. Dabei treffe ich wieder auf das Phänomen der kleinteiligen Überlagerungen, deren Rhythmen sich durch mehrmaliges Übereinanderzeichnen klären und zu funktionierenden Formenklastern zusammenwachsen. Der nächste Schritt sind dann weitere Dreiecke, bei denen sich das Figurenensemble langsam wandelt. Dabei fallen innerhalb der Sequenzen jeweils die Anfangsfiguren weg und neue kommen dafür hinzu.
Die Kantenlänge des gleichseitigen Dreiecks wird zwischen sechzig und neunzig Zentimetern liegen. Wie die Formenteile des Wien-Varanasi-Reliefs, kann ich dieses gut handhabbare Teil auf die Heizung stellen, damit das Pappmache schneller trocknet. Somit komme ich dann erst einmal zu einer Innenraumskulptur. Die Formate lassen sich auch zu einem größeren Wandbild zusammenstellen.