Schnüre

Nach einer Tanzvorstellung im Mousonturm trafen wir danach am Biertisch im Garten Mathias Pees, die Künstler und ein paar Leute, die in aller Welt gelebt haben. Das war ein Abend, wie in der Kantine des Heidelberger Stadttheaters vor 30 Jahren.

Die Bühne zeigte eine Schnurkonstruktion in der sowohl der Tänzer, als auch eine lebensgroße Marionette hingen. Beide waren so miteinander verbunden, dass sie ähnliche Bewegungen machten.

Hinter dem aufwendigen Schnurkonzept steht, wie ich glaube, ein mathematisch – ornamentales Denken. Im Zusammenhang mit Bewegung und Musik, fällt mir immer öfter auf, dass es einem Gegensatz zwischen der Rhythmik beider Teile bedarf, der die Spannung auslöst, die das Ganze braucht. Ein gleichmäßig zuckender Körper benötigt die wabernde, musikalische Wolke. Der Walzer beispielsweise illustriert sich gegenseitig in Tanz und Musik.

Auf Rolle 6 entstehen Frottagen. Und aus denen Tuschelinien und deren Überlagerungen. Ein meditativer Kontrapunkt zum Festivalaufbau vor dem Atelier.

Kinästhetik

Die Bauarbeiten für das „Blendfestival“ auf Teves West nehmen an Intensität zu. Europaletten werden zu Skaterlandschaften gestapelt. Krachend fallen die Holzkonstruktionen zu Boden und werden von jungen Männern zusammengeschraubt.

Neue Begriffe schrauben sich in meinem Denken zusammen:

Kinästhetik,

raumanalytisches Modell,

Körper-Sprache.

Auch in den Buchmalereien kommt es zu impulsiven Raumformungen, die mit etwas krampfartigen Rotationen der Stifte zutun haben. Auch die schnellen, unwillkürlichen Stempelbewegungen des eingefärbten Handballens trüben die klaren Zeichnungen neblig ein und schaffen so eine andere räumliche Dimension.

Auch die kippenden Europaletten draußen schaffen durch die Bewegung der Flächen einen extrudierten Raum. Anschließend erzeugen die Schallwellen ein wolkenartiges Gebilde, das sphärisch und sich brechend geformt wird.

Im freien Raum

Bei dem, was ich gestern im Architekturmuseum an Ideen in den freien Raum entwickelte, habe ich etwas den Überblick verloren.

Die konkreteste Vorstellung zur Entwicklung von Herangehensweisen, die bislang noch nicht so sehr präsent waren, ist die der Extrusion zwischen unterschiedlichen Flächen. Das kann man an verschiedene Themen andocken („Fralin“ / „Väterprojekt“).

Andererseits aber spannte ich einerseits Bögen zur Musik in der Form von Soundarchitekturen und andererseits zu pulsierenden, sich verändernden digitalen Volumina, deren Bewegungen von der Musik gesteuert werden.

Darüber hinaus ging es um den Zusammenhang von menschlicher Bewegung und der Entwicklung von Architektur, die einen vorübergehenden, schnell verfließenden Charakter hat. Tanz bietet als Raumdefinition aber auch Blickkontaktimpulse, die Linien, Geflechte, Flächen und Räume entstehen lassen.

Impulse dafür kommen aus der Technoszene und gehen dort von Visuals über in Innenarchitekturen. Dabei denke ich an Karl Hyde und Karl Kliem.

Produktive Abwesenheit

Als der 17. Juni noch ein aufregender Tag war, bestand die Welt, in der ich mich bewegte, aus weitaus weniger Räumen. Und die waren nicht mit dieser Masse von heutigen Fragmenten angefüllt. Der Horizont umschrieb einen überschaubaren Kreis.

Heute stürzt mich die einfache Frage nach einem kleinen bebilderten Vortrag über meine Arbeit, gleich in ein unübersichtliches Unterfangen. Denn alle Fragmente sind miteinander verbunden und bilden wiederum auch nur ein Fragment. Trotz schmerzlicher Schnitte, heißt es dann: auswählen und über viele Überlegungen nicht zu sprechen.

Eventuell ist das die Lösung – nämlich davon auszugehen, was nicht erzählt wird und so einen leeren Raum schaffen, der von den anderen, den Zuhörern gefüllt wird.

Die Abwesenheit von Information kann so produktiv werden.

Schülerinnen

Meine Schülerinnen haben gestern zum Abschluss von „you&eye“ noch mal sehr schöne Blätter gemacht. Mit farbigen Kreiden fertigten sie Frottagen aus den Strukturen der Reliefformen an, verwischten sie, konkretisierten sie wieder und schufen mit Schellack weitere Schichten. Wenn ich sie eng an eine Technologie binde, vergessen sie ihre Teenagerpositionen aus Herzen und Sternchen und schaffen eine solide handwerkliche Qualität.

Nach einem sehr sonnigen Morgen ist eine blockartige Wolkenwand aufgezogen. Dieser Filter erholt das brennende Augenlicht.

Mir gehen Projekte der Stadtökologie durch den Kopf, die man auf Teves stattfinden lassen könnte. Dabei spielen gestalterische Ideen noch nicht die wichtigste Rolle, eher der Schutz von Wildnis mitten in der Stadt. Ich habe das Gefühl, dass man bei solchen Vorhaben mit Experten zusammenarbeiten muss.

Am Nachmittag schaue ich mir an, was Rush Finn im Museum für Angewandte Kunst mit unseren Arbeiten eingerichtet hat. Fotos von dort kann ich dann auch in meinen Vortrag fürs Architekturmuseum einfügen…

Raum | Sound | Habitat

Nach einer kurzen Auszeit im kleinen Karolina – Haus in der Nordpfalz, habe ich die 21 Buchmalereien aus diesen Tagen gescannt und dann begonnen eine Bilddatei für einen kleinen Vortrag im Architekturmuseum zusammenzustellen. Die Buchmalereien haben auf die eine oder andere Weise meine Projekte der letzten 43 Jahre begleitet. Jeweils das mittlere der 3 Bilder des 17. Juni seit 2000, also 19 Malereien im zeitlichen Abstand von einem Jahr habe ich eingefügt. Von jeder Abbildung aus könnte ich nun auf die Projekte verweisen, die ich in den Jahren gemacht habe. Weil das aber den Rahmen sprengt, zeige ich nur ein wenig vom Väterprojekt.

Den Ausblick auf die Extrusionen zwischen den Handprintwanderungen in Frankfurt und Berlin werde ich dann ohne Bilder erklären, um die Spannung noch ein wenig zu halten.

Extrusionen sind auch zwischen den unterschiedlich zersplitterten Scherben der 4 Scherbengerichte des Väterprojektes möglich.

Die Verarbeitung der Frottage von einer Gussform für ein Väterrelief innerhalb der heutigen 3 Buchmalereien, zeigt wieder den Zusammenhang zwischen den Splitterrändern und aufgezeichneten Wegen der Stadtwanderungen. Somit ist Extrusion ein weiteres Tool, die Themen, mit denen ich mich beschäftige, für Raumfindungen produktiv zu machen. Dazu kommen noch Sound und Habitat.

Soundpainting

In der Nacht konkretisierten sich die Architekturen im Kyffhäuserland. Grundrisse werden mit durchscheinenden Wänden eingefasst und mit ebensolchen Flachdächern abgedeckt. Das sind virtuelle Gewächshäuser für virtuellen Hanfanbau, so genannte „Kiffhäuser“. Sie werden für eine Wertschöpfung benötigt, aus der Geldscheine hervorgehen, die man in die ermittelten Grundrissformen plotten kann, um sie für den Modellbau zu stapeln. Die Reste der Geldscheine werden als Collagen in Karsthöhlen geklebt. Das ist das ökologisch –nomische Projekt.

Am Rande einer längeren Auswertungssitzung zum „you&eye“ – Projekt, regte ich mehr Zusammenarbeit der Künste an. So könnte ich mir mit den Sound – Paintern eine Kooperation vorstellen. Ich denke an Soundfiles aus dem „Kyffhäuserland“, die man mixen kann. Die Interaktion besteht aber auch aus der Bewegung der animierten Architektur, die aus meinem „Landschaftern“; also den Wanderungen in den verschiedenen Landschaften entstand und im Zusammenhang mit und in Abhängigkeit vom Sound generiert wird.

In diesem Zusammenhang lerne ich gerade einiges aus den „Drift-Episoden“ von Karl Hyde, der sich, was man seinem täglichen Blog entnehmen kann, auch gerade auf Wanderschaft befindet.

Landschaftern

Wenn ich an meine Wanderungen denke, die ich mit GPS aufgezeichnet habe, entsteht jetzt gleich in meinem Kopf ein dynamischer Raum, dessen vorübergehende Gestalt in Momenten angehalten wird, um einen architektonischen Entwurfsprozess in Gang zu setzen. Die Bewegung lässt Strukturen entstehen, die für die Entwicklung von körperbasierten Raummaßen nutzbar sind.

Frühe Entwurfphasen von Raumkonzepten, haben bei mir zumeist einen hohen Anteil von freudigen Ereignissen des lustvollen Querdenkens. Im Zusammenschluss dieser Denkraumergreifung mit der Wanderbewegung, die ebenfalls ihre Glücksmomente hat, scheint mir ein Potential zu liegen, mit dem man in Gruppen Erkenntnissen nahe kommen kann, die über ein Normalmaß der gestaltenden Bewegung hinausgehen.

Der Begriff des „Landschafterns“, der aus der Theatermalerei kommt, und nur einen Malprozess beschreibt, der mit langstieligen Pinseln (Landschaftern), auf einer riesigen Leinwand stehend vor sich geht, könnte eine Umdeutung erfahren. Die Linie, die ich gehend zeichne ähnelt der, die vom GPS aufgezeichnet wird. Im „Fralinprojekt“ wird also lustvoll gelandschaftert.

MOBILIE

Das Fralinprojekt erweiternd, fügen sich nun weitere Schichten hinzu. Einerseits hat mich die Bemerkung des Biologen, dem ich von der Verortung dieser virtuellen Topografie im Kyffhäuserland erzählte, dass diese Karstlandschaft ökologisch sehr interessant sei, in eine neue Richtung gelenkt.

Als zweite Inspiration oder Bestärkung in meinem Bemühen, erlebe ich den Text von Kirsten Maar, der die choreografische Arbeit von Forsythe und Architektur zusammenführt.

Der Raum, der durch mein Konzept, durch mein Gehen und die Zeichnungen, die sich auf diesen Gegenstand beziehen, entsteht, gleicht einer dynamischen Architektur. Produziert wird eine „Mobilie“, ein sich wandelnder Raum in der Kyffhäuserlandschaft.

Als ich gestern die Arbeiten für das MAK zusammenstellte, fiel mir noch einmal auf, wie stark die Schülerarbeiten meine Suche nach dem Wesen von Oscar Fitzner spiegeln. Duc beispielsweise zeichnete das Blatt mit seinem zierlichen Handumriss, den Straßenlinien Berlins darin und dem großen roten Stempelbuchstaben – Schriftzug. „Handprint Berlin“.

you&eye | Väterprojekt | MAK

Während die Buchmalereien trocknen, gehe ich umher, im Atelier, auf der umkämpften Wiese (die Rushi, von Museum für Angewandte Kunst, ein Kunstwerk nennt), im Gärtchen, auf den heißen Betonflächen, dann male ich, mit meinen Aquarellstiften und mit dem Handballen, weiter.

Unterdessen werden die Eidechsen übermütig und springen in meine Wasserbottiche, aus denen ich sie dann retten muss. Vorher aber, während sie noch schwimmen müssen, predige ich ihnen Vorsicht!

Ich bin dabei die Arbeiten für die Ausstellung „you&eye“ zusammenzustellen. Rushi, der kuratiert, möchte, als Herleitung für die Arbeiten der Schüler, das Väterprojekt transparent machen. Dafür soll ich ihm Material von mir zur Verfügung stellen: Formen, Rasterportraits, Blätter der Scherbengerichte usw., die ganze Geschichte, mit der auch meine Schüler gearbeitet haben.

Gestern erschienen die Festivalaktivisten mit Gartengeräten und einer elektrischen Sense, um die Wiese zu mähen. Das hat Andreas Malten vom Fachbüro für Faunistik und Ökologie, mit einem glücklichen Timing, zunächst verhindert. Ich glaube, dass es einen Kompromiss zwischen dem Artenschutz und der urbanen Kultur des Hip Hop geben wird.

Podarcis muralis

Andreas Malten ist der Mauereidechsenexperte der Region. Er hat vor zwanzig Jahren die Population auf dem Güterbahnhof entdeckt. Diese hat sich nun bis zu uns auf Tevesgelände ausgebreitet. Er kartierte das hiesige Vorkommen und stufte die Wiese als Rückzugsraum für die neu geschlüpften Eidechsen ein.

Interessant für mich sind die kannibalischen Tendenzen der alten Tiere, sobald ihre Jungen da sind und sich nicht schleunigst in einen Raum verziehen können der Schutz bietet.

Somit ist nun erst einmal das Mähen der Wiese verschoben, bis die Naturschutzbehörde die Genehmigung dafür erteilt. Bis dahin hat mein Konzept, das ich gestern entwickelt hatte, noch keine konkrete Grundlage.

Erst einmal ist nur Christi Himmelfahrt.

Raumexperiment Wiese

Ein paar ältere Transparentpapierrollen liegen auf einem der Arbeitstische. Ich schaue auf die Muster, die ich vom Rückbau des Palastes der Republik durchzeichnete und finde sie in den zusammengesetzten Splittern der Väterformen wieder, der Frottagen die die Schüler und ich von ihnen machten.

Gestern dachte ich daran, aus einer Dokumentation der Zerstörung der Wiese, eine raumexperimentelle Arbeit zu machen. Ihre erste Schicht bildet sich aus totem, geschreddertem Naturmaterial: Gras, Blätter, Pilze, Schnecken, Grashüpfer, Nachfalter, Käfer, Ameisen, Wildbienen, Schwebefliegen und Eidechsen. Getrocknet und von Schellack umschlossen, kommt es zwischen zwei Transparentpapierlagen und wird gepresst. Hier verzweigt sich die Erzählung. Der eine Strang wird nun von der Extrusion des gepressten Bildes in einen Quader begonnen und der andere beschäftigt sich mit den Frottagen des Materials des Skaterparks, der auf der Wiese montiert werden soll. Diese Blätter werden wieder mit Schellack zusammengeklebt und gepresst. Sie bilden den nächsten extrudierten Block.

Die Arbeit greift nach einen Moment und dehnt ihn zu einem exemplarischen Vorgang dieser Gegenwart.

Eindunklung von Raum

Die Beobachtung von ineinander greifenden Bewegungen und ihren Einfluss auf die Veränderung des Handlungsraumes schlägt sich in den Buchmalereien nieder. Die Reaktion auf einen Farbreiz lässt eine Farbvision erscheinen, die dann in die Realität umgesetzt werden kann. So erscheinen mir Farbkonstellationen, kurz bevor ich sie auf dem Papier einrichte.

Der viele Regen der letzten zwei Tage hat die Eidechsenwiese noch mal kräftig wachsen lassen. Auch die Vögel jagen gern und erfolgreich im hohen Gras. In diesem Biotop befindet sich viel Kleingetier, das nun mittlerweile selten geworden ist.

Aber nicht für alle Nutzer des Geländes ist das ein Grund, das Areal zu schützen!

In dieser Weise wird ein positiv besetzter Raum eingedunkelt. Das ist wie farbige Bildhauerei. Vielleicht lässt sich die Zerstörung des Naturraumes künstlerisch verfolgen und verarbeiten, um das Projekt letztendlich doch noch positiv, zum Nutzen des Geländes, umzufunktionieren.

Wildnis

Die Buchmalereien befinden sich auf dem Weg zu Kartierungen imaginärer Städte. Ihre Quartiere sind fragil und können schnell ausgelöscht oder von der Natur zurückerobert werden. Dann entsteht die wilde Stadt oder das virtuelle Fralin im Kyffhäuserland.

