Selbstportraits haben mitunter eine beruhigende Wirkung. Vor mir auf dem Tisch liegt eines, das ich gestern auf Transparentpapier gezeichnet habe. Zunächst legte ich einen Jutefaden, den ich aus einem Gewebe herausgelöst hatte, unter und frottierte das sich bewegende Fadenstück über die Mitte des Blattes hinweg. Das Raster eines Portraitausschnittes von 1960 habe ich dann über die ganze Fläche gezeichnet und mit einer weiteren Frottagenstruktur gefüllt. Dafür benutzte ich die CNC-Gravur einer Zeichnung in eine mehrfach verleimte Holzplatte. Die Vorlage selbst entstand 1999 in New York City. Strahlende Linien kommen von Licht-, Lärm, und Wärmequellen, während eine laufende Figur von rechts mit einer rätselhaften, wie von außen heranschwebenden Hand, den Raum betritt. Am rechten Ende des gestern entstandenen Blattes, strebt ein Fries von übereinander gezeichneten Antilopenumrissen aus Twyfelfontein die Bildkante hinauf. Als die danach aufgerollte Schelllackschicht getrocknet war, belegte ich von hinten, mit Aussparung der frottierten Gravurlinien und nur innerhalb des Rasters, die so übrig gebliebenen Felder mit schwarzer Tusche. Je nach Dicke der Lackschicht, treten die Graphitstrukturen mal stärker, mal weniger stark hervor. Dieses Selbstportrait beinhaltet nun einige Lebensschichten, die ich auf meine Weise reflektierte. Das beruhigt, wie etwas, was man erzählend los wird.
In dem Text, der im damaligen Tagebuch unter dieser Zeichnung steht, tut sich eine Polarisierung zwischen dem Times Square und den Hügeln von Khorixas in Namibia auf. Gleichzeitig beschwor ich die Flexibilität der eigenen Langsamkeit gegen das Tempo der Stadt. Das Thema behält seine Aktualität.
Gerade schrieb ich in mein Smartphone: Alles hell, ruhig und sanft.