Surf Adorno

Im Atelier, d.h. in der Sonne davor schnitt ich trockene Pflanzenteile auf die Materiallänge der Schattenboxen von 39 Zentimetern. Währenddessen versammelten sich türkische Frauen zum gemeinsamen Kochen in der Probebühne der anatolischen Freunde. Das ist mit viel Sprachlärm verbunden, der zu nicht unbedeutendem Teil von den Telefonaten ausgeht, die überall allenthalben unüberhörbar geführt werden müssen.

Im Bockenheimer Depot sahen wir am Abend „Je t`Adorno“ von René Pollesch. Man kann sehen, wie er in Würde altert, während seine Stücke um vieles jünger erscheinen. Es spielt da eine Straßenbahn mit, die „Desire“ heißt. Sie ist liebevoll, aus unbehandeltem Holz, einem Modell vom Anfang des vorigen Jahrhunderts nachempfunden. Mit ihr fahren die Darsteller durch eine sehr hoch aufgeschichtete Mauer aus großen weißen Kartons, deren Ruine danach immer noch genügend Projektionsfläche für ein reichhaltiges Videoprogramm hergibt. Was befindet sich nun in dieser Straßenbahn mit ihrer Aufschrift? Sind in den Dosen, auf denen „Erbsen“ steht, Erbsen drin? Was ist in mir, in meinem Inneren, wonach ich dauernd suchen soll? Ist nicht eigentlich alles außerhalb von mir? In dieser Weise mäandert der Text vergnüglich vor uns hin, gibt genug Anlässe um zu versuchen mitzudenken, bis man von den Worten ziemlich besoffen ist. Die assoziativen Texte bilden oft das Denken ab, reproduzieren seine Prozesse.

Noch während der Premierenfeier machte ich mich auf in den „Dreikönigskeller“, wo Gerd mit einer Surfband in die Nacht führte. Diese war sehr freundlich und irgendetwas hatten Stück und Konzert gemeinsam. Es war das unangestrengt Selbstverständliche, mit der witzigen Attitüde, die sich nur jene leisten können, in denen das drin steckt, was drauf steht. Es ist Reife. Ich wurde in den Teil meines elften Lebensjahres zurückgeworfen, auf dem „Paradies“ stand.