Hier auf dem Gelände, wo die Mauereidechsen zurückgekehrt sind, sollten wir uns, zusammen mit der Kunst, noch etwas mehr Wildnis leisten. Die Zuwanderung der Reptilien ist ein schöner Beginn… Nun sollte es um die ganze Vielfalt gehen, die hier mitten in der Stadt möglich ist.

Das Ziel also: mehr Wildnis, weniger Lärm, mehr Konzentration, weniger Zerstreuung. Diese Form einer Belebung kann sehr vielfältig aussehen. Ich freue mich darauf.

In den Büschen am Bahndamm habe ich kürzlich eine derart variantenreiche Vogelstimme gehört, die ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Das sollte ich mal mit dem Phone aufnehmen und einem Experten vorspielen.

Unser Nachhaltigkeitstag mit der Hindemithschule wird nun durch das Blendfestival hier auf dem Gelände behindert. Es wird sich ausbreiten und einen knappen Monat lang das Gelände beherrschen. Das ist für unsere Eidechsen und alle, die wir ansonsten schützen wollten, keine gute Nachricht. Ich sammle schon die ganzen schönen gelben Schnecken von der Wiese, weil sie nun bald gemäht werden soll.

Geschichte(n)

Die finale Frottage in den Buchmalereien führt mich oft zurück in alte Zeichnungsstrukturen, die aus dem Studium, dem Durchdringen der Gesträuche der Achtzigerjahre stammt. Hand und Unterarm geraten in eine improvisierte Choreografie, die Erinnerungen entstehen lässt, die manchmal noch nicht erinnert worden sind.

Geschichten entstehen, die die Geschichte als Webfaden durchdringen. Erinnerungen, die noch nicht hervorgetreten, aber dennoch vorhanden sind, können durch Ortsbegehungen, durch das Zeichnen oder aber durch Konzentration hervorgeholt werden.

Dann bevölkern sich die Bilder mit den alten Figuren, dann beginnt die Malerei.

Ich höre die „Drift-Episoden“ von Karl Hyde und schicke die Töne in die Spur meiner Linien. Dort beginne ich dann, mich zu bewegen.

Entspannung

Meine Spannung lässt, nachdem die Reliefs abgeschlossen sind, etwas nach. Ich gebe dem Raum und schiebe den Neuanfang mit der Malerei noch ein wenig vor mir her.

Der Regen hat meine Wiese sprießen lassen und neue, fremde Pflanzen blühen auf ihr. Demnächst soll sie gemäht und dann danach, von Besuchern eines Festivals, sehr strapaziert werden. Das könnte sie um einige Jahre, in denen sich die Pionierpflanzen eingefunden haben, zurückwerfen. Sie ist Wohnstatt für kleine Heuschrecken, Käfer, Insekten, Eidechsen, Schnecken, alle möglichen Würmer, Tausendfüssler und Asseln. Das ernährt die Singvögel, deren Population in diesem Jahr schon abgenommen hat.

Morgen habe ich einen ganzen Tag mit Schülern. Im Raum der nachlassenden Spannung hat sich eine Erkältung breit gemacht, die mich beschäftigt, wie die Handwerker, die fröhlich lärmend, in der Wohnung und im ganzen Haus eine neue Wasserleitung verlegen.

„Entwürfe und Gefüge“ von Kirsten Maar

In der Dissertation von Kirsten Maar „Entwürfe und Gefüge“ lese ich viel über meine Arbeit und wie sie im Untergrund mit der von Forsythe verbunden ist. Sie findet Worte für Zustände, deren Bezeichnungen Haltepunkte im Fluss der stetig laufenden Produktion sein können. „Figuration des Unabgeschlossenen“ ist ein solcher, der Zwischenstationen meiner Arbeit bezeichnen würde.

Das Choreografische schließt sich formal mit meinen topografischen Studien zusammen.

Beispielsweise könnte ich aus einem aufgezeichneten Spaziergang um den Potsdamer Platz, die umgangene Fläche freistellen und sie in eine Architektur extrudieren, wobei das obere Ende des entstehenden Volumens, den Umriss eines Frankfurter Platzes aufwiese. Schneide ich diesen Körper auf halber Höhe auseinander, so entspricht die Schnittfläche, der Mitte des Übergangs beider Umrisse. Auf halber Strecke zwischen Berlin und Frankfurt würde ich diese Fläche im Kyffhäuserland umwandern. In diese Landschaft ließe sich dann ein virtueller Block setzen, der wiederum aus der Extrusion dieser Fläche hervorging.

Das Unabgeschlossene hätte dann eine seiner Formen gefunden.

Peer Gynt | Tizian | letzte Form

Wir sahen am Sonnabend eine viereinhalbstündige Premiere von „Peer Gynt“, in der Regie von Andreas Kriegenburg. Mittlerweile ist sein Stil etwas altmodisch, was mich aber eher für ihn einnimmt. Auch dieses Werk hatte einen stimmigen roten Faden in Kostümen, Bühnenbild und Figurenführung. Wie meistens aber, störten mich seine etwas ausufernden Choreografien, die dann ins Kunstgewerbliche abgleiten.

Ich traf Karlheinz Braun, die Kulturdezernentin und ihre neue, brandenburgische Mitarbeiterin in den zwei Pausen im Foyer und dann auf der Premierenfeier.

Im Städelmuseum sahen wir gestern Tintoretto und seine venezianische Kollegenschaft. Eine erschlagende Fülle von Geschichten, Ebenen und malerischen Gesten. Die Ausstellung fügt sich gut mit der Schau von „Bellini und Mantegna“ zusammen, die wir in Berlin sahen, und man könnte den Bogen noch weiter nach München spannen, wo Caravaggio gezeigt wird. Vielleicht schaffen wir das noch am Rande unserer Reise zum nächsten Dylankonzert.

Die Frottage der heutigen Buchmalerei, die ich oben in die Collage eingefügt habe, stammt von der Form des 16. und letzten Väterreliefs, die ich gestern vom Modell gelöst hatte. Sie ist perfekt, ohne jede Fehlstelle und ohne eine einzige Luftblase.

„Heerlager der Heiligen“

In den Kammerspielen sahen wir gestern einen Schauspielabend mit einem dramatischen Text nach dem Roman „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail. Mit einem Ton, der in der Übersetzung und Dramatisierung etwas beleidigt klingt, schuf der Autor schon in den Siebzigerjahren die drastische Beschreibung einer Flüchtlingssituation. Eine Million Migranten dümpeln im Meer vor der südfranzösischen Küste, die als Wald von Armen und Geschlechtsteilen beschrieben werden. Die Inszenierung setzte auf unappetitliche Zusätze, die kaum nötig gewesen wären.

So aber verfestigt sich bei mir ein Eindruck, dass ältere Franzosen gerne einen Überdruss ästhetisieren, der mit ihrem eigenen Altern zutun haben könnte.

Am Rande der Premiere sah ich David, der mir eine Mitarbeiterin vorstellte, die vom Bodemuseum ins Kulturdezernat wechselte. Ich hatte sie zuvor schon im Zusammenhang von „you&eye“ getroffen.

Für heute nahm ich mir vor, die letzte Form des Väterprojektes zu bauen. Der Nachmittag ist frei dafür.

Letzte Splitter

Als ich gestern Abend zunächst die letzten Scherben und dann die letzten Splitter des letzten Reliefs des Väterdoppelportraits modellierte, war mir so, als würde ich nun eine lange Wanderung beenden. Mit dem Näherkommen des Endes verdichtete sich ein Widerspruch zwischen Erleichterung, dass ich es zwei Jahre durchgehalten hatte, diese abertausend Splitter zu modellieren, und dem Gefühl einer gewissen Leere, wenn ich nun diese Arbeit, die mir zur Gewohnheit geworden ist, aufgebe.

In dieser Woche steht jetzt noch der Formenbau an. Aber dann kann ich erst einmal etwas kürzer treten, um mich in Ruhe an die Malerei zu begeben. Ich hatte überlegt, mir einen Rahmen mit 16 Fächern zu bauen, damit ich alle abgeformten Einzelreliefs zu den Varianten von Malereien zusammenbringen kann, die nun folgen werden.

Der Nachmittag gehört dem Altkönig, dem Keltenberg, den ich möglichst jeden Mittwoch besteigen will. Die Steinringe an seinem Gipfel führen einen immer wieder 2400 Jahre in die Vergangenheit. Das schafft einen Abstand zum täglichen Geschehen, etwas Läuterung und Ruhe.

Stadtarbeit

Die schreitende Figur, die ich vor vielen Jahren entworfen hatte, als ich mit digitaler Skulpturarbeit begann, ist gestern wieder in drei unterschiedlich großen Exemplaren, für den Gründerpreis der Stadt Frankfurt vergeben worden.

Ich mische mich ganz gerne unter die vielen Unternehmensgründer, die zu dieser Gelegenheit im Kaisersaal anwesend sind, weil sie zumeist interessante Geschichten zu erzählen haben, wie sie zu ihren Geschäftsideen gekommen sind. Eine junge, vitale Gesellschaft ist das, die in der Stadt immer wieder für eine Aufbruchstimmung sorgt und mich inspiriert.

Im Museum für Angewandte Kunst (MAK), habe ich heute, gemeinsam mit den Akteuren von „you&eye“, einen Ausstellungsraum angesehen und mir eine Konzeption vorstellen lassen, mit der die Arbeiten des Projektes ausgestellt werden sollen. Meine Schüler sind begeistert, dass dort ihre Arbeit gezeigt werden kann. Es ist auch genügend Material da, aus dem der Kurator das aussuchen kann, was in die Linie passt.

Gleich gehe ich wieder an das letzte Relief…

Zwiespältig

Ich hatte die Idee, aus der Umgebung jedes Ortes, an dem ich Tagebuch schreibe, eine Frottage zum Ausgangsmaterial für die Buchmalerei dieses Tages zu machen.

Den gestrigen Sonntag habe ich in meinem Garten verbummelt. Am Bahndamm kämpfe ich mich mit der großen Gartenschere in das Brombeerdickicht, um dort einen Steinhaufen oder eine Trockenmauer zu errichten, die eine Station für die Reptilien bilden soll, die über das Schotterbett der Schienen zuwandern.

Auf der neuen Erde, mit der ich mein Gärtchen, direkt vor dem Atelier, vor ein paar Wochen erweiterte, säte ich eine Blumenwiese aus. Die Eidechsen graben dort nach Regenwürmern.

Ich muss mich ab und zu dazu zwingen, die letzten paar Scherben des letzten Reliefs zu modellieren. Ich habe mich in den vergangenen zwei Jahren so an diese Tätigkeit gewöhnt, dass ich nun das Ende dieses Arbeitsschrittes mit zwiespältigen Gefühlen auf mich zukommen sehe.

Maskenschichten

Nichts ist mir nun dringender, als das letzte Relief des großen Doppelportraits der Väter, fertig zu modellieren, die Form zu gießen, um es dann mit Pappmache abzuformen. Wenn ich das hinter mir habe, möchte ich bis zum nächsten Arbeitsschritt etwas Zeit vergehen lassen.

Das ist Zeit zum Aufräumen!

Eine Autorin und Journalistin möchte mich zum Thema „Tagebuch“ befragen. Das rührt in mir an, dass dieses Schreiben sehr mit meiner Arbeit verbunden ist und meine Arbeit stetig mit meinem Inneren spricht. Das Schützenswerte tritt nach außen, versucht sich noch zu maskieren, um sich nicht vollständig preisgeben zu müssen. Auf der Maske aber bilden sich mit der Zeit die Schichten ab, die ganz innen schlummern.

Wolken segeln schnell von Westen durch den Luftozean und schaffen die abwechslungsreiche Beleuchtung, die mich immer wieder hinaus in das Gärtchen zieht. Vier Eidechsen versammeln sich unter der Acrylglaskuppel, kriechen aus ihren Lochstein – Appartements und wärmen sich auf, für die Jagd.

Muster unter der Malerei

In der Schirn Kunsthalle sahen wir gestern die Animationsfilme von Nathalie Djurberg mit der Musik von Hans Berg. Finstere Phantasien wurden in bunten Kleidern lebendig. Das Grauen erschien lustig und das Spaßige grauenvoll.

Im zweiten Scherbengericht, also im oberen linken Viertel des Väterreliefs, gibt es eine Scherbe, mit deren Form ich heute, innerhalb der ersten Buchmalerei am Morgen, eine Frottage gemacht habe. Dort fand ich Teile der Struktur des Fachwerkes wieder, aus dem eine Wand meines Kinderzimmers in Gerode bestand. Außerdem verflocht sich die Struktur mit den Gravitationsschwüngen, die aus den Rohrgeflechten der Züchtigungswerkzeuge hervorgingen. Diese Strukturen werden in meinem Kopf in Zusammenhänge transferiert, die immer ähnliche Muster bilden.

Auf die Schicht dieser Muster, die sich in den Reliefs niedergeschlagen haben, werde ich nun bald anfangen, die Malerei zu setzen.

Und gleich beginne ich wieder zu modellieren, immer schneller dem Ende entgegen.

Kriegerisch

Dreißig Jahre meines Lebens war dieses Datum der „Tag der Befreiung“, ein offizieller Feiertag. Von da an spielte die ruhmreiche Sowjetarmee eine gewisse Rolle in meiner Umgebung. Die rohen Russenkasernen waren oft in der Nachbarschaft.

Die vielen Gerodefotos auf dem Zeichentisch zeigen auch die Kirchenruine, die, von altem Efeu und Bäumen überwuchert, auch in Ankor Wat stehen könnte. Ich erinnere mich auch an die gewaltigen Figurenreliefs an den Wänden der Ankor – Tempel, die kriegerischen Szenen mit Schirmen, Alltagsszenen, Kampfelefanten und Unmengen von bewaffneten Fußtruppen.

Mein Relief, an dem ich gestern, trotz einiger Unterbrechungen des Arbeitstages, weiter modellierte, ist auf den ersten Blick überhaupt nicht kriegerisch, sieht man mal vom Ursprung der Gravitationsschwünge ab. Bleibt abzuwarten, was die Malerei hergeben wird. Es gibt ja eine größere Zeichnung auf Packpapier, die auf Nesselleinen aufgezogen ist und bereits einen autobiografischen Erzählstrang besitzt. Ich sollte mir dieses Großformat noch mal anschauen, oder vielleicht sogar im Atelier aufhängen.

Die Arbeit mit den Schülern wird vom Kulturamt ein weiteres Jahr gefördert. So werde ich sie weiter an meiner Arbeit beteiligen können. An welchen Projekten genau, wird sich noch zeigen.

Fachwerk

Auf den Fotos von Gerode fiel mir das Fachwerk der Wand ins Auge, hinter der mein Zimmer lag. Da passte nicht viel mehr als ein Bett hinein. Ich kann mich auch nicht erinnern, mich dort, außer zum Schlafen, aufgehalten zu haben.

Auf die Balkenmuster kam ich durch die heutige Frottage innerhalb der ersten Buchmalerei.

Zwei waagerechte Balken begrenzten Ober- und Unterkante des Fensters. Drei Diagonalen füllten die Rechecke auf unterschiedliche Weise. Rechts neben dem Fenster entstand beispielsweise ein X. Der ganze Rhythmus dieser Wandunterteilung führt zu einem Bewegungsmuster, einer möglichen GPS-Kartierung. Somit komme ich wieder zu den Splittern der Reliefs zurück, die Stadtplänen ähneln.

Auf der Rückseite des niedrigen Gebäudes, fällt der Untergrund ab, zu der Quelle, die die Fischteiche speist. Dort am Hang unterbaute man das Fachwerk mit einem Sandsteinkeller, der zur Aufbewahrung von Lebensmitteln genutzt wurde. Eines Tages hatte sich dort einer der Zöglinge versteckt, der lange vermisst worden ist und den man flüchtig glaubte. Er wurde gefunden, nach Tagen, aufgedunsen von den Zuckerrüben, von denen er sich in dieser Zeit ernährt hatte.

