Zeitraumspannung

Verschiedene Figurenumrisse, unterschiedlicher Größen, 10 und 13 Jahre alt, finden nun ihren Platz auf dem neuen Relief. Der Größenunterschied schafft einen perspektivischen Raum, die Herstellungsdaten der Zeichnungen eröffnen einen zeitlichen und stilistischen Abstand. Der Strich auf den älteren Transparentpapierrollen ist sicherer und gleichzeitig naiver. Auf den ersten Blick erweckt das mehr Vertrauen. Durch den Transport in die Gegenwart bildet sich durch die Spannung, eine neue Dimension. Von der soll auf dem Relief etwas zu spüren sein.

Wolkenformationen, die wie Stimmungsschwankungen aufziehen, vernebeln die tief stehende Sonne, schlucken das Licht. Daraus entsteht das Morgen-Grauen. Davor sehen die Buchmalereien, mit ihren einschnürenden Schwüngen, leuchtender aus, als sie es wirklich sind. Sie gaukeln mir vor, dass ich mit ihrer Kraft den Tag bestreiten soll.

Mir geht die Möglichkeit durch den Kopf, Assemblagen aus dem Material herzustellen, das bei der Suche nach Möglichkeiten der Reliefbemalung anfällt. Transparentfiguren, Pappmachesplitter, Zeichnungen auf Schellack. Das zusammen, räumlich gestaffelt und komponiert, kann zu etwas anderem werden, als ich es bisher zusammenstellte.

Versuchsaufbau

Manchmal zeichne ich, während ich schreibe, mit dem Füller noch ein wenig in den gerade entstandenen Malereien herum. Meist geht es um Akzente zur Orientierung. Ein paar Punkte an den Ecken oder aneinandergereiht, ergeben Richtungen, ähnlich wie bei den GPS-Wanderungen.

Derzeit fühle ich mich in meiner Arbeit sehr wohl. Sie ist innerhalb der vielen Unplanbarkeiten, durch die Pandemie, mein Stabilisator. Vor allem die Entdeckungen auf Transparentpapier, die durch die Verdichtungen, die mit Feder und Tusche beim Durchzeichnen entstehen, die neuen Figuren, die in diesen Gesträuchen sichtbar werden, sind oft erst im Rückblick besonders. Wenn das alles mit den Buchmalereien in den Collagen zusammenkommt, dann erscheint mir das, wie eine chemische Reaktion, bei der Energie entsteht. Diesen Versuchsaufbau sollt ich erweitern und auch auf die Reliefbemalung anwenden.

Ich frage mich manchmal, wie lange die Arbeit an den Reliefs noch anhalten wird. In meiner Natur liegt es, an einer solchen selbst gestellten Aufgabe, ohne Unterbrechung kontinuierlich dranzubleiben, bis sie erfüllt ist. Da sind Aktionen, wie ein neues Handprintkonzept oder die Kooperation mit Franz, scheinbar hinderlich. Dabei sollte ich aber die Anregungen, die aus solchen Ablenkungen erwachsen, nicht unterschätzen.

Relief | Wanderungslinien | Collagen

Ich kam gestern doch noch zur Weiterarbeit am Relief, denn zwei Drittel der Schellackschicht habe ich aufgetragen. Die ersten zwei Figuren, die ich dann dort ansiedeln will, habe ich im Auge und bereitete sie schon eine Weile auf der Transparentpapierrolle vor.

Auf Rolle 8 ging ich bei der Verdichtung der Gustavsburgplatz-Wanderungslinien weiter. Das heißt, dass ich mehrfach die, auf der Rolle vorausgegangenen, Gesträuche in dem Umriss zeichnete. Die Überlagerung dieser Figuren untereinander, folgt erst noch. Etwas von dem jetzigen Zustand, findet sich in den Collagen von heute.

Und dann schichtete ich noch Zeichnungen auf Transparentpapierbögen auf die Pappe, auf der Franz zuvor eine collagierte Zeichnung hergestellt hatte. Meine Figuren sind ziemlich detailliert und fein gezeichnet. Ich bin gespannt, wie er nun damit umgeht.

Weiterweiterweiter

Insbesondere auf der Transparentpapierrolle findet sich das übliche Weiterweiterweiter. Sie sitzt sich im Zentrum der Zeichenforschung. Im Umriss einer Buchmalerei vom 12.11. dieses Jahres, verdichtete ich die Wanderungslinien, die Stahlkonstruktion und die zehn Jahre alten Figuren aus einer Buchmalerei, zu einem eng verflochtenen Gesträuch. Mittlerweile gibt es eine weitere Gustavsburgplatz-Wanderung vom vergangenen Donnerstag, mit der ich auf Rolle 8 weiterarbeiten kann. Noch wenige Meter, dann ist sie voll.

Die Buchmalereien stehen derzeit im großen Kontrast zu den Tuschezeichnungen auf dem Transparentpapier. In den Büchern finde ich eine zurückhaltende Zartheit. Und diese steht wieder im Kontrast zur Atmosphäre in der Stadt. Es ist, als wollte ich das Gleichgewicht herstellen: Empfindliches gegen die Verrohung.

Am Morgen saß eine winzige Maus in der Käfigfalle, die ich vor ein paar Tage zwischen den Pflanztöpfen aufgestellt habe. Bevor ich das Tierchen nach draußen an den Bahndamm brachte, betrachtete ich es eine Weile und machte ein Foto von ihm. Ich möchte mein Atelier für mich alleine haben. Die Eidechsen auf dem Gesims über dem Rolltor zählen nicht!

Stahlkonstruktionen | Buchmalereien | Wanderungslinien

Die Verflechtungen unterschiedlicher Strukturen ergeben, durch ihr Aufeinandertreffen, Möglichkeiten, neue Geschichten zu erfinden, die auf den so entstandenen Formen basieren. Auf Rolle 8 vertiefte ich mich gestern in die sich durchdringenden Linien der unterschiedlichen Situationen. Ich spüre dabei, wie Stahlkonstruktionen auf Wanderungslinien treffen, wie Figuren aus den Buchmalereien der verschiedenen Zeiten und Stile in gemeinsame Szenen geraten.

Mit den alten Buchmalereien setze ich mich immer intensiver auseinander. Mich reizen dabei die damals gefundenen Figuren besonders. Sie erzählen noch vom Theater, vielleicht sogar von bestimmten Darstellern, mit denen ich früher gearbeitet habe. Beim wiederholten Durchzeichnen auf Transparentpapier ändern sich die Formen langsam. Manche Ausstülpungen werden größer oder Einbuchtungen verkleinern sich, Linien werden begradigt, Bögen bekommen mehr Schwung. Aus der Ferne sehen sich diese Wiederholungen sehr ähnlich. Aus der Nähe sind sie verschieden.

Die drei Koordinaten, über die ich gestern schrieb, haben ja eigene Räume. Diese möchte ich auf Rolle 8 entwickeln. Zunächst werden Pasolini-Gedichte zusammengerollt und ihre Worte neu verbunden. Dann trifft die Stahlhülse der britischen Bombe auf die Schwemmsandschichten. Gestern machten wir eine neue Gustavsburgplatz-Wanderung, die wieder mit Tusche mehrfach überlagert und verdichtet werden kann.

Trios

Aus dem März 2010 übertrug ich die Umrisse von zwei Figuren einer Buchmalerei, die auch in den Collagen präsent sind, auf Rolle 8. Dort möchte ich sie mit den Strukturen füllen, mit denen ich in den letzten Tagen gearbeitet habe. Dabei geht es um den Flakturm in Wien mit einer Figur und der Stahlkonstruktion des Palastes der Republik, um die Wanderungslinien von Gustavsburgplatz und die Umrisszeichnung einer Buchmalerei des letzten Monats (11_12_2020_003), die ich schon mit Schichten der anderen Motive anfüllte.

„Clouds After Cranach“, eine Arbeit der Forsythecompany, kam mir beim Nachdenken über die drei Koordinaten, die ich gestern beschrieb, in den Sinn. Ich stelle mir eine Installation vor, die, basierend auf der Kartierung der Orte, verschiedene „Rizome-Räume“ mit gespannten Schnüren verbindet. In der Pizzeria „La Strada“ befindet sich der Pasolini-Text-Raum. Die Stelle, an der der Blindgänger entschärft worden ist, umfasst die Schwemmsandschichten und die Rüstungsproduktion der Bombe und die der Alfred Teves GmbH. Gustavsburgplatz ist der dritte Raum, der mit der Wanderungskartierung, den Fundstücken und den Frottagen davon angefüllt ist.

Das nächste Relief, das sich innerhalb des großen Doppelportraits direkt unter dem vorigen befindet, ist ausgeformt und trocknet nun. Mir ist noch nicht klar, wie ich es bemalen will. So folge ich der Intuition.

Rhizome

Die drei Koordinaten, über die ich gestern während des Videotreffens sprach, habe ich mir am Morgen als Teil der Rolle 8 vorgestellt. Demnach weisen die Punkte auf der Kartierung nicht nur Felder mit mehreren Schichten auf, sondern sind Räume mit verflochtenen Rhizomen. Die zusammengerollten Prospekte in den Regalen der Pizzeria „La Strada“, aus meinem Traum, sind mit Gedichten von Pasolini beschrieben. In diesem Zustand begegnen sich die Worte neu. Auf Transparentpapier lässt sich gut probieren, wie das aussehen kann.

Die geologischen Schichten, die der Blindgänger, wegen dem am Sonntag 13000 Menschen evakuiert wurden, durchdrungen hat, verwirbeln an den Rändern des Einschlagskraters. Wo wurde das Metall geformt, montiert und angefüllt? Welche Situationen begegneten sich und führten zu der Konstellation, die der Kampfmittelräumdienst dann entschärfte?

Zum dritten Punkt, dem Gustavsburgplatz, entstehen gerade Wanderungslinien, Materialsammlungen und Frottagen mit dem Schülerinnen und Schülern. Gern würde ich mit ihnen eine große Karte auf Transparentpapier zeichnen und sie mit dem Material anreichern, das wir erarbeitet haben. Morgen gehen wir erst einmal neue Linien.

Produktion ist die Party

Aus der Einbeziehung von Koordinaten aus der Atelierumgebung habe ich innerhalb eines Videotreffens versucht, die Künstlerkollegen etwas aus der Reserve zu locken. Zunächst ging es um einen Traum, in dessen räumlichem Zentrum die Pizzeria La Strada, 300 m östlich liegt. In seiner aufsteigenden Panik wurde mir klar, dass ich den Traum durch das Aufwachen beenden musste. Dann kam ich zur nächsten Koordinate, der des Bombenfundes 50 m südwestlich. Ich stellte mir die Splitterwirkung bei misslungener Entschärfung auf mein Atelier vor. 140 Tagebücher mit 30.000 Buchmalereien usw. fragmentiert. Das Väterportrait erneut zersplittert. Und die dritte Koordinate 200 m nordöstlich, der Gustavsburgplatz mit den Wanderungslinien, die ich alleine und mit den Schülerinnen und Schülern dort schrieb. Zu der kraftvollen Linienstruktur gehören die Transparentpapierblätter mit den Frottagen der Fundstücke und den Linien der Wanderungen.

All diese Schichten stapeln sich nach und nach hier im Atelier, werden gegenwärtig und ineinander verwoben sichtbar. An diesen Prozessen möchte ich manchmal gemeinsam mit dem Künstlerteam teilhaben.

Das Motto wäre:

Prioritär ist die Produktion und nicht die Party!

Oder: Die Produktion ist die Party.

Geschiebe

Etwa 50 m entfernt von meinem Atelier, sind die Bagger auf eine 5000 Kilogramm schwere englische Fliegerbombe gestoßen, die noch scharf war. Unsere Wohnung in der Frankenallee befindet sich knapp außerhalb des Evakuierungsareals, das für die Entschärfung ausgewiesen wurde. Schicht um Schicht wurde seit Monaten ausgehoben. Im Geschiebe der Geschichte hat sich der Sprengkörper bis in den Schwemmsand gebohrt. Ein Blindgänger blitzt als eingelagertes Ereignis im Generationengedächtnis auf.

Von Rolle 8 zeichnete ich Figuren auf einen Extrastreifen Transparentpapier, den ich für die bemalte Pappe von Franz benutzen möchte. Die Sichtung von Material, das in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, führt zu einer inneren Dynamisierung. Das Zeichnen ist dann wie eine Meditation, die wieder beruhigt.

Beruhigt wurde gestern auch die Buchmalerei, die ich wegen der Bombenentschärfung zu Hause anfertigte. Auch hier greift eine autobiografische Orientierung, denn ich übertrage nach wie vor Farblinien per Handballenabdruck, die vor zehn Jahren entstanden sind, als Ausgangsrhythmen für die jetzt entstehenden Bilder. Ich las dabei, wie das Mantelmotiv des „Frankfurter Kraftfeldes“ durch einen Berlintraum entstanden ist, in dem Popstars in großen, wehenden, farbigen Mänteln am Himmel kreisten. Dazu die antithetischen Tierfiguren des Teppichs von Bayeux. Das ist die Energie für meine Weiterarbeit.

Symmetrie | 20 Jahre tägliche Scans

Meine Schülerinnen machen mir Spaß. Die muslimischen Mädchen kommen, nach kurzer Aufwärmzeit, sofort zum Ornament. Da kann man ihnen krass sperriges Material zur Frottage anbieten, sie entdecken zunächst seine Eignung für die Symmetrie. Ich lasse sie entwickeln, was ihnen damit einfällt und bin gespannt, ob sie irgendwann zum Gegenständlichen kommen. Der Versuch ihnen zu erklären, dass jedes Blatt seine Geschichte hat, mündete in die Addition der Gustavsburgplatz – Wanderungslinie zu den schönen Tusche-Schellackverläufen und in das Hinzufügen von Namen und Datum.

Gestern suchte ich nach geeigneten Abbildungen, die das Fundament illustrieren können, auf dem ich den neuen Handprint aufbauen will. Ich stieß dabei auf die Collagen von 2015 bis 2019. In ihnen wird deutlich, wie die Schichtungen funktionieren. Die Zöglingsportraits mit den Wanderungsspuren fügen sich hier in die tägliche Arbeit ein. Handprint Frankfurt und Frankfurter Kraftfeld sind weitere Projekte, die als Voraussetzung für die neue Arbeit funktionieren.

Heute setzte ich einen Handballenabdruck von 01_19_2010_001 in die aktuelle Buchmalerei. Innerhalb von einer Collage tritt diese Abbildung auf. Ich merke nun, wie wichtig die Scans sind, die ich seit 20 Jahren täglich von meinen 3 Malereien mache. Damit lässt sich jetzt gut arbeiten.

Wanderungslinienverdichtung gestern auf Rolle 8, und heute begann ich mit einem Handballenabdruck von 01_22_2010_001 nach 12_03_2020_002. Das führte zu kreisendem Gewölk in den Buchmalereien. Im Text des 10 Jahre alten Tagebuchs geht es um bestimmte Sequenzen auf Rolle 4. Ein Teil davon scannte ich gerade ein, um ihn in die heutigen Collagen einzufügen. Das war damals die Zeit der ersten Indienreisen und des Projektes „Frankfurter Kraftfeld“. Schon dort ging es um die Kontinuität zwischen der Transparentpapierrolle, den Buchmalereien und den aktuellen Projekten.

Am Nachmittag arbeitete ich an der Konzeption des neuen Handprints. Dort werde ich viele Schichten übereinander stapeln, wie ich es gestern schon erwähnte. Das alles aufzuschreiben und zu ordnen, erweitert das Ganze zunächst. Ich hoffe, dass es sich irgendwann wieder reduziert, dann aber dichter wird.

Gleich kommen meine Schüler. Ich werde mit ihren Frottagen und Tusche-Schellack-Läufen anfertigen. Dafür kommen unsere Fundstücke der Wanderung zur Anwendung. Die Wanderungslinien vom Gustavsburgplatz am 26.11. 2020 kommen hinzu.

Verdichtung von Wanderungslinien

Eine Vergrößerung der Aufzeichnung der 3. Wanderung auf dem Gustavsburgplatz, begann ich auf Rolle 8 zu verdichten. Beim Hin- und Herrollen entstanden etwa 7 Überlagerungsschichten. Den Schülern möchte ich damit zeigen, wie ernst ich diese kraftvollen Linien, die sie gewandert sind, nehme, und was man alles mit ihnen machen kann. Weitere Schichten kommen noch hinzu.

Am Morgen dachte ich daran, die Collagen, die die autobiografischen Motive beinhalten, mit in die Konzeption den neuen Handprints zu nehmen. Dieses Material, Selbstportraits als Sechsjähriger, Zöglingsportraits aus Gerode, Elblandschaften bis hin zum Palast der Republik, ist in großer Zahl vorhanden, schon verdichtet, und ich muss es nur erneut aufrufen und anders mit den neuen Fundstücken, die bei einer neuen Stadtwanderung dazukommen, zusammenstellen.

Die heutigen Buchmalereien gehen auf eine Malerei zurück, die ich 2010 in Khajuraho, in Indien, gemacht habe. Es entstehen daraus nun fremde Figuren, die ziemlich zurückhaltend sind, aber viel Zeit brauchen.

Geschichtet

Von der ersten Buchmalerei des 16.2. 2010 übertrug ich mit dem feuchten Handballen ihre Struktur auf 12_01_2020_002 von heute. Ohne Festlegungen, eher vage, ging ich langsam in die jetzigen Miniaturen. Die alte Malerei, von der ich ausging, entstand in Varanasi. Damals glaubte ich die religiösen Schichten zu spüren, die dort am Ufer des Ganges seit 2000 Jahren, durch die täglichen Rituale festgetreten wurden.

