Anhaltendes Gespräch

Zeitig am Morgen gestern mit Vinzenz im Atelier. Oft ist es so, dass wir gleich zur Sache kommen und uns über künstlerische Dinge austauschen, als ob wir ein lang anhaltendes Gespräch führen.

Dann durch Nebel, Regen und Schnee nach Thüringen zu meinen Eltern. Bei einem Spaziergang nahm ich mir Zeit um die kulissenartigen Baumreihen im Nebel der hügeligen Landschaft anzuschauen. Stehen bleiben und schauen. So einfach. Der Schnee blieb bis zum Abend liegen und erinnerte durch seinen Geruch an die Winter der Kindheit.

Nach der Rückkehr hatten wir dann noch Gelegenheit, redend über das Material Wachs und die Möglichkeiten, die digitale Medien eröffnen, das Bier zu trinken, was mir mein Vater mitgegeben hatte. Vinzenz postete einige Bilder aus meinem Atelier, und wir schauten schon, welche Follower sich das angesehen haben.

Am Abend Treffen im Bahnhofsviertel mit Leuten, die die Buchmesse jährlich nach Frankfurt bringt. Im Urban Kitchen ging es um die Arbeitsbedingungen von freien Lektorinnen in Berlin.

Zur Nacht noch ein Glas Wein am Küchentisch.

Türnische | Geschichte

In der Nachwirkung des Tanzworkshops, entdecke ich noch mal stärker meinen eigenen Hang zur Performance, die mit dem Ausfüllen oder Entleeren eines Raumes zutun hat. Auch in einem Gespräch mit Vinzenz ging es um das Ausmessen des Raumes mit dem Körper. Somit kann Architektur auch zu einem choreografischen Objekt werden, weil sie die Bewegungen der sich im Raum befindlichen Menschen beeinflusst.

Eine ehemalige Kommilitonin von Vinzenz stellte einen Raum und dessen Geschichte aus. Der Impuls dafür war eine zugemauerte Türnische, sagt er.

Bewegung und Geschichte.

Wie die Biografieblätter zu minimalistischen Frottagen und Zeichnungen tendieren zeigte ich und merkte, wie es Hand und Fuß hat.

Im Netz bestellte ich wieder leere Tagebücher, deren Verbrauch eine regelmäßige Angelegenheit ist. Der Druck steigt, wenn sie zur Neige gehen, neue zu beschaffen. Das zögere ich oft hinaus und genieße dann die Erlösung, wenn mit der Bestellung etwas wie eine Absicherung des Zukunftsraumes einhergeht.

Verkettung

Es ist, als seien die Leitungen unterbrochen. Nichts von dem, was ich mir vorgenommen habe, habe ich gestern umgesetzt. Eine Leere hat sich an die andere angeschlossen. Eine Verkettung.

Ewige Suche in einem Baumarkt nach einem Werkzeug, mit dem ich unsere heiß geliebte Kaffeemaschine retten kann, die gerade dabei ist, die wichtigsten Funktionen zu verlieren. Es ist, als ob man einem Lebewesen beim Sterben zuschaut. Stunden brachte ich damit zu, sie zu reparieren. Ohne Erfolg. Die Luftpumpe, die ich für mein Fahrrad kaufte, passte nicht an seine Ventile.

Auch ein Lebensmitteleinkauf erwies sich als zeitraubend, weil ich den Einkaufszettel vergessen hatte. Die Zeiträume, die für diese Dinge vorgesehen sind, führen zu einer eigenartig zersiedelten Daseinsweise. So begann ich auch nicht, die Skulptur zu schweißen oder wenigstens andere Haushaltssachen zu erledigen.

Heute schien noch mal die Sonne. In den nächsten Tagen kommt die Finsternis mit der feuchten Kälte.

Die Pflanzen müssen rein…

Winter.

Lichtstrom | Glas

Was kann ich mit dem Lichtstrom anfangen, der sich ins Atelier ergießt. Kann ihn nicht trinken, wende ihm und dem andauernden Donner der startenden Maschinen den Rücken zu, fange die Strahlen mit einem Spiegel, den ich an eine Stuhllehne stelle und schicke sie in eine Ecke, wo sie sonst nie hinkommen.

Die täglichen Dateien sind heute zu aktualisieren. Einkäufe am Nachmittag. Lebensmittel, Arbeitsmaterialien, Farben stehen auf dem Zettel.

Vielleicht beginne ich heute, eine Skulptur zu schweißen, die eine Lampe für unsere Wohnung werden soll, ein Dreiecksgittergestell für Glassteine von Kronleuchtern, Glühbirnen und anderem Glasperlenklingklang. Das kann man über die Zeit vervollständigen.

