Insel | Scherbengricht II | Ausschmelzverfahren

Die Scherbe mit der Nummer 123 des ersten Scherbengerichtes, besitzt die Form eines Messers mit einem kurzen Griff. Umgeben ist dieser Umriss von den Gezeitenlinien unter einem ovalen Tuscheschlick. Die Binnenzeichnungen sind auf ein Drittel auf der linken Seite der Klinge beschränkt. Es gibt da Diagonallinien, die sich dreimal wiederholen, wie ein Walzermotiv mit Variationen. Die Vielen anderen Linien kreuzen sich häufig miteinander und mit den Diagonalen. Es handelt sich um ein Wegesystem auf einer kleinen Insel, das nur zu Fuß begangen wird. Am südlichen Strand, auf der windabgewandten Seite, werden die Boote an Land gezogen. Dann gibt es noch eine kleine Bucht, die südöstlich ausgerichtet ist. Die ist felsig und kein Weg führt dorthin. Auf der winzigen, aber bewohnten Insel, gibt es nur eine Tanzschule, die von den Bewohnern der Nachbareilande besucht wird. Alles andere, was man für das Leben benötigt, lernt man auf dem Meer.

So ließe sich für jede Scherbe ein Szenario entwickeln. Sicher würden sie sich ähneln. Manche aber sind ganz unbewohnt, weil viel zu klein. Das sind die Stationen der Seevögel, die sie mit ihren Nestern und ihrem Kot bedecken.

Gestern widmete ich mich dem Scherbengericht II. Es besteht aus über 150 Splittern, die ich in einen Dreierreihe geordnet, mit regelmäßigen Abständen auf Rolle 6 gezeichnet habe. Als nächstes beginne ich mit der Überlagerungssequenz die Umrisse zu füllen.

Mit meinen Schülern würde ich heute gerne die abstrakten, spontan und zufällig entstandenen Wachsfiguren, biografischen Stationen zuordnen. Mit dem Wachsausschmelzverfahren kann man dann negative Volumina davon herstellen.