Auf Rolle 8 führte ich die Schichtungen der Wanderungslinien und der Umrisse der Buchmalereien weiter. Das ist, bis zu einem bestimmten Punkt, eine beruhigende Arbeit. Irgendwann schlägt das aber um. Möglichst davor sollte ich ein Ende finden, was mir nicht immer gelingt.

Dann begann ich eine Pappe mit einer Tuschzeichnung von Franz zu bearbeiten. Es fällt mir oft nicht leicht, mich von meinen eigenen Vorhaben zu lösen, um diese „Kolaborei“ weiter zu führen. Manches gelingt auch erst nach einer Weile. Es wäre gut, das Material, das ich für den neuen Handprint vorbereite, in diese Arbeit mit einzubeziehen. Ich habe das Ganze, so glaube ich, unterschätzt.

Gustavsburgplatz | Kolaborei

Die Gustavsburgplatz-Wanderung, die ich mit den Schülern machte, zeichnete ich mit Feder und Tusche auf Rolle 8. Unterschiedliche Vergrößerungen verschränkte ich mit Umrisszeichnungen aus den aktuellen Buchmalereien. Die gewanderten Linien sind schwungvoll, kräftig und expressiv. Nun können wir Frottagen von den Fundstücken machen und sie mit der Wanderungsstruktur collagieren.

Ich denke über autobiografisches Material nach, das ich mit einer größeren Handprintwanderung verbinden möchte. Mir sind die Portraits der Zöglinge in Gerode wichtig. Das Zusammenspiel des barocken Klosters mit dem stalinistischen Erziehungswesen führt direkt zu meiner Arbeit „Der Rock`n Roll höhlt einen Jungpionier aus“, die ich im Jahr 1995 für Keith Richards gemacht habe. Auch sie und die Tanzzeichnungen, die ganze Bühnenarbeit, die ich machte, sollen mit einfließen.

Die „Kolaborei“ mit Franz ist weiterhin fruchtbar. Er hat nun ein größeres Reliefteil bemalt, an dem ich weiterarbeiten möchte. Ich brachte ihm die Figurenreihung mit Synaptischer Kartierung auf Transparentpapier über seinem Elchgeweih zurück. Langsam entsteht eine Reihe von spannenden Arbeiten.

Bis in die finstere Nacht

Die Schüler gingen wilde Schleifen über den Gustavsburgplatz. Auf einen fest installierten Schachtisch legten wir unsere Fundstücke. Mehrmals ordneten wir sie neu und fotografierten es jeweils. Im Atelier zeigte ich ihnen, was man mit den flachen Gegenständen, Transparentpapier, Schellack und Graphit machen kann. Die Zeit mit ihnen, in der normalerweise meine Mittagspause stattfindet, geht schnell vorüber.

Am Morgen begann ich wieder mit einem Handballenabdruck. Diesmal von 02_15_2010_002 nach 11_27_2020_002. Oft ist es das zweite, das Mittlere Format, mit dem ich mich intensiver beschäftige. Dabei lese ich in dem alten Tagebuch und erfuhr, dass ich in Kolkata Videoschnipsel gemacht habe. Die will ich nun suchen und mir anschauen.

Gestern wurde ich mit dem 8. Relief fertig. Bis in die finstere Nacht zeichnete ich Ornamentales in die Splitterumrisse. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Es hat viel Geduld gebraucht! Vielleicht mache ich nun eine kleine Pause und beschäftige mich mit der Franz-Frank-Kooperation.

Neuer Handprint

Das neue Handprintprojekt habe ich nun in der Weise vorgestellt, dass meine Biografie bei der Erarbeitung eines Werkes mit den Wanderungslinien und Fundstücken, eine entscheidende Rolle spielen soll. Somit hat sich das Vorhaben um ein Stück weiter konkretisiert, bei Bewahrung meiner absoluten Autonomie in der Gestaltung. Es sollen nun weitere Kontakte zu anderen Organisationen hergestellt werden, weil das Projekt in einem größeren Rahmen auftreten soll.

Mit Franz verabredete ich mich für den Freitag, um wieder Dinge auszutauschen, an denen wir gemeinsam arbeiten. Das strenge Geschehen der Kontinuität, das ich mir selbst auferlegt habe, wird dadurch etwas unterbrochen. Inspirationen laufen in andere Richtungen.

Nachdem ich das GPS-Gerät wieder so eingestellt habe, dass es Tracks aufnimmt, will ich die Wanderung um den Gustavsburgplatz, die ich mit meinen Schülern gemacht habe, noch einmal unternehmen und sie diesmal aufzeichnen. Dann kann ich ihnen den Ausdruck der Linie, im Vergleich zu einer Wanderung an derselben Stelle, die ich vor einigen Jahren gemacht habe, zeigen. Das Ziel ist die Vorbereitung des neuen Handprints, mit der Erkundung der Collagetechniken mit Transparentpapier, Fundstücken und den GPS-Linien.

Opferstätte

Einen neuen Handprint, also eine mehrmonatige Wanderung durch eine Stadt, in Form meines Handabdrucks, würde ich gerne mit meiner Biografie verbinden. Dann könnten, beispielsweise die Pionierportraits aus Gerode, eine neue Heimat finden. In dieser Weise würde ich Erinnerungsfragmente mit der Stadtkartierung verbinden. Der persönlichste Zugriff, der mir derzeit einfällt.

Voraussetzung für die heutigen Buchmalereien ist ein Handballenabdruck aus 02_12_2010_001. Ihn setzte ich wieder in die zweite Malerei und übertrug weitere gefundene Linien in die anderen beiden Formate. Ein Jungpionierportrait mit einem Stück Handprint Frankfurt, setzte ich in die heutigen Collagen ein. Außerdem kramte ich die Fundstücksammlung, die ich 2014 mit Frottagen, Schellack und Tuschezeichnungen schichtete, heraus.

Im Zusammenhang mit meinen Aufzeichnungen, die ich in Kolkata gemacht habe, lese ich von erkaltetem Teer und geronnenem Blut an der Opferstätte des Kali Tempels. Ich denke an das Stahlgebälk des, im Rückbau befindlichen Palastes der Republik, mit dessen Umrisszeichnung ich eine Flakturmsilhouette aus Wien anfüllte.

Kompaktere Form

In den Eintragungen des Tagebuches von 2010 lese ich von Reiseeindrücken in Kolkata und in den Sunderbans. In dieser Mangrovenlandschaft sind Malereien entstanden, von denen ich eine als Ausgangspunkt für meine heutigen Malereien nahm. Das ist übertragen und gezeichnet, wie ich meine, dass Erinnerungen funktionieren. Und die Bezeichnungen dieser Malereien beziehen sich auf die Daten ihres Entstehens. Der Zeitraum, der dazwischen liegt, ist ein Entwicklungs- und Experimentalraum. Am deutlichsten wird das in der dritten Collage von heute, in die ich den Scan der zehn Jahre alten Malerei mit verwendet habe.

Ein Spaziergang am Waldrand zwischen Schlossborn und Glashütten, eröffnete durch die herabgefallenen Blätter mehr Transparenz. Die Wiesenlandschaften, Kuhweiden und Pferdekoppels wurden sichtbar. Ein verwunschener Garten mit einer kleinen, geschwungenen Brücke über einen Bach, lüftete ein Stück seines Geheimnisses.

Dabei denke ich noch einmal an die Vorgänge, die während der Malerei ablaufen. Ich zog die vagen Linien des Handballenabdrucks nach, verwischte sie dann wieder, um sie erneut konkreter und kräftiger nachzuzeichnen. Die zarten Linien werden verstärkt. So festigt sich eine Form, wird kompakter.

Kolkata | Gewimmel | Schüler

Aus der Malerei, mit der Signatur 02_09_2010_003, übertrug ich, wie ich das auch in den letzten Tagen machte, einen Handballenabdruck in das aktuelle Tagebuch. Eine Bootsform und ein paar Linienstrukturen haben sich mit den Figuren, die aus den Gravitationsschwüngen entstanden sind, verbunden. Die Erinnerung führt in die Tage zurück, während derer diese Tagebucheintragungen entstanden sind. Auf der großen Eisenbrücke von Kalkutta, die nicht fotografiert werden durfte, schleppten Heerscharen von Trägern, Waren vom Bahnhof in die Stadt. Ein Stück entfernt von dort befand sich das Hauptquartier der Mutter-Theresa-Stiftung, kurz vor den Eingang zum großen Kalitempel.

Gestern widmete ich mich den Scherben und Splitter des 8. Reliefs des 2. großen Doppelportraits. Auf den Boden legte ich die Reihe von 4 Reliefs zusammen und stellte fest, dass die Tuschmalerei von Format zu Format wesentlich dichter geworden ist. Die Anzahl der Figuren beispielsweise, hat sich vervierfacht. Aus der Enge dieses Gewimmels möchte ich mich im nächsten Schritt befreien. Dabei helfen mir die aktuellen Buchmalereien. Wenn es gelingt, sie mit ihren Umrisszeichnungen durch die Reduktion zu noch einmal zu verdichten, dann kann es gelingen.

Mit meinen Schülern ging ich gestern, mit dem GPS-Gerät, einmal um den Gustavsburgplatz. Ich konnte ihnen nicht erklären, wofür das gut sein sollte, denn sie können kein Deutsch und es besteht die Verabredung, dass wir uns nur in dieser Sprache verständigen. Sie werden langsam lernen, wie die Sprache und die GPS-Linien funktionieren.

Kali | Reliefs | Gustavsburgplatz

Aus der Malerei, mit der Signatur 02_09_2010_003, übertrug ich, wie ich das auch in den letzten Tagen machte, einen Handballenabdruck in das aktuelle Tagebuch. Eine Bootsform und ein paar Linienstrukturen haben sich mit den Figuren, die aus den Gravitationsschwüngen entstanden sind, verbunden. Die Erinnerung führt in die Tage zurück, während derer diese Tagebucheintragungen entstanden sind. Auf der großen Eisenbrücke von Kalkutta, die nicht fotografiert werden durfte, schleppten Heerscharen von Trägern, Waren vom Bahnhof in die Stadt. Ein Stück entfernt von dort befand sich das Hauptquartier der Mutter-Theresa-Stiftung, kurz vor den Eingang zum großen Kalitempel.

Gestern widmete ich mich den Scherben und Splittern des 8. Reliefs des 2. großen Doppelportraits. Auf den Boden legte ich die Reihe von 4 Reliefs zusammen und stellte fest, dass die Tuschmalerei von Format zu Format wesentlich dichter geworden ist. Die Anzahl der Figuren beispielsweise, hat sich vervierfacht. Aus der Enge dieses Gewimmels möchte ich mich im nächsten Schritt befreien. Dabei helfen mir die aktuellen Buchmalereien. Wenn es gelingt, sie mit ihren Umrisszeichnungen durch die Reduktion zu noch einmal zu verdichten, dann kann es gelingen.

Mit meinen Schülern ging ich gestern, mit dem GPS-Gerät, einmal um den Gustavsburgplatz. Ich konnte ihnen nicht erklären, wofür das gut sein sollte, denn sie können kein Deutsch und es besteht die Verabredung, dass wir uns nur in dieser Sprache verständigen. Sie werden langsam lernen, wie die Sprache und die GPS-Linien funktionieren.

Schmerzvermeidung

02_05_2008_003 ist die Kennung der Malerei, von der ich heute Morgen einen Handballenabdruck machte, der Voraussetzung für die folgenden Ergänzungen, Stabilisierungen und Verbindungen war. Sie entstand kurz vor unserer ersten Reise nach Indien, der dann noch viele folgen sollten.

Mich beschäftigt der Vorgang, welche Auswege aus einer Sackgasse möglich sind, ohne umzukehren. Die Beschaffenheit der Gegebenheiten, die das Weitergehen verhindern, müssen ja zunächst untersucht werde. Sind die Mauern, Felsen oder das Hamsterrad einzureißen oder zu übersteigen? Diese Anstrengungen sind der Lohn der Sturheit oder Bequemlichkeit, durch die man sich in eine solche Situation hineinmanövrieren kann. In diesem Zusammenhang interessieren mich besondere Blüten der gendergerechten Sprache. So gibt es eine Verlegerin, die der Meinung ist, dass der Satz: “Das Geht nicht.“, Menschen verletzen kann, die gelähmt sind, also nicht gehen können. Der Kern dieser Einschätzung kann Mitgefühl sein, und er führt zu einer angepassten Sprache, die sehr viel mehr Änderungen verlangt. Wie das klingt, kann Kunstanstrengungen ähneln. Welche Auswirkungen diese Schmerzvermeidung hätte, falls es zu einem Konsens größerer Gruppen führte, wäre eine spannende Spekulation.

Aus den Figuren, die ich für das derzeitig zu bemalende Relief in eine Reihe auf Transparentpapier zeichnete, machte ich eine Überlagerungssequenz. Sie soll von einer Synaptischen Kartierung überdeckt, und dann auf eine der Pappen, die Franz bemalte, geschichtet werden.

Figurenhülsen

Ausgangspunkt für die heutigen Buchmalereien ist der Handballenabdruck von 02_05_2008_002. Figurenhülsen, abstraktes Formenspiel, zeichenhaft vorschriftliche Gegenstandssuche. Das Ungeordnete findet einen Ausweg nach draußen auf das Papier. Dann ist es wieder eingeschlossen zwischen den Buchseiten. Aus der anderen Richtung, vom kreisenden Gravitationsgeschehen der gegenwart, treten Umrisse hervor, die denen aus den alten Malereien ähneln. Flusspferde mit Möbelfüßen, Tarnkappenbäume und gut verschnürte Mumien.

Franz kam gestern mit einem begonnenen Bild unter dem Arm zu Besuch in mein Atelier. Wir sprachen über unsere gemeinsame Arbeit, über Zeitschleifen und die Tiefe der angestrebten Bildfindungen. Die Unterbrechung meiner Reliefarbeit durch diese Kooperation, ist immer etwas mutwillig und nicht organisch. Das muss ich anders steuern.

Ich legte die Goldbergvariationen auf, die ich jeden Morgen in Wien gehört habe, um einen Nachklang der damaligen Arbeit hervorzuholen. Gestern zeichnete ich die letzten Figuren auf das aktuelle, das 8. Relief, wenn ich sie von oben zeilenweise herunterzähle. Dann begann ich die Körper mit Tusche auszufüllen, auf die Risse der Splitter achtend.

Übertragungen

Die Buchmalerei mit der Kennzeichnung 11_14_2020_002 vergrößerte ich etwas, um sie dann auszudrucken. Diese Abbildung legte ich unter das Transparentpapier der Rolle 8 und zeichnete die Umrisse der Farbflächen und Linien durch. Die Schönheit der Malerei geht größtenteils verloren. Darum geht es aber in diesem Moment nicht. Interessant sind für mich die Auswirkungen der Zeitschleifen, die durch die Handballenabdrücke und die damit verbundenen Motivtransporte aus der Vergangenheit in die gegenwärtige Arbeit, entstehen.

Die heutigen Kompositionen starteten mit einem Abdruck aus 01_17_2008_003. Dann habe ich es mit der Malerei zu weit getrieben und landete in einer kompositorischen Sackgasse, aus der ich nur heraus kam, indem ich die misslungenen Passagen mit einer dunklen kreisenden Linie, die ich mit dem Handballen vertrieb, zurücknahm. Das rettete das Bild, mit dem ich am Morgen begann.

Die Ausdrucke der Buchmalereien sehen nach der Vergrößerung der Motive, oft etwas verwaschen aus. Mit dem „Brushpen“, den ich am Wochenende wieder entdeckt hatte, schärfte ich ein paar Linien und Umrisse der Malerei, die ich auf Rolle 8 übertragen hatte. So gewann das Blatt, das ich nun in einem der Regale platzierte. Nun kann ich sehen, wie standhaft die Arbeit bleibt oder nicht. Wenn sie meinem Blick irgendwann nicht mehr standhält, dann stimmt etwas nicht.

Unter Beobachtung

Von 12_19_2007_02 übertrug ich Teile mit dem Handballenabdruck in die zweite Buchmalerei von heute, in 11_13_2020_02. Dieser Vorgang hinterlässt Wasserspuren auf dem alten Original, was mich aber kaum stört, weil dieser Arbeitsschritt sichtbar bleiben kann. Ich dachte sogar, dass es möglich sei, Teile der gegenwärtigen Malereien, wiederum per Handballendruck, in die alten einzufügen. Das wäre vielleicht ein Gewinn, weil mir manche Phasen der täglichen Miniaturmalerei etwas suspekt werden.

Erst mal aber geht es um die aktuelle Arbeit. Die Mischung der Figuren die dreizehn Jahre alt sind, mit denen die gerade entstanden sind, mit den Zeichen, die ich heute in den Gravitationsschwüngen gefunden habe, lebt von der zeitlichen und künstlerischen Entfernung. Irgendwann wird das in die Malerei auf den Reliefs fließen. Das aktuelle Relief versah ich heute mit einer Reihe von Figurenumrissen. Sie verteilen sich gleichmäßig, wie eine Schicht über die Fläche. Wenn ich damit fertig bin, kommt es zu den Abdunklungen der Scherben und Splitter der Rasterpunkte. Sie erzeugen die Unregelmäßigkeit, die die Gesamtkomposition dieses Reliefs benötigt.

Daneben habe ich die zweite Zeichnung von Franz unter Beobachtung. Damit ich mit der Pappe, auf der sie sitzt, was anfangen kann, muss ich sie so grundieren, dass die Zeichnung nicht beeinträchtigt wird. Dann erst wird es möglich sein, Transparentpapier zu schichten.

Rotation

Am Morgen nahm ich einen Handballenabdruck von der Buchmalerei 10_24_2007_02 und fügte ihn in das heutige zweite Format ein, stabilisierte die vage Erscheinung mit ein paar festen Linien, die nun in die anderen Formate übertragbar waren. Dann erst begann ich mit den Gravitationsschwüngen, die sonst am Anfang standen.

Durch die Konzentration auf die Zeitschleifen, scheint die Bedeutung der kreisenden Schwünge plötzlich abzunehmen. Die Übertragung der alten Buchmalereistrukturen und Figurenumrisszeichnungen in die Gegenwart der Reliefbemalung, presst die Schichten der Zeit zusammen. Auch die Rotation der Transparentpapierrolle, die die alten Motive verdichtet, hat mit diesen Zeitschleifen zutun.

Die neueren Überlegungen zu GPS-Wanderungsfiguren, fügen sich ebenfalls in diesen Themenkreis ein. Voneinander entfernte Orte kann man durch gemeinsame Bedeutungen miteinander verbinden. Die verschiedenen Ereignisse, die zu unterschiedlichen Zeiten an diesen Plätzen geschahen, werden durch den geografischen Trick der Überlagerung aufeinander bezogen.

Handprint Wien

Verschiedene Themen schichten sich jetzt. Normalerweise nehme ich das gerne zum Anlass für die täglichen Collagen. Aber die Sinnhaftigkeit dieser gesteuerten Vorgänge bedenkend, kommt es immer wieder zu notwendigen Reduktionen innerhalb dieser barocken Arbeitsweise.

Die Handprints Wien und Frankfurt vor Augen, kann ich den Terroranschlag in Wien vor einem paar Tagen, der etwa am Schwedenplatz seinen Anfang nahm, in der Gegend um die Börse in Frankfurt, zwischen den Zeige des Wurzeln- und des Ringfingers. Unternehme ich nun wieder eine Wanderung durch diese Gegend hier, denke ich an meine schnelle Gang vor dreizehn Jahren im Wiener 1. Bezirk. Eine Extrusionsskulptur, die zwischen den Umrissen dieser Areale wüchse, wäre möglich und folgerichtig.

In das Zentrum des Formates der zweiten Buchmalerei von heute, setzte ich einen Handballenabdruck der Buchmalerei mit der Signatur: 10_23_2007_03. Die fleckig-farbige Figuration stabilisierte ich mit ein paar nachgezogenen Linien. Der Lenkungsmechanismus dieser Vorgänge fokussiert mich auf die Denk-Zeit-Schleifen meiner Biografiearbeit. Das beeinflusst die Arbeit an den Transparentpapierrollen und am Väterdoppelportrait.

Erinnerungsvorgang

Die fragmentarischen Elemente aus den alten Buchmalereien, die ich mit dem feuchten Handballen in das gegenwärtige Arbeitstagebuch übertrage, lassen sich, zwischen den neuen Zeichen, mit erfundenen Linien vervollständigen. Das gleicht einem Erinnerungsvorgang. Hinzu kommen die Linien des Handballens, die unabgelenkt in völlig andere Richtungen weisen, als die des Motivelements, das übertragen wurde. Aus diesem Zusammenspiel entstehen neue Kombinationen, denen wieder andere Zeichen innewohnen. Konkretisiere ich diese, dann lassen sie sich mit dem Handballen vervielfältigen und weiterentwickeln.

Gestern zeichnete ich noch eine Figurengruppe in das aktuelle Relief. Die Arbeit geht nur ruckweise voran, weil mein Rechner streikte und repariert werden muss. Ich hoffe, dass sich wieder Kontinuität in der Malerei einstellt.

Ich lese in meinen Aufzeichnungen, die ich 2007 während der Arbeit am „Handprint Wien“ gemacht habe. Im Gegensatz zu der Transparentpapierrolle, die diese Arbeit begleitet hat, sind die Texte weniger ergiebig. Weil ich mit diesem Format gerne weiterarbeiten würde, will ich die Elemente, die die Wanderungen begleiten, in Zukunft sorgfältiger behandeln. Außerdem wäre es zu überlegen, weitere Werkgruppen aus Frottagen vom begangenen Boden, Fundstücken und Bodenfotografien zu entwickeln.

Zeitschleifen

Gestern und heute übertrug ich, mit meinen feuchten Handballen, Teile von dreizehn Jahren alten Buchmalereien in das aktuelle Tagebuch. Das kommt mir vor, wie ein Zeitschleifenritual. Auch die Einbeziehung alter GPS-Linien oder von Figurenumrissen aus Buchmalereien von 2007, kann ich in diesen Vorgang mit einem schließen. Diese Rückgriffe, die Teile wiederholen fragmentarisch die abgelaufene Zeit, verlängern sie in die Gegenwart.

Von dieser Warte aus bekommen die Gravitationsschwünge erweiterte Bedeutungsschichten. Sie zeigt die Rotation in einer stark gebogenen Raumzeit, in der man auf die Vergangenheit trifft. Die Zeichen, die ich in den kreisenden Linien finden, bekommen einen neuen Sinn. In der Stille des Ateliers kann ich jetzt andere Wahrnehmungsebenen finden, die zunächst von den gegenwärtigen Buchmalereien angebildet werden.

Jetzt erst, wo der derzeitige Präsident im Weißen Haus abgewählt worden ist, spüre ich, neben der Erleichterung, wie sehr mich diese Figur jahrelang runter gezogen hat. Durch die Medienpräsenz war ich diesem Anblick zu lange ausgesetzt. Das geht mir, wenn ich mir die Reaktionen auf den Wahlausgang anhöre, nicht alleine so.

Kompatibilitäten

Lange versucht ich gestern meine GPS-Dateien in einem Format zu konvertieren, das von der neuen Software gelesen kann. Ich will jetzt mit diesen Linien, die ich vor einiger Zeit gelaufen bin, weiterarbeiten.

Dann gab es noch Schwierigkeiten bei Kompatibilitäten anderer Art. Die Pappen, auf die Franz gezeichnet hat, saugen den Schellack auf, mit dem ich den Transparentpapierbogen aufkleben will, den ich in den letzten Tagen gestaltet habe. So werde ich den betreffenden Teil weiß grundieren, wars der Sichtbarkeit der Zeichnungen auch zuträglicher ist. Dieses Geholper störte meinen Arbeitsfluss in dieser Woche. Das Zusammenspiel von Speicherformaten oder Materialien, die ich zur analogen Arbeit benötige, hat sich ja in langer Zeit entwickelt und läuft von meist reibungslos.

Zwar geht mir das Theater um die US-Wahlen, dieses Entertainment für schlichte Gemüter, auf die Nerven, aber am Rande bekomme ich Informationen über das Amerika, das sonst nicht im Scheinwerferlicht steht. Diese aber, sind so ernüchternd, dass ich anfange zu verstehen, warum so viele Wähler eine gefährlichen Witzfigur hinterherlaufen.

Zeitschichten

Das Portrait meiner Mutter versah ich mit einer Tusche-Schellack-Schicht, einer „Synaptischen Kartierung“, ähnlich wie auf dem Blatt für die Kooperation mit Franz. Nun kommt noch die Frottage eines Rasterpunktes von der Form hinzu, die ich im letzten Monat abgeformt und bemalt habe. Es handelt sich um die Scherbe mit der Bezeichnung „Scherbengericht II / 118, 1.2. 2017“, die die ihrerseits wiederum aus etwa 70 Splittern besteht. Der Punkt befindet sich im Zentrum des Doppelportraits, etwa dort, wo die Lachfältchen neben dem linken Auge sind.

Einer Tagebuchcollage ähnlich, könnte ich noch die GPS-Linien von 2007, aus dem ersten Wiener Bezirk, hinzufügen. Schaue ich auf die Buchmalereien, die damals entstanden sind, handelt es sich vor um Übergänge von figürlichen und abstrakten Motiven. Eine interessante Phase, gut für eine weitere Schicht.

Das Getöse von der amerikanischen Politbühne, schiebt sich auf alle Screens und in viele Wortmeldungen. Ich versuche, möglichst wenige Informationen in mich eindringen zu lassen, weil das mich von meiner Arbeit zu sehr ablenkt. So bin ich hier in einer sonnigen Ruhe, höre die Abrissmaschinen aus der Ferne und meinen Kühlschrank aus der Nähe… Auch ansonsten keine Kontakte, wegen der Pandemie.

Zivil

Vor lauter Frustration über die Wahl in den USA, bin ich gleich nach den Buchmalereien, die wenig zur Schadensbegrenzung beitragen können, mit einer Gartenschere an den Bahndamm gegangen, um die Brombeersträucher zurück zu schneiden. Auch wenn ich denke, dass die künstlerische Arbeit ein hochhaltendes Merkmal der Zivilisation ist, die derzeit entscheidende zu Rückschlägen ertragen hat, ist die Gartenarbeit gut für die Seele.

Nach der Übertragung der Wanderungslinien, aus dem ersten Wiener Bezirk, auf Transparentpapier, die im November 2007 entstanden sind, zeichnete ich ein Rasterportrait meiner Mutter aus dem September 1961. Beide Motive will ich zusammengefügt mit Tusche und Schellack auf die Linien vom Franz schichten. Das wendet sich einem tagebuchartigen Arbeiten zu, wie ich es in den Büchern und auf den Rollen schon verfolge. Vielleicht überträgt sich diese Form auch konsequenter auf die Bemalung der Reliefs.

Die lange Videokonferenz gestern mit den Projektteilnehmern von „YOU&EYE“, war von wenig Temperament getragen. Ich rege mich dann zu diesen Gelegenheiten, manchmal öffentlich auf. Das ist meinem Temperament geschuldet. Ich will mich da auch nicht zurückhalten.

Handprint Wien

Noch bevor ich am Morgen mit den Buchmalereien begonnen habe, schaute ich in die Transparentpapierrolle vom Herbst 2007. Im Oktober und November dieses Jahres ging ich die GPS-Stadtwanderung „Handprint Wien“. In meinen Erinnerungen versuchte ich den Gehfaden, den ich rund um den Schwedenplatz ausgesponnen hat zu finden. Der liegt in der Beuge zwischen Zeige- und Mittelfinger, wo es gestern ein Terroranschlag gegeben hat. Damals war der Satellitenempfang in den engen Gassen nicht so gut, so dass mancher Weg nicht aufgezeichnet wurde.

Meine spontane Reaktion war, den Handprint Wien und den Handprint Frankfurt übereinander zu legen, um den Ort der Tat in das hiesige Stadtgebiet zu übertragen, dort dann die Wege der Terroristen zu gehen, um sich vorstellen zu können, das wäre hier passiert. Nur wenig südlich von dieser Stelle liegt am Mainufer das Rothschild-Palais.

Gestern übertrug ich die erste Zeichnung auf das aktuelle Relief. Weitere Figurengruppen stehen für die Auswahl auf Transparentpapier bereit. Franz hat zwei Figurationen auf zwei Pappen gezeichnet, damit ich sie vervollständigen oder kommentieren kann. Ich überlegte, ein paar Wegpunkte aus Wien mit einzubeziehen, sie auch mit Linien zu verbinden – ein konstruktiver Kontrast.

Zeichen | Theater

Flaches, kaltes Morgenlicht flackert durch die, vom Wind geschüttelten Weidenblätter ins Atelier. Es ist sehr mild. Die Ateliertemperatur gleicht sich der von draußen an, weil sich die Heizung abgeschaltet hat.

Die Buchmalereien haben sich verändert. Sie spüren die Zeichen auf, die sich in den Gravitationenschwüngen verbergen. Und die sind mit der Welt verbunden, deren Zustand sich auch schnell veränderte. Die Beschränkungen wirken sich auf die handelnden Figuren aus. Pausenclowns werden zu Diktatoren. Das Wahlvolk beschränkt sich in den Echokammern. Kultur wird auf allen Ebenen heruntergefahren. Das Lebbare entfernt sich. Man kann es im Inneren aufheben für danach.

Wir spazierten gestern durch die Nebelnässen am Taunusrand. Ein Apfelschimmel schaute uns an, als suche er nach Linderung in all dem Regen. Die Farben spielen aber großes Theater.

Autobiografisches Material




Ein Raubvogel schlug gestern, am Vormittag, eine Ringeltaube in meinem Gärtchen. Als ich zufällig hinzukam, flog er auf und ließ das schwer verletzte Tier liegen. Es sah mich mit seinen großen Augen an und rutschte, vor mir flüchtend, zwischen die großen Tontöpfe mit den alten Sukkulenten. Ich schüttete ihr eine handvoll Körner hin und ging in meine Mittagspause. Als ich gegen 14:30 Uhr wiederkam, waren alle Körner aufgefressen und die Taube war auf und davon.


Das getrocknete Relief grundierte ich und probierte mit den Umrisszeichnungen herum, die ich für seine Bemalung nutzen will. Die Tanzzeichnungen, die ich für das vorausgegangene Relief nahm, erscheinen mir zu sehr reduziert, wodurch sie statisch werden. Weiß nicht, was ich davon halten soll. Mit dem aktuellen Exemplar soll das anders werden.

Häufig schaue ich in der derzeitigen Arbeitsphase die Transparentpapierrollen 2 und 3 durch. In diesem autobiografischen Material finden sich die Stahlträgerstrukturen, die beim Abriss des Palastes der Republik hervorkamen, und die ich als Bausoldat bei seinem Entstehen auch gesehen hatte, auf ihnen herumlief und zusah, wie sie mit Asbest beschichtet wurden. Innerhalb einer Radiosendung zum Thema Denkmal, schlug die Autorin vor, das Berliner Schloss nach seiner Fertigstellung abzureißen, um den Palast wieder detailgetreu aufzubauen, um ihn dann auch wieder abzureißen, damit man das Schloss wieder aufbauen kann, um es abreißen zu können und so weiter. Auf diese Idee war ich auch schon gekommen. Sie scheint naheliegend zu sein.

Gleichgewicht

Sonniger Morgen – es ist warm im Atelier. Ich schaue auf ein kleines Transparentpapierformat, das ich gestern aus mehreren Schichten anfertigte. Es besteht aus 3 ovalen Samen einer mir fremden Pflanze, Schellack und Tusche. Gerade bin ich dabei, noch eine Figurenzeichnung als weitere Schicht hinzu zu nehmen. Zwischen zwei Passepartouts soll es so eingepasst werden, dass es Licht von hinten bekommt. Im oberen Drittel befindet sich eine horizontale Doppelfaltung, die entstand, um die Höhe des Formats zu verringern, damit es besser im Rahmen sitzt. Auf diesem zusätzlichen Gestaltungselement kann ich nun das Datum und die Signatur unterbringen.

Langsam und vorsichtig verdichtete ich die Figurensequenz auf Rolle 8 weiter. Ich achte genau darauf, das ich den richtigen Zeitpunkt für das Ende der Arbeit finde. Das kommt, wenn sich das Gleichgewicht zwischen der zeichnerischen Verdunklung und der leuchtenden Erzählung aus zusammengefügten Fragmenten einstellt.

Vinzenz Reinecke schickte mir mehrere Fotos von einer Aktion, während der, nun schon zum zweiten Mal, auf einen schönen glatten Marmorblock geschossen wurde. Dazu benutzte er auf einem polnischen Schießplatz eine großkalibrige Waffe, mit der ansonsten Hubschrauber abgeschossen werden. Der zerborstene Block erzählt viel von Unschuld und Gewalt.

Sich Entfernen






Die Morgensonne scheint tief stehend durch einen Regenschleier auf den aufgespannten Streifen der Rolle 8, auf dem sich die Figurensequenz gestern weiter verdichtete. Innerhalb der Figurenumrisse entstehen neue Gestalten, die vorher noch nicht sichtbar waren.


Ich höre ein Konzert von John Coltrane, vom 25. Oktober 1963 in Kopenhagen. Ich bin damals in Thüringen angekommen. Umzug, neue Schule und eine Form der Fremdenfeindlichkeit bei meinen Mitschülern und Lehrern, die mir zu schaffen machte. Meine Diktate waren so schlecht, dass mir das Heft um die Ohren gehauen wurde. Nun empfinde ich die Musik, die gleichzeitig in Kopenhagen gespielt wurde, als eine Art späte Befreiung. Die Erinnerung wird in diesen Sound eingepackt und von ihm gelindert.

Manchmal habe ich Lust, den Mehltau, der auf den Videokonferenzen liegt, wegzuspülen. Die digitale Entfernung fügt sich zur allgemeinen Vermummung hinzu. Es ist nicht so leicht, die Situation locker als Herausforderung zu nehmen. Dafür muss man schon ein gehöriges Stück entfernen. Mir hilft das Zeichnen dabei.

Reise



Ein Dokumentarfilm über eine Landemission auf dem Jupitermond Europa zeigte mit gestern deutlich die Schönheit der Gravitationsschwünge, die die Weltraumfahrzeuge beschreiben, wenn sie auf ihren langen Reisen an massereichen Objekten vorbeigeschickt werden, um die Fahrt aufzunehmen, die sie benötigen, um diese großen Entfernungen zurückzulegen. Unvorhergesehene Schwierigkeiten werden oft mit dem Reparaturkoffer der Phantasie behoben.



Auf Rolle 8 zeichnete ich gestern die Verdichtungsüberlagerung der Figurensequenz aus der Vergangenheit. Die Rückgriffe auf älteres Material bekommen während der Arbeit am Väterprojekt mehr Bedeutung. Also bewegt sich die Arbeit hin zum Autobiografischen.

Die Gesprächsrunden zu „YOU&EYE“, ob mit dem Anna Freud Institut oder mit Vandad zeigen immer mehr, dass es sehr darauf ankommt, flexibel mit der Pandemiesituation umzugehen. Die Reduktion der Arbeitsmöglichkeiten mit Schülern fördert digitale Ausweichmanöver. So kommen wir zu GPS-Wanderungen, die zu Skulpturen verarbeitet werden…

Figurenreihen


Eine Reihe von 23 Figurenumrissen übertrug ich von Rolle 2 auf 90 cm der Rolle 8. Dabei erfuhren sie eine Stilisierung und somit eine Verdichtung. Es handelt sich um Umrisse aus den Buchmalereien von 2005. In einem nächsten Schritt kann ich nun die umzeichneten Flächen mit Überlagerungen füllen, die durch das Zusammenrollen des Transparentpapiers durchscheinen. Am Wochenende dachte ich, einzelne Relieftafeln mit jeweils nur einer Figurengruppe formatfüllend bemalen zu können.


Franz eröffnete gestern eine Schaufensterausstellung. Es war zu viel Trubel, um sich die Bilder in Ruhe anzuschauen. Jedenfalls hat er sich nun wieder von der Symmetrie entfernt, mit der ich gehadert hatte. Ich brachte ihm das Relieffragment mit, das ich extra für ihn hergestellt hatte. Nun kann er es weiter verarbeiten. Das ist der Startschuss für unsere Zusammenarbeit.

Auf einer Streuobstwiese zwischen Schlossborn und Glashütten sah ich gestern einen Apfelbaum mit einem völlig ausgehöhlten Stamm. Dennoch trug er wohlschmeckende Äpfel. Ich sammelte einige aus dem Gras auf und nahm sie mit nach Hause. Durch die schönen Ausblicke während des Spaziergangs weiten sich auch die inneren Verfassungsstrukturen. Ich trat aus der Enge des täglichen Stadtslaloms.

Fortsetzung der Reliefmalerei

Ich bin froh, dass ich von der „Zwangsfigürlichkeit“ der gegenwärtigen Buchmalerei befreit habe. So kann ich sie zwang- und zwecklos weiterentwickeln.

Das ist ja der Sinn meiner zurückgezogenen Arbeitsweise. Letztlich haben Skrupel und Befremdung dazu geführt, dass meine Bilder eher im Verborgenen gedeihen können. Das ist mir zu wichtig, als dass ich es durch den Kunstbetrieb beschädigen lasse.

Die Umrisszeichnungen, mit denen ich gestern auf Rolle 8 arbeitete, sind den Tanzzeichnungen etwas ähnlich. Zunächst begann ich mit der Überlagerungssequenz einer längeren Figurenreihe. Mit einem solchen Arbeitsschritt, bei dem ich die Motive zunächst von der alten auf die aktuelle Transparentpapierrolle durchzeichne, stilisiere ich die Umrisse, was ich als Verdichtung empfinde. Der zweite, etwas simplere Konzentrationsvorgang, ist die Überlagerung dieser reduzierten Linien, im versetzten Rhythmus, der aus dem Radius der Rolle, bei ihrem Zusammenrollen und dem, parallel dazu stattfindenden Durchzeichnen entsteht. So nähere ich mich dem Figurenmaterial und versuche mich, für die Fortsetzung der Reliefmalerei vorzubereiten.

Altes und neues Material

Bei der Besichtigung des Materials, das ich um den Jahreswechsel 2006 / 2007 entwickelt habe, fielen mir hunderte von Ausdrucken der Buchmalereien in den Hände. Sie sind vergrößert auf A5 und scheinen die Vorlagen für die Weiterverarbeitung auf der Transparentpapierrolle Nr. 2 (?) aus ebendieser Zeit zu sein. Beim Blättern erinnerte ich mich an die Empfindung, die das Fragmentarische der Motive auslöste. Es war der adäquate Ausdruck dessen, mit dem ich beim Arbeiten am meisten anfangen konnte. Der Übergang von den konkreten Figuren zu den abstrakten Strukturen schafft einen Grenzbereich. Vergrößert man diesen und vertieft sich in diesen Fluss, beginnt eine flirrende Bilderreise.

So sollte es nun auch innerhalb der bemalten Reliefs zugehen. Die Grenzsituation zwischen Skulpturalem und Tuschmalerei, zwischen modellierten Splittern und weichen malerischen Übergängen und zwischen Tanzfiguren und Ornamenten, bietet ja genügend Anhaltspunkte.

Die Ausformung des nächsten Reliefs beendete ich noch am Vormittag. Nun trocknet es ein paar Tage. Gleichzeitig fertigte ich ein fragmentiertes Exemplar des beispielhaften Exemplars für Franz an, damit auch er sich malerisch mit diesem bewegten Grund beschäftigen kann. Vielleicht erzeugt den einen Impuls für eine weitere Zusammenarbeit.

Neues Relief

Mit der Herstellung von Pappmache bereitete ich gestern die Ausformung des nächsten Reliefs vor. Außerdem wachste ich die entsprechende Form. Nichts Besonderes also. Aufschlussreicher dagegen ist die Besichtigung der Umrisszeichnungen der Buchmalereien von 2007. Diese größeren Kompositionen in die Reliefmalerei einzubeziehen, würde bedeuten, einen nächsten Schritt der Verdichtung zu unternehmen. Nur, wenn das gelänge, wäre es eine weitere Begründung, diese Arbeit wieder zu verwenden. Es tut außerdem gut, mich von der Weiterbearbeitung der derzeitigen Buchmalereien zu lösen, weil ich dann bei ihnen freier bin.

Zäh vergeht die Zeit. Es bleibt nichts, als uns ganz und gar in unsere Arbeit zu vertiefen, gründlich, ausdauernd und selbstmotivierend. Wie viel Selbstbeschränkung bei allen anderen Unternehmungen eintritt, ist wechselnden Einschätzungen unterlegen. Mich beschleicht manchmal das Gefühl, zu viel zu lassen.

Das städtische Projekt „YOU&EYE“ rückt wieder näher. Auch hier überlege ich mir Veränderungen, damit man ungefährdeter arbeiten kann. Draußen könnte man beginnen, am Müttermantel zu arbeiten. Das wäre das richtige für starke Jungs, die ihre Kraft dafür aufwenden wollen, einen Stamm auszuhöhlen. Außerdem könnte ich GPS – Gänge unternehmen, um mit ihnen Grundflächen für Extrusionen zu schaffen…

Komprimierte Schale

Was interessiert mich an den alten Buchmalereien? Ende 2006 bestehen sie in der Hauptsache aus Figuren innerhalb abstrakter Linienstrukturen. Gut verfolgen lässt sich ihre Weiterbearbeitung auf der, damals aktuellen, Transparentpapierrolle. In den Umrisszeichnungen, die darauf entstanden sind, erscheint alles reduzierter und gleichzeitig in dichteren Kompositionen. Das ist spannender als das Ausgangsmaterial und eignet sich am ehesten für die Bemalung des nächsten Reliefs.

Ich habe das Gefühl, dass ich meine äußere Schale komprimiert. Ermahnungen, sich vorsichtig zu verhalten, um sich nicht mit dem pandemischen Virus anzustecken, treffen als äußerer Druck auf den inneren, der im sich sich Wehren besteht. Ich halte mit meiner Produktion dagegen. Die kommt von einem kreativen Innendruck. Die dadurch zusammengepresste Schale schränkt meine Beweglichkeit ein. Ich sitze und zeichne.

Der Rückzug verbindet sich mit fehlender Planbarkeit von Reisen, Projekten und Begegnungen. So lebe ich von einem Tag auf den anderen. Das versuche ich als Entlastung zu sehen, versuche die Konzentration beizubehalten.

Taunus | Licht | alte Buchmalereien

Ein Taunusspaziergang gestern. Leuchtende Äpfel in alten Bäumen. Die Luft war weißlich und feucht und die Farben der Wälder wechseln, zunächst nur fleckenweise. Die Temperatur war angenehm zum Laufen in den Waldrandarealen an den Bächen und Teichen entlang.

Jetzt trinke ich Leitungswasser, die Sonne kommt heraus und leuchtet das Atelier mit kaltem Licht aus. Es fällt auf die vielen Gläser mit Tusche, Wasser Schellack, weißer Wandfarbe, Bindemittel und Pinselsträußen. Ich sehne mich manchmal nach leeren Tischen und nach einem leeren Hirn, in dem keine wilderen Affe tobt.

Ich schaue mir Buchmalereien an, die 15 – 20 Jahre alt sind, um sie auf ihre Eignung für die Übertragung auf das nächste Relief zu überprüfen. Dabei lese ich auch, was mich in dieser Zeit beschäftigt hat. Oft sind das Dinge, die mit der Stadtpolitik und meiner Arbeit in diesem Zusammenhang zutun hatten. Ich bin froh, dass ich mich davon etwas entfernen konnte. Am Nachmittag möchte ich mit der Bemalung des aktuellen Reliefs fortfahren.

Zeit nehmen

Für die Buchmalereien nahm ich mir am Morgen viel Zeit. Es finden Versuche statt, die Handballenabdrücke weiter in den Vordergrund zu rücken. Mit Hans Zitko sprach ich, im Zusammenhang mit dem Väterprojekt, über Chuck Close. Bisher hat das große Doppelportrait nur eine oberflächliche Verbindung mit seinen Bildern. Es gibt aber Malereien, die er mit den Fingern gemacht hat. In dieser Weise kann ich mir vorstellen, meine Handballen für die Einfärbung des Splitters zu benutzen.

Wenn ich diese Arbeitsweisen innerhalb der Buchmalereien entwickle, rückt die aktuelle Bearbeitung der Reliefs schnell im Hintergrund. Sie braucht zwar viel Zeit, ist aber nicht so anspruchsvoll. Wenn ich aber die Tuschelinien, mit denen ich die Oberfläche fülle, auf dem Bildschirm stark vergrößere, haben sie immer noch Kraft genug, ihre Spannung zu halten.

Für die Collagen, die ich mit einem sehr simplen Bildbearbeitungsprogramm mache, nehme ich mir auch zunehmend mehr Zeit. Schaue ich mir die Reihe von mehreren tausend dieser Arbeiten an, finde ich, dass das verstärkte Augenmerk darauf, bestätigt wird.

Vergrößerung | Verdichtung | Implosion

Den ganzen Nachmittag konnte ich gestern konzentriert, bis in den Abend, an der Tuschmalerei arbeiten, mit der ich die Figurengruppen auf dem Relief umgebe. Daran will ich heute und morgen weiter arbeiten, um diese Woche wieder ein sichtbares Vorankommen zu ernten.

Seit gestern zog ich mich, innerhalb der Buchmalereien, auf einem vorsichtigen Gestus zurück. Heute nahm ich einen harten Bleistift, um mit ihm Linien in das weiche Papier zu gravieren. Durch eine gründliche Farbschraffur treten sie dann in den Vordergrund. Transportiere ich dann diese Liniengebilde mit meinen feuchten Handballen per Druck, in ein anderes helles Papierareal, so erscheinen die gravierten Linien neu und hell. Das geschieht in Bereichen von wenigen Zentimetern, lässt sich aber per Scan gut vergrößern und auf Transparentpapier weiter verarbeiten: verdichten, wieder vergrößern und verdichten bis zur Implosion durch zu viel Masse.

Solche Strukturen würde ich gerne per Handballenabdruck auf die Splitter übertragen. Die Mischung der Handlinien und der Papiergravuren ergeben die Kartierung einer gebirgigen Landschaft aus meinem Rückzug. Unscharfe Erinnerungsfotos gewinnen an konkreten Details und verbinden sich zu einem Panorama. Jedes Detail weist auf den Mikrokosmos hin, der unter den Vergrößerungen neue Panoramen der Erinnerung zur Verfügung stellt.

Wurf

In einem Wurf übertrug ich gestern alle Tanzzeichnungen, die ich ausgesucht hatte, auf das Relief. Es handelt sich um 9 Motive, von denen ich eins geteilt und die zwei Fragmente an zwei verschiedene Stellen untergebracht habe. Jetzt erst, wenn ich einzeln beginne, die Splitter mit Tuschezeichnungen zu füllen, wird sich herausstellen, wie sich die geschichtete Komposition aus Rasterpunkten, Scherben, Splittern und Zeichnungslinien, bewährt.

Auf Rolle 8 habe ich das Zusammenspiel der bisherigen Elemente getestet. Die Kompositionen lassen sich gut einrichten, weil ich die Zeichnungen hinter dem Transparentpapier, auf dem schon die Formfrottagen vorhanden sind, verschieben und so Abstände und Gewichtungen probieren kann.

In einem Podcast des Deutschlandfunks hörte ich Interviews, Berichte und Tonbeispiele zur Entwicklung des VEB Schallplatte der DDR. In einer Aufnahme war Ernst Busch zu hören, wie er korrigierend in eine laufende Gesangsprobe hinein sang, dass einem das Blut in den Adern stockte. Die Büros dieses Musikverlages waren im ehemaligen Reichspräsidentenpalais, das sich direkt hinter dem Reichstag und somit hinter der Mauer befand. Die Stimme von Busch verfolgte mich bis in die Nacht, weil ich glaubte, den Tonfall aus meiner Kindheit zu kennen.

Schwankend

A4-Blätter mit Tanzzeichnungen liegen auf der Hobelbank. Manchmal teile ich ihre Motive und übertrage sie in entfernte Areale des Reliefs. Ich bin gerade nicht mehr sicher, ob ich die Zeichnungen aus dem Ballettsaal mit den Umrisslinien der Buchmalereien zusammenbringen soll. Ist es besser, sie auf unterschiedlichen Formaten unterzubringen? Das ist etwas, über das ich nachdenke, aber noch nicht weiß, zu welchem Ergebnis ich komme.

Die Übertragung des Motivs auf die Reliefs, ist ein ziemlich steifer Vorgang. Ich will den Zeichenstil dieser Zeit aber beibehalten, obwohl ich das heute anders machen würde. Gestern ließ ich die Collagen des vergangenen Jahres als Diashow laufen. Das hat mich froh gemacht.

Ich lese immer wieder in den Interviews der DDR-Bürger. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mich das runterzieht. Mein kreatives Hochgefühl der letzten Woche, wurde von den Erinnerungen an das hoffnungslose Grau, gedämpft. Die Atelierheizung ist allerdings repariert, das macht schon mal die Muskeln weicher. Vielleicht kommt auch das Nachdenken über die Holzskulpturen mit Gips, Pappmache, Transparentpapier, Tusche und Schellack wieder in Gang.

Tierwelt | Figürliche Ahnung

Mitten in den Buchmalereien unterbreche ich die Arbeit, gehe hinaus ins Gärtchen und auf die Wiese. Dort schaue ich auf die Tierwelt, die reicher zu werden scheint. Ich kann nicht alles, war ich genau sehe. Ein Paar Grünspechte kann ich identifizieren, den Roten Admiral und die Singvögel. Aber schon bei den Grashüpfern werde ich unsicher, auch bei Käfern, Schnecken und Kleininsekten.

Die Heizung des Ateliertraktes hat sich selbst und ich bin auf die Wärme der Glühlampe über dem Zeichentisch angewiesen. Manchmal kommt kurz die Sonne raus. Dann steigt die Temperatur um ein Zehntelgrad.

Die Miniaturen in meinem Tagebuch entledigen sich überflüssiger Gesten zugunsten klarerer Linien. Ich hantiere mit Figuren und versuche sie gleichzeitig auflösen, damit nur eine figürliche Ahnung bleibt. Wenn ich Umrisslinien diese Erscheinungen auf Transparentpapier bringe und sie dann bei der Bemalung des aktuellen Reliefs benutze, bleiben sie für diesen Zweck formbar.

Asketisches Grau

ch lese manchmal Interviews, die DDR-Bürger aus Anlass des 40. Jahrestages ihres Landes, gegeben haben. Dabei tritt die unglaubliche Tristesse, in Form eines fast greifbaren Graus hervor. Dieses unbunte, strenge und enttäuschte Resümee, geht mir heute noch nahe. Ich suche nach Bestandteilen dieser Äußerungsform in meinem Sprechen.

In wesentlichen Teilen findet meine Rede ja im Bild statt. Das Grau, als Mischung vieler Farben, ist ein konzentriertes, verdichtetes Medium. Im Licht des asketischen Rückzugs, leuchtet es und wird Träger einer Grundlagenforschung. Das führt, laut meiner Prägung, zum Wesen der Kunst.

Gestern zeichnete ich den Entwurf, den ich auf Rolle 8 gemacht habe, auf das neue Relief, das ich in der vergangenen Woche abgeformt habe. Ein weiteres Tanzzeichnungsmotiv, fügte ich dann, wieder entwurfsweise auf Rolle 8, in die untere rechte Ecke des Formates ein. Noch habe ich keine Buchmalerei zum Einfügen ausgesucht. Das ist der nächste Schritt.

Übergänge

Auf Rolle 8 habe ich eine Teilfrottage von der Reliefform mit zwei Tanzzeichnungen zusammengesetzt. Das breite Querformat mit Kulissenwänden sitzt ziemlich mittig im Relief. Auch in den Buchmalereien finden sich heute Kulissenarchitekturen und Figuren.

Zu der fließenden Schellackschicht, mit der ich die letzte Überlagerungssequenz anlösen und teilweise vom Kristallinen ins Flüssige verwandeln wollte, bin ich leider noch nicht gekommen. Im Zusammenhang mit der Vergabe des Physik-Nobelpreises, wurde viel vom Zusammenbruch der physikalischen Gesetze berichtet. Der Übergang von Materie in einen anderen Zustand durch Verdichtung, bildet sich am Rande der Schwarzen Löcher ab. Das inspiriert mich, mit den Vorgängen auf Rolle 8, noch einmal genauer und gründlicher umzugehen.

Beim Betreten des Ateliers am Morgen, erschien mir die Materialität vom Gips, Schellack, Tusche, Pappmache und Graphit, besonders wertvoll. Immer mal schon erschien mir die Vermischung dieser Materialien und ihre Nutzung für skulpturale Projekte, als sehr reizvoll. Jetzt kommt mir in den Sinn, solche Arbeitsschritte auch mit der Behandlung von Holzskulpturen zu verbinden und damit einen Schritt in Richtung „Mütterprojekt“ zu gehen. Der „Müttermantel“, den ich aus dem trocknenden Pappelstamm herausarbeiten möchte, könnte dann eine Oberflächenbehandlung bekommen, die aus diesen Stoffen gebildet wird, mit denen ich nun schon eine Weile arbeite.

Lichtwechsel | Motivvorbereitung | Probebühnen

Der rhythmische Lärm der Abrissmaschinen wird von einem frischen Wind nach Osten getragen. Die Schienenschläge der S-Bahn kommen wattiert, von den schnellen Lichtwechseln, die durch die vorübereilenden zerfetzten Wolken verursacht werden, begleitet, bei mir an. Alles überlagert sich mit dem Grundrauschen der windigen Stadt.

Auf Rolle 8 verdichtete ich doch noch einmal, mehr der Seelenpflege wegen, die Buchmalereien-Sequenz. Das vollständig glatt getrocknete Relief grundierte ich langsam und gründlich, ordnete währenddessen die Wege zur Vorbereitung der Motive, die für die Malerei bestimmt sind. Auf der Transparentpapierrolle werde ich Umrisszeichnungen von meinen Buchmalereien und Ballettsaalzeichnungen ausprobieren. Ich will sie mit Frottagen von Teilen der Reliefform kombinieren. Diese Einzelmotive setze ich dann auf dem Relief zusammen.

Die Architektur der heutigen Buchmalereien orientiert sich an den Zeichnungen, die ich auf den Probebühnen der Theater gemacht habe. Die Probenwände schufen rohe Kulissen, vor denen die Figurenszenen abliefen, immer wieder neu, von vorne. In ihrer Unvollständigkeit boten sie Durchblicke in die hinteren, dunklen Winkel dieser Räume, wo Schauspieler auf ihren Auftritt warteten. In den Collagen erlaubt ihre Durchlässigkeit Blicke auf Teile der Buchmalereien-Sequenz dahinter.

Gleichgewicht der Ebenen

Gestern, am Sonntag, zeichnete ich weiter an den „Gebirgen“ der Buchmalereisequenz auf Rolle 8. Ich meine, dass ich nun mit den Verdichtungen fertig bin und bereite den nächsten Schritt vor. Mit dieser Schicht aus Schellack kommt es, durch das Anlösen der Tuschestruktur, zur Erosion der „Landschaft“. Irgendwann ist beim Fortfahren das Gleichgewicht der Ebene vorhanden. Durch die Gravitation sind Senken und Anhöhen verschwunden. Die Einfärbung der Transparentpapierfläche hätte somit einen gleichmäßigen Farbton.

Während einer Essenseinladung sprachen wir gestern Abend über ein Projekt mit Liedern von John Cage, die sich durch ein Zufallsprinzip verschieden überlagern. Mich interessiert das wegen der Verwandtschaft zu meinen zeichnerischen Überlagerungen. Die aber folgen gleichmäßigen Rhythmen, wodurch überraschende Lücken oder plötzlich verdichtete Höhepunkte nicht entstehen. Alles folgt dem gleichmäßigen Fluss meiner eigenen Handschrift auf der Transparentpapierrolle, die sich langsam füllt und immer weiter zusammengerollt wird.

Das Relief, das ich in der vergangenen Woche ausgeformt habe, kann ich vielleicht noch heute aus der Form lösen und dann gleich grundieren. Womit ich die Malerei nun inhaltlich angehe, habe ich noch nicht gewichtet, bin mir nicht klar, ob ich die tibetischen Motive weiter mit einbringen soll, oder nun wieder ganz auf meine eigenen Buchmalereien und Tanzzeichnungen setzen soll.

Tuschegebirge | Synaptische Kartierungen | Zeitstruktur

Mit anhaltendem Vergnügen verdichtete ich die Überlagerungssequenz aus den Umrisslinien zweier Buchmalereien auf Rolle 8, die ich mit Feder und Tusche auf das Transparentpapier übertrug. Die dichten Linien trocknen erhaben auf, bilden Landschaften, die ich mit den Fingerkuppen ertasten kann. Es sind Gebirge positiver Kraft, die ich mir errichte. Sie ersetzen die inneren Stadtlandschaften aus Gebäuden, in denen Leere wohnt, die sich mit Hass paart und Destruktion gebiert.

Wenn ich mit den Verdichtungen dieser geschichteten Figur fertig bin, soll ein weiteres Gestaltungsmittel hinzukommen. Mit Schellack will ich die dunklen Areale etwas anlösen und dann durch druckvolles enges Zusammenrollen, eine fließende Fläche hinzufügen, die im starken Gegensatz zu den kristallinen Figurationen steht, sie leicht verschwimmen lässt, und die ich mal „Synaptische Kartierungen“ nannte. Damals sind so hunderte Blätter entstanden. Auch mit Schülern praktizierte ich diese Arbeitsweise ausführlich.

Manchmal leiste ich es mir nun, in die Tage etwas hinein zu vagabundisieren. Das hat aber zur Folge, dass ich mich nach der Organisation von Zeit sehne. So überlege ich nun, ob ich mir wieder Aufgabenlisten schreiben soll, mit denen ich meine Arbeit und meine „Freizeit“ strukturieren und die ich Zeile für Zeile abhaken kann.

Trockenwiese | Rolle 8 | Zöglingsportraits

Am Morgen ist die Trockenwiese nass vom Tau. Nach den Buchmalereien pflege ich sie ein wenig, indem ich die großen Stauden, die keine Samenstände mehr haben, entferne. In der Kräuterspirale lebt versteckt ein Wespenvolk, das noch nicht entdeckt und ausgeräuchert worden ist. Wenn sie fort sind, interessiere ich mich für ihre papierene Stadt.

Weil das Relief noch trocknet, arbeitete ich weiter auf Rolle 8. Die Umrisse von Buchmalereien sollen nun ernsthaft zu einer Überlagerungssequenz verdichtet werden. Das Ziel ist nicht, dies in die Bemalung der Reliefs mit einzubeziehen. Es geht nur um mein Wohlbefinden, während dieser Meditation. Allerdings sind die Zeichnungen auf den Splittern auch mit dem Vergnügen an dieser Arbeit eng verbunden. Die ornamentalen Motive unterscheiden sich zwar von denen auf Rolle 8, fließen aber auch kontinuierlich in steter Konzentration aus der Zeichenfeder. Impulse zur Linienführung kommen von den modellierten Oberflächenstrukturen der Splitter. Der Erfolg zeigt sich im anhaltenden spannungsvollen Wohlbefinden.

Auf allen Kanälen geht es um das Wiedervereinigungsjubiläum, das am 3. 10. begangen wird. Die Veränderung meiner Erinnerungen an die DDR durch meine Gegenwartserfahrungen, schlagen sich selten deutlich in meiner Arbeit nieder. Lediglich in den Zöglingsportraits auf Transparentpapier, findet sich eine direkte Äußerung des Erinnerns an diese Zeit.

Einen Gang runter

Nach den Malereien am Morgen, sage ich mir: kleine Pause. Dann gehe ich ins Gärtchen zu meinen Mitbewohnern, den Kräutern, den Bäumen und den Steinen. Ich schneide ein wenig, rücke an den Trockenmauerstapeln und biege Weidenruten. Warum kommen mir jetzt die Hunde in den Sinn, die wild an Laufleinen, an der deutsch-deutschen Grenze, eingesetzt waren?

Die Priorität der Bündnistreue der Adenauerregierung zementierte die deutsche Teilung. Ist das ein Trauma der Ostdeutschen? Wurden sie von ihrer Bezugsregion abgetrennt und verlassen, wie ein Kind von seiner Mutter? Es neigt später zu Überempfindlichkeiten, gepaart mit Aggression. Auf diese Gedanken kam ich, als ich gestern den Krimimalfilm „Walpurgisnacht“ sah. Eine deutsch-deutsche, serienmörderische Zuspitzung im Harz, kurz vor der Wende.

Mit Pappmache formte ich gestern das nächste Relief des zweiten Exemplars des Väterdoppelportraits ab. In den vergangenen Zeiten der „Produktion“ machte ich das schon eine Weile bevor ich mit der Malerei auf dem vorigen Format fertig war. So konnte die Arbeit gleich weitergehen. Ich musste nicht wie jetzt, warten bis die Trocknung beendet sein wird. Nun habe ich einen Gang runtergeschaltet. Die Masse trocknet sehr langsam.

Vage optimistisch

Die Relieftafel 6, die ich in den letzten Wochen bearbeitet hat, ist nun fertig. Ein Auszug habe ich in den heutigen Werktagscollagen. Die Bemalung glich ich der vorigen an, benutzte aber aber eine Mischung aus Wandmalereien aus Tabo, Ballettzeichnungen von 2003 und Umrisszeichnungen der neuen Buchmalereien.

Das nächste in der Reihe, mit der Nummer 7 ist schon abgeformt, aber mit einem paar wenigen ausfransten Stellen. Ich werde es noch einmal neu abformen. Die Bemalung der Reliefs hat sich während des Arbeitszeitraums, den ich für dieses zweite Exemplar des Doppelportraits benötigte, langsam verändert. Diese Entwicklung sichtbar zu halten, ist in meinem Sinne.

Ich beobachte meine Buchmalereien, besonders die linearen Kompositionen. Sie sind entscheidend für ihre Eignung als Material zur Unterstützung der weiteren Reliefmalerei, denn ihre Farbigkeit spielt bei der Nutzung der Umrisslinien keine Rolle. Ob die langsame Veränderung der Buchmalereien eine Vorwärtsentwicklung darstellt, oder mehr Stagnation in sich trägt, kann ich derzeit kaum beurteilen. Wenn man aber die langen Zeiträume überblickt, in denen ich kontinuierlich versuche, sie weiter zu entwickeln, stimmt mich das vage optimistisch.

Erz

Noch einmal vor dem Herbst, wärmen ein paar Sonnenstrahlen mein Atelier und lassen die späten Blüten Im Gärtchen aufgehen. Meine Stimmung ist auch, nach einem langen dunklen Tiefschlaf letzte Nacht, erhellt.

Am Wochenende besichtigten wir mit Kind und Kegel die frühindustriell geformte Landschaft rund um Clausthal-Zellerfeld. Wir liefen einen Rundweg durch die „Wasserregale“. Das ist ein Bewässerungssystem aus Stauseen und Kanälen, für die Energiegewinnung zum Betreiben der vielen Schächte in der Gegend. Ein Museum in einem alten Bergwerk erzählte von der finsteren Industriekultur, die sich zum Abbau von Erz entwickelt hat. Mich erinnerte das an das kleine Museum, das die Bauern im alten Niederhof im Martelltal eingerichtet haben. Heinrich Heines „Die Harzreise“ ist ein romantischer Text, mit dem man sich durch ein anderes Licht an unsere Reise erinnern kann.

Jetzt aber habe ich erst einmal meinen Terminkalender zu aktualisieren. „YOU&EYE“ wird wieder aufgenommen und die Wirtschaftsförderung vergibt den Gründerpreis, für den sie meine Skulptur erneut ausgedruckt haben wollen. Mit Alexander sollte ich mich treffen, um die Zusammenarbeit mit der Hindemithschule weiterzuführen. Somit ist, neben dem Väterprojekt, ein wenig Beschäftigung und Abwechslung in Sicht.

Themenwechsel?

Ganz alltägliche und normale Weiterarbeit gestern. Ich zeichnete die Ornamente auf die Splitter außerhalb der Figurengruppen auf der Relieftafel. Innerhalb ihrer Umrisse färbte sie schwarz ein, ließ aber die Bruchkanten weiß. In der kommenden Woche werde ich mich dann um die malerische Schellackschicht kümmern.

Manchmal kommt die Frage auf, ob es keine wichtigere Arbeit als die an den Reliefs für mich gäbe. Es ist als hielte ich mich an ihnen fest, ähnlich wie an den Buchmalereien. Die Objekte aus Weidenruten und Reliefscherben, verlassen den Themenumkreis nur vorsichtig und zögerlich.

Wie oft, wenn wir aus den Bergen kommen, habe ich Lust mit anderen Materialien zu arbeiten, beispielsweise mit Holz. Das dicke Stück Pappelstamm ist jetzt soweit getrocknet, dass es leichter geworden ist und einfacher vor das Atelier gestellt werden kann. Ich weiß nicht, wie meine rechte Hand, insbesondere ihr Daumen eine solche lange schwere Arbeit aushält. Er ist von den längeren und schweren Bildhauerarbeiten gezeichnet. Aber ich kann einfach nicht mit einer Kettensäge an eine solches Stück Holz gehen, sondern will die Figur langsam herausbilden.

Zeichnung | Malerei | Instrumentenbau

Gestern ging die Arbeit am Relief weiter. Sie ist ein Zwischending zwischen Zeichnung und Malerei. Wenn die Federzeichnung der Figuren und Ornamente dann mit einer Schicht Schellack versehen wird, sich Konturen auflösen und große dunkle, durchscheinende Flächen entstehen, bekommt die Malerei die Oberhand. Die Vorgänge der Buchmalerei sind dem ähnlich. Das Gleichgewicht zwischen den Elementen wird oft genug nicht eingehalten. Dann sind mir lineare Figuren zu wichtig, als dass ich sie hinter Farbwolken verschwinden lasse. Bei dekorativen Farbigkeiten greife ich öfter zu einem gewalttätigen Gestus wütend kreisender Schwarzbewegung.

Das gemeinsame malerische Vorhaben mit Franz, würde ich am ehesten als ein Gespräch über Farben, Formen und Gesten bezeichnen. Die Mittel, mit denen wir das machen, sind gleichzeitig Gesprächsgegenstand. Man könnte es auch mit einer Klettertour vergleichen, bei der nicht der Gipfel das Ziel ist, sondern die Kletterei.

Vier Gegenstände, von denen ich drei auf der Straße gefunden habe, fügte ich zu einem Musikinstrument zusammen. Hauptbestandteil ist eine Stahlzunge von einer rotierenden Kehrmaschinenbürste, von denen ich viele auf den Gehwegen finde. Sie bekam einen hölzernen Griff und eine Kastanie als Schwinggewicht am entgegengesetzten Ende. Dazu eine kleine gebogene, weiße Feder, die mit der Stahlzunge in der Kastanie steckt. Wenn man es an die Tischkante legt, festhält und die Kastanie mit der überstehenden Zunge in Schwingung versetzt, beginnt der Tisch zu singen. Modulation ist durch die Verkürzung oder Verlängerung des schwingenden Strangs möglich. Ein Geschenk für meinen Enkel.

Gemeinsame Malerei | Zwangsarbeiter | Umrißsequenz

Besuch bei Franz, während dem wir über unser Vorhaben sprachen, gemeinsam etwas zu malen. Franz macht so was öfter mit befreundeten Künstlern. Bei mir ist es etwas in Vergessenheit geraten und sehr lange her. Für uns beide also ein „Fexibilitätstest“. Ich dachte zuletzt daran, grundierte Reliefs zur Verfügung zu stellen. Ein Scherbengericht ergäbe 4 zusammenhängende Formate. Eine Struktur, die zur Arbeit von ihm passt, auch in den Dimensionen.

Eine Anfrage vom Denkmalamt bezieht sich auf meine Arbeit zum Zwangsarbeiterthema. Ich schickte verschiedene, etwas vage Informationen über meine Ausgrabungen, GPS-Wanderungen und die Werkstattausstellung zu diesem Komplex, die es damals in meinem Atelier gegeben hat. Seiner Zeit entstand auf Rolle 6 eine Überlagerungssequenz mit meinen Wanderungslinien im Grundriss des ehemaligen Lagers vor Ort, die mir heute als stärkster Teil der Arbeit vor Augen ist.

Auf Rolle 8 zeichnete ich gestern an der Umrissliniensequenz der Buchmalerei weiter. Dabei kommt mir eine weitere Verdichtung, der Fortführung der Reliefmalereien nicht dienlich vor. Zunächst einmal sind die dichten Strukturen kaum zu übertragen. Außerdem kommen mir die wenigen, klaren Linien im Kontext der Splitterstruktur, überschaubarer vor.

Scans | Messner Mountain Museum | Unterbrechungen

Noch kam ich nicht richtig zum Arbeiten. Zunächst waren die etwa 40 Scans der Buchmalereien zu machen, die ich in den Bergen gemalt habe. Um mein Arbeitstagebuch ins Netz zu stellen, benötigte ich einen Rechner, der aber aus unerfindlichen Gründen nicht hochfuhr. Diese Unterbrechung der normalen Arbeitsvorgänge, die werktäglich ablaufen, lässt den Motor nicht recht anspringen.

Demnächst sind wir wieder kurz auf Reisen, was die Zeit mehr zerpflückt, als es meiner Konzentration zuträglich wäre. Also noch mal abwarten, die Buchmalereien beobachten, wie sie sich in die Bemalung der Reliefs einfügen. Alles andere kann warten.

Ich denke noch mal an die Messner Mountain Museen, die wir in den vergangenen Wochen besuchten. Ich habe das Gefühl, dass der Bergsteiger mit seinen Sammelsurien zu viel wollte. Er ordnete sie in seinem Sinne, was nicht selten zu Verwirrung führt. Die exquisiten Exponate werden oft nicht beschrieben. Sie stehen häufig einfach da und sollen auf uns wirken. So kann man sich die Inszenierung von Museen leicht machen. Mehr durchdachte Struktur wäre nicht schlecht gewesen. Dennoch waren sie eine Erlebnis, aber eher wie das eines Naturereignisses.

Von den Buchseiten an die Wand

Den Sonntag verbrachte ich ganztägig am Rande des „European Short Film Festival“ auf Teves West, im Atelier. Interessierten Gästen zeigte ich meine Väterarbeit und beantwortete ihre Fragen dazu.

Auf Rolle 8 überlagerte ich die Umrisslinien einer Buchmalerei, die die Nummerierung 07_31_2020_001 besitzt. Natürlich überlege ich bei der Erstellung einer solchen Sequenz, wie ich sie in de Bemalung der Reliefs einbinden kann. Die Hinwendung zu den Malereien an den Innenwänden der Klöster in Ladakh, die auch eher einem Buchmalereigestus entsprangen, findet sich hier zusammen mit dem Augenmerk auf die eigenen kleinen Malereien in den Büchern. Ich kann den Vorgang der Wanderung von den Buchseiten an die Wand in dieser Weise nachvollziehen.

Im Gärtchen biege ich die Weidenruten weiterhin nach innen, also zum Baum hin. Mittlerweile entdecke ich aber, dass nicht jede gebogene und geflochtene Figur dem Wachstum der Weiden gut tut. Zeigen die Enden der Ruten beispielsweise nach unten, so vertrocknen manchmal ihre Spitzen.

Aufbrechen

Der Höllenlärm am Atelier hat etwas nachgelassen. Beteiligt sind nicht mehr 5 Bagger, ein Überkopfkipper und die große Steinmühle, sondern nur noch insgesamt 3 Maschinen. Deswegen ist es hier nun wieder möglich, eher einen klaren Gedanken zu fassen.

Aus der Knochenpflasterfläche hinter meiner Wiese, wächst seit etwa 3 Jahren eine Pappel. Sie ist mittlerweile etwa 3 Meter hoch und wird von einem Fuß gehalten, der lediglich die Stärke der Fugen zwischen den Steinen haben kann. Auf dieser unsicheren Basis muss er den Stürmen trotzen die aus Westen heranrollen, bis seine Kraft durch das Wurzelwerk so angewachsen ist, dass er die Pflasterschicht sprengen und in die Breite wachsen kann. Um ihn dabei zu unterstützen, setzte ich mich gestern Abend auf einen Gartenhocker, nahm meinen Fäustel und einen großen Meißel, um einen der ihn bedrängenden Steine, heraus zu brechen. Nach einer Stunde hatte ich den Grund der Betonschicht erreicht und damit die Erde. Stück für Stück werde ich die Fläche nun aufbrechen, um dem Baum das Wachstum zu erleichtern.

Wenn ich mir die Muster meines Nomadenteppichs in meinem Zimmer anschaue, den ich mir im vergangenen Jahr in Ladakh gekauft habe, dann entdecke ich subtile Unregelmäßigkeiten, hinter denen ein Code oder eine Formel zu stecken scheint. Erst mal kann ich nur zählen und vergleichen, um die geheimnisvollen Beziehungen aufzuspüren. Ersichtlich wird zunächst, dass er zumindest von zwei Personen gewebt worden sein muss.

Die Enge | Das Figürliche | Die Insektensammlung

Die Buchmalereien bekommen zu Hause einen anderen Charakter. Sie sind zurückhaltend ruhiger, konzentrierter und emotionsloser. Die Enge des Raums, der andere Ausblick und das Fehlen des anderen Arbeitsmaterials, sind der Grund dafür. Aber sie haben dennoch ihren Reiz und führen mich irgendwohin, wo ich noch nicht war.

Nun bin ich wieder ins Atelier gegangen. Ich probiere, wie es möglich ist, unter den Bedingungen des Abrisslärms zu arbeiten. Nach der herbstlich kühlen Nacht, wird der Raum schnell von der Morgensonne aufgeheizt. Im Gärtchen sonnen sich die jungen Eidechsen, nicht länger als 5 Zentimeter, zwischen meinen Stein- und Muschelketten, Holzstapeln, Lochziegeln und ausgehöhlten Ästen. Wenn sie schlau sind, überwintern sie in meinem Atelier. Dort hat sich eine von ihnen über meine Insektensammlung hergemacht!

Meine Hinwendung zum Figürlichen, innerhalb der Gravitationsschwünge in den Büchern, zielt immer noch auf eine natürlich wachsende Einbindung von Figuren bei der Bemalung der Reliefs, die derzeit eine Pause erlebt. Es stehen zu viele Unterbrechungen an, als dass ich eine längere geschlossene Zeit der Konzentration dafür finden kann.

Das reicht mir

Die Inversion der Aura

Vom Schicksal der charismatischen Autorität im sozialen System der Kunst“,

heißt ein Text von Hans Zitko, den ich gestern Abend gelesen habe. Darin werden Systeme und Verhaltensweisen beschrieben, die mir durchaus bekannt sind. Mein Rückzug aus der Öffentlichkeit des Kunstbetriebes, beruht auf meiner fundamentalen Skepsis ihm gegenüber. Er würde mich bei der Suche nach Bildlösungen und der Konzentration, die dafür notwendig ist, behindern. Durch Markttechniken etablierte Strömungen interessieren mich nicht. Und was ich davon mitbekomme, erfüllt mich mit Unbehagen.

Das führt zu einer asketischen Situation. Sie flirtet mit der Armut und ist gleichzeitig elitär durch die Behauptung von Freiheit. Für mich ist das folgerichtig, solange die Produktion nicht stockt und mein persönliches Glück mit ihr verbunden ist. Es entsteht einerseits durch die Rückschau, beispielsweise auf Transparentpapierrollen und Buchmalereien, andererseits gewinnt die gegenwärtige Arbeit aus ihr, ihre Dimension.

Bestätigung kommt aus Kreisen, die mit dem Kunstmarkt nicht direkt zutun haben, von offiziellen Kulturinstitutionen, Experten und zufälligen Atelierbesuchern. Das reicht mir.

Ruhe wegen des Lärms

Wegen des Lärms ruht fast die ganze Arbeit im Atelier. Ich wundere mich über mich selbst, wie gut ich das kann. Unter der Unterbrechung des Väterprojektes leide ich kaum. Ich freue mich über meine Fähigkeit, abzuschalten, auf Abstand zu gehen und die Arbeit nicht so wichtig zu nehmen. Eigentlich macht das alles leichter.


Von meinem aktuellen Arbeitsplatz aus, kann ich die Aktivitäten der Sozialarbeiter auf der Quäkerwiese sehen. Es erinnert mich an meine Stadtteilarbeit vor 20 Jahren. Davon habe ich mich, zugunsten meiner Arbeit, entfernt. Es gibt Kontakte zur Schule, wegen des Projektes „YOU&EYE“, Schüler und Kunstinteressenten finden sich manchmal bei mir ein. Ansonsten aber, bleibe ich bei mir.


Immer mal greife ich im Atelier zur Gitarre, drehe den Verstärker weiter auf sonst, um den Baggern entgegen etwas setzen. Am Morgen, hier zu Hause, hörte ich ein neues Album von Bob Dylan, dessen Tournee wir in diesem Jahr vermissen. Dass er aber nach vielen Jahren wieder eigene Songs aufgenommen hat, tröstet etwas.

Handabdrücke und Reliefs

Als ich mich gestern ins Bett legte, erwartet ich wieder ein Traum, kann mich aber an keinen erinnern. Stattdessen aber kamen Ideen, die Väterreliefs mit den gewanderten Handprints von Frankfurt und Wien zu verbinden, die Strukturen zu schichten.

Gerade habe ich vor dem Atelier einen jungen Pianisten und Komponisten kennen gelernt. Ich sprach mit ihm über die Möglichkeiten, Musik zu visualisieren. Er schaltete gleich auf das Musikverstehen von tauben Menschen um, was natürlich nahe liegend ist, aber war ich noch nicht bedacht hatte. Wir hatten sofort einen lebendigen Austausch und verabredeten über die Visuals noch mal zu sprechen.

Während der Lektüre zur Konstruktion und Bedeutung von tibetischen Mandalas, stellt ich fest, dass meine 16 Teile des Väterreliefs dort gut einfügen. Ansonsten ist das Thema weitläufig und nicht unkompliziert. Das liegt aber auch an der unvollständigen Quellenlage, denn die Praxis der Meditation, die Mandalas unterstützen, ist nur im engen Kreis mündlich überliefert.

Ein Traum

Den Leuten, die von rechts nach links, vor meinem Balkon auf der Frankenallee gehen, bläst heute ein kräftiger Wind entgegen. Die Baumkronen werden gekämmt, und das Rauschen erfüllt den ganzen Luftraum. Ich bin froh, dass ich hinter der Scheibe sitze, wo  mein Haarschopf ruhig auf meinem Kopf liegen kann.

Ich stelle mir vor, wie jetzt der Staub aus Sand, Erde und Zement in meinem Gärtchen geweht wird, wie er gemeinsam mit dem Maschinenlärm in der Gebäude eindringt. Wie gut, meinen Ausweicharbeitsplatz hier in meinem Zimmer zu haben.

In der Nacht träumte ich von einer hügeligen Landschaft, in der einer sektenartigen Produktionsgenossenschaft. Ihr Zweck ist mir nicht klar. Mit meiner Voraussagepflock, den ich zwei Meter in der Erde trieb, um aus den geologischen Schichten die Zukunft zu lesen, sagte ich ihnen ein infernalisches Musikfestival voraus. Dann riefen sie den Chef herbei, der mit einem frisierten Soundauto und zwei Beißhunden kam, die er auf mich hetzte. In der Hocke aber war ich mit den Hunden auf Augenhöhe, wodurch sie mit den Schwänzen wedelten und mir das Gesicht ableckten. Zum Schluss sprudelte eine Quelle aus der Stelle, in die ich am Hang den Pflock getrieben hatte.

Vom Lärm vertrieben

Seit einigen Tagen beginne ich die Arbeitstage wieder zu Hause, wie ich das vor einigen Jahren auch tat. Gegen den Abrisslärm in der direkten Nachbarschaft komme ich auf die Dauer nicht an. Deswegen stellte ich mir einen Tisch vor die schöne zweiflüglige Balkontür meines Zimmers in der Frankenalleewohnung. Dort fertige ich als erstes am Morgen die Buchmalereien an, um dann im Schreiben am täglichen Überdenken meiner Arbeitssituation festzuhalten.

Die Buchmalereien werden in dieser Umgebung zurückhaltender, weniger zweckgebunden und somit freier. Mir gingen neue Wanderungsprojekte durch den Kopf. Jetzt jedoch, in diesem Sommer will ich mich etwas zurücklehnen. Die anhaltende Pandemie trägt die Möglichkeit in sich, gründlich nachzudenken.

Dass ich mich etwas vom Väterprojekt entfernt habe, zumindest von seiner täglich fortschreitenden Vervollständigung, kommt mir ganz vernünftig vor. In diesem Abstand entstehen Ideen zu neuen Projekten und der Blick auf die aktuelle Arbeit an den Reliefs schärft sich wieder.

Gefällige Gefilde

Gestern begann ich ein Objekt zu bemalen. Ich mache das für jemanden, es hat also einen Adressaten. Gleich hat sich die Arbeit in gefälligere Gefilde entwickelt – schrecklich! Es geht nicht um die Suche nach neuen Wegen zur gestalterischen Spannung. Bewährtes kommt zum Zuge… Das lässt sich aber, weil es erkannt ist, noch ändern.

Gegen den eisern dröhnenden, steinbrechenden Abrisslärm, habe ich wieder meine Ohren verstopft. Gestern hatte ich das Gefühl, dass durch diese Maßnahme, mehr Konzentration möglich würde, auch wenn die Maschinen schweigen. Gegen die Hitze öffnete ich zum hochgezogenen Rolltor noch die Seitentür, damit es ein wenig Luftbewegung gibt.

Zum Abend erwarte ich Besuch im Atelier. Ich möchte ihm meine Väterarbeit zeigen. Sie hat ja im jetzigen Stadium schon viele Facetten, angefangen bei den Scherbengerichten, den Transparentpapierrollen, bis hin zu den Verbindungen von buddhistischen Wandmalereimotiven mit meinen Tanzzeichnungen.

Gehörschutz

Vom Altkönig aus sah ich mir die Stadt gestern mit dem Fernglas an. Ich floh vom Lärm der Abrissmaschinen. Der Giebel der Friedenskirche, der dunkle Klotz in der Frankenallee, sah aus der Entfernung aus, wie der einer holsteinischen Scheune. Aber immer wieder suchte ich nach dem Haus in dem wir wohnen, oder nach seiner nächsten Umgebung.

Mit Gehörschutz schirme ich mich nun vom Maschinenlärm ab. Die Steinmühle, 5 Bagger und der Überkopfkipper sind akustisch völlig ausgeblendet und geben nun den inneren Geräuschen den Vortritt. Jeder Schritt, den ich gehe, erzeugt ein Echo in meinem Knochengerüst. Die Wendungen des Kopfes machen die Halswirbelsäule und ihre Bänder hörbar, auch das Geräusch des pulsierenden Blutes rauscht durch den Kopf. Das Körperempfinden wird deutlicher und der Tinnitus erhält die Oberhand.

Eine barocke Figur tauchte heute in der ersten Buchmalerei auf. Es könnte auch ein Rockstar aus den Siebzigerjahren sein. Mitten im abstrakten Geschehen zieht es mich zu diesen konkreten gegenständlichen Manifestationen. Sie erscheinen wie in Träumen.

Choreografien

36 Scans der Buchmalereien, die ich in der letzten Zeit gemacht habe, führten mich wieder zurück in die Situationen ihrer Entstehung. Ich erinnere mich an die Abwägungen der Farben und die Entscheidungen, wann Schluss ist. Und immer wieder tun sich Lösungen, die ich während ihrer Entstehung oder kurz danach als unbefriedigend empfand, als hilfreiche Entscheidungen auf. Sie treten aus dem ästhetischen Trott heraus und Zetteln dann etwas Neues an.

Draußen sehe ich eine Choreografie von 5 Baggern, einem Überkopfkipper und einer Steinmühle. Sie tanzen zu einem infernalischen Sound, der nur noch von meiner Musikanlage im geschlossenen Atelier übertönt wird. Franz, mit dem ich mich bald zu gemeinsamer Arbeit verabreden möchte, hört auch während der Arbeit laute Musik.

So lange diese Abrissarbeiten noch wenige Meter vom Atelier entfernt andauern, überlege ich, einen Teil meiner Tagebucharbeit in mein Zimmer in der Frankenallee zu verlegen. Die Malereien greifen jetzt manchmal auf alte Strukturen zurück, die ich jahrelang mit Holzhaarnadeln in das Papier gedrückt habe und die dann durch Schraffuren sichtbar wurden. Zu Hause kommen dann bestimmt wieder Arbeitsweisen hervor, die aus der Zeit stammen, in der ich dort Tagebuch schrieb.

Zweifel an der Produktionskontinuität

Nach einer zehntägigen Auszeit kann ich nur langsam wieder in die Arbeitsprozesse hineingehen. Allein an den Seen der Holsteinischen Schweiz, habe ich all das hier, in meinem Atelier befindliche, fast ganz vergessen. Somit besteht jetzt noch der nötige Abstand, um meine Produktionskontinuität kritisch zu bedenken. Dabei kommen Zweifel auf, ob wirkliche Erneuerungen auf diesem Weg möglich sind. Es geht immer nur langsam voran, es gibt keine Brüche, Wendungen und kaum kreative Pausen.

Mit Vandad sprach ich über die Möglichkeiten der Arbeit am Projekt „YOU&EYE“ unter den Bedingungen der Pandemie. Es entstehen bei mir Überlegungen zur digitalen Zusammenarbeit, die in dieser besonderen Situation möglich wird. Einerseits denke ich an die Erstellung einer gemeinsamen digitalen Skulptur, die dann ausgedruckt werden kann, andererseits können Räume entstehen, in denen man sich mit den anderen Projekten treffen kann. Skulptur, Tanz und Musik….

Vier Bagger drehen sich, in der direkten Nachbarschaft, um die eigene Achse und vollführen eine Choreografie, um die Steinmühle, in der das Abrissmaterial zerkleinert und sortiert wird, zu bestücken. Manchmal verfallen sie in einen Rammrhythmus, mit dem sie sehr große Betonbrocken zerkleinern oder Kellerwände zerstören. Auf der Terrasse des Restaurants sitzen die Köche, in diesem Geräusch der Hölle, bei ihrem Morgenkaffee und unterhalten sich!

Keine Kehrtwende

Der gestrige Tag brachte nur Kontinuität. Die Väterarbeit ist über weite Strecken ein Durchhalteprojekt. Pausen werden wichtiger, um Abstand und Überblick zu gewinnen. Dieses stetige Weiterarbeiten, um nicht ins Stocken zu kommen, wird mir verdächtig. Das war für die Zeit, in der ich es tat, vielleicht richtig und wichtig. Nun wird es Zeit, das zu hinterfragen, auch wenn mir mulmig wird dabei. Was wird, wenn mein Garant der Produktivität unbedeutender wird? Kommt der Motor ins Stocken?

Ein neues Herangehen, würde Fragen wie Regelmäßigkeit von Zeitrhythmen, Arbeitsmoral und tägliche Produktionsrituale infrage stellen. Diese Überlegungen sollte ich weicher handhaben, nicht so rigoros, sonst stünde mein Arbeitsleben bald auf dem Kopf. Und für eine Kehrtwende ist es zu spät.

Am wichtigsten erschienen mir heute Vormittag die Collagen. Sie bedienen sich der Arbeitsschritte, die ich gestern mit der Reliefmalerei unternahm. Eine Tanzzeichnung von 2003 bettete ich zeichnerisch in Ornamentstrukturen ein, die später noch mit einer weiteren Schicht zusammengezogen und eingedunkelt werden.

Wegschauen müssen

Montags sind die Scans der Buchmalereien des Wochenendes nachzuholen. Mit den tagaktuellen zusammen, sind es immer 9. Bis zum Mittag ist dann die gesamte Tagebucharbeit erledigt und ich beginne mich meistens mit den Reliefs zu beschäftigen.

Die abstrakten Linien, mit denen ich derzeit die modellierte Oberflächenstruktur nachzeichne, ergeben manchmal kreatürliche Anklänge. Das sind gebogene Figuren, Augenpaare oder Karikaturen von Gesichtern. Bis dahin ist das alles nicht so spannend. Die Schellackschicht, die die Tusche wieder anlösen kann, fokussiert notwendigerweise noch einmal zum Abschluss.

Wichtiger und ergebnisreicher erscheinen mir derzeit die Buchmalereien. In ihrer unspektakulären Form, verbergen sie das Potential, das sie für mich besitzen. Dieses mehrschichtige Herangehen an sie, würde sich innerhalb der Reliefbemalungen positiv auf die Intensität des Gesamten auswirken. Man sollte das Gefühl bekommen, wegschauen zu müssen!

Allein mit den Tieren

Der Morgen verging schnell, weil ich mir vorgenommen hat, alles langsam zu machen. An den vergangenen Vormittagen war ich hier auf Teves West mit den Tieren allein. Aus einer großen stehenden Papprolle rettete ich eine Taube, die sich dort hinein verflogen hat und nicht mehr raus kam. Dabei verletzte ich die linke Hand leicht. Die Taube flog, nachdem ich sie aus der Rolle scheuchen musste, ohne Dank davon. Später kehrte sie zu einem der Wasserstellen am Gärtchen zurück und bekam noch ein paar Körner von mir dazu.

Nun ist das Restaurant wieder geöffnet, mein Nachbar ist da, Stimmen, Geklapper und dahinter der Schaufelbagger, Schuttschredder und Kipper, die Abrisshalden sortieren. Das Laufen laufen die Notstromaggregate der Netzknotenbetreiber mit sehr tiefer frequenz und auf dem Bahndamm sind die Streckenbauer mit Kränen und Maschinen unterwegs. Nur der Fluglärm fehlt heute, weil die Windrichtung und damit die Abflugrute gewechselt.

Die Buchmalereien verändern sich. Sie bieten nun eher Material, das ich in der Reliefbemalung könnte. So wiederholt sich bei mir im Kleinen ein Vorgang, bei den mittelalterlichen Buchmalereien persisch-pakistanischen Ursprungs, in Tibet an den Wänden der Klöster wanderten. Auf meiner Arbeit der Gegenwart.

Unfertiges

Das dritte Motiv auf dem Relief ist wieder eine Tanzzeichnung mit mehreren Figuren. Nach der Übertragung auf die unruhige Oberfläche, benötige ich noch 2 Elemente, die ich in die Komposition einfügen will. Die Hoffnung liegt dabei in den Buchmalereien. Deren tägliche Entwicklung schafft Sicherheit zwischen den Buchdeckeln. Oft genug treibt mich die Unzufriedenheit mit ihnen an. Dann besteht die Tendenz, zu viel zu machen. Der klare Schusspunkt, wenn er auch ein Bekenntnis zum Unfertigen beinhaltet, rundet den Vorgang ab.

Manchmal stelle ich sie mir schon während der Malerei, in den Werktagscollagen vor. Das sollte nicht sein, es ist aber manchmal schwer von der weiteren Verwendung beim Malen abzusehen. Die Herausforderung bei den Collagen besteht insbesondere darin, dass sie sich nicht zu ähnlich sehen sollen, denn oft treten wesentliche Elemente in allen dreien gleichzeitig auf.

Von meinem Schreibplatz im geöffneten Rolltor zum Gärtchen hin, sehe ich eine Ringeltaube auf dem Rand des Seerosenzubers sitzen. Sie wartet lange, um zu trinken, schaut sich immer wieder um und starrt dann auf die Wasseroberfläche. Vielleicht will sie auch von den Schlingpflanzen essen, die wohlschmeckend sein sollen, wie mir die vietnamesische Küchenhilfe vom Restaurant gegenüber versicherte. Dann schlägt sie den Kopf auf die Wasseroberfläche, als wolle sie zwischen den schwimmenden Seerosenblättern Platz zum Trinken schaffen. Das geht dann schnell und sie fliegt raschelnd auf.

Übung für das Irrenhaus

Ich denke über das Arbeitsangebot von F., dass mir Gelegenheit gibt, mal aus meinem Hamsterrad herauszukommen. Vielleicht ergeben sich auch thematisch andere Perspektiven, als die des Väterprojektes, mit dem ich mich seit Jahren beschäftige. Ich möchte vorher nicht so viel konzipieren, eher abwarten, was entstehen wird. Der einzige Rahmen wäre die erste gemeinsame Zeichnung, auf die wir uns immer wieder beziehen und die Rhythmik der Bewegungen aufeinander zu und voneinander weg.

Das Tanzmotiv, das in der heutigen Collage eine Hauptrolle bekommen hat und die Figur aus Tabo, zeichnete ich gestern auf das Relief, das ich aktuell bearbeite. Auf der Suche nach Figurationen, die sich in Spannung hinzugesellen können, entstand in den heutigen Buchmalereien ein Paar, das einer gefalteten Blüte zu entspringen scheint.

Nun lerne ich mit den täglichen Verwüstungen der Amseln in meinem Gärtchen umzugehen. Es ist eine Übung für das Irrenhaus, das ich täglich 4-mal zwischen Wohnung und Atelier durchquere. Ich bewarb mich mit meinem, in knapp 20 Jahren gewachsenen, Garten für eine Ausstellung im Architekturmuseum, bei der es um die versteckte Stadtbegrünung geht. In dem kurzen Bericht, den man online abgeben sollte, beschrieb ich, wie Laub zwischen die Blumentöpfe geweht wurde, und damit alles anfing.

Gemeinsame Arbeit

F. mich besuchte gestern. Auf meinen Vorschlag vor einiger Zeit hin, eine gemeinsame Arbeit zu versuchen, regte er nun ein Projekt an. Über gemeinsam gestaltete Blätter, wie mir das vorschwebte, hinaus, würden wir mehr entwickeln. Im Zentrum könnte eine gemeinsame Zeichnung stehen, von der ausgehend, andere Dinge erzeugt werden. Aber immer wieder soll der Blick zurück auf den Anfang gehen, auf dessen Entwicklungsmaterial wir uns beziehen. Spontan schlug ich vor, dass ich, irgendwann im Verlauf der Arbeit, Objekte baue, die er bemalen kann.

Die Schmerzensfigur aus Tabo, die von drei Vögeln attackiert wird, übertrug ich gestern im Zentrum des neuen Reliefs. Dazu kommt nun eine Tanzzeichnung, und dann werde ich sehen, ob ich mich in der weiteren Arbeit auf die Buchmalereien beziehen kann. Sie verblassen gerade etwas um Nebel, suchen unentschlossen, ein weiter neuer Schritt zu gehen.

Am Vormittag bin ich mit den Wässern der Gärten, dem alten Ahorn, der Wiese und des Ateliergärtchens. Das lenkt mich etwas ab. Der Blick zum Himmel oder in den Wettervorhersagen, sieht unsere Region eher trocken bleiben. Mich.

Formen in den Räumen

Am Morgen wässerte ich, gleich nach dem Frühstück, den alten Ahornbaum, der den Blick durch die Fenster auf der Alleeseite dominiert. Manche seiner Blätter bekommen, trotz meiner Pflege, schon braune Spitzen. Dieser fehlende Regen macht mich nervös. Nach dem Supermarkteinkauf langte ich im lärmumtosten Atelier an. Abriss, Zerkleinerung der Betonbrocken, Sortierung in Stein, Metall und Holz, Gleisbau auf dem Bahndamm und Grundrauschen von der Autobahn.

Ich grundierte gestern die Reliefs und versuche nun die Konzentration zu finden, um erneut in die Malerei einzusteigen. In den Buchmalereien suche ich nach neuem Material. Kulissen, Figuren, ein Fisch, Schwünge, Dreiecksgitter und Farbwolken. Es geht nur langsam voran. Ich sollte mal pausieren und zu den Objekten wechseln, zu Rolle 8 oder gar zur Holzbildhauerei im Zusammenhang mit geschweißten Gitterkonstruktionen … Oder einfach Pause machen, weg von der Priorität der Produktion.

Die Mauersegler sind abgereist. Der letzte Teil des Sommers beginnt. Die Flugkurven kreisen noch nach, sind noch wahrzunehmen, wenn ich mich anstrenge. Formen, die in den Räumen bleiben, obwohl sie schon fort sind. Ich biege die Weiden den Flugschwüngen nach, baue ein wenig Sommer in die Objekte des Herbstes ein.

Reliefs | Theater | Landart

Wie geplant, sind die Reliefs, die ich am Ende der vergangenen Woche mit Pappmaché abgeformt habe, nun trocken. Das heißt, dass ich sie heute grundieren und mit der ersten Schellackschicht versehen kann. Dann bereite ich die herausgesuchten Zeichnungsmotive so vor, dass ich sie auf die zersplitterte Fläche übertragen kann.

Am Wochenende sichtete ich alte Zeichnungen. Manchmal rührt sich in mir die Stimmung, in der sie entstanden sind. Vieles kommt aus Theaterzusammenhängen, von Schauspielproben, in denen ich gezeichnet habe, aus den Ballettsälen, von eigenen Bühnenbildern und aus Stücktexten. Somit habe ich dem Theater viel zu verdanken. Dennoch entfernte ich mich zugunsten eigener, theaterferner Projekte von der Bühne. Aber ich schöpfe immer wieder aus den Arbeiten, die in dieser Zeit entstanden sind und aus dem was ich dort über Dramaturgie und Raum gelernt habe.

Mein Gärtchen ist eigentlich wie ein Bild, das ich gemacht habe. Ich betrachte es als Landart. Es wird ja täglich weiter gestaltet. Viel fremdes Material wird eingefügt und das Wachstum wird gelenkt. Vorgestern schnitt ich erneut die Robinie, damit die Ebereschen besser wachsen können. Im Herbst benötige ich wieder eine Fuhre Erde. Vielleicht taucht ja Vanessa, die Gärtnerin wieder auf, die mir wertvolle Ratschläge erteilt.

Wendefigur

Das Architekturmuseum hat einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem es um Ideen der Architektur- und Stadtbegrünung geht. Ich überlege nun, ob ich mit meinem Gärtchen daran teilnehme. Dabei geht es mir in erster Linie um einen Anlass, mich mit seiner Geschichte zu beschäftigen, die Stationen, die zufällig auf Bildern festgehalten sind, zusammen zu tragen und einen Text darüber zu verfassen. Mich interessiert, wie sich das Grün parallel zu meiner Arbeit entwickelt hat, bis es Teil von ihr geworden ist.

Wenn ich auf einem Stuhl gegenüber sitze, sehe ich das Konglomerat aus Totholz, Bruchsteinen, wild gewachsenen Gräsern und Blumen, Lochsteinen und Bäumen, als ein entstehendes Bild. Mit den Weidenbiegungen, Muschelketten und Materialschichtungen, griff ich dann in das natürliche Wachstum ein, fing an zu gestalten. Die Tiere, die sich eingefunden haben, die klimatisierende Wirkung und die Nachbarschaftsgespräche dort, gehören dazu.

Noch einmal erinnerte ich mich heute an die Wendefigur, mit der ich eine Animation zu der Oper „Die Ehen zwischen den Zonen 3, 4 und 5“ in Heidelberg gemacht habe. Doris Lessing saß auf der Wäschetruhe in meinem Malsaal und gab Interviews zu ihrem Libretto. Philipp Glass spielte ein Klavierkonzert. Ich saß neben ihm in der Proszeniumsloge und zeichnete eine lange Reihe von musikalischen Blättern. Vielleicht wäre diese Figur, die den Grenzübergang Bornholmer Straße, im November 1989, als eine der ersten übertrat, in Verbindung mit den musikalischen Blättern ein weiterer Arbeitsschritt im Väterprojekt.

Neue Nachbarschaft

Mit der Schreckensfigur der gequälten Kreatur, aus den Wandmalereien in Tabo, arbeitete ich gestern auf Rolle 8. Ich platzierte sie in eine Frottage von der Form des nächsten Reliefs, das ich bemalen will. Hinzu fügte ich eine sehr sparsame Tanzzeichnung, die schon mehrfach Auftritte in verschiedenen Umgebungen hatte. Ihre Form hat eine Offenheit, die geradezu nach immer neuer Nachbarschaft ruft.

Die Buchmalereien sind heute etwas wild ausgefallen. Ich probierte, mit den Fasern einer gespaltenen Vogelfeder, die ich am hinteren Ende so zurechtgeschnitten habe, dass zwei Pinselspitzen entstehen, und mit Aquarellfarben, drehende Bewegungen zu malen. Das verwischte ich dann wieder und zeichnete Figuren hinzu, die wie Sternenbilder aussehen.

Mit den Krähen, die sich rund um den sprühenden Rasensprenger versammelten, versuchte ich ins Gespräch zu kommen. Sie sind sehr scheu und beobachten aus den Bäumen jede meiner Bewegungen. In meiner hochgereckten Hand zeigte ich ihnen das Futter, das ich dann neben die Vogeltränke im Schlagloch des Betons legte. Dort weichen sie manchmal Brot ein, das sie gefunden haben. Sie kommen dann und holen sich die Körner. Allerdings kommen auch die Tauben und kleine gelbe Vögel, die durch ihren schnellen Flug helle Striche in der Luft hinterlassen.

Reliefs 5 | 6 | Bewässerung

Die zusammenliche Figur, von der ich schon schrieb, ging mir noch mal in der Nacht durch die Kopfgerollte. Auf Rolle 8 könnte ich mit einem Sequenzentwickeln, die auf die Weiterarbeit am Relief. Im 6. Relief dieses Exemplars würde ich mit ihr, den Vögeln, die weiteren ihre Augen auspicken und Tanzzeichnungen ähnlich verfahren, wie auf dem vorigen.

Relief Nummer 5 bemalte ich gestern fertig. Die gegenständlichen Anklänge auf den Splittern, die die die die Hauptfiguren umgeben, habe ich mit einem Schellacklasur zurückgenommen. Denn das ist alles zu vage, um es höher zu hängen. Die Bemalung pausiert nun erst mal.

Am Morgen war ich mit dem Bewässern der Pflanzen meiner Umgebung beschäftigt. Zuerst bekam der, etwa hundert Jahre alt, Ahorn vor meinem Balkon in der Frankenallee, ungefähr 70 Liter Wasser, die ich bei Trockenheit täglich über die Straße trage. Hier auf Teves stellt ich den Rasensprenger auf die Wiese, wo er immer mal gerückt muss, dann aber auch die Kräuterspirale mit anfeuchtet. Am Schluss kommt mein Gärtchen dran.

Mehr Figuren

Im Kloster Tabo, in Ladakh, gibt es eine Wandmalerei über die Unterweisung einer Figur, mit dem Namen Sudhana, in die buddhistische Lehre. In dieser Bildererzählung gibt es Personifizierungen unterschiedlicher Schrecken. In einem Bild sieht man einen Mann, der zusammengerollt von einem Hund und von Vögeln angegriffen wird. Das erinnert an tibetische Bestattungspraktiken, in denen die zusammengeschnürten Leichen den wilden Tieren dargeboten werden, ähnlich wie die Parsen auf den Totentürmen verfuhren.

Mir geht eine Skulptur durch den Kopf, die aus einem Dreiecksgitternetz aus Rundstahl besteht, in dem Figuren gefangen sind, wie in einer fremden Struktur, die außerhalb ihrer Wahrnehmung besteht. Die Stangen durchbohren die Körper der Holzskulpturen und halten sie fest. Eine dieser, könnte die sein, die ich im oberen Abschnitt beschrieben habe. Sie tauchte auch abgewandelt in den heutigen Buchmalereien auf.

Mittlerweile etablieren sich solche Figurationen immer öfter auf den Tagebuchseiten. Ihre Gliedmaßen tauschen sich dabei immer etwas aus, wachsen neu zusammen, nach einem immer verschiedenen Bauplan. Um ein solches skulpturales Projekt zu verwirklichen, müsste ich die Arbeit am Väterprojekt ernsthaft unterbrechen.

Figuren | Insekten | Objekte

Außer den Tanzfiguren, der Felsgravur und den Malereien aus Lhalung, gab es auf dem Relief noch keine Figuren. In den Buchmalereien wachsen sie aus den Dreiecksgittern. Das soll sich auf die Bemalung der Splitter übertragen. Erzwingen kann ich es nicht. Aber wenn das in meinem Kopf ist, erscheint es auch irgendwann von alleine.

Zu den vielen Insekten im Gärtchen haben sich nun auch einige Wespen gesellt. Wenn man sie auf der Hand lässt und nicht verscheucht, fangen sie sofort an einen zu zwicken. Mit ihren Beißwerkzeugen versuchen sie die Haut zu durchtrennen. Mich würde schon interessieren, ob sie das schaffen, kann aber dem Impuls, sie abzuschütteln, nicht entsagen.

Es ist schade, dass die Arbeit an den Objekten zum Erliegen gekommen ist. Das war eine schöne Ergänzung zu der strengen Konzentration auf die Reliefs. Ich bin aber ganz eingetaucht in diese Kontinuität. Weniges kann mich da heraus holen.

Figuratives | Gesträuch | Wiese

In den Buchmalereien nimmt das Figurative zu. Köpfe und Gliedmaßen wachsen aus den konstruktiven Strukturen und Gravitationsschwüngen. Ziel ist es, diesen Schritt auf die Reliefs zu übertragen. Heute ist das 144. Tagebuch voll geworden. Morgen nehme ich ein neues aus dem Karton. Dann geht es weiter.

Die Federzeichnungen, die die Splitter des Reliefs noch einmal in unregelmäßige Flächen unterteilen, verändern sich. Sie bekommen einen wuchernden Charakter, als würde sich ein Gesträuch verdichten. Ähnliches passiert auf den Transparentpapierrollen. Dort sind es aber Überlagerungen mit den vorangegangenen Motiven, die beim Zusammenrollen durchscheinen und additiv durchgezeichnet werden.

Wenn die Schafgarbe abgeblüht ist, bildet sie am oberen Ende korbartige Gefäße, wie Nester. In ihnen fotografierte ich rote Blattwanzen, die an ihren Unterseiten schwarze Punkte und an den oberen Flügelabdeckungen rote Längsstreifen haben. Still und senkrecht saß eine Hummel unter einer Distelblüte, um sich vor dem Regen zu schützen. Die Wiese ist ein Trockenbiotop. Jede Feuchtigkeit sickert unter die Schotterschicht. Nur vom Moos wird sie etwas gehalten. Weil trotzdem eine große Menge von Blühpflanzen wächst, hat in diesem Jahr die Insektenaktivität stark zugenommen. Ich könnte eine Sammlung von Tierfotografien aus dem Gärtchen und von der Wiese zusammenstellen.

Bön Frauen

Die Figur aus dem Kloster Lhalung, die mir gestern in den Blick kam, setzte ich gleich, zusammen mit den erwähnten Elementen, in die Malerei des Reliefs ein. Es gibt an den Innenwänden mehrere Frauenfiguren, die auf Hirschen reiten, Mäntel aus Pfauenfedern tragen, Männerleichen durch die Luft wirbeln, deren Köpfe abgetrennt in den Händen halten und mancherlei magische Handlungen vollziehen. Sie entstammen der vorbuddhistischen Bönreligion, die matriachale Elemente aufwies. Noch im vergangenen Jahr spürten wir diese andere Haltung der einheimischen Frauen dort im Himalaja, die gut ohne ihre Männer auskamen, von denen sie oft mehrere haben. In den Wandmalereien sind sie einer Wächterfigur zugeordnet, die die bösen Berggeister von den mannigfaltigen Vertretern der buddhistischen Lehre fernhalten soll.

Diese Frauen dachte ich am Morgen zusammen mit den Brandenburgischen Konzerten. Vielleicht verbindet beide das tänzerische Element.

Rund um die Figur mit den Gravitationsschwüngen, dem stählernen Fachwerkfragment vom Palast der Republik und der Felsgravur einer Oryxantilope, begann ich dann die Splitter des ersten Scherbengerichtes, die die Motivgruppe umgeben, mit Strukturen zu versehen, die von ihrer Oberflächengestalt herrühren und sie verstärken.

Labyrinthe

Ich zeichnete die nächsten Tanzfiguren auf das Relief. Zusätzlich nahm ich eine Figur aus den Wandmalereien des Klosters Lhalung in den Blick. Auf Rolle 8 fasste ich sie mit Gravitationsschwüngen, einem Stahlkonstruktionsfragment von Palast der Republik und der Felsgravur einer Oryxantilope aus Twyfelfontein zusammen. Das geografische Dreieck, das diese Komposition mit ihren weit entfernten Eckpunkten einschließt, erscheint nicht als Zeichnung, sondern nur im Subtext.

Mit Schellacklasuren löste ich die Tuschestrukturen der Splitter an und dunkelte sie in dieser Weise vorsichtig und warm ein. Ich kann in dieser Arbeitsweise eine Nuancenvielfalt etablieren, die mit differenzierten Schattierungen die strengen, kontrastreichen, schwarzweißen Figuren umgibt.

Am Morgen versorgte ich meinen Ahornbaum auf der Frankenallee mit etwa 60 Litern Wasser. Ich trage sie ihm mit zwei großen Gießkannen, vom Garten hinter dem Haus durch das Treppenhaus, über die Straße hinweg an den Stamm, wo ich die Erde aufgelockert hatte. Seitdem ich das mache, schaue ich meinen Freund aus anderen Perspektiven genauer an, vertiefe mich in die Labyrinthe seines Geästs.

Das Paradiesische

Manchmal habe ich Zeitfenster vor Augen, in denen ich es schaffen möchte, ein Relief zu bemalen, oder ein ganzes sechzehnteiliges Exemplar fertig zu stellen. Wenn ich spüre, dass bei der kleinteiligen Arbeit mit Feder und Tusche, die Konzentration nachlässt, gehe ich ins Gärtchen, um dort Nisthöhlen für Insekten zu bauen, zu gießen oder nur, um zu schauen. Aus diesem Schauen entstehen manchmal Textabschnitte im handschriftlichen Tagebuch, die sich etwas am Nature Writing orientieren.

Im Glücksfall, treffen diese Momente mit einem starken Empfinden der vielteiligen Situation statt. Dann schweben Apsaras in der Form von Wolken vor dem blauen Himmel vorbei, das Licht, das durch den Efeu vor dem Fenster fällt, erfüllt dann den Raum mit weichem Licht und die Arbeit auf den Tischen ordnet sich in dieses Geschehen ein, das zu einem intensiven Moment verschmilzt, in dem ich erkenne, dass dies das Paradies ist.

Aber dann entdecke ich die Maus, die von draußen herein gelaufen kam und sehe, dass das Amselpaar meine Mischung aus Laub, Gartenschnitt und Erde wieder einmal völlig auseinander genommen und verteilt hat. Dann bekommt der Nachbar laut tönenden Besuch, wodurch sich das Paradiesische sofort auflöst. Und die Weiden, die ich an Bahndamm pflanzte, haben meine fünftägige Abwesenheit nur knapp überlebt, sind fast ganz eingetrocknet…

Keine Disziplin!

Die verinnerlichte Regelmäßigkeit des Arbeitslebens erlaubt mir kaum Übertretungen des selbst gesteckten Rahmens. Heute bin ich beispielsweise aus verschiedenen, nicht zwingenden Gründen, erst gegen 10 Uhr ins Atelier gekommen. Schon steigt etwas wie ein schlechtes Gewissen in mir auf. Am Abend habe ich mit Gerd Bier getrunken und heute Vormittag höre ich Rockmusik aus den Neunzigerjahren, „Voodoo Lounge“ von den Rolling Stones aus der Zeit, als ich sie auf dem Hockenheimring kennen gelernt habe. Weiß nicht, was mit mir los ist!

Die Tuschmalerei auf dem Relief geht nur langsam voran. Jeder einzelne Splitter bekommt seine Aufmerksamkeit, sie werden wie kleine Objekte behandelt oder wie Teile einer großen Landschaft. Hilfreich sind dabei die Unebenheiten, die vom Modellieren mit der Hand herrühren. In den Senken und auf den Graten dieser Gegenden folge ich Höhenlinien und ausgetrockneten Flusstälern. Die Scherben verwandeln sich in driftende Kontinentalplatten, auf denen Expeditionen stattfinden, um sie auszumessen, zu kartieren und zu gestalten.

Gerd will mich besuchen, um das Effektgerät der Gitarre anzuschauen. Wir wollen nach Möglichkeiten der Visualisierungen der Musik suchen, die mir weiter helfen können. Bei unserem Gespräch auf der Frankenallee kam ich darauf, diese „Malerei“ mit der Gitarre ohne das Effektgerät zu machen. So steht nicht so viel zwischen den entstehenden Strukturen und mir.

Heraustreten aus der Nacht

Im Wintergarten einer Freundin habe ich von meinem Vorhaben erzählt, die Gitarre als Generator für Bilder zu benutzen. Die Idee, die Visuals aus den Soundeffekten dieses Instrumentes anderweitig zu nutzen, bleibt in meinem Kopf. Die entstehenden Strukturen stelle ich mir als dreidimensionale Dreiecksgitterlandschaften vor. Ob und wie das mit den Väterportraits zusammengehen kann, ist noch fraglich.

Vielleicht stößt die Arbeitsweise, alles mit allem zu verbinden, auch bald an ihre Grenzen. Jenseits davon beginnt das Land der Stilisierung, des Weglassens und den neuen Denkens. Manchmal begegnet mir das schon in den Buchmalereien. Sie sind das geeignete Medium, einen solchen Vorgang zu entwickeln.

Ich malte weiter am Relief. Die Splitter füllen sich mit Mustern, die spontan aus der Feder in der rechten Hand fließen. In der zunehmenden Dunkelheit ihrer Umgebung, versuche ich die Figurengruppen immer noch sichtbar zu halten. Ihre Wiederholungen möchte ich nun im Binnenbereich wieder heller gestalten, damit sie heraustreten können aus der Nacht. So kann man sie mit den versteckteren vergleichen und sie neu entziffern.

Landschaften

In der Nachbarschaft fördert eine Kernbohrmaschine Sedimente aus 30 Metern Tiefe an die Oberfläche. Den Jahrtausende abgelagerten Sand, der nun ausgebaggert wird, für die Wohnblocks der neuen Nachbarschaft, füllen die Arbeiter in längliche Kästen, für die Geologen.

Schüler der Hindemithschule besichtigten gestern mein Gärtchen auf dem Beton: Wildnis in der Stadt. Sie sahen Insekten, Eidechsen und Vögel und fingen sich dann doch an, für meine Arbeit zu interessieren. Sie fragten mir Löcher in den Bauch. Wenig später kam noch eine Ehepaar aus Darmstadt, die meine Website gesehen hatten.

In der verbleibenden Zeit füllte ich die Splitter neben den Figuren auf dem Relief. Auf der Schellackschicht steht das Wasser, das ich mit dem Pinsel aufgetragen habe, lange, so dass ich mit der Feder ausblühende Tuschpunkte hineinsetzen kann. In die weiche Struktur werden, nach ihrer Trocknung, harte Linien hineingezeichnet, wodurch Verbindungen entstehen, die aus dem Abstrakten heraus Landschaftliches bilden.

Relief 5 vom zweiten Portrait der Väter

Gestern begann ich mit der Fortsetzung der Tuschmalerei auf dem Relief Nummer 5 des zweiten Exemplars der Doppelportraits. Noch einmal übertrug ich eine Tanzszene, mit mehreren sitzenden und einer stehenden Figur im Kulissenraum. Auf Rolle 8 verknüpfte ich sie zuvor mit einem Zöglingsportrait aus dem Jugendwerkhof Gerode. Das erschien mir jetzt in der Überlagerung auf dem Relief zu viel. So arbeitete ich die Figuren nur in die plastischen Splitter ein.

Die weiteren Gestaltungsschichten hatte ich gestern gedanklich mit Visualisierungen von übereinander gelegten Loops aus Gitarrenriffs erweitert. Dabei kam mir der Gedanke, ohne die Musik zu hören, mit der Gitarre zu zeichnen. Es wäre die Fortentwicklung der Overheadmalereien, wie wir sie vor vierzig Jahren begonnen hatten.

Natürlich steht die Frage danach im Raum, ob dies sinnvoll zu einer Verdichtung des Materials führen kann. Es bedeutet einen ziemlichen Aufwand für mich, das ins Werk zu setzen. Schon der Gedanke daran ermüdet mich etwas. Aber die Arbeitsschritte, von denen ich überhaupt nicht wissen konnte, wohin sie führten, zogen immer Erfahrungen nach sich, die dann, zumindest anderweitig, nutzbar waren.

Trio-Strukturen

Im Haus Karolina, auf dem Leiningerhof, in der Pfalz, änderten sich die Buchmalereien zu ruhigeren, reduzierten Kompositionen. Die weiten Blicke während unserer Wanderungen, hatten sicherlich einen Einfluss darauf, genau wie die Ruhe die uns umgab.

Hier im Atelier gibt es jetzt die schöne Herausforderung, nun mit den Reliefmalereien weiter zu machen. Gleichzeitig aber steht die Gitarre mit dem Effektgerät bereit, um das Triogeschehen, das sich in den Buchmalereien, den Collagen und nun auch teilweise auf Rolle 8 manifestiert, mit dreiteiligen Loops zu inspirieren. Ich sollte das alles in Ruhe genießen.

Die musikalischen Strukturen würde ich dabei gerne mit grafischen Darstellungen eines entsprechenden Programms bildlich aufnehmen um sie in die Arbeit auf Rolle 8 einfügen zu können. Dafür bin ich allerdings technisch noch nicht fit genug und müsste mir manche Arbeitsweisen, zwischen Instrument und Rechner, selber beibringen.

Geschichtetes Ateliergeschehen

Ein warmer Morgen, der quirlig begann. Ein Supermarkteinkauf, nun im Atelierkühlschrank. Im Vorübergehen ein Blick auf die Arbeit der letzten Tage. Die verdichtet sich in den Collagen. Trotz der schmalen Werktagebucheintragung gestern, ist dokumentiert, wie sich die Vorarbeit auf Rolle 8, auf die Reliefbemalung ausgewirkt hat. Der Scan des Reliefausschnittes mit den Buchmalereien und die vorhergehenden Collagierungen, schichten alltägliches Ateliergeschehen.

Erstmalig nach langer Zeit, benutzte ich in den Buchmalereien wieder richtige Aquarellfarben. Diese Lasuren haben einen anderen Charakter, als die verwischten Aquarellstiftlinien, die in letzter Zeit dominierend waren. Mich erinnert es an längst vergangene, lange Arbeitsphasen.

Betonzangen zermalmen auf den Nachbargrundstücken das Baumaterial der Achtzigerjahre. Das künstliche Gestein und Baustahl werden getrennt. Große Abraumkegel und bizarr gekräuselte Gestänge bleiben übrig. In meinem Paradies versammelt sich, wie an jedem Tag die Vogelwelt. Die winzigen jungen Eidechsen sind stetig auf der Flucht vor jeder Bewegung.

Pause

Das ist keiner der gewöhnlichen regelmäßigen Arbeitstage heute. Am Vormittag fand ein Treffen des You&Eye Teams im Anna-Freud-Institut statt. So etwas zerschießt normalerweise meine Kontinuität für diesen Tag.

Für heute hatte ich mir aber nichts Besonderes mehr vorgenommen, denn gestern begann ich das Relief Nummer 5 zu bemalen. Soweit wollte ich vor meiner Pause kommen.

Ich spüre, dass ich mich etwas ausruhen, etwas Abstand herstellen muss. Das fällt nicht ganz leicht, ist aber vernünftig.

Eingedampfte Gegenwart

In empfindsam eingedampfter Gegenwart, bekommt jede Kleinigkeit ihre Bedeutung. Brocken getrockneter Farbreste liegen auf der Acrylplatte des Zeichentischs. Darunter befinden sich die zusammengesetzten Splitter der vier Scherbengerichte, mit denen ich das Doppelportrait der Väter zusammengesetzt hatte. Der Klang von tropfendem Wasser, mit dem ich das Gärtchen feucht halte, dringt an mein Ohr und eine der Wasserflächen vibriert konzentrisch. Das Insekt, das ich mit meiner Hand aus der Mitte heraushebe, will sich nicht von meiner Haut abschütteln lassen, mit der ich gerade Wasserfarbenmuster von einer zur anderen Buchmalerei übertragen habe. Das vom Wasser malträtierte Papier wirft Grate auf, die sich der nächsten Schraffur in den Weg stellen.

Wenn ich in dieser sinnlichen Situation beginne, die Werktagscollagen einzurichten und dabei die jüngsten Zeichnungen von Rolle 8 mit einbeziehe, kann es sein, dass ich, wenn ich mit dem ganzen Werktagebuch fertig bin, erst einmal eine Pause bei meinen Eidechsen im Gärtchen brauche.

Gründlich grundierte ich gestern das 5. Relief mit mehreren Schichten Weiß und Schellack. Das erweitert die Möglichkeiten für die Zeichnungen, denn mit der Tusche, die längere Zeit flüssig auf der Oberfläche steht, lassen sich Verläufe, Ausblühungen und Wolken kontrastreich zu den Splitterkanten der Reliefoberfläche inszenieren.

Zeilen

Die drei Motive, die auf Rolle 8 vor den Tanzfiguren entstanden sind, fügte ich nun überlagernd und fragmentarisch in die Figurenumrisse ein. Bei den Wiederholungen der Schwünge, Rasterpunkte und Gitterstrukturen, gibt es unterschiedliche Konstellationen der Schichtungen. Abgesehen davon, dass ich von der Triostruktur kurzzeitig abgewichen bin, läuft alles, was ich mit vornahm, wie in einem Uhrwerk ab. Nun kann ich das Relief Nummer 5 grundieren und mit seiner Bemalung beginnen.

Weil Buchmalereien und Überlagerungssequenzen immer lang gestreckter werden, manchmal eine Zeilenform und etwas Schriftartiges annehmen, kam es bei einer der gestrigen Collagen dazu, dass ich die Motive in zwei Zeilen übereinander anordnete. Das hat Dynamik hinzugefügt und führt zu besserer Lesbarkeit.

Gestern schnitt ich Weidenruten, entblätterte und wässerte sie, um mit den Objekten aus Reliefscherben und gebogenen Ruten weiter zu machen. Auch das geschieht mit dem Ziel, materialgerechter zu arbeiten.

Indienststellung

Die Figur einer Wandmalerei, die ich im Kloster Lhalung gesehen und nun auf Rolle 8 übertragen habe, gehört zu einer Gruppe weiblicher Bön-Gottheiten, die einer plastischen Abwehrfigur beigestellt sind. Die Übergänge der Religionen werden innerhalb dieser Bauten besonders sichtbar. Die Indienststellung vermeintlich fremden Personals aus Hinduismus und Bönglauben in die Vorgänge der buddhistischen Erzählungen, sind mir natürlich nahe.

In meiner derzeitigen Überlagerungssequenz auf Rolle 8, finden sich eine Felsgravur einer Oryxantilope der Nama Buschleute in Namibia, die besagte Böngöttin aus Lhalung, das Zöglingsportrait aus dem Jugendwerkhof Gerode, eine Tanzszene aus einem Ballettsaal in Frankfurt, mehrere Gravitationsschwünge und die Umrisse meiner dritten Buchmalerei vom 14.06. 2020. Diese Reihung und die nun folgenden Überlagerungssequenzen, bilden die Voraussetzung für die Weiterarbeit an der Bemalung der nächsten Relieftafeln.

Mit Franz Konter sprach ich über Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Zunächst könnte ich mir vorstellen, mit ihm gemeinsam, hier in meinem Atelier, etwas zu malen. Nach einem solchen Test, kann man weitersehen.