Schwere Fahrzeuge queren unter der Dämmerung, die ihren Höhepunkt, die Waage zwischen Finsternis und Mittag erreicht hat, das Format meines Fensters. Meine schreibenden Finger spiegeln sich hell beleuchtet. Dort mischen sich die Handschrift und das zu Beschreibende zur Gemeinsamkeit von Spiegelung und Durchblick. Der Fluss der Schrift bewegt sich entgegen der Fahrtrichtung auf der gegenüberliegenden Spur.
Noch keine Krähen im Moment. Sehr bald werden sie aber von weit oben hereinschweben, aufgestiegen von irgendeinem Hotspot ihrer Fressstadtkartierung. Da sind sie schon, die ersten zwei hoch im Geäst über dem Pavillon. Die erste dreht beim Herabschwingen nach Norden ab, als folgte sie dem Dieselknarrenden Stadtbus, der von der Ersatzhaltestelle vor meinem Schreibtisch zur Galluswarte weiter fährt.
Das langsam zunehmende Licht holt mich in die andere Welt. – Im Atelier konnte ich gestern beginnen, die Dreiecksreliefgröße auszuprobieren. Dafür habe ich den alten Liesegangprojektor aufgestellt, den ich aus dem Müll der Günes gezogen hatte und legte die Zeichnung vom Sonntag darunter, deren Reflektionsbild von der starken Projektionslampe nun beliebig stufenlos vergrößerbar benutzt werden konnte. Im zweiten Versuch zeichnete ich ein Dreieck mit einer Kantenlänge von sechzig Zentimetern und richtete die Projektion so ein, dass sie die Fläche möglichst genau ausfüllte. Als ich dann das Deckenlicht löschte, brach die Dunkelheit von draußen herein und tauchte den Raum in eine auf einen Punkt konzentrierte Stimmung. All die Versuche, das Motiv zu entwickeln, bündelten sich nun in diesem Lichtkegel. Die erste Variante mit einer Kantenlänge von fünfundvierzig Zentimetern, zeichnete ich mit Bleistift auf eine glatte weiße Plastikfläche, was einen feinen verletzlichen, perlend metallischen Strich hinterließ. Die zweite größere Variante probierte ich auf Zeichenpapier von der Rolle. Sie ist an einigen Stellen nachzuarbeiten, weil insbesondere die Anschlüsse genau stimmen müssen. Wenn ich beim Zeichnen die Orientierung in der Weise verloren habe, dass ich nicht mehr weiß, an welcher Stelle ich mich bei den beteiligten Figuren befinde, werden die Formen etwas freier und besser proportioniert. So bekommen sie das Eigenleben, das für das Auffinden von neuen Figuren notwendig ist. Die Größen dieser Flächen sind so, dass man sie gut einzeln modellieren kann. Dieses Relief wird feiner und vielfältiger als Kraftfeld 2010. Am Abend hatte ich das Gefühl nun einen wichtigen und sichtbaren Schritt vorangekommen zu sein.