Kontrast Nolde

Unterm Dach des „Goldenen Adlers“ sind viele Frottagen entstanden, die das Holz der Balken, der Bodendielen und die Kammmuster der Lehmschichten zwischen dem Fachwerk an den Wänden abbilden. Weil die Sonne schnell höher stieg und den Raum aufheizte, wurde das Schraffieren während des Festhaltens des Papiers etwas mühselig.

Der Tag kam durch die Fahrten, um einen Schlüssel fürs Haus zu holen und wieder zurück zu bringen etwas aus seinem Rhythmus. Am Nachmittag hatten wir uns auch noch die Noldeausstellung im „Städel“ vorgenommen.

Das war ein seltsamer Kontrast zu dem gefilterten Licht, den Schlammfarben und dem Staub unter den achthundert Jahre alten Dachbalken. Nach so vielen Jahren, als wir in Seebüll waren, blieb der Nolde für mich etwas enttäuschend. Zunächst fiel mir das Umschalten von meinen archaischen, sich dem Zufall hingebenden, in feine Strukturen eintauchenden Blättern auf das Farbberserkertum etwas schwer. Hinter den müden Augen wurde so etwas wie Widerwillen geweckt. Die allzu großen Reize zwischen Gelb und Violett, leuchtendem Grün und kalt loderndem Rot störten mich in meiner Arbeitsphase. Dazu verliehen die grotesken Figuren den gewagten Farbströmen eine gewisse Harmlosigkeit: „…ist alles nicht so schlimm, ist nur ein Märchen“. In dieser Weise rückte auch die Gruppe „Das Leben Christi“ von mir ab, allzu gekonnt, wenig Zweifel und wenig existenziell.

Deswegen war ich froh, am Abend wieder in meinem Atelier zu sein, die Frottagen vom Vormittag sichten zu können, um dann die Arbeit mit ihnen zu beginnen.