Ich erinnere mich an die erwachsenen Gesichter der Kinder, ihre großen schmalen Köpfe mit den Augen-Seen.

Theater | Müttermantel

Am Wochenende besuchten wir drei Theaterabende. Eine französische Tanzcompany aus Paris zeigte, im Frankfurt LAB am Freitag im Stück „Crowd“, eine Technoparty in Zeitlupe. Dabei war die Kontaktaufnahme zwischen den Darstellerinnen und Darstellern ein gut zu beobachtendes, raumschaffendes Element. Mit mehr Präzision ließe sich mit diesem Mittel ein spannender Abend erzählen. Aber weder die Choreografie noch das tänzerische Vermögen reichten dafür aus.

Im Schauspiel sahen wir das sechsteilige Stück „The Nation“ an zwei Abenden. Das war unterhaltsames, aber nicht zwingend notwendiges Theater. Die Mittel einer Miniserie hätten ernster genommen werden sollen, wie auch die Figuren, die sie bevölkern. Mehr Tempo und weniger Fülltext hätten der Sache gut getan.

Durch die Recherche zum Kloster Gerode, in dem ich die wichtigsten Jahre meiner Kindheit verbracht hatte, kam ich am Wochenende auf den Gedanken, das Mütterprojekt enger mit diesem Ort zu verbinden. Die Marienfigur im Relief über dem Haupteingang zum Zellentrakt, wachte mit ihrem schützenden Mantel über mich . Manchmal, an Feiertagen, war sie mit roten Tüchern, auf die sozialistischen Parolen gemalt waren, zugehängt.

Die Holzskulptur „Müttermantel“ stelle ich mir mit geraden Linien vor, sehr konstruktiv und weniger geschwungen.

Gerüche | Fotografien

Schwerer, dunkler Schlaf, aus dem ich nur langsam erwachte. Schnell ziehende Wolken schaffen abrupte Lichtwechsel. Das weckt mich auf.

Am Morgen telefonierte ich mit meinem Vater, der heute 83 Jahre alt geworden ist. Und in den Fotokisten suchte ich nach Abbildungen von meiner Kindheit im ehemaligen Kloster Gerode, die ich dann unter die Acrylscheibe meines Zeichentisches legte.

Ich hatte ein Spielzeugflugzeug, das ich mit einem Gummi an einem kurzen Stab starten konnte. Es drehte ein Looping und landete unsanft mit der Gummispitze in der Wiese vor dem großen Klosterzellentrakt. Durch den Aufprall riss die Flügelbespannung und das besondere Spielzeug, über das ich mich sehr gefreut hatte, war nach einmaliger Benutzung kaputt. Ich erinnere mich an meine Trauer.

Wenn ich mich konzentriere, treten aus den Gerodefotografien andere weiterführende Erinnerungen heraus. Viele haben mit dieser Stofflichkeit zutun, die kaum Plastik kannte. Kalkgestein, Sandsteingesimse, alte Obstbäume, ein Bach, der unterhalb unseres Wohnhauses entsprang. Gerüche von Wolle, Asche und Moder von den Fischteichen.

Schnittpunkt

Die ersten Mauersegler sind da und zeichnen ihre Gravitationsschwünge in den blassblauen Himmel. Aber meine Gedanken ordne ich an diesem Morgen, angesichts der sich in meinem Garten sonnenden Eidechsen.

Ein geografisches Kreuz zwischen meinem Gärtchen und der Nordwestecke des ehemaligen Palastes der Republik, der Friedenskirche in Swidnica und dem ehemaligen Kloster Gerode, hat, an einem Wehr im Niemandsland der Kyffhäusergegend, seinen Schnittpunkt.

Ich plane, mich in Gerode, wo ich fünf wichtige Jahre meiner Kindheit verbracht habe, einzuquartieren, um diese Gegend zu erkunden. Außerdem kann ich in dieser Umgebung in die Kindheitserinnerungen hinabsteigen und einiges zutage fördern, dass für das Väterprojekt noch wichtig werden kann.

Gestern modellierte ich, etwas halbherzig weil Feiertag war, am letzten Relief des großen Väterdoppelportraits. Die Buchmalereien von gestern, haben eine etwas garstige Ausstrahlung, nicht misslungen, aber grau und verknotet. Das ordnete sich heute wieder in eine klarere, hellere Spannung.

Umrisse

Am Morgen gingen mir wieder mögliche Extrusionen durch den Kopf. Diesmal betrafen sie die Skulptur des „Müttermantels“. Die Grundrisse, die von der Basis, dem Saum, bis zum Kragen, den Faltenwurf und die Verjüngung bestimmten, würde ich an Orten suchen, in der meine Großmutter und meine Mutter zu Hause waren. Da gäbe es den Umriss des Klosters Gerode, das von einer geschlossenen Mauer umgeben ist und den Hof in Schweidnitz, das heute Swinoujice heißt, in dem meine Mutter als Kind gespielt hat.

Gerode liegt 50 km westlich von Bellingen, der Mitte zwischen Frankfurt und Berlin…. Diese Situation möchte ich mir anschauen, wenn ich mit der Modellierarbeit hier fertig bin.

Gestern formte ich langsam ein paar Scherben des 16. Väterreliefs und werde das heute, trotz Feiertag, wohl auch weiter tun.

Genuss

Als ich gestern mit dem Modellieren des letzten Väterreliefs begonnen hatte, ging mir die Arbeit fast zu schnell von der Hand. Ich machte Pausen, um diesen Arbeitsschritt in Ruhe und genussvoll zu Ende zu führen. Am 15 August 2017 begann ich, nachdem ich in den vier Scherbengerichten die 600 Scherben in kleine Splitter zerspringen ließ, mit der plastischen Arbeit am ersten Relief.

Auf Google Earth sah ich mir noch einmal die Gegend in der Mitte zwischen Frankfurt und Berlin an. In dieser Kyffhäuserlandschaft gibt es alte Klöster und frühe Bandkeramikfunde. Besonders interessiert mich ein schöner, romanischer Kirchturm, der einzeln, ohne Kirchenschiff, in einem Dorf steht.

Vielleicht kann ich mir die Geschichte des Bauernkrieges in dieser Gegend noch mal anschauen.

Der Arbeitsvormittag war etwas zerrissen. Zunächst planten Handwerker die Verlegung einer neuen Wasserleitung in unserem Haus, was unsere Gegenwart erforderte. Jetzt habe ich noch einen Lebensmitteleinkauf vor mir. Aber am Nachmittag kann ich mich wieder dem Modellieren widmen.

Fralin | 4 Generationen

Gestern ermittelte ich die Mitte der Luftlinie von meinem Garten bis zur Nordwestecke des Palastes der Republik, von wo aus ich als Soldat sehnsüchtig in den Westen geschaut habe. Dieser Punkt liegt in der Nähe von Göllingen im Kyffhäuserland. Soweit ich es bis jetzt überblicke, läge „Fralin“ in einer vielschichtigen Kulturlandschaft. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dort mal zu wandern, um ein Gefühl für die Gegend zu bekommen. Dann erst wäre es möglich zu entscheiden, ob das Projekt, den Handprint Fralin dort zu gehen, sinnvoll und realistisch ist.

Für das architektonische Raumexperiment könnte ich mir einzelne Volumina von Extrusionen der Quartiergrundrisse von Frankfurt und Berlin vorstellen. Die werden digital in die Landschaft von Google Earth eingefügt. Dort würde mich dann eine archäologische Grabung interessieren, die Beziehungsräume um regionale Aspekte erweitern kann.

Das Brett mit der Vorzeichnung des 16. und letzten Reliefs des Väterprojektes liegt auf dem kleinen Modelliertisch. Ich beginne heute mit dieser Arbeit, die mich den ganzen Mai beschäftigen wird, denn das Relief besteht aus sehr vielen Splittern des 4. Scherbengerichtes.

Am vergangenen Freitag sah ich meinen Vater, der sich mit seinem Urenkel unterhielt. Es entstanden einige 4 – Generationenfotos.

15. Form

Gestern goss ich die 15. Form des Väterreliefs und löste sie gleich vom Modell. Das gelang ohne Fehlstellen oder andere Komplikationen. Im Gegensatz zu den ersten 13 Formen, die ich mit vielen Gipsbechern auffüllte, goss ich die letzten beiden Exemplare am Stück, also mit einem angerührten Eimer Gips. Das führt dazu, dass das Material schneller abbindet und scheinbar auch homogener und stabiler trocknet.

Das letzte Relief beginne ich in der kommenden Woche. Weil sich diese Arbeitsphase nun dem Ende zuneigt, muss ich mehr Energie aufwenden, um die Spannung zu halten.

Am Abend kamen gestern Sturmböen auf, die Gewitterwolken mit sich brachten. Die Windrichtung drehte auf Südwest, aber Regen fiel nur wenig. Die erneute Trockenheit empfinde ich als bedrohlich, obwohl die Wiese, durch die wenigen Tropfen, gleich einen vitaleren Eindruck macht.

Der allererste Gedanke

Am Morgen gingen mir Varianten des „Handprint Fralin“ durch den Kopf. Es handelt sich dabei um ein Zusammenspiel der Handprints Frankfurt und Berlin. Wenn ich einen Übergang zwischen beiden Kartierungen anstrebe, in dem beide zu gleichen Teilen vorhanden sind, stellt sich die Frage, wo dieser dann verortet wird. Die direkte Möglichkeit befindet sich auf der halben Strecke zwischen beiden Städten. Messe ich das auf der Deutschlandkarte aus, so gelange ich in eine Gegend östlich von Sondershausen, in das Kyffhäuserland. Sofort stieg in mir ein unangenehmes Gefühl auf. Der allererste Gedanke war, dass ich mit dieser Gegend nichts zutun haben möchte.

Als mir noch nicht klar war, in welcher Gegend sich genau die Mitte zwischen beiden Städten befindet, dachte ich daran, die Gegebenheiten des Ortes, wo sich Fralin zufällig befindet, in die Städtekartierungen mit einzubeziehen. Den Handprint als Recherchemodul zu benutzen, hieße also dort nach der Geschichte der Gegend zu forschen und sie auch in Berlin und Frankfurt, als Schicht, einzufügen. In der DDR – Zeit wurden die dortigen Bauernkriegsschlachtfelder für einen Nationalmythos benutzt. Die Erhebung der Bauern wurde als Keimzelle für die späteren proletarischen Revolutionen interpretiert.

Wenn ich „Fralin“ in dieser Gegend etablierte, würde ich zwischen den Feldern und Waldstücken genügend Material finden, an dem ich mich reiben könnte. Aber der allererste Gedanke ist auch noch da.

Gegenstandslos

Über Ostern sind 15 Buchmalereien von zweifelhafter Qualität entstanden. Auf alle Fälle aber haben sich neue Mittel gezeigt. Das Konstruktive der Relieffrottagen wich, zugunsten von einzeln stehenden Formen, die gegenstandslose Erzählungen ermöglichen.

Ich kümmerte mich um meinen Garten, wässerte auch die Wiese und hatte die Ruhe, den Pflanzen beim Wachsen zuzuschauen und den Eidechsen bei ihren Revierkämpfen.

Waldwanderungen und Spaziergänge am Main bei anstrengendem Licht, das die Gewalt der Sonne ahnen lässt. Der Ostwind trocknet die Landschaften aus und aus den Baugruben in der Stadt wird das Grundwasser in den Main gepumpt.

In dieser Woche wird die 15. Form des Väterprojektes entstehen.

Bruno Gironcoli

Nachmittags stieg ich auf den Altkönig, atmete tief und versuchte nicht abzuschweifen, sah auf das Gestein am Weg und die Osterglocken mitten im Wald. Südwestlich vom Gipfel, setzte ich mich in eine sonnenwarme Kuhle und beobachtete die Springspinnen. Über mir, an einer Kiefer, war ein längliches Kästchen mit zwei Antennen, die jeweils nach oben und nach unten zeigten und einem kleinen Solarpanel, angebracht. Unter dem Horizont leuchtete ein starkes Licht, wie eine kleinere zweite Sonne etwa 5 Minuten lang auf und verglomm dann wieder.

Eine Reihe von Großplastiken des österreichischen Künstlers Bruno Gironcoli, sahen wir gestern Abend in der Schirn. Der Zugang zu seinen Werken gelang mir nicht leicht. In einem Film, mit einem ausführlichen Interview, wurde aber mehr gezeigt, vor allem Zeichnungen, die den Hintergrund der Arbeiten und den Weg dorthin beleuchteten. Erst dann entschlüsselte sich für mich die Qualität.

Die glatten Ergebnisse der großen Endprodukte berührten mich zunächst nur negativ. Sie kamen mit etwas abstoßend vor und sehr unpersönlich.

Gestern beendete ich die Modellierarbeit am 15. Relief.

Schotten

Im Atelier hängen zwei Selbstportraits von mir, als Siebenjähriger. Sie umschreiben die Rasterpunkte des alten Fotos mit vagen Farblinien. Die dunklen Flächen sind mit Lasuren ausgefüllt. Diese Arbeitsweise lässt einerseits eine schwebende Distanz zu, hat aber gleichzeitig eine stark emotionale Wirkung auf mich.

In den letzten Tagen hatte ich mir vorgestellt, auch die Väterportraits, als eine Variante, in dieser Weise zu bemalen. Die Möglichkeiten stauen sich und erhöhen den Druck auf die Schotten die den Fluss noch zurückhalten. Sicherlich werde ich sie, wenn es soweit ist, nicht gleich ganz öffnen, sondern einem kontrolliert stetigen Strom der Malerei den Vorzug geben.

Das Modellieren dauerte gestern bis zu dem Punkt, an dem ich die Überforderung, die sich in den letzten Jahren der plastischen Arbeit am Väterprojekt aufbaute, spürte. Durch einen Gang über die Wiese und durch mein Gärtchen lässt sich das kurzfristig etwas abbauen. Aber es wird Zeit, dass eine neue Arbeitsphase beginnt.

Freundlicher Besuch von der Schauspielerin Nelly gestern. Sie plauderte und lud uns zu zwei Veranstaltungen der Hochschule für Darstellende Kunst ein. Es gibt eine Nacht der Neuen Musik in der Hochschule und die Diplominszenierungen der Schauspielstudenten im Frankfurter LAB.

Das Flackern

Beim Modellieren gestern, stellte ich fest, dass ich in dieser Woche schon mit dem aktuellen Relief fertig werden könnte. Und nach Ostern würde ich dann die Form gießen, die vorletzte! Das aber heißt, dass ich nun dranbleiben muss, auch wenn die Frühlingsluft draußen in den Garten lockt.

Die Collagen erscheinen so zerrissen. Das liegt auch daran, dass sich die Formen in den Buchmalereien vereinzeln. Die Zusammenhänge werden zugunsten einzelner, abgeschlossener Felder, aufgegeben.

Die Bildschirme der Nacht flackerten vom Feuer der brennenden Notre Dame. Als der riesige Dachstuhl in Flammen stand, stürzte auch der „Pfeil“ genannte spitze Zentralturm ein.

Dieses Ereignis wird nun benutzt werden, um politische Willenskundgebungen jedweder Farbe zu „befeuern“. Spendenaufrufe aus allen Richtungen, Europawahlkampf und nationalistischer Fremdenhass.

Rimini Protokoll

6 neue Skizzenbücher für mein Arbeitstagebuch sind für die kommenden 12 Monate bestellt. Das gibt mir ein sicheres Gefühl, denn ich könnte mir nur schwer vorstellen, diese Arbeit zu unterbrechen. Sie wird sich sicher verändern und manchmal weniger ausführlich ausfallen, aber aufhören werde ich damit, solange ich das bewältigen kann, nicht.

Helgard Haug hat einen Theaterabend mit Darstellern gemacht, die das Tourett Syndrom haben. Wir sahen ihn im Bockenheimer Depot. Der Vorführeffekt, wie etwa bei einem Panoptikum, wurde sorgsam vermieden. Die Arbeiten, die ich bisher von Rimini Protokoll gesehen habe, haben alle eine Struktur, die am ehesten einer Revue ähnlich ist. Eine Musikerin, die Popsongs komponiert und textet, führte mit ihren Liedern durch den Abend, was ihn sogar etwas gefällig machte. Aber es war auch chaotisch und lustig.

Die derzeitigen Buchmalereien bekommen ihre Kraft vor allem durch die Linien der Frottagen, die ich von den Reliefformen des Väterprojektes abnehme. Die Intuition, mit der die Farbigkeit entsteht, sieht die Farben an den Stellen, wo sie platziert werden, manchmal voraus.

Wenn ich im Korbsessel des Gärtchens sitze, schaue ich mir die Muschel- und Steinketten an. Mit etwas Konzentration kann ich mich an die Landschaften und Atmosphären erinnern, in denen ich sie gefädelt habe.

Waobrunk und Ping

Mit den Schülern erledigte ich gestern, mit der Herstellung von Pappmache und der Ausformung eines Reliefs, eher Prosaisches. Von diesem Relief gibt es nun 4 Exemplare, die verschieden bemalt werden sollen. 3 sind schon mit Schellack abgesperrt und mit einem lasierenden Weiß grundiert. Nach Ostern werden wir damit beginnen, sie farbig voneinander zu entfernen.

Die Arbeitsschritte des YOU&EYE – Projektes gleichen sich den Arbeitsphasen meiner Väterarbeit an und begleiten sie. In dieser Weise kann ich, auch mit den Schülern, in der Konzentration und beim Thema bleiben.

Ich modellierte gestern nicht, weiß aber, dass ich mit dem 15. Relief noch in diesem Monat fertig werde.

Innerhalb der Buchmalereien entstanden wieder gegenständliche Anklänge. Am Morgen dachte ich daran, die Einladung, mit den Schülern einer Förderschule zu arbeiten, dazu zu nutzen, mit ihnen abstrakte Bilder und Worte zu erfinden. So gibt es das dunkle „Waobrunk“ mit einer Synaptischen Kartierung aus Tusche und Schellack und das helle, feine „Ping“ aus zwei Transparentpapierschichten mit einem Halm und einer Frottage dazwischen.

Energie

Mein Wille erscheint mir manchmal wie ein Werkzeug, das ab und zu gepflegt werden muss. Jetzt beispielsweise, wo es auf das Ende der langen Modellierarbeit zugeht, führe ich ihm Energie zu, indem ich die Experimente mache, die die Arbeit voranbringen soll. Derzeit versuche ich das innerhalb der Buchmalereien. Von den Frottagen ausgehend, die ich farbig von den Reliefformen abnehme, entsteht ein Spiel mit der Auflösung der Linienstruktur durch meinen Handballen und Wasser. Die Bemalung der Reliefs ist dann zwar ein anderer technologischer Vorgang, aber vom Umgang mit dem Ausgangsmaterial innerhalb der aquarellierten Zeichnungen in den Büchern, kann ich dennoch die Reliefbemalung vorbereiten.

Weitere Zusammenhänge ergeben sich dann aus den digitalen Collagen, die ich unter der Woche zur Bebilderung dieser Texte anfertige. Wenn ich mir die Collagen der letzten Jahre dann als Diashow auf dem Bildschirm anschaue, versorgt mich das mit der Energie, die ich zum Weitermachen benötige.

Und so modellierte ich gestern fleißig weiter am 15., vorletzten Relief.

Nomadische Fragmente

Am Morgen ging mir der Konflikt zwischen Nomaden und Sesshaften durch den Kopf. Hirten ziehen von Weide zu Weide und hinterlassen eine abgefressene Landschaft, die ein ganzes Jahr benötigt, um sich soweit zu erholen, dass sie wieder als Weide dienen kann. Konflikte treten mit sesshaften Landschaftspflegern auf, deren Anbau durch die Herden zerstört wird. Die Hirten aber, die weiter ziehen, dürfen sich im nächsten Jahr in dieser Gegend nicht blicken lassen, denn das Gedächtnis der Gärtner reicht länger als zwölf Monate zurück.

Noch schwieriger wird es, wenn die Nomaden sesshaft werden und die Weiden immer weiter, kreisförmig ausufernd, ausmergeln. Oder die Weide wird sozusagen durch den Stall getragen, die Ressourcen wandern durch die Immobilie.

In diesem Zusammenhang, kam mir auch der menschliche Umgang mit dem Fragment in den Sinn. Der Reiz, schwer lesbaren Texten einen Sinn zuzuschreiben, die Lücken mit Spekulationen zu füllen, die der eigenen Erfahrung entsprechen, lässt sich bekannter weise, auch auf die Rezeption fragmentierter Bildwerke übertragen.

Was sind nomadische Fragmente?

Felsgravuren!

Strömen

Das Modellieren von Relief Nummer 15 wurde gestern von einem Termin im Kulturdezernat unterbrochen. Dort ging es um eine Abschlussausstellung zum Projekt YOU&EYE. Mit gefällt die Verschiedenheit der Akteure und der Ansätze, mit denen sie arbeiten. Das wird sich in einer solchen Präsentation niederschlagen.

Nach einem Bürgeramttermin in der Stadt, bin ich am Vormittag doch noch zu meinen Buchmalereien gekommen. Wenn ich unter etwas Zeitdruck stehe, beschränken sie sich knapper auf Wesentlicheres.

Das Strömen der Menschen in den S-Bahnen und das der Bytes in den Funkverkehren, versorgten mich am Morgen mit etwas mehr Energie als sonst. Das ist wie ein Wind, der Turbinen antreiben könnte.

Ich lese gerne im täglichen Blog von Karl Hyde, lade auch regelmäßig seine Musik zum Projekt „Drift“ herunter, das mit dem Handprint von mir zutun hat.

Spiralen

Die Räume zwischen den Splittern auf dem Väterrelief, gleichen den kleineren Straßen auf Stadtkarten. Die breiteren Linien zwischen den Scherben sind die größeren Straßen, die die Viertel voneinander abgrenzen. Es handelt sich aber um eine Kartierung von Innenwelten, die einer Expedition den Weg weist, die sich auf der Suche nach wiederkehrenden Verhaltensschleifen der männlichen Familienlinie befindet.

Die Schleifen sind eingeflochten in die Bambusteppichklopfer und in die Gravitationslinien der 4 Scherbengerichte. Sie wiederholen die immer gleichen Spiralbewegungen.

Das ganze Wochenende habe ich mich mit der Wiese, ihrer Kräuterspirale und meinem Gärtchen beschäftigt. Stück für Stück stelle ich die Pflanzkübel nach draußen und versorge sie dabei mit frischer Erde. Die Eidechsen schauen dem Treiben eher skeptisch zu und die Rotkehlchen, Meisen und Spatzen finden sofort ihre Badewanne im Wasser einer Sumpfpalme wieder, wie im vergangenen Jahr.

In den heutigen Buchmalereien sind die Spuren der Relieffrottagen zerflogen. Sie bildeten eine neue offenere Struktur. Das kann man oben in der Collage sehen.

Monk | Liebknecht

Die Schülerinnen haben mir gestern wieder gezeigt, wie ich an meine Malerei, vor der ich mich fürchte und auf die ich mich freue, herangehen sollte, nämlich unbeschwert und locker. Und wir sprachen über das Leben im Iran.

Weil die Modellierarbeit gestern ruhte, muss ich mich heute wieder etwas anstoßen, um weiter zu machen. Solche Unterbrechungen sind nicht sehr produktiv. Die Kontinuität beim Modellieren eines einzelnen Reliefs bleibt bis zum Ende, in etwa zwei Monaten, wünschenswert.

Ich höre Thelonius Monk und Miles Davis mit Milt Jackson in Aufnahmen, die entstanden, als ich 3 Monate alt war. Manchmal folgen die Buchmalereien auch den gestalterischen Auffassungen der Kunst dieser Zeit.

Immer wieder geht mir der Sockel für ein Denkmal von Karl Liebknecht durch den Kopf. Ein vielschichtiges Monument.

Wolken zwischen den Gipfeln

Zwischen den Gipfeln des Altkönigs und des Großen Feldberges zogen gestern Wolken, wie im Hochgebirge, durch. Ich stieg leicht hinauf und flog geradezu hinunter. Ein arabischer Wanderer fragte mich unterwegs nach dem Weg.

Ein Supervisionstermin im Anna-Freud-Institut zum YOU&EYE Projekt, erwies sich als ein munteres Treffen zwischen Künstlern, die es mit Schülern zutun haben. Ich plädiere deutlich dafür, dass die Jugendlichen auch für uns da sind und dass sie froh sein können, mit uns zusammenarbeiten zu dürfen. Wenn das die Schulen, mit denen wir es zutun haben, ihnen nicht vermitteln können, müssen wir es mit unseren Mitteln tun.

Gerne hätte ich mit Musikern in diesem Projekt zusammengearbeitet, aber dafür reichten Zeit und Ausrichtung des Projektes nicht aus.

Keine Modellierarbeit heute.

Niesel

Weil nun das 15. von 16 Reliefs in Arbeit ist, gehe ich etwas zaghafter an das Modellieren, weil diese Phase, die mir intensive Ruhe und Konzentration bescherte, nun bald zu Ende geht. Ich konnte währenddessen aus der Einordnung der Daten der Entstehung der entscheidenden Fotografien, die ich für die Portraits nutzte, fortführende Konzeptlinien entwickeln.

Auf einem der Arbeitstische habe ich die 4 Formen des 3. Scherbengerichtes, also die „nordöstliche“ Ecke des Doppelportraits zusammengelegt, um mir über die Dimensionen der Malereien, die nun auf mich zukommen, klar zu werden. Bei der Größe der Platten, die eigentlich gleich sein sollten, gibt es leichte Differenzen, die ich ausgleichend der Gesamtform anpassen muss.

Topf um Topf stelle ich meine Pflanzen langsam wieder raus in das Gärtchen. Dabei bekommen sie immer etwas neue Erde. Jetzt nieselt es etwas. Das ist genau das richtige Wetter, um sie wieder an den Aufenthalt draußen zu gewöhnen.

Mantegna + Bellini | Liebknecht

In der Berliner Gemäldegalerie sahen wir „Mantegna + Bellini“. Wenn so große Teile von Lebenswerken auf mich zukommen, bin ich schnell überfordert. Die Fülle an Informationen, die mir wichtig erscheinen, kann ich kaum bewältigen. Also wähle ich aus. Manchmal schaue ich mir nur drei Bilder, die mich fesseln, sehr lange an. An den anderen gehe ich langsam vorbei und bleibe manchmal stehen. Ich schlendere eher.

In der Nacht gingen mir Entwürfe zu einem Liebknecht – Denkmal durch den Kopf. Eines davon besteht aus einem aufrechten Quader, der von zwei Seiten bedrängt und eingedrückt ist. Auf der einen von der Negativfigur, also dem Abdruck von Ernst Thälmann und auf der anderen von der von Sarah Wagenknecht. Durch den Druck wird die Wasserleiche, die von Schüssen der Reichswehr getroffen ist, verformt.

Vor der Tagebucharbeit am Morgen, löste ich den ersten Abguss des 14. Reliefs problemlos aus der Form. Das flüssigere Pappmache bildet genauer ab. Auch die heutige Frottage, mit der ich die Buchmalereien aufbaute, stammt von dieser Form.

FRERLURT | BERFURT | FRALIN

Nach ein paar Tagen in Berlin zurück im Atelier in Frankfurt, wo ich zunächst die Pflanzen wässerte, die die Zeit ohne mich gut überstanden haben.

In meinem Kopf ist der Sockel für ein Karl-Liebknecht-Denkmal geblieben, der auf dem Potsdamer Platz an der Stelle steht, wo früher die runde Fassade des Hauses Vaterland stand. Vor seiner zerbombten und zugemauerten Hülle, die dann später durch eine HO Gaststätte genutzt wurde, setzte man diesen Sockel nach dem Krieg. Dann kamen der Mauerbau und der Abriss des Gebäudes. Nach der Wende wurde in Zuge der Baumaßnahmen auf dem Areal, der Sockel zunächst abgebaut und eingelagert, steht nun aber wieder an seiner Stelle. Dieser Vorgang hat viele Facetten und Schichten, denen ich gerne etwas näher käme.

Das Extrusionsprojekt mit dem „Handprint Frankfurt“ und dem „Handprint“ Berlin“, nimmt langsam etwas mehr Gestalt an. Zunächst aber muss ich die GPS-Linien der Frankfurthand nach Berlin verschieben und schauen, wie ich sie platziere. Erst dann lässt sich mehr sagen.

FRALIN

BERFURT

FRERLURT

Tiere

In der Küche habe ich in einem Glas mit etwas Wasser darin, eine schöne große Spinne gefunden. Leider schien sie ertrunken zu sein. Zwar habe ich sie in die Sonne zwischen meine Pflanzen gesetzt, aber sie wird wahrscheinlich nicht wieder aufzuwachen.

Auf Teves Ost werden Eidechsenzäune gebaut, damit die Tiere nicht von dem Abriss der Gebäude geschädigt werden. Weil der Bahndamm, wie die beteiligten Biologen sagen, das ideale Verbreitungsbiotop für die Mauereidechsen darstellt, bekommt die Wiese und mein Gärtchen nun eine Bedeutung als Verbindungsglied für die Wanderwege dieser Tiere.

Die erfrischende Wanderung auf den Altkönig dauerte gestern eine gute Dreiviertelstunde. Hinab ging es natürlich schneller. Weiter unten, wenn die Wege flacher werden, verfalle ich manchmal in einen leichten Laufschritt. Die Gesänge der Vögel beflügeln mich dabei.

Routine

Gestern goss ich erstmals die Form Nummer 14 aus. Die ganze Masse ist noch sehr nass und kann erst in ein paar Tagen, wenn sie getrocknet und ausgehärtet ist, begutachtet werden.

Nun ist ein Blatt entstanden, das ähnlich aufgebaut ist, wie die derzeitigen Buchmalereien, nämlich ausgehend von einer Frottage, die von einer Reliefform mit Aquarellstiften abgenommen worden ist. Sie wird dann an manchen Stellen weiter verdichtet oder im Gegenteil verwischt und durchlässig gemacht. Was noch fehlt, sind die anderen beiden Formate, auf denen das Motiv weiter verarbeitet wird, was auch wieder eine Rückwirkung auf das erste Blatt hat.

Oben in der Collage ist nun deutlich die Graphitfrottage von Rolle 6 zu sehen, die ich vorgestern mit Schellack und Tusche weiter verarbeitete. Das ist ein Stück Routine, aus dem sich dann irgendwann wieder etwas anderes entwickeln soll.

Am Nachmittag werde ich wieder den Altkönig besteigen und mich von der reinen Luft erfrischen lassen.

Extrusion | Orientierung | Berfreiung

Während ich gestern das Atelier endlich etwas aufräumte, rief Franz an, der mich besuchen wollte, was es dann auch gleich tat. Wir sprachen über die Räume auf unseren Bildern. Ich erzählte ihm von Extrusionen, die meine Vorstellungskraft sprengen und deswegen nur fassbar werden, wenn ich die skulpturalen Verbindungen zwischen zwei verschiedenen Querschnitten, zumindest am Rechner, herstelle. Die Splitter für die Querschnitte kommen aus verschiedenen Handprintwanderungen oder von den Scherben des Väterprojektes.

Auf Rolle 6 arbeitete ich mit einer Frottage von der 6. Reliefform weiter. Dabei handelt es sich um die der Scherben 35A, 39 und 40 vom zweiten Scherbengericht. Endlich mal eine klare Bezeichnung, nach der man sich, innerhalb der geordneten Arbeiten, orientieren und die Teile auffinden kann.

Aus einem der Grafikschränke holte ich einen quadratischen Zeichenblock heraus, dessen Papier sich hoffentlich für Frottage eignet, die ich nun aus dem engen Raum zwischen den Tagebuchdeckeln befreien will. Das habe ich zwar auch schon auf den Transparentrollen gemacht, die aber entsprechen auch eher einer konzeptionellen Begrenzung und sind farbig reduziert. Dieses farbige Eigenleben, was ich ihnen nun ermöglichen will, ist auch eine Befreiung innerhalb meiner Arbeitsweise. Die wird nun möglich, weil ich das Tempo der Produktion der letzten Reliefs etwas gedrosselt habe.

Im Chaos des Ateliers

Scharfes, schnell wechselndes Seitenlicht auf dem Zeichentisch, Farbstifte liegen auf einer der Väterdoppelportraitformen, die als Unterlage und zum Anfertigen von Frottagen für die Buchmalereien dient. Das Atelier ist fast schmerzhaft unaufgeräumt. Alle Flächen sind belegt mit Farbgläsern, Blechdosen voller Pinsel, Papierrollen, Messern und Modellierwerkzeugen. Dazu kommen die ganzen bemalten Scherben die 14 Formen, die gegossenen Reliefs, die Scherben, von den Schülern bemalt und so weiter.

In diesem Chaos aber entstehen manchmal überraschende Arbeiten. Ein zartes, vielverzweigtes Birkengeäst umkleidete ich beispielsweise mit Pappmache, das von einem Reliefexemplar übrig war. Die Äste wurden dicker und es entspannten sich Flächen zwischen ihnen. Das Ganze möchte ich stark farbig bemalen, schauen, was daraus wird.

Das Wochenende verging mit Gartenarbeit. In einem Feuer verbrannte ich den getrockneten Grünschnitt, topfte Pflanzen um und räumte den Garten, im Gegensatz zum Atelier, auf.

Zwei kunstbegeisterte junge Männer besuchten mich gestern hier und meinten ein Museum zu sehen. Ich erklärte ihnen das Väterprojekt, aber sie hingen mit ihren Augen an allen anderen Dingen.

Archäologie

In dem Ausschachtungsmaterial, dem Aushub der kleinen Baustelle am Bahndamm, sammle ich immer noch die Scherben, die von den Bombardements des 2. Weltkrieges übrig geblieben sind. Mit den Schülern brachte ich sie in Verbindung mit denen des Väterprojektes. Die Steingutornamente, Zwiebelmuster und die fragmentierten Blumendekors sind eine Inspiration für die Bemalung der modellierten und abgegossenen Scherben des großen Doppelportraits.

Am Morgen blätterte ich in einem aufwendig gestalteten Bildband über das Kloster in Alchi in Ladakh. Dort sind in den reichen Wandmalereien auch Bruchstücke gemalt, die aber aus menschlichen Fragmenten bestehen. Sie scheinen einen Teil der Inkarnationsidee zu illustrieren, nach der eine Wiedergeburt auf die Zerstücklung folgt.

Wir stellten gestern ein weiteres Exemplar eines der 16 Reliefs des Väterprojektes her, das auch von den Schülern vollständig bemalt werden soll.

Die Buchmalereien erzeugten heute, durch Perspektiven und Baustruktur einen kulissenhaften Eindruck. Er schafft die Flächen für Durchblicke auf die Malerei von gestern.

Ins Freie

Das Atelier wird von der Sonne mit waagerechtem Licht aufgeheizt. Die Pflanzen in den Regalen vor den Fenstern leben auf, blühen und strecken sich. Durch die geöffnete Stahltür an der Westseite schaue ich auf den Platz, der am Abend von den Vogelstimmen gefüllt wird. Nachtigallen sind dabei.

Auf der Südwestseite des Altkönigs, kurz unter dem Gipfelplateau gibt es warme Plätze, trotz der Schneereste, die noch vorhanden sind. Auf einem liegenden Baumstamm sitzend, konnte ich in die Sonne schauen und die Ameisen beobachten, die den warmen Boden absuchen. Der Aufstieg gestern, war leicht, die Wege griffig und schon recht trocken. Die Anstiege, die ich hier gehe und auch anderswo, trainieren meine Beinmuskulatur.

Hier unten im Flachland, sind die Zitronenfalter, Kohlweißlinge, Hummeln und Eidechsen erwacht. Es zieht mich ins Freie, in den Garten, um dort herumzustöbern, Efeu zu beschneiden und weitere Bäumchen in meine Hecke zu pflanzen.

Heute kommen meine Schüler und ich werde mich mit der Nacharbeit der 14. Form beschäftigen.

Die 14. Form

Das Modell des 14. Reliefs ist fertig modelliert. Mit einer Graphitfrottage von zwei Scherben des 11. Reliefs, deren Nummern ich leiden nicht parat habe, arbeitete ich an der Rolle 6 weiter.

Das ganze Vätermaterial, Die Vier Scherbengerichte, die 16 rechteckigen Reliefplatten, die etwa 600 Scherben, ihre Reihenfolge und all diese Zahlen hätten noch mehr Gestaltungspotential, wenn ich das Ordnen der Teile schon weiter fortgesetzt hätte. Ich weiß noch nicht, wo das hinführen wird. Es schließt sich aber an die Zahlen im Text der Postkarte an, die Oscar Fitzner mit seinem Bruder drucken ließ. Auf ihr wurden die Anzahlen verschiedener verbrauchter Materialien, für das Modell des Breslauer Domes und die Arbeitsstunden genau aufgeführt.

Alles scheint gerade in einer Wartestellung zu verharren. Die letzten zwei Reliefs, die anschließende Malerei und die konzeptionellen Folgen dieser Zahlenstruktur.

Noch am Vormittag werde ich den den Guss der Form des 14. Reliefs vorbereiten, den ich für den Nachmittag plane.

Wartestellung

Das Modell des 14. Reliefs ist fertig modelliert. Mit einer Graphitfrottage von zwei Scherben des 11. Reliefs, deren Nummern ich leiden nicht parat habe, arbeitete ich an der Rolle 6 weiter.

Das ganze Vätermaterial, Die Vier Scherbengerichte, die 16 rechteckigen Reliefplatten, die etwa 600 Scherben, ihre Reihenfolge und all diese Zahlen hätten noch mehr Gestaltungspotential, wenn ich das Ordnen der Teile schon weiter fortgesetzt hätte. Ich weiß noch nicht, wo das hinführen wird. Es schließt sich aber an die Zahlen im Text der Postkarte an, die Oscar Fitzner mit seinem Bruder drucken ließ. Auf ihr wurden die Anzahlen verschiedener verbrauchter Materialien, für das Modell des Breslauer Domes und die Arbeitsstunden genau aufgeführt.

Alles scheint gerade in einer Wartestellung zu verharren. Die letzten zwei Reliefs, die anschließende Malerei und die konzeptionellen Folgen dieser Zahlenstruktur.

Noch am Vormittag werde ich den den Guss der Form des 14. Reliefs vorbereiten, den ich für den Nachmittag plane.

Übermalung

Der Abguss des 13. Väterreliefs ließ sich gestern, entgegen meiner Befürchtung, leicht aus der Form lösen. Die Trennschicht ist zwar nicht so stabil, wie sie sein sollte, kann aber leicht erneuert werden. Dieser erste Abguss gelang ohne Fehlstelle und ohne Risse.

Das 14. Relief modellierte ich am Freitag so weit, dass ich es am Abend noch fertig bekommen hätte. Dafür nehme ich mir aber lieber, am heutigen Nachmittag, mehr Zeit und Ruhe.

Eine gescannte und ausgedruckte Buchmalerei, vom 02.05. 2005, überarbeitete ich gestern mit einer Frottage von einem Relief und malte dann, ähnlich, wie bei den jetzigen Buchmalereien, weiter. Im Atelier von Franz empfange ich ja immer mal Inspirationen, meine Malereien außerhalb der Tagebücher fortzuführen. Diese Übermalung, von der ich einen Teil oben, nach links in ein Querformat gekippt, in die Collage eingefügt habe, war ein Beginn.

Die Reliefmalerei rückt nun schnell näher. Wäre schön, wenn ich da leicht hineinfinden könnte.

3 Variationen

Die Frage nach dem Sinn von ausgewogenen Kompositionen innerhalb der Buchmalereien, habe ich mir lange nicht gestellt. Das ist eine Frage des Wohlbefindens, der Gewohnheit und somit ein Selbstläufer. Gelungene Buchmalereien sind wie Ferien. Wenn sie sich ausweiten und mit stark gestischen Elementen ihren Rahmen sprengen, sind sie wie stationäre therapeutische Aufenthalte, dennoch mitunter als gelungen zu bezeichnen. Die großen Malereien, die dann fast alles fordern, sind in ihrer Konzentration, wie der Arrest in der Zelle des Todestraktes im Zuchthaus, in der man auf die Begnadigung oder die Vollstreckung des Urteils wartet.

Das ist meine etwas übersteigerte Erwartung, was mich nach dem Modellieren und Abformen erwartet. Aber ein Funken Realität wird schon dabei sein.

Heute früh aber, habe ich mit den Buchmalereien noch mal Ferien gemacht. Eine Frottage mit ihren 3 Variationen, wie ein leichtes Klavierstück.

Gestern goss ich das 13. Relief ab. Und jetzt am morgen spüre ich schon, wie die Masse in der Form hängen bleibt. Irgendetwas mit der Absperrung hat wieder nicht geklappt. Indem ich die Form nun auf die Heizung gestellt habe, hoffe ich, dass die so entstehende Spannung beim Trocknen, das Relief aus der Form löst.

KALENDERRASTER

Relief 14, an dem ich derzeit modelliere, ist eines der vier zentralen Rechtecke des großen Väterreliefs in seiner südöstlichen Mitte. Ich arbeitete gestern so lange daran, dass ich bereits über die Hälfte der Scherben herstellte. Aber es sind viele helle Flächen zwischen den Rasterpunkten, sodass die Anzahl der Scherben kleiner ist, als bei den meisten anderen Rechtecken. In der kommenden Woche könnte ich also mit der Modellierarbeit fertig werden. Im März müsste es mir dann auch noch gelingen, die Form zu bauen und einen ersten Abguss herzustellen.

KALENDERRASTER

Baulärm umgibt mich. Am Bahndamm wird ein neuer Oberleitungsmast gesetzt. Dafür werden Verbundstahlschienen in den Boden gerammt. Zwei Bagger, mehrere andere Baufahrzeuge sind im Einsatz.

In der entgegengesetzten Richtung sind Brunnen gebohrt worden, mit denen nun sicherlich die Grundwasserqualität geprüft wird, um mit dem Ausheben der großen Baugruben beginnen zu können, nachdem die, derzeitig das Gelände besetzenden, Häuser abgerissen sind. Generatoren und Pumpen laufen dort.

Unter der Schädeldecke

Gestern endlich begann ich damit, das 14. Väter-Relief zu modellieren. Ich arbeitete nicht so lange, konnte aber 10 Scherben auf der Unterlage mit der Vorzeichnung formen, zu denen heute weitere hinzukommen. Ich fühle es unter der Schädeldecke, dass mich dieses Tun erfreut. Verheißungs- und respektvoll erwarte ich den Wechsel vom Ton zu den Farben, wenn es an das Bemalen der abgegossenen Relieftafeln geht.

Eine ausgedruckte Tagebuchzeichnung, etwa aus dem Jahr 2005, liegt auf dem Zeichntisch, neben einer der Gipsformen. Die aufrechte stehende Figur einer Antilope gesellt sich als vage Strichzeichnung zu einem abstrakten, farbigen Gebilde. Könnte sein, dass ich diese Zeichnung mit einer Relieffrottage überarbeite.

Mein Blick auf die vielen Buchmalereien, die ich all die Jahrzehnte machte, wird kritischer. Manches, was ich produzierte waren Schritte, um zu all dem zu kommen, was ich heute mache, besteht aber vor meinem gegenwärtigen Auge nicht mehr.

Während eines Besuches bei meinem Kollegen Franz, fiel mir in seinem Atelier ein Zeichenblock in die Hände, dessen Format zu meinen Frottagen passen könnte. Das hat mich inspiriert. Den Schritt zu gehen, die Malereien aus dem Raum zwischen den Buchdeckeln zu befreien, dauert aber noch etwas. Die Übermalung einer alten Arbeit, hilft sicherlich dabei.

Grundlagen

Die Formen des Reliefs liegen abwechselnd auf dem Zeichentisch und sind Unterlage für die Tagebucharbeit. So entstehen die Frottagen als Ausgangsmaterial für die Buchmalereien. Die modellierten und abgeformten Areale sind, als Grundrisse einer inneren Stadt, unter Beobachtung.

GRUNDRISSE

UNTERLAGEN

GRUNDLAGEN

Im Architekturmuseum berichtete ich von dieser Arbeit und bin ermutigt worden, daraus ein Museumsprojekt zu entwickeln. Bis zum Sommer will ich überlegen, wie ich es mit einem „Handprint Berlin“ kombinieren kann. Es geht dann auch um Kooperationspartner dort. Dezernate müssten mitspielen… Die Frage entsteht, ob ich denn so viel Institutionalisierung förderlich finde.

Von meinem Frühbeet habe ich das Dach etwas gelüftet, denn die Morgensonne meint es noch mal gut, bevor Regen und Sturm wieder einfallen werden.

Handprint | Klammer

Die Zwei Fotografien meines Großvaters, zum einen im Haus Vaterland und zum anderen zusammen mit dem Modell des Breslauer Domes, werde ich heute mitnehmen, zu einem Treffen im Architekturmuseum. Mir ist wichtig, die Verbindung zwischen dem Väterprojekt, der architektonischen Klammer Palast der Republik und Haus Vaterland und der Recherchemethode „Handprint“ zwischen Schlossplatz und Potsdamer Platz in Berlin zu zeigen. Gleichzeitig geht es um die Zeiträume zwischen den Fotoaufnahmen der Väterportraits und den Siebzigerjahren.

Diesen vagen Zusammenhang kann man als Recherchesystem betrachten, das sich auch mit anderen Ideen verbinden lässt.

Eigentlich hätte ich heute mit dem Modellieren des vierzehnten Reliefs beginnen wollen. Das verschiebt sich nun um einen Tag. Auch die Arbeit an der Rolle 6 geht mir zunehmend durch den Kopf – die Frottagen und „Synaptischen Kartierungen“.

Die Buchmalereien sprengen durch etwas ausufernde Gesten den Rahmen, drängen in ein größeres Format. Da sie auch aus Frottagen der Reliefformen hervorgehen, schlösse sich logisch die Bemalung der Reliefs daran an.

Tuff | Fatherland | Malereien

In einer großen, schwarzen Tasche brachte ich die Steine mit, die ich auf der Kanareninsel gesammelt habe. Mehrere Tuffbrocken sind dabei, deren Struktur mich an Knochenmaterial erinnert.

Ein ausgedrucktes Exemplar des Textes „Fatherland“, den Simon mit Karl Hyde und Scott Graham gemacht hat, brachte ich auch mit. Zu Hause komme ich nicht dazu, darin zu lesen. Das gehört hierher.

Ich nehme mir viel Zeit für dir Buchmalereien und mir fiel ein dabei, dass eine ihrer wesentlichen Qualitäten sein sollte, dass sie sich aufeinander beziehen. Mir fiel die besondere Bedeutung dieser Tatsache auf, als ich mir die drei Malereien ansah, die ich am 20. 02. angefertigt habe. Zunächst erschien eine Verwischung, die sich mit den Farben und dem Aussehen der Landschaft beschäftigte. Diesen Farbverlauf übertrug ich dann, nur als schmalen aufrechten Streifen, auf das zweite Format auf dem weitere Elemente hinzukamen, wie Magnetfeldlinien und Farbwolken. Diese übertrug ich dann wieder fragmentarisch auf das dritte Format, wo ich die Strukturen weiterentwickelte.

Unser Vermieter dort auf der Insel interessierte sich dafür, und ich will ihm die Scans mit einem kleinen Kommentar schicken.

Gärten

Den ganzen Sonntag verbrachte ich in meinem Gärtchen, auf meiner Wiese und in der Kräuterspirale. Mit der großen Gartenschere rückte ich den Gesträuchen der Buschwindröschen zuleibe. Die Kräuterspirale bekam die Aufmerksamkeit eines Bonsaigartens. Ein Bad in den Düften der Gewächse, die eigentlich die Gerichte Restaurants gegenüber verfeinern sollten. Die Küchenleute aber kümmern sich kaum um dieses sinnliche Kleinod. Die aus den weit verzweigten Wurzeln der Essigbäume sprießenden Triebe und die der Brombeeren mussten auch zurückgeschnitten werden. So betätigte ich mich stundenlang in der Sonne als Gärtner.

Am Sonnabend hatte ich ein längeres Gespräch mit meinem Vater über die Lebensumstände, in denen er Kind war. Um sich die Geburt in der Klinik leisten zu können, putzte seine Mutter dort bis zur Geburt ihres Sohnes. Sie wohnte mit den drei Kindern in einer Kellerwohnung in der Berliner Linienstraße. Da der Vater der Kinder, der Kunsttischler Oscar Fitzner, sich seiner Verantwortung entzog und über alle Berge hin verschwand und nie wieder gesehen wurde, wurden Mutter und Kinder von der Schwester in Friedrichshain aufgenommen. Wie Gertrud Reinecke, geborene Wolf, dann mit ihren Kindern die Zerstörung der Stadt durchlebte, weiß ich noch nicht. Irgendwann kam dann Paul Reinecke, der die Familie versorgte, sich aber dann in den Sechzigerjahren durch einen Sprung in die Spree das Leben nahm, genau wie der ältere Bruder meines Vaters Peter.

Alle diese Geschichten kommen nur zögerlich zutage. Und ich glaube, dass da noch einiges schlummernd in den Kammern der Erinnerungen lagert.

In die Sonne

Viele Reliefformplatten liegen auf den Tischen des Ateliers. Teilweise befindet sich noch feuchtes Pappmache in den Vertiefungen der unzähligen Splitter der vier Scherbengerichte. Andere bieten sich für Frottagen an, die die Schüler mit Gegenständen und Worten, also ihren Bezeichnungen, verbinden. Sie haben gestern wieder viele Scherbenobjekte bemalt. Dieser Umgang mit den Formen und Farben inspiriert mich bei der Suche nach der Farbigkeit, mit der die Arbeit fortgeführt werden soll.

Die sonnigen Tage locken mich in meinen Garten. Mit Erde und den Begrenzungssteinen aus Kopfsteinpflaster, das bei Schachtarbeiten auf dem Gelände ausgegraben worden ist, möchte ich das Gärtchen auf der Betonfläche erweitern, Raum gewinnen für die Gehölze, Erdbeeren und Schlingpflanzen, die Von Eidechsen, Bienen und Schmetterlingen besucht werden.

Das lenkt mich gründlich von meiner Arbeit ab. Also gebe ich nach und gehe in die Sonne.

Bernstein, Indigo und Graphit

Die Ruhe, Farbkonzepte zu finden, die mit den Reliefs zusammengehen können, habe ich. Bernstein, Indigo und Graphit leuchten heute noch. Die Farbigkeit der Buchmalereien führt woanders hin.

Die Selbstverständlichkeit, mit der die Schülerinnen an die Bemalung der Objekte gehen, ist beneidenswert. Sie kommen heute wieder, worauf ich mich freuen kann.

Vor unserem letzten Treffen habe ich das Arbeitsumfeld sorgfältig vorbereitet. Dabei kamen mir Techniken und Materialien in den Sinn, die ein Potential besitzen, die Arbeit weiter zu entwickeln. Somit ist dieses wöchentliche Zusammenarbeiten Teil meines Projektes.

Gestern wanderte ich wieder auf den Altkönig. Das Steigen strengt mich weniger an, wenn ich es mit meinem Tempo angehen kann. Unten im flacheren Gelände eher langsam, bis ich auf meine Betriebstemperatur gekommen bin. Oben dann auf dem Plateau weht gute Luft und meine Stimmung ist entsprechend aufgeräumt. Immer noch viel Schnee.

Stabilisiert

Gestern stabilisierte ich einige abgeformte Pappmachescherben mit Schellack und grundierte sie, nachdem sie getrocknet waren weiß. Dann begannen die farbigen Vorstellungen eine Rolle zu spielen, über die ich in der letzten Zeit nachgedacht hatte. Die Umsetzung erschien mir sofort banal und nur gut dafür übermalt zu werden, sodass zumindest ein verwirrendes Geheimnis übrig bleibt, wenn der Untergrund schon nicht überzeugen konnte. Also wieder zurück zu Graphit und Schellack und vorsichtigeren Vorgehensweisen.

Die Sonne streift den Zeichentisch. In diesem Licht greife ich nun zu Indigo, um die Bernstein- und Grautöne auf einer der Scherben zu lasieren. Schon schimmert etwas von den Buchmalereien durch und stellt die ausgedachten Farben und Strukturen in den Schatten.

Frühlingstage sind angesagt. Die werde ich meinem Gärtchen widmen, das ich in diesem Jahr etwas ausdehnen will.

Ausschachtungsarbeiten auf dem Gelände brachten Kopfsteinpflaster zutage. Von diesen Steinen transportierte ich einige auf den Beton vor dem Atelier. Sie werden die Einfriedung für die Erde bilden, die die grüne Fläche meines Gesträuchs vergrößern soll. Außerdem ergeben sie weitere Wärmeflächen für die Eidechsenpopulation, die sich in den letzten Jahren vergrößert und stabilisiert hat.

Formenguss Nummer 13

Der Guss der 13. Form. Ich hatte mir vorgenommen, sie möglichst am Stück, mit einer großen Menge Gips herzustellen. Das ist mit etwas Spannung gelungen und die Form ist schon vom Modell getrennt.

Ich höre Jo Jones und Count Basie.

Am Morgen dachte ich daran, bei der Bemalung geometrische Muster zu benutzen, mit denen ich die Splitter ausfüllen kann. Die Farbigkeit entsteht in der Entfernung, wenn sich die zusammengestellten Farben mischen. Ich habe mir vor vielen Jahren mal bei einem Auftrag für das Theater diese Technik von Chuck Close angeeignet.

Ich lese Heiner Müller „Zu Wallenstein“.

Weil ich vor unserer Reise kein Relief mehr beginnen werde, hätte ich Zeit für etwas Malerei, wie sie von den Buchmalereien ausgeht. Für schlüssige Ansätze, muss ich Geduld haben und möglichst wenig Anspannung.

Ich gehe Lebensmittel einkaufen.

Ein Geschenk

Für die Grundierung von 4 größeren Scherben habe ich mir viel Zeit genommen. Ein verdünntes Weiß trug ich in mehreren Schichten auf und wischte dann über die hoch stehenden Flächen, um die Helligkeit insbesondere in den Vertiefungen zu sammeln. Das kann man nur mit Pappmache machen, das zuvor mit Schellack gründlich abgesperrt wurde, sonst löst sich seine Oberfläche durch das Wasser auf. Schaue ich mir nun die Ergebnisse an, fällt mir besonders die handwerkliche Sorgfalt auf, die sich durch alle Arbeitsgänge zieht. Das beginnt mit dem Modellieren, geht über den Formenbau, das Abformen der Pappmacheexemplare und endet jetzt zunächst bei der vielschichtigen Grundierung.

Ich mache mir mit dieser Zeit der ruhigen Sorgfalt ein Geschenk.

Im Du Mont Kunst – Reiseführer lese ich über Ladakh. Es gibt an den Häusern kleinere Installationen, die böse Geister abhalten sollen. Sie bestehen aus geometrischen Wollfadengeflechten, Reisigbündeln und Figurinen, die die Personen darstellen, die geschützt werden sollen. Ich glaube in diesen gebundenen, modellierten und geflochtenen Zeichen, eine Verwandtschaft zu meinen Waldinstallationen und meinem Gärtchen am Atelier zu entdecken. Außerdem gibt es Anklänge in den derzeitigen Buchmalereien, die eine solche Stofflichkeit besitzen. Ich glaube auch in den Frottagen der Reliefformen, tibetische Landschaften zu entdecken.

Gestern sahen wir in den Kammerspielen ein Stück, das sich mit dem Thema gegenwärtiger Sklaverei beschäftigte. Eine Art Aufklärungs- oder Schultheater. Eine Übung in Demut, die unseren Sonntag nicht aufhellen konnte.

Großer Vogel

Meine Schülerinnen Mahya und Viktorija nahmen gestern die Farben, die ich ihnen hingestellt hatte und vollführten gleich kleine Kunststückchen mit den Pappmacheobjekten, die wir für das Bemalen angefertigt hatten. Sofort hatte sie einen selbstverständlichen Umgang damit, wie ich es mir für mich wünschen würde.

Sie haben die Farben bei sich!

In eine WhatsApp-Gruppe mit meinem Bruder und Vinzenz habe ich vor einigen Tagen den „Handprint Venezia“ gestellt, den es bislang nur als Zeichnung und nicht als GPS-Wanderung gibt. Vinzenz reagierte positiv darauf und möchte ihn, den ich vor zwei Jahren zeichnete, zum Veröffentlichen haben.

Mit den männlichen Schülern formte ich gestern noch viele Objekte mit Pappmache ab, die wir in den kommenden Wochen bemalen können. Dazu kamen noch zwei ganze Reliefs. Vielleicht, dachte ich am Morgen, können die Schüler irgendwann auch ein ganzes Relief bemalen.

Duc malte gestern seinen großen Vogel, gemessen bunt.

Stark farbige Frottagen am Morgen für die Buchmalereien. In den Collagen werden sie vom Grau der Relieffotos in die Schranken gewiesen.

Herzstücke

Mit kleinen, recht langsamen Schritten, stieg ich gestern den Südhang des Altkönigs bis zu seinem Gipfelplateau. Oben war tiefer Winter mit hohem, verharschtem Schnee. Die Luft roch nach hellblauem Sauerstoff. Ich atmete sie weit ein und war froh, dem Abgasbrodem der Stadt entronnen zu sein.

Hinab ging es dann schnell. Ich verfolgte die Spur meiner kleinen Schritte des Anstiegs, quer über alle Wege hinweg, mit großen Sprüngen im weichen Schnee. Als ich einen Mann mit zwei Wanderstöcken sah, der sich vorsichtig über eine der Forststraßen bewegte, kam ich mir wie ein übermütiger Junge vor.

Am Abend stellte Karlheinz Braun sein dickleibiges Buch „Herzstückchen“ vor. Es erzählt von den Autoren, Verlagen und Theatern, die sein Leben begleiteten. Am Ende hat er uns, als er „Herzstück“ von Heiner Müller vorlas, sehr angerührt. Das war ein denkwürdiger Abend.

Die neuen Buchmalereien verhelfen mir zu ganz langsam fortschreitenden Erkenntnissen über den Fortgang der Väterarbeit. Sie sind seit Jahren in gegenseitiger Durchdringung verflochten.

Mehr Raum für die Malerei

Die Produktion zu drosseln, ist ungewohnt und hinterlässt bei mir ein mulmiges Gefühl. Vielleicht wegen der Ungewissheit der Zeitdauer, die mir noch für all das, was mir zutun durch den Kopf geht, zur Verfügung steht. Weil ich das 14. Relief aber nur unter Zeitdruck bis zu unseren Ferien fertig bekommen würde, und das der Qualität der Arbeit nicht zugute käme, pausiere ich nun mit dem Modellieren.

Es scheint mir, als ströme umso mehr Energie in die Buchmalereien. Von der Formplatte, die unter dem Tagebuch und auf der Federzeichnung des Doppelportraits der zersplitterten Väter liegt, schraffierte ich heute 3 verschiedene Frottagen in die vorgesehenen Formate der Malereien. Dann folgten Linienübertragungen, mit dem nassen, rechten Handballen, von einem Gestaltungsareal zum anderen. Durch die Vehemenz des schnellen Arbeitens, ufern die farbigen Wassergesten manchmal etwas aus. Die Motive verschaffen sich mehr Raum. Über die Ausbreitung der Buchmalereien freue ich mich. Sie beanspruchen mehr Platz und führen mich so zurück zu den größeren Malereien, wie sie mir nach der Modellierarbeit bevorstehen.

Am Abend formte ich noch zwei Reliefs mit Pappmache aus, um die Organisationsgänge des Nachmittags in die Stadt und den heutigen Gang auf den Altkönig etwas zu kompensieren.

2 Täler | 2 Jungen

Zwei Täler mit buddhistischen Klöstern, werden wir nun im Frühherbst bereisen. Seite gestern ist ein Zeitraum durch die Flugbuchungen definiert. Mir fiel ein, das Fotografierverbot in einigen der Klöster, in ein „Zeichengebot“ umzuwandeln. Viele Zusammenhänge, innerhalb der Wandmalereien, ergeben sich für mich erst, wenn ich mich zeichnerisch mit ihnen beschäftige. Diese Form der Versenkung habe ich gelernt.

Zwei Jungen, die für mein Schülerprojekt sehr wichtig sind, sollen von der Schule aus dem Kurs genommen werden. Während einer Zusammenkunft der Akteure von „You&Eye“, habe ich versucht, die enge Verbindung mit meiner Arbeit deutlich zu machen. Ich wollte damit den Unterschied zum schulischen Arbeiten verschärft darstellen und die Respektlosigkeit dieses Vorgehens ohne eine gemeinsame Diskussion, aufzeigen.

Weil das Tagebuch nun auf einer der Reliefplatten liegt, nehmen die Frottagen, innerhalb der Buchmalereien, etwas zu. Die kleinen Formate dehnen sich aus und projizieren eine Farbigkeit, die zukünftig auf den Reliefformaten eine Rolle spielen wird.

1000 | 3225

Auf dem Zeichentisch liegt die flache, rechteckige Form eines der Väterreliefs. Auf der Form liegt das Tagebuch. Auf seine Seiten habe ich Reliefstrukturen mit Frottagen übertragen. Auf jede Seite, in jede Buchmalerei, eine andere. Nun werden die morgendlichen Malereien aus diesen farbigen Linien und Schraffuren entwickelt. Ein Foto eines benutzten Teils der Reliefform kann dann später in die Collage eingefügt werden.

Wo es zuvor eine Mischung aus Liniengravuren und Frottagen gab, sind, nach einem Übergang, nur noch Bezüge zu den Reliefs und den Handballenabdrücken da, aus denen die Bilder nun entstehen.

Am Wochenende habe ich mich mit den Malereien beschäftigt, die die Maueren eines Klosters in Ladakh überziehen. Es heißt Alchi, liegt in einer Höhe von  3226 Metern und ist 1000 Jahre alt. Die Gestaltung hat mich tief in ihren Bann gezogen. Den Aufenthalt, den wir dort geplant haben, würde ich gerne verlängern. Es gibt den Zwiespalt, dass so viel anderes noch zu sehen ist, dass wir die ausgewählten Orte in Ruhe anschauen wollen, man aber dafür sehr viel Zeit brauchte. So müssen wir die Stationen reduzieren und die Reise verlängern.

Palmetshofer | Headhunter

Am Rande der gestrigen Premiere des Stückes „Vor Sonnenaufgang“ ursprünglich von Gerhard Hauptmann, hier aber in einer Überschreibung, trafen wir ihren Autoren Ewald Palmetshofer. Ein sehr freundlicher Mensch, der aus dem Hauptmanndrama ein sehr heutiges Stück gemacht hat. Regie führte Roger Vontobel. Für meinen Geschmack hätte man sich etwas mehr auf den Text konzentrieren können, wegen mir ohne Requisiten und ohne begleitende Musik. Auf der großen Bühne mit der riesigen Treppe gingen mir die unausgesprochenen Wahrheiten des Abends etwas unter. Dennoch ein beachtlicher Abend.

Über meine Schüler und die Arbeit mit ihnen befragte mich die Kulturdezernentin im Foyer, der ich sagen konnte, dass ich mit den Teilnehmern, da unser Projekt noch um fast ein halbes Jahr verlängert wird, noch viel vor habe.

Am Morgen dachte ich an die Rolle des Projektes „Drift“ von Karl Hyde und Underground bei unserer Arbeit nach.

HANDPRINT

VÄTERRELIEF

HEADHUNTER

Am vergangenen Donnerstag stellte ich ihnen „KIND OF BLUE“ von Miles Davis vor. Kein Protest – eher mehr Konzentration.

Haus Vaterland | Underworld | Handprints

Nachdem ich gestern über den Einfluss der Schüler auf meine Arbeit sprach, baute sich an diesem Morgen ein weiter Spannungsbogen auf. Der beginnt bei der Fotografie des Großvaters, in den Dreißigerjahren im Haus Vaterland, im Ambiente des Restaurants „Grinzing“ und verläuft weiter über die vielen Arbeitsgänge des Väterprojektes, bis hin zu den Objekten, die die Schüler, auf der Grundlage der Väterreliefs, entstehen lassen. Von dort aus geht es weiter bis zu „Drift“ von Karl Hyde und Underground, das an jedem unserer Donnerstage einen neuen Song aus den geografischen Bezügen, die mit der Struktur Handprint zutun haben, ins Netz stellen. Von dort aus gibt es eine Rückkoppelung zu Handprints der Schüler, die sie auf dem Liniennetz der Väterreliefformen mit ihren eigenen Handumrissen einrichten und daraus dann Handobjekte herstellen sollen.

Gestern arbeiteten die Schüler an den Objekten, die sie bereits mit den Frottagen vorbereitet hatten. Dann kamen noch weitere Frottagenentwürfe hinzu:

DER HEISSLUFTBALLON

DAS AGGRESSIVE GESICHT

DIE GROSSE SPHINX

Nun lasse ich die Blätter der Schüler wieder auf der Schnur, die ich im Atelier gespannt habe, hängen und warte ab, was sie mir die Woche über noch erzählen. Ich stelle sie unter Beobachtung.

DER VOGEL

Von den letzten, fehlerhaften Abgüssen der Reliefs, habe ich gestern eines repariert. Dabei handelte es sich um ein Objekt eines Schülers. Er hatte in den Liniengeflechte einen großen Vogel ausgemacht, in per Graphit-Frottage auf Transparentpapier übertragen und seine Bezeichnung mit roten Stempelbuchstaben auf dem Blatt platziert:

DER VOGEL

Dann füllte er die entsprechenden Areale der Form mit Pappmache aus. Leider habe ich, weil das trockene Material kaum von der Form zu entfernen war, das Objekt teilweise zerstört. Weil ich aber den Fehler gefunden habe, der zu den Fehlgüssen führte, konnte ich die Fehlstellen und Risse, mit neuem Pappmache, ergänzen und wieder fest zusammenfügen. Morgen kommen sie, um ihren Objekte zu grundieren und mit einer Bemalung zu beginnen.

In den Abend hinein modellierte ich das komplizierte und kleinteilige 13. Relief fast fertig. Die lang anhaltende Konzentration strengte mich sehr an, was ich gestern Abend und am Morgen noch merkte.

Keine gravierten Schwünge

Erstmals seit Jahren, fehlen innerhalb der ersten Buchmalerei am Morgen, die Gravitationsschwünge der Rohrgeflechte, die ich sonst mit einer afrikanischen Holzhaarnadel in das Papier graviert habe, um sie dann mit Aquarellstift-Schraffuren sichtbar zu machen. Darüber setzte ich in letzter Zeit oft Frottagen von den Reliefformen.

Die Abwesenheit der Gravuren thematisierte ich vorhin in der dritten Malerei, indem ich ein Rohrgeflecht mit einem Aquarellstift zeichnete, um es dann mit Außenbögen zwischen seinen Kreuzungspunkten, die wie Magnetlinien aussehen, zu umschreiben. Durch die Übertragungen in die vorhergehenden zwei Malereien, mittels Druck meines rechten Handballens, verschwand dann das Geflecht und es blieben nur noch die Umschreibungsbögen, wie in den Choreografien von Bill Forsythe. Etwas von diesem Vorgang ist noch, auf der rechten Seite der Collage oben, übrig.

Bevor ich gestern begann zu modellieren, kümmerte ich mich um die Trennmittel auf den Reliefformen und fertigte dann ein paar kleinere Probeabgüsse an, von denen ich heute noch erfahre, ob meine Bemühungen, mit neuem Schellack und Bienenwachs, erfolgreich waren.

Dann modellierte ich am 13. Relief weiter, dessen Fertigstellung schon in Sichtweite rückt. Produktion läuft!

Tanz | Portraits

Im Mousonturm sahen wir einen Tanzabend der brasilianischen Tanzcompany La Rodrigues. Das Stück „Fúria“ bestand aus einem Zug von vorwiegend farbigen Tänzerinnen und Tänzern, die in einem immer wieder aufgesprengten Kreis, an der Rampe vorbeidefilieren. Die getragenen Bewegungen wurden von einem nur leicht variierten Trommelrhythmus mit Schreien und Pfiffen aus dem Off begleitet. Das erinnerte an die Schattenfigurenzüge des südafrikanischen Filmzeichners William Kentridge. Drastische Bilder veranschaulichten Situationen und Zustände der brasilianischen Gesellschaft, innerhalb des Defilés, das abrupt von einem unverständlichen Monolog abgewürgt wurde. Die hoch aufgebaute Dramatik fiel in sich zusammen.

Die Fremdheit dieses Abends hat mich sehr gefordert. So kehrte ich ins Atelier heim, zu den Klängen des Projektes „Drift“ von Underground.

Sehr kultivierte Maltechnik sahen wir gestern in einer Städel – Kabinettausstellung mit Portraits von Lotte Laserstein. Trotz des etwas eingeschränkten Sujets, sah ich verblüffende Stofflichkeit und Gesichter, die tief empfundene Geschichten, in einer intensiven, aber gleichzeitig zurückhaltenden Manier, reich erzählen. Als jüdische und „entartete“ Künstlerin verließ sie Deutschland rechtzeitig und wird nun erst wieder entdeckt.

Es gibt größere Probleme beim Gießen der Reliefs. Irgendetwas muss mit der Rezeptur der Trennmittel passiert sein, denn ich habe große Schwierigkeiten, das Pappmache unversehrt aus den Formen zu nehmen.

Schriftblätter | Collage | Handprint London

Im Raum hängen die Schriftblätter mit Frottagen von gestern. Die Schüler waren da und hatten die Aufgabe, in den Liniengeflechten der Reliefformen, gegenständliche Figuren zu finden, diese auf Deutsch mit den Stempelbuchstaben zu bezeichnen und sie dann mit Pappmache auszuformen. Am nächsten Donnerstag werden sie sie dann bemalen.

Ich hatte am Morgen länger mit der Collage zutun. Der Frottage mit Aquarellstiften, von der ich bei den drei Buchmalereien ausging, ordnete ich den Teil der Linien der Reliefform zu, die ich in das Tagebuch übertragen hatte. Diese Fotografie setzte ich nun teilweise über die Malereifragmente. So kann man erkennen, wie die Formen mit den Malereien zusammenhängen. Außerdem wird sichtbar, welche Einflüsse die Buchmalerei auf die weitere farbliche Bearbeitung der Reliefs haben wird.

Simon meinte am vergangenen Sonnabend in Hamburg, dass ich Karl Hyde treffen sollte. Das würde für mich Sinn ergeben, wenn sich ein Projekt daraus ergeben würde. Ein Handprint London beispielsweise.

Altkönig

Bei meinen früheren Taunuswanderungen bin ich öfter auf das Gipfelplateau des Altkönigs gekommen. Ich glaube, dass dieser Ort eine besondere Anziehungskraft für Esoteriker hat. Dazu tragen gewiss auch die Ringe der keltischen Befestigungen bei, von denen nur noch große, kreisförmige Steinansammlungen vorhanden sind.

Bei meinem gestrigen Gang, den südlichen Hang des Berges von Falkenstein aus hinauf, herrschte mäßiger Frost und leichter Nebel. Die Baumkronengebilde, in Raureif gehüllt, staffelten sich kulissenartig. Schlafplätze von Hirschen befanden sich in geschützten Mulden, abgeschirmt vom Wind. Schneefreie Ovale zeigten sie an.

Für mich staffelt sich der Weg durch seine unterschiedlichen Anforderungen. Bis zu einem Vorgipfel quere ich, steil steigend, verschiedene Forst- und Wanderwege. Dann gehe ich in einem kleinen Bogen östlich, um keine Höhe zu verlieren, nahezu eben bis zum nächsten Anstieg, der zu den Steinwällen führt. Dann geht es nur leicht ansteigen bis ganz hinauf.

In der knappen Zeit, bis zum Dunkelwerden, gelang mir gestern Nachmittag der gesamte Auf- und Abstieg. Aber die Tage werden nun länger.

Trost

Das Wochenende in Hamburg kauert noch in meinem Körper. Das stetige Unterwegssein, die kalten Wartezeiten auf den Bahnhöfen, die nicht enden wollenden Gespräche…

Am Südhang des Altkönigs kann ich auf einer kurzen Strecke etwa 300 Höhenmeter steigen. Das will ich an diesem Nachmittag wieder machen. Beim letzten Mal hatte ich das GPS-Aufzeichnungsgerät mitgenommen. Beim Einfügen des Weges in eine Karte, konnte ich feststellen, wie weit ich noch vom Gipfel entfernt war. Etwa 100 Höhenmeter. Die möchte ich heute auch noch gehen. Eigentlich müsste ich mindestens zweimal in der Woche den Berg hinaufsteigen. Aber mich hindert das Gefühl, dass ich dafür keine Zeit hätte. Es gibt immer Dinge die erledigt werden müssten und gleichzeitig wichtiger erscheinen.

Gleich bin ich zu einer Ausstellungseröffnung zum Landmarkenprojekt eingeladen. Gestern waren wir ausführlicher Einkaufen. Am Nachmittag wäre eigentlich noch ein Interviewtermin gewesen, der aber abgesagt worden ist.

Aber ich habe noch viel, bis in den Abend hinein, modelliert. Das ist ein Trost.

„Maria“ in Hamburg | „Handprint“ in London und Manhattan

Wir sahen die Deutschen Erstaufführung von Simon Stephens „Maria“ in der Übersetzung von Barbara und der Regie von Sebastian Nübling, am Thaliatheater in Hamburg. Ein zweistündiger, kurzweiliger und emotionaler Theaterabend. Die Schauspieler konnten hervorragend mit dem Text umgehen, und man spürte nicht, dass es sich um eine Übertragung aus dem Englischen handelt.

Am Rande, während der Premierenfeier erzählte mir Simon von seiner Arbeit mit dem „Handprint“ in London mit Karl Hyde und Underground und Edie Falco in Manhattan. Ich freue mich und bin auch erstaunt, dass Simons Besuch in meinem Atelier vor vielen Jahren, bei ihm so lange nachwirkt, wie er mir vorgestern selber gesagt hat.

Wir trafen in Hamburg auch alte Freunde, die uns in ihre Wohnungen eingeladen hatten. Wir Methanblasen steigen dann alte, eingefrorene Erinnerungen aus den Schichten der Lebenszeit auf.

In dieser Woche gibt es einige Verabredungen, die mich etwas von der Modellierarbeit an Relief Nummer 13 abhalten werden. Das ist aber nicht so schlimm, weil ich ganz gut in meinem Arbeitsplan bin.

Aufbewahrungsurnen

Ein lichtreicher und langsamer Vormittag. Im Raum werden die Blätter durchleuchtet, die meine Schüler gestern angefertigt haben. Es handelt sich um Transparentpapier mit Graphitfrottagen und gestempelten Blockbuchstaben, die Gegenstände bezeichnen, die in den frottierten Liniennetzen gefunden wurden:

Bügeleisen

Planet

Landkarte

Straße

Augen

usw.

Währen des Modellierens der Väterreliefs gelingt es mir, mich in die Zeit zu versenken, die zwischen den 2 Portraits liegt, die ich übereinander geschoben, zersplittert und wieder zusammengesetzt habe. Gleichzeitig werden die Bilder, die mir aus diesem alten Berlin zugespielt werden, mit meiner Kindheit verwoben, die in zeitlicher Nähe begann.

Die Flächen der Splitter, die ich einzeln modelliere, sind Grundrisse von Hinterhöfen, von größeren Plätzen, von Straßen und Gewässern. Extrudiere ich die Räume zwischen diesen Flächen, wenn sie gestapelt sind, entstehen Volumina, die wie die Aufbewahrungsurnen der Worte sind, der Fotografien und Klänge dieser Zeit.

Tierpfade | GPS | Relief Nummer 13

Gestern stieg ich wieder in den Südhang des Altkönigs im Taunus. Diesmal orientierte ich mich daran, in welcher Beziehung meine weglose Route, zum Plateau am Gipfel steht. Oft folge ich Tierpfaden, die Hindernisse rechtzeitig umgehen. Auf einer Anhöhe fand ich die Grundmauern eines kleinen Gebäudes. Sie schien mit Steinen neu ergänzt zu sein. Unweit davon ein gestapeltes Steinmal, das diesen kleinen Vorgipfel markiert.

Mit GPS – Aufnahmen kann ich nun meine Route am Rechner deutlicher nachvollziehen. Aber gleichzeitig entsteht langsam im Kopf eine Landkarte, die zuverlässiger ist.

Unterhalb des Fundamentgrundrisses befindet sich ein, mit Trockenmauern befestigter Forstweg, der nicht mehr benutzt wird. Die Mauern schmiegen sich schwingend an das Gelände und tragen den, teilweise zugewachsenen, Pfad. Das ist ein Ort, mit dem ich mich weiter beschäftigen könnte. Öfter schon sah ich solche sorgsam angelegten Wege, von denen eine besondere Ausstrahlung ausgeht. Sie führen eine Arbeit vor Augen, die langsam und sorgfältig mit den Händen getan wurde, schwer war und deren Ergebnis dem Verfall lange widersteht.

Eingerahmt wurde die Wanderung von den üblichen Arbeiten. Buchmalereien, Tagebuch, Blog und Modellieren am Relief Nummer 13 der Väterarbeit.

Dehnung

Wenn ich an meinem Rechner ein Musikstück anhalte, habe ich immer noch das Gefühl, dass das Tonband im Kassettenrecorder in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieser Stopp zieht Dehnung nach sich – 1960, Bill Evans Trio – schwingende Klangarchitektur.

Gestern begann die Modellierarbeit am 13. Relief des Väterprojektes. Spätestens in einem Monat möchte ich die Form gegossen haben. Der Motor beginnt zu surren…

Die Ideen für die extrudierten architektonischen Strukturen, kann ich leider noch nicht umsetzen. Es sei denn, sie könnten innerhalb der Väterarbeit eine unterstützende Rolle spielen, so wie es die Buchmalereien und die daraus entstehenden Collagen tun.

Nachher ziehe ich mir wieder meine hohen, festen Bergstiefel an, um den Südhang des Altkönigs zu erklimmen. Die Schuhe sind eigentlich für richtige Bergtouren gemacht, aber sie geben mir auch in diesem steilen Gelände sicheren Halt.

Nationale Pumpbewegungen

Wieder gingen mir Varianten extrudierter Skulpturen durch den Kopf (dabei stelle ich mir das „Durchdenkopfgehen“ gerade bildlich-skulptural vor, wie das Hohlformen entstehen!). Sie beziehen sich auf Grundrisse, die sie durch einen Strang, der seinen Querschnitt wie ein Morphing verändert, miteinander verbinden. Wenn Ich mir dabei Stadtpläne vorstelle, würde ich die Flächen um 90° drehen, die Grundrisse also auf ihre Schmalseiten stellen, damit die Extrusion etwas mit einem Zeitstrahl zutun haben kann.

Zunächst schaute ich mir am Morgen die Grundrisse des neuen Stadtschlosses und des Palastes der Republik in Berlin genauer an. Dabei stellte ich erstaunt fest, dass der Palast von der Grundfläche her genauso groß war, wie das Schloss jetzt. Der Quader ist nur in der Längsseite, von Nord – Süd, nun auf Ost – West ausgerichtet.

Die neuen Innenhöfe würden im skulptural extrudierten Übergang, vom Grundriss des Palastes zum dem des neuen Schlosses, spitze Pyramiden bilden. Gießt man deren Hohlform aus, so ergeben sich beziehungsreiche Abbilder der nationalarchitektonischen Pumpbewegungen allenthalben.

Herr Chipperfield fällt mir da ein, der kürzlich hier auf Teves West war, um das Boxcamp zum Ort eines Klavierkonzertes zu machen. Rettung kann also nur aus einem internationalen Blickwinkel kommen, meine ich damit.

Extruder

In meinem Kopf verbindet eine extrudierte Skulptur den Grundriss des Palastes der Republik mit dem des zunächst gesprengten und dann wieder aufgebauten Stadtschlosses in Berlin. Der Strang beschreibt also die ab- und anschwellenden Pumpversuche, die vakuumisierten nationalen Identitätorte, wieder zu beleben. Wenn dann das Stadtschloss erneut abgerissen wird, um den Palast der Republik originalgetreu wieder aufzubauen, wie es in einer Vision von Judith Schalansky heißt, setzt sich das Ein- und Ausatmen fort, wie die serielle Anordnung der extrudierten Skulptur.

Robert Borgmann hat Becketts „Warten auf Godot“ im Schauspiel Frankfurt inszeniert. Mir war in der Premiere deutlich, wie der Regisseur von einer Kunstinstallation ausgeht. Sie wird von den Darstellern mit Text und Aktionen gefüllt und vervollständigt. Dieses Vorgehen erscheint schlüssig und das Ergebnis inspiriert mich. Das mag an meinem Alter liegen, denn in der Nachtkritik muss ich lesen, dass die „Generation 30 – sowieso“, anderes erwartete. Aus der Kritik geht aber nicht hervor, was.

In der Kunsthalle Schirn sahen wir die Ausstellung „König der Tiere“. Kolonialistische Dekorationsmalerei auf hohem handwerklichem Niveau. Der Löwe, stolz und heroisch abgebildet, ganz im Sinne der nationalen Herrenmenschenkultur. Ich weiß nicht, was das Zeug in der Kunsthalle zu suchen hat! Das Publikum erscheint in Raubtiermustern, Fransen und Wildleder, bildet leider keinen Kontrast zu den Werken.

Grundstrukturen

Der zeitliche und räumliche Zwischenraum, der von den Aufnahmezeitpunkten und Aufnahmeorten der zwei Fotografien bestimmt wird, betrifft den 2. Weltkrieg in der Stadt Berlin. Die geografischen Beziehungen entspannen sich zunächst zwischen den Gleisen des Berliner Rings und dem Haus Vaterland am Potsdamer Platz. Die Zeit zwischen den früher Dreißigerjahren und den frühen Fünfzigerjahren, umschreiben den Zeitraum.

Neben dem Zeichentisch liegt, auf einem Extratischchen, die zwölfte Reliefform, die ich, mit einigem ungewollten Aufwand, von dem ersten Guss befreien musste, was wiederum einige Nacharbeiten an der Form zur Folge hatte.

Auf einem anderen Tisch sammle ich Dinge, die mit der Stadt Berlin und mit mir in Beziehung stehen. Es gibt den „Handprint Berlin“ meines Schülers Duc aus Vietnam, das Spielzeitheft des Berliner Ensembles, „Berlin Alexanderplatz“ von Döblin, die Bowiebiografie „Ein Leben“ von Dylan Jones und die Zeitung des c/o Berlin zu den aktuellen Fotoausstellungen.

Die Form Nummer 12, die Stadtkarte und der Zeitraum in dem Berlin zerstört wurde, fügt sich dahin zusammen, dass bei der Zerstörung einer Stadt, ihr Grundriss dennoch erhalten bleibt. Die Zersplitterung des Doppelportraits der Väter, hat wiederum die Rasterabbildung nicht zerstören können. Die Grundstrukturen wurden erhalten.

Wald

Am Nachmittag fuhr ich gestern nach Falkenstein, nah an die Südflanke des Altkönigs heran und stellte das Auto auf einem schlammigen Wanderparkplatz ab. Vor mir lag ein steiler Hang, der sich, durch die Serpentinen der Forsttrassen und Wanderwege strukturiert und durch das fehlende Laub an den alten Buchen, gut überschaubar vor mir erhob.

Vor etwa 4 Jahren hatte ich meine Waldwanderungen am Kleinen Feldberg unterbrochen und suchte nun nach einer Anschlussmöglichkeit, einem Stück Wald, das mir wieder erlauben würde, dort einen Weg nur für mich einzurichten.

Und als ich, zunächst auf einem Pfad, dann aber von ihm abweichend, direkt steil, querwaldein, hinauf stieg, spürte ich immer stärker, was ich in den letzten Jahren vermisst hatte. Ich weiß nicht, wie weit ich den Hang unter dem Gipfel erklommen hatte, genoss aber die kalte Luft voll Feuchtigkeit, das weiche Laub unter dem Schnee und die hageren Gestalten der laublosen Bäume. Weiter oben zeigte sich ein weiter Blick nach Süden, gegen die helle Stadt.

In meinem warmen Körper setzte ich Schritt um Schritt meinen Weg, wieder hinab, fort und folgte dann dem Pfad zum Parkplatz und wusste, dass für mich erneut ein Zeitabschnitt begonnen hat, in dem der Wald eine wichtige Rolle spielen wird.

Riss

Es ist einige Geduld vonnöten, abzuwarten bis die letzten Abgüsse der Reliefs so trocken sind, dass man sie schadlos von den Formen ablösen kann.

Meine Väterarbeit, zu der die Abgüsse gehören, stützt sich formal auf zwei Fotografien. Eine davon entstand im Haus Vaterland, während der Zeit der Weimarer Republik oder kurz danach im Übergang.

Die Diktaturen, die dann folgten, prägten das Leben meiner Eltern. Demokratisch Prozesse waren kein Bestandteil meiner Bildung und Erziehung. Somit war mir der Vorgang der Verwandlung einer Demokratie in eine Diktatur, wie in den Dreißigerjahren, nicht wirklich begreifbar. Ich lernte die mühsame Realität der politischen Wirkkräfte der Gegenwart, erst in einer Bürgerinitiative, von innen her kennen.

Viele Dokumentationen und historische Aufarbeitungen, beziehen sich derzeit auf die Zeit, in der das Foto meines Großvaters entstanden ist. Die Wege meiner Beschäftigung mit dem Väterdoppelportrait gehen von meinen Erfahrungen mit Diktatur und Demokratie aus. Die Freiheit der Buchmalereien, die das Projekt vorwärts treiben, wäre ohne dieses Erleben nicht möglich. Mein Blickwinkel kommt aus dem „Riss der Passage“.

Ablenkung

Gestern begann ich die Zeichnung der letzten Projektionsfolie vorzubereiten, die für die Reliefs 13 – 16 benötigt wird. Und heute wäre der Tag, an dem ich beginnen könnte, sie anzufertigen.

In einem sorgfältigen Prozess begann ich die Pappmacheherstellung zu optimieren. Das heißt, die Mischung sollte eine Konsistenz aufweisen, die die Form möglichst genau ausfüllen und somit das Modell exakt nachbilden kann. Dann goss ich die Form Nummer 12 aus. Die Trocknung wird nun noch mindestens 24 Stunden dauern. Dann weiß ich ob alles so funktioniert, wie ich es mir vorstellte.

Es wird spürbar, dass die plastische Arbeit am Väterprojekt mittelfristig zu einem Ende kommen muss.

Andere Arbeiten beginnen sich mehr in den Vordergrund zu schieben. Ein Vorhaben, wie der „Handprint Berlin“, wird wichtiger und die Arbeit an Rolle 6 nimmt zu. Ich blättere zehn Jahre im Tagebuch zurück und habe vor, meine Taunuswanderungen wieder aufzunehmen. All das erscheint mir, wie eine Ablenkung von der Hauptarbeit.

Altkönig

Am Mittwoch will ich meine Taunuswanderungen wieder aufnehmen. Der Altkönig, meint Peter Handke, sei der schönste Berg der Welt. Und weil ich ihn quasi vor der Tür habe, soll er das Ziel meiner Waldgänge in der nächsten Zeit werden. Mir geht es um die Erholung meiner Sinne und um etwas Training. Ich knüpfe damit an die Wanderungen am Kleinen Feldberg an, die ich vor etwa 4 Jahren abgebrochen habe.

Eine Ausstellung mit Werken von Victor Vasarely, sahen wir gestern in der Schirn. Während ich mich für die Betrachtung seines Spätwerkes etwas zusammenreißen musste, um nicht davon zu laufen, gefielen mir seine frühen Arbeiten außerordentlich gut. Das Spätwerk gewann durch die vielen Besucher, deren Kleidungsmuster einen Kontrast schufen oder eine Spannung herstellten, die die Werke selbst nicht aufwiesen.

Im Cafe des Liebieghauses mussten wir auf den Schreck noch einen Riesling trinken.

3 Sätze

Die Buchmalereien sind heute unter dem Eindruck des 2. Konzertes für Violoncello und Orchester von Schostakowitsch entstanden. Das Stück wurde 1966 uraufgeführt.

Der Klang der Farben entsteht beim Anschauen der Malerei so, wie ein Instrument angeschlagen wird. Ich sehe die Farben während der Arbeit schon bevor ich sie einsetze. Es entsteht die Melodie, die durch den Linienrhythmus strukturiert wird. Dann wird das ganze Orchester in Bewegung versetzt.

Drei Sätze entstehen, deren Themen untereinander getauscht und variiert werden. Das ist der Zusammenhang zwischen den Buchmalereien und der Musik.

Die Collage bedient sich dann noch einmal. Aus den Zitaten der Malereifragmente setzt sich nun ein mehrschichtigeres Bild zusammen, das stets über dem Text eingefügt ist.

Auf Rolle 6 probierte ich gestern, was ich mit einer größeren „Graphit-Väter-Formenfrottage“, Tusche und Schellack anfangen kann. Ich bin nicht fertig geworden und werde morgen, womöglich durchzeichnend beim Aufrollen des Transparentpapiers, weitermachen.

Väterformen | Frottagen | Buchmalereien

Die 12. Form der großen Väterreliefs versiegelte ich gestern und kann sie nun abgießen. Schon schau ich auf die Linien der Scherben und Splitter der letzten 4 Reliefs, die unter einer Scheibe meines Zeichentischs liegen. Sie werde ich noch in diesem Monat zu modellieren beginnen.

Für die entscheidenden Schritte zur Bemalung der größeren Tafeln, die die Scherben und Splitter beherbergen, habe ich noch keine rechte Konzentration. Dafür muss ich das Atelier auch etwas umorganisieren.

Auf Rolle 6 fertigte ich gestern zwei Frottagen an, deren Linien von einer der „Väterformen“ stammen. Da hinein zeichnete ich mit schwarzer Tusche eine Linie, die der Kartierung einer Stadtwanderung ähnelt. Dann fügte ich Schellack hinzu, der die Tuschelinien etwas anlöste. Beim Zusammenrollen bildete sich die Wanderung dann ein zweites Mal ab.

Die wichtigste Arbeit, an der ich auch die meiste Freude habe, sind nach wie vor die Buchmalereien. Sie bilden Vorgänge ab, von deren Existenz ich zuvor nichts wusste.

3 Skulpturen

Aus Draht und drei abgeformten Pappmache-Scherben baute ich gestern drei kleine Skulpturen. Den etwa 1 mm starken Draht fand ich zusammengerollt und überfahren auf der Straße. Die Schlingen muss ich strecken um gewundene Tentakel zurechtzubiegen, auf denen die Scherben schweben können, sich drehen, wie Blätter zum Licht.

Ich sah mir noch einmal die Skulpturen von Jean Dubuffet an, die aus aneinander gefügten Flächen bestehen, die sich zu Figurengruppen zusammenschließen.

Im Völkerkundemuseum von Wien sah ich vor zehn Jahren Götterfiguren aus dem Himalaja. Sie wirkten umso wilder, als sie herabgestiegen waren in die Kulturwelt dieser Stadt. Nun werden wir uns diese Skulpturen gemeinsam mit den frühbuddhistischen Malereien an Ort und Stelle anschauen. Die Klöster liegen an den Flüssen Spiti und Indus in einer Höhe von etwa 4000 m.

Unter dem polierten Sternenhimmel

Ich schaue mir die Buchmalereien an, die ich vor genau 10 Jahren gemacht habe. Damals arbeitete ich zwei Monate an einem „Handprint Wien“, eine Stadtwanderung. Die Malereien damals bestanden aus ernsten Farben und schwarzer Tusche. Die Figuren begannen sich vor abstrakten Landschaften aufzulösen. Vage Hintergrundlinien deuteten manchmal geschlossene Räume an, in denen sich finstere Dramen abspielten. Mich berührt das heute, und es ist mit der jetzigen Produktion nicht zu vergleichen.

Unter einem polierten Sternenhimmel fuhren wir gestern auf den Autobahnen wieder nach Hause. Jetzt hat das Licht, das über die Dächer ins Atelier kommt, all diese Tiefe genommen. Wolken schieben stumpfe Trübnis vor sich her.

Mein Arbeitstag heute ist einfach. Ich scanne die Malereien, die ich in den letzten 6 Tagen gemacht habe und stelle eine Collage her, die die Brücke in dieses Jahr bildet. Dann räume ich das Atelier etwas auf – ein Einkauf steht an.

Am Nachmittag sichte ich das letzte Material des Väterprojektes und beginne die Vorstellungen umzusetzen, die mir in den Tagen in der Stille auf dem Land erschienen.

Lala – lala – lala

Die Landschaften durch die ich mit meinem Bruder ging, die ich durchfuhr, als ich die Autobahn zu meinen Eltern verließ, gehen mir nach. Es ist, als sprächen die Hügel zu mir, als sei in der Aue, an der Nesse eine Nachricht verborgen.

Für seinen Vater interessiert sich mein Vater „an und für sich“ gar nicht, denn „er hat seiner Mutter zwei Kinder angedreht und hat sich dann aus dem Staub gemacht“.

Auf dem Weg an der Nesse waren meine Eltern seit Jahren nicht, obwohl er keine 250 Meter von ihrem Haus entfernt ist.

Die Halbmonde in meinen Buchmalereien weisen mir den Weg, wenn ich die Augen schließe. Hier, auf Teves ist es still. Nur die Stadtbahnen rattern im Rhythmus der Waggons über die Gleise.

Lala – lala – lala

Bis in den Himmel

Die gerahmten Scherben sind alle verschenkt.

Lange Fahrten zur Verwandtschaft, zu den Väter-Theatervorstellungen, wo immer sie auch stattfanden. Sich ähnelnde Facetten der Verhaltensweisen bilden sich in den unterschiedlichen Generationen ab. Die Statisterie bemüht sich darum, dass der Weihnachtsmotor nicht stottert. Aber die Aufmerksamkeit der alten Männer lässt nach.

Eine neue Autobahnabfahrt zu meinen Eltern führt durch zwei winzige Orte mit schönen, kleinen und alten Kirchen. Rasenflächen vor den Bauernhäusern und große Felder, durch die sich eine kaum befahrene, schmale Straße schlängelt. Unten im Tal dann der Fluss Nesse, der von einer schönen Aue gerahmt ist. Alte Weiden, verstreute Bauerngehöfte, als sei die Zeit stehen geblieben.

Ich bin gerne wieder im Atelier, das noch ein wenig kühl ist, weil ich die Heizung herunter gedreht hatte. Dafür wirbeln die Buchmalereien dem Ende des Jahres entgegen und wärmen mein Gemüt.

Die zwei Scherben, die ich zu einem Zelt zusammenstellte, beschäftigten mich bis in das Hinüberdämmern in den Schlaf. Da wuchsen skulpturale Türme aus vielen bemalten Scherben in den Himmel.