Geschlossener Kreis

Unter dem hochgezogenen Rolltor zeichnete ich im Atelier an der Sequenz „Der Rock`n Roll höhlt einen Jungpionier aus“ auf Rolle 6 weiter. Die Pionierzeichnung von 1995 gewinnt nun aus den Überlagerungen an Fülle. Wie die Spuren von fünfzig Jahren auf einem Körper, legen sich die Strukturen übereinander. Die elektrischen Gitarren verbinden sich untrennbar mit der Figur und zerfetzen den stalinistischen Traum von der Gleichschaltung der Gehirne.

Indem ich mich mit der fast zwanzig Jahre alten grafischen Reihe noch einmal beschäftige, verbindet sie sich ganz natürlich, wie von selbst mit der Arbeit der Gegenwart. Der pervertierte Antifaschismus, wie ich ihn bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr in Ostdeutschland direkt erlebt habe, führt durch die heutige Beschäftigung mit dem Zwangsarbeitergedenken zu einer deutlicheren Abgrenzung mit ihm. Aus der hohlen Formel entwickelt sich etwas grundsätzlich anderes. Gleichzeitig ist dies ein Kommentar zu Verbrüderung der Rechten im „paneurasischen“ Raum mit seiner Galionsfigur Putin. Somit fügen sich die Themen auf Rolle 6 folgerichtig aneinander. Auf GPS-, Trümmer-, Zeltersequenz folgt die Elektrisierung.

Im rechten, westlichen Rolltorfenster steht eine der ausgegrabenen Drahtglasscheiben. Diese Bruchstücke sind für mich die bezugreichsten Exemplare von der Ackermannwiese. Sie führen direkt zu einem vielschichtigen Zugang in die Umgebung meines Ateliers in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

In der Folge der Zeichnungen spielte ich zur Entspannung am Abend noch etwas Gitarre, ging im Europaviertel spazieren, sah die Flugzeuge wie an einer Perlenschnur einschweben und verglich den westlichen Boulevard mit der Stalinallee in Berlin. So schließt sich der Kreis des Tages, als würde er sich auf das Leben hochrechnen lassen.