Mal schauen, was daraus an ernsthafteren Objekten entstehen kann, die vielleicht auch mit dem Biografiethema zutun haben können. Immer mal stelle ich mir Holzgegenstände vor, die in solchen Gittern gefangen sind.

Himmelszeichen | Tanzraum

Zuerst hört man die Schreie, dann geht der Blick in diese Richtung an den Himmel, um nach den Formationen zu suchen, in denen die Kraniche nach Südwesten ziehen. Manchmal lösten sie sich über einer der Taunushöhen auf und dann begann der Schwarm zu kreisen, entweder, um an Höhe zu gewinnen, oder um auf Nachzügler oder andere Schwärme zu warten, mit denen man sich zu einer größeren Gruppe vereinigen kann. Hinter den V-Formationen bilden sich noch andere Linien, die aussehen, wie Schriftzeichen. Sie zu lesen wäre Augurensache.

In jedem Herbst ist dies der melancholische Moment, der zeigt, dass es mit großen Schritten auf den Winter zugeht. Dann komme ich etwas in Bedrängnis, denn bei Frost müssen dann alle empfindlichen Pflanzen im Atelier stehen. Es ändert im Winter ganz seinen Charakter, wird zur Orangerie, wodurch weniger Platz für Arbeit ist.

Der Tanzworkshop wirkt noch nach in mir. Am meisten interessieren mich jetzt die Wirkungen, die ein Raum auf meine Bewegungen hat. In mehreren Gängen markierte ich die Traversen für Versorgungsleitungen an der Decke mit meinem Armen und Händen, ebenfalls die Linien am Boden, an denen der Tanzboden mit Klebestreifen zusammengehalten wird. Außerdem ging ich den Blickrichtungen starr verharrender Figuren anderer Teilnehmer nach, benutzte meine Handfläche als Sichtblende oder Fixpunkt.

Noch kein Tisch

In meinem neuen Zimmer in der Frankenallee sitze ich erstmalig mit Blick auf die Allee und schreibe. Es gibt noch keinen Tisch. Deshalb ist es mit dem Buch auf den Knien etwas umständlich. Vielleicht kaufe ich mir einen kleinen, alten, schönen Tisch, auf den ich eine Vase stellen kann.

Der Blick ist fast derselbe, den ich sechzehn Jahre von meinem Schreibtisch aus hatte. Nun aber befindet sich ein Balkon davor, auf den ich durch eine Flügeltür hinaustreten und hinabschauen kann. Wenn ich die im Sommer öffne, vergrößert sich das Zimmer um etwa ein Drittel. Außerdem gibt es einen großen, alten Heizkörper, fast ein antikes Stück mit einer Marmorplatte darüber.

Es ist heute schon Abend, während ich jetzt schreibe. Tagsüber war ich in einem Workshop zum Thema Tanz und Architektur. Aus einer anderen Warte über Gestaltung nachzudenken, war eine inspirierende Abwechslung. Ich hatte die Gelegenheit, darstellerisch auszuprobieren, was ich mir in dieser Hinsicht schon öfter vorgestellt hatte. Ein Gang durch den Raum beispielsweise, der immer wieder auf seiner Linie stockt und dann wieder rückwärts geht. Dieses Innehalten und Weitergehen ist dem Zeichnen ähnlich. Es ging viel um Improvisation und um den Raum des Körpers und um den, in dem er sich gerade befindet.

Gewalt | Armierungsstahl

Den zarten Blättern mit den Graphitfrottagen, den dünnen Bleistiftlinien, die Gravitationsschwüngen nachspüren und den Schelllackwolken, habe ich gestern Gewalt angetan. Mit viel Tusche zeichnete ich Figuren aus Twyfelfontein dazu, versetzte sie gleich mit Schelllack und rollte die Formate zusammen. Die Umrisse der Felsgravuren wurden unkenntlich und zu Landschaften auseinander gezogen. Die Eingriffe waren brutal aber wirkungsvoll. Außerdem denke ich daran, eigene Texte einzufügen.

Die täglichen Malereien in den Büchern verändern sich durch die Gravitationsschwünge. Sie verdrängen die Verwischungen und rufen andere Gestaltungsreaktionen auf den Plan.

Gestern kaufte ich Stäbe aus Armierungsstahl und Schweißelektroden im Baumarkt. Daraus sollen nun Dreiecksgitterobjekte entstehen, die mit anderen Materialien zusammengefügt werden sollen. Es bieten sich an: Pappmaché und Gips, geschnitztes Holz und das alles mit Schelllack bearbeitet. Außerdem können die Masken mit den aufgemalten Rasterportraits eine Rolle dabei spielen. Von denen sollen nun noch mehr entstehen.

Noah malt schöne kleine Formate mit Acrylfarben und Joana bleibt seit Monaten treu bei ihrem Wachstropfenobjekt.

Einzelgänger

In der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel gibt es demnächst einen Workshop zum Thema „Gehen“ und im Mousonturm am kommenden Sonnabend einen zu Tanz und Architektur. An beiden werde ich teilnehmen. Das ist ungewohnt für mich. Eher fühle ich mich als Einzelgänger.

Ein wenig Organisation gestern. So etwas schiebe ich gerne vor mir her. Auch Materialeinkäufe und alle Dinge, die mich scheinbar von der Arbeit abhalten, haben es schwer bei mir.

Ein Blatt mit Frottagen, das ich vor sechs Tagen angefertigt hatte, ergänzte ich gestern durch mein Pionierselbstportrait, das auf das Jahr 1963 zurückgeht. Das Portrait zieht Tanzzeichnungen oder Felsgravuren nach sich, um ein Gleichgewicht der Komposition zu behalten. Somit geht der minimalistische Gestus der Frottagen verloren. In der Collage oben spielen noch die Gravitationsschwünge der dritten Zeichnung von heute mit einem Abdruck meines Handballens eine Rolle.

Ich frage mich ob diese Zeitschichten, diese Ereignisgesträuche nicht in die Irre führen, ein eklektisches Wirrwarr anrichten. Anders gefragt: Wie lange werde ich an diesen Collagen festhalten, bis etwas Neues geschieht.

Impulse

Bewegung und Raum, Tanz und Architektur wie auch Wanderungen und Siedlungsstrukturen finden sich im Zentrum der derzeitigen Arbeitsimpulse.

Ein Nachbar schenkte mir ein Stück Holz. Unter der entfernten Rinde finden sich Fraßspuren eines Borkenkäfers. Im Zentrum einer Figur befindet sich der gerade Graben der Eier legenden Generation. Von deren Strang aus im rechten Winkel gehen von den Eierablagen nach beiden Richtungen die Gräben der geschlüpften Käfer ab. Das sind gegrabene Stammbäume.

Kleine Straßendörfer oder Oasen sehen nachts aus dem Flugzeug ähnlich aus.

Der Scan einer laufenden Tanzszene aus „One Flat Thing – Reproduced“, ist das wichtigste Arbeitsergebnis der letzten Tage. Diese Arbeit würde ich nun gerne weiterführen. Es besteht die Möglichkeiten das Ganze mit Rollsequenzen auf Rolle 6 weiterzuentwickeln, die ich seit dem 18.02. 2015 nicht mehr angerührt habe. Auch von der Weiterarbeit in diese Richtung erhoffe ich mir neue Impulse für die Biografiearbeit, die ich „Biograf“ nennen könnte.

Rolle des Biografen

Der Beton vor dem Atelier wird unter einem warmen Regenguss zu einem See. Das Gärtchen saugt sich voll und treibt aus den Sommersamen neue Kletterpflanzen, Blüten und unbekanntes Kraut.

Am Zeichentisch entstanden gestern weitere fünf abstrakte Blätter mit Frottagen wandernder Gegenstände, Gravitationsschwüngen und Synaptischen Kartierungen. Ich schlüpfe aus der Rolle des Biografen und lasse mich unprogrammatisch treiben in scheinbarer Freiheit. Die bestünde auch darin, vielleicht gerade diese Blätter als Verweis auf die Perspektive, aus der heraus die Zeitschichten und Verwischungen betrachtet werden, in das biografische Geschehen wieder einzuordnen, sie mit Pionierportraits oder anderen Motiven zu verbinden.

Mir steht mein zeichnerisches Gewurschtel aus den Siebzigerjahren nahe, mit dem ich versuchte, mich auf mich zu beziehen. Das alles vor der Natur, den Landschaften, die mir damals begegneten oder im Kneipenportrait.

Das politische Klima an der Pädagogischen Hochschule Erfurt während der Biermannausbürgerung, will ich gerne durch Dokumentarmaterial betrachten. Dieses soll sich mit meiner Erinnerungen verbinden, die vernebelt und wieder in klaren Bildern erscheint, wie ich dieses Institut verließ. Die Stasiakte wäre hilfreich.

In die Irre

Zum Abschluss unserer diesjährigen Spielzeiteröffnung sahen wir gestern das neue Ballettensemble im Bockenheimer Depot. Es war die erste Produktion der Dresden Frankfurt Dance Company. Fünfzehn junge und begabte Tänzerinnen und Tänzer sind für die Forsythe Company eingestellt worden, dann wurde der Name geändert und jetzt werden sie von dem neuen Chef Godani in die Irre geführt. Gedankenlos reihen sich vorhersehbare Figuren aneinander. Immer spreizen sich die Finger zu flügelhaftem Geflatter eleganter, manieristischer Blesshühner. Das Ganze erinnerte mich an eine Eisrevue. Das junge Publikum schrie und trampelte vor Begeisterung. Nichts wurde ihm abverlangt. Das gefällt.

Danach am Küchentisch fanden wir alleine in der Tatsache Trost, dass wir die ganze Forsytheära in Frankfurt gesehen haben, und dass sein Werk nun weiter wirken wird. In meiner Arbeit ist es fest verankert. Aktuell findet sie sich innerhalb der Frottagen der sich bewegenden Gegenstände und in dem Videoscan, den ich heute aus lauter Sentimentalität in die Collage oben eingefügt habe. Dennoch bin ich traurig darüber, dass sein Erbe nicht in Frankfurt fortgeführt wird. Ich könnte mir ein Forsythearchiv mit ständiger Ausstellung und einem Forschungsprogramm für Choreografen und Künstler vorstellen, das beispielsweise mit der Hochschule für Darstellende Kunst verbunden wäre.

In den kommenden Monaten werde ich meinen Teil tun, indem ich mich intensiv mit der Ausstellung „The Fact of Matter“ im MMK beschäftige. Vielleicht kann ich mit Fotografie und Zeichnungen so einiges für mich festhalten.

Verweigerung

Das zweite Stück „Terror“, nach dem „Zerbrochenen Krug“, wurde weitgehend von denselben Schauspielern bestritten. Beide Texte haben nur Äußerlichkeiten gemeinsam. Die Beschreibungen der zwei Gerichtsverhandlungen sind sehr verschieden. Während Kleist die kleine Gesellschaft eines Dorfes mit ihren Sehnsüchten umschreibt, spitzt von Schirach ein rechtsphilosophisches Problem zu. Am Ende sollten wir Zuschauer elektronisch entscheiden, wie der Angeklagte, der eine vollbesetzte Passagiermaschine abschoss, um ein vollbesetztes Stadion am Boden zu verschonen, schuldig oder frei gesprochen wird. Ich fühlte mich manipuliert und verweigerte die Abstimmung. Das gleiche tat eine ganz kleine Minderheit des Publikums.

Wir waren uns einig, dass „Der Prinz von Homburg“ die bessere Wahl gewesen wäre, um dem „Terror“ zu begegnen. Ob dieses Stück allerdings in seiner Vertracktheit besser auf die Bühne gebracht worden wäre, als die eindimensionale „Krug“ – Inszenierung, bleibt fraglich

Auf dem Heimweg kauften wir uns beim Yok Yok in der Münchner Straße noch eine Flasche Bier. Abertausende Menschen strömten von der zentralen Einheitsfeier dem Bahnhof zu. Träge ließen wir uns von diesem Strom nach Hause spülen.

Weiter, weiter…

Ein verregneter Sonntag. Ich höre das Vergnügen in den Partiten von Bach. Am Abend gehen wir zum neuen Ballett ins Bockenheimer Depot

Kleine Weltgesellschaft | Doppelthaterabend

Beim Spaziergang im Liederbachtal bogen wir in einen Seitenweg, der auf eine wenig begangene Wiese führte. Am Waldrand standen Apfelbäume, unter denen wir in der Sonne saßen.

Am Morgen im Atelier ein Gespräch über ein Stadtwanderungsprojekt mit Flüchtlingsjugendlichen in Kooperation mit dem Architekturmuseum. Ich wollte einen Überblick über die Zusammenhänge meiner Arbeit mit der Besetzung des Tevesgeländes bis hin zur Rezeption all der Arbeit von Bill Forsythe geben. Es sind die Jahrzehnte meiner kulturellen Wanderung.

Die Ateliergang vergrößert sich. Spanische und afrikanische Einflüsse nehmen zu. Eine kleine Weltgesellschaft innerhalb meiner Arbeit. Es ist die logische Fortführung der Wanderungsspurenarbeit.

Feierlichkeiten zur deutschen Einheit. Nach weiteren fünfundzwanzig Jahren werden sich die Perspektiven, mit denen man auf die deutsche Teilung schaut noch einmal stark verschoben haben. Sie wird unwichtiger werden.

Gestern im Schauspiel „Der zerbrochene Krug“ von Kleist als der erste Teil eines Doppelabends, dessen Fortführung „Terror“ heißt. Das ist ein Stück von Ferdinand von Schirach.

Zeitmessung

Zeitig, während die Sonne über den Bahndamm steigt, am Tisch im Atelier. An den Wänden leuchten Farbübergänge. Schattenflackern von wedelnden Blättern. Immer noch hebt der Ostwind den Fugverkehr über mein Dach.

Mit den gegenwärtigen Zeichnungen zeige ich Bewegungen meiner Hand, von den Gegenständen, die unter der Schraffur der Frottagen über die Tischplatte wandern und vom Kreisen der Bleistiftspitze in Gravitationsschwüngen.

Der Wunsch der klassischen Tänzer, zu schweben, geht mit den Träumen der sowjetischen Suprematisten einher, die Städte ohne Schwerkraft zeichneten.

Gestern scannte ich eine Videoszene mit Jone San Martin und David Kern aus „One Flat Thing, Reproduced“. Weil der Scanner die sich bewegende Szene langsam von der einen Seite zur anderen erfasst, werden die Bewegungen von drei Sekunden zu einem Standbild zusammengefasst und somit verzerrt festgehalten. Diesen Effekt gibt es stilisierter auch in meinen Zeichnungen aus den Ballettsälen oder vom Blick aus dem Zugfenster. Es handelt sich also um eine spezielle Wiedergabe von verstreichender Zeit durch das optische Abtasten des Raumes.

Das führt zurück zu den Frottagen der über die Tischplatte wandernden Steine.

Atelier | She She Pop | Frottagen

Atelier, Sonne, Stille.

Das leichte Lamento, die künstlerische Produktivität betreffend, löste sich am Nachmittag auf. Mit einem Graphitstift fertigte ich Frottagen von sich bewegenden Objekten auf Transparentpapierbögen an. Das geschieht in der Weise, dass ich beispielsweise einen Stein auf eine glatte Tischfläche lege und das Transparentpapier darüber. Wenn ich nun schraffiere und den Stein nicht fixiere, bewegt er sich unter der Papierfläche. Die Spuren seiner Wanderung über den Tisch werden mit seiner Oberflächenstruktur auf dem Papier zu sich wiederholenden Mustern. Durch verschiedene Effekte bekommen die Zeichnungen nun etwas Körperliches. Mit feinen Bleistiftgravitationslinien, die von Konzentrationspunkten der Figuren starten und wieder an anderen zurückkehrten, sich verankern, weitete ich die Zeichnungen aus. Mit Tintenpunkten wurden dann die Linienkreuzungen verstärkt. Am Ende fügte ich noch die gerollte Schellackstruktur hinzu.

She She Pop zeigte gestern im Mousonturm eine Performance mit dem Titel „Schubladen“. Darin trafen drei Westfrauen auf drei Ostfrauen. Alle waren in den Siebzigern geboren. Anhand von Erinnerungsstücken wurden die unterschiedlichen Erinnerungen an die Zeiten vor und nach der Wiedervereinigung Deutschlands gegenübergestellt. Sehr direkt und klar, ohne große poetische Anstrengungen gelang ein eher amüsanter Abend, nicht ohne Tiefgang.

Angezogene Handbremse

Der Motor springt nicht an. Ich komme an keine weiterführenden Dinge. Angezogene Handbremse zwingt meine Kreativität in die Knie. Entsprechend geht die Produktion gegen Null. Immerhin eine Tanzzeichnung von 2003 gesellte sich ganz verändert zu einem Blatt von Vorgestern. Ansonsten herrscht Arbeitshemmung.

Die Kapuzinerkresse ist wieder aufgestanden und bildete, nachdem ich sie am Nachmittag gewässert hatte, ein großes Kissen aus beblätterten Ranken und vielen Blüten in Orange und Rot. Das ist immerhin ansehnlich.

Ich spüre, wie die Themen langsam ausbluten. Die Variationen werden entleerter. Einzig, die tägliche Malerei in den Büchern, entwickelt sich unaufhaltsam und wird an manchen Tagen zur Hauptsache.

Am Nachmittag in der Sonne las ich einen recht kurzen Essay über das Propagandagenre der Kosmonautik in der sowjetischen Kunst. Interessant dabei ist der Übergang vom suprematischen Gestus zum sozialistischen Realismus. Dies zeigt die Diskrepanz zwischen dem Künstler und den Auftraggebern.

Neue Dance Company

Nach einem Morgengespräch schon später Vormittag im Atelier. Ich drehe der Sonne den Rücken zu lade mich so auf, um die gestrige Produktion heute Nachmittag zu vervollständigen. Auf die preußischblauen Blätter mit Schelllackinseln darin, zeichnete ich eine Ballettsaalszene in drei verschiedenen Varianten. Dann überrollte ich sie noch mal mit Schelllack. Das fragmentierte sie Szenen wieder so stark, wie ich es mir wünschte.

Gerade las ich ein Interview mit dem neuen Frankfurter Ballettchef Jacopo Godani, der unser Ballett in „Dresden Frankfurt Dance Company“ umbenannte und ausschließlich neue Tänzer beschäftigt. Seine Äußerungen klingen etwas konzeptionslos, aber man muss abwarten, bis wir den ersten Spitzentanz mit Kitscheinlagen erleben durften.

Gleichzeitig erschien in der FAZ eine ganzseitige Ankündigung der großen Forsytheretrospektive im Museum für Moderne Kunst. Frau Gaensheimer zeigt so ihre Ambition, sich zumindest kommentierend in künstlerische Entwicklungen in der Stadt einzumischen. Das kann nur gut sein und hilft meiner Trauerarbeit.

Meine eher mäßige Produktivität widmete ich gestern Vormittag den weltlichen Notwendigkeiten.

Der 3d Drucker steht etwas abseits, weil mich gerade andere Dinge beschäftigen. Vielleicht kann ich heute aber mal eine Filmsequenz auf ein einzelnes Blatt scannend komprimieren.

Überlebenskraftfeld

Es ist, als laufe jetzt am Morgen der Raum des Ateliers von Licht über. Nach einer kalten Nacht, wieder so ein sonniger Morgen.

Keith hat eine neue Platte gemacht. Das hörte ich am Frühstückstisch. Den Zyklus „Der Rock`n`Roll höhlt einen Jungpionier aus“, vielleicht der Anfang der Biografiearbeit, widmete ich ihm 1995 und erinnere unser Treffen aus diesem Anlass.

Die Verbindung zwischen dem naiven Kinderdasein und der Zeit des Zweifels, bildet die Musik. Eitle und überlange Gitarrensoli, Trommelklang im Herzrhythmus, die Bässe im Bauch und der wüste, röhrende, poetische Gesang waren die Begleitung dieses Übergangs. Und natürlich löste das den Wunsch aus, dort hin zu gehen, in den Westen und dazu zu gehören. Später weiter im Westen, in Brasilien, sollte der Trommelklang noch eine andere Dimension erreichen, noch tiefer in den Körper dringen, Schlaf und Hunger überdeckend. Es gibt Zeichnungen, die ich in Salvador auf der Straße gemacht habe, die im Geiste immer verbunden waren mit der dortigen Landlosenbewegung und ihren Quilombos im Hinterland.

Und nun interessiert mich die Spannung der Sambablocks der Straßenkinder in Salvador und deren Überlebenskraftfeld.

Unter den Überflügen, hinter dem Baustellengrummeln und den Güterzügen herrscht eine unwirkliche Montagsstille, hier auf der Inselabgeschiedenheit mitten in der Stadt.

Echo

Auf einem Fest trafen wir gestern den Kurator und Ostasienexperten, der die wunderbare Buddhaausstellung im Museum für Angewandte Kunst gemacht hatte. Ein Indienfahrer, mit dem wir uns einiges zu erzählen hatten. Ansonsten mischten sich Künstler, Kulturschaffende und Kunsttheoretiker, die sich die Weingläser gegenseitig füllten.

Irgendwann musste die Rede auf meinen Pfad im Taunus kommen, den ich seit einem Jahr nicht mehr aufgesucht habe. Die Zerstörungen durch die Forstwirtschaft, aber auch andere Veränderungen führten aus diesem Wald hinaus. Ein erneutes Interesse an solcher Arbeit müsste sich auf ein neues Areal konzentrieren. Vielleicht ist ein Pfad alleine ohne Installationen an seinem Rand der richtigere „Weg“.

Innerhalb der Biografiearbeit taucht ein Echo aus dem Jahr 1976 auf. Es wäre interessant, die Stasiakte aus dieser Zeit einzusehen. Wir reagierten damals auf die Biermannausbürgerung mit unserem verhaltenen studentischen Protest. Das reichte aber dafür aus, dass ich die Pädagogische Hochschule verließ, um mich ganz der Kunst zu widmen. Die Pendelfahrten zwischen Gotha uns Erfurt hörten auf.

Damals allerdings entstand der Gedanke, dieses Land zu verlassen. Dieser Schwenk wäre ein neuer Aspekt der Biografiearbeit.

Hendrix | Fehler | Grappa

Am frühen Abend besuchte ich Franz Konter in seinem Atelier. Zunächst sah ich ihm etwas beim Arbeiten zu, weil er die Musik von Jimi Hendrix so laut hörte, dass er mein Klopfen an der Scheibe nicht gleich mitbekommen hatte. Es war als läge er in seinen Zeichnungen. Wir sprachen dann über Fehler und Dinge, die nicht zusammenpassen. Der Wein floss schnell und unterstützte das erfrischende Gespräch.

Danach Pizza bei Pietro, der dann noch einen Grappa spendierte, und der Abend war noch lang.

In Gegenwart meiner Kunstschüler bereitete ich Blätter für weitere Zeichnungen zum Biografiethema vor. Ich nutzte das abstoßende Verhalten zwischen spiritusbasiertem Schelllack und stark verdünnter preußischblauer Ölfarbe für psychedelische Muster, die sich dann später mit den Tanzzeichnungen aus den Ballettsälen und mit den Gravuren der Kalaharibuschleute verbinden sollen. Neun Blätter sind so entstanden.

Der Oberbürgermeister hat gestern wegen eines Jubiläums auf unserem Gelände, neben meinem Atelier eine lange Rede gehalten. Es ging unter anderem um die vielen Flüchtlingsjugendlichen, die täglich in großer Zahl nach Frankfurt kommen. Wir werden mit ihnen arbeiten. Dabei werden die Unterschiede unserer kulturellen Prägungen deutlich hervortreten. Das kann ein produktiver Ausgangspunkt für die Weiterarbeit sein.

Tanzlinien | Umrisse

Auf dem sonnigen Platz vor meinem Atelier wird ein Fest vorbereitet. Seit dreißig Jahren bilden die Nachbarn, die das Restaurant betreiben, junge Frauen aus. Sie haben also damit begonnen, als ich neu in den Westen gekommen war. Jetzt stellen sie Stehtische auf, haben ein Buffet vorbereitet und erwarten den Oberbürgermeister.

Mit den gestrigen Zeichnungen habe ich umgesetzt, dass ich mir vorgenommen hatte, die Pionierportraits manchmal aus den Liniengefügen herauszuhalten. Dabei korrigierte ich eine Tanzzeichnung aus den Jahr 2003 und stellte sie gemeinsam mit einem Antilopenumriss in ein Format aus preußischblauen Flecken und Schellackverwischungen. Auch bei der zweiten Zeichnung ließ ich die Portraits weg. Die Konzentration auf die Themen der nomadisierenden Buschleute und die Tanzlinien der Forsythecompany, ließ Platz dafür, den Bewegungszusammenhang aufzuzeigen.

Gestern Abend in der Kammerspielen ein Text des Künstlers Hans Op de Beek. Eine Auftragsarbeit für das Schauspiel Frankfurt. Er schuf das Bühnenbild, führte selber Regie und schien keine dramaturgische Beratung bei sich gehabt zu haben. So hatte der Abend seine Längen, nahm erst im zweiten Teil etwas Fahrt auf. Auch die von ihm angefertigte Gestaltung des Programmheftes ließ mich nicht versöhnlicher an den Kollegen denken.

Tanzlinien | Wintergarten

Mein Blick fällt auf die Gesimse über den Atelierrolltoren im Licht der gewellt strukturierten, kleinen Glasscheiben, die von einem Betonraster gefasst sind. In diesem Winter möchte ich sie intensiver als Quartier für meine frostempfindlichen Gartenpflanzen nutzen. Das in den dunklen Monaten tröstliche Grün wird die Lichtfarbe im Raum wieder verändern. Es sind nun noch ein paar warme Tage angekündigt worden, in denen ich die neuen Stellflächen für die Töpfe in Ruhe vorbereiten kann.

Gestern begann ich die Zeichnungen der Biografieserie mit Datum und Signatur zu versehen. Somit systematisiert sich die Arbeit etwas mehr, was bei der Fülle des Materials notwendig wird.

Tanzlinien und das Bild der in den Fels polierten Antilopenfigur aus Twyfelfontein, erschienen plötzlich als ganz zusammengehörig. Die fehlende Qualität mancher Zeichnung, die ich im Ballettsaal gemacht habe, kann ich nun ganz in Ruhe auf Transparentpapier korrigieren. Vielleicht wäre es nun richtig, die Pionierportraits manchmal aus den Liniengefügen herauszuhalten. Die Begegnungen der verschiedenen Welten geschehen auf diese Weise ungestörter und die Räume werden weiter.

Aufräumen heute Vormittag noch, dann Selbstportraitmonologe am späten Nachmittag und morgen Mittag die Invasion der Kunstschüler. Dazwischen Zeichnungen und Musik.

Herbstarbeit

Die Verbindungslinien zwischen den Rasterpunkten eines Jungpionierportraits und dem schwebenden Raumanzug eines sowjetischen Kosmonauten, weisen Schlingen auf, die Aber keine Gravitationsschwünge sind. Ornamental schweben sie im Raum und versorgen beide angeschlossene Systeme gegenseitig. Darunter verfließender Schelllack und das verdünnte Preußischblau des VEB Lacufa.

Auf einem weiteren Blatt der gestrigen Produktion befindet sich eine Tanzzeichnung in Verbindung mit ähnlichen Verwischungen, die nur fleckiger und kräftiger ausgefallen sind. Vielleicht kommt dort noch ein Pionierdoppelportrait hinzu.

Diese zwei Zeichnungen markieren den Beginn der diesjährigen Herbstarbeit.

Lange habe ich mir eine Ausschreibung angesehen, in der es um Stadterforschung etc. geht. Die Zielrichtung ist eine klar soziokulturelle. Ich hatte das deutliche Gefühl, mich nun von einer Erweiterung dieser Arbeitsrichtung fernhalten zu müssen. Die Freitagsinvasion in meinem Atelier reicht mir aus.

Farbige Flecken

Atelier.

Das schlummernde Tier in mir bekommt farbige Flecken. Ein sachte atmender Vorgang, wie bei einem Chamäleon.

Eine Straßenbahnfahrt in die Stadt, ist nach so langer Zeit wieder fremd. Alle Reize befinden sich in einiger Entfernung oder wie hinter einem Gazevorhang. Nichts stört mich. Nach all der Stille in Istrien, spüre ich keinen Widerwillen.

Gehen“ heißt ein mehrtägiger Workshop zu dem ich nach Wolfenbüttel eingeladen bin. Er behandelt Gehen im Zusammenhang mit Choreografie. Es geht wahrscheinlich auch um Wege der geografischen Erkundung.

William Forsythe hat demnächst eine Ausstellungseröffnung im Museum für Moderne Kunst hier in Frankfurt. In der Zeit bis Ende Januar habe ich nun noch einmal die Möglichkeit, seinen Ideen direkt zu begegnen und mich ausführlich mit ihnen zu beschäftigen. Es wird die ausführlichste Ausstellung seines bildkünstlerischen Werkes bisher sein.

Der Herbst ist da. Trüber, kühler Vormittag.

Doch nicht so banal

Frankfurt, Atelier.

Blicke im Halbschatten des großen Ficus, der nur versprengte Kanäle des milden Herbstmorgenlichtes auf meinem kleinen Dreieckstisch durchlässt, der sich für vielerlei kleinere Zeichnungsarbeiten und für das handschriftliche Tagebuch, wegen seines Formates sehr gut eignet, auf leeres Papier. Die staubigen Fenster fangen die Schatten der wild wuchernden Pflanzen draußen, der Birke und des Sommerflieders. In der Zinkwanne vor dem Tor blüht erneut eine Seerose und die Ranken der Kapuzinerkresse bilden ein blühendes Polster zur schauenden Erholung.

Für die Ausstellung „Dinge, die nicht zusammenpassen“ stelle ich mir ein Bündel von Masken vor, die mit unseren Rasterportraits bemalt sind.

Beim zweiten Hinsehen erwiesen sich die Exprimente, die ich vor meiner Abwesenheit anstellte, als doch nicht so banal. Das Durchschauen des bläulichen Blätterstapels zeigt ein erfreuliches Zusammenspiel von verdünnten Ölfarbverwischungen und konkreten Tuschezeichnungen.

Das Gefühl, mich nun noch mal zurückzulehnen, die Weiterarbeit noch ein wenig herauszuzögern, verschafft mir eine produktive Ruhe, auf die ich länger gewartet habe.

Anwesende Farben

Frankfurt, Atelier.

Ich habe mich leicht wieder einrichten können, weil der Raum vor der Reise aufgeräumt worden ist. Die Experimente, die sich während der Abwesenheit verdichtet hatten, erscheinen mir nun eher harmlos. Freilich sind sie nur eine Schicht eines Blattes, das mit Zeichnungen noch bereichert wird. Es bleibt Zeit, das weiter zu treiben.

Ich denke noch mal an die Farben des Chiemsees und an die der Berge in Istrien und in den Alpen, an die Farben der Adria bei Sonnenschein und Sturm.

Hier in Hessen herrscht Regenwetter. Das müsste eine Weile anhalten, wollte es den trockenen Sommer wieder wettmachen. Meinem Gärtchen, das ich gerne wieder sehe, tut das gut.

Morgen werden die Kunstschüler kommen und weitere Termine kündigen sich an. Ansonsten sieht alles ruhig aus. Vinzenz hat sich für November angesagt. Er wird Tutor bei Ai Weiwei und wird auch sonst viel zu erzählen haben.

Alte Ölfarben

Die Beschreibung des Lichtes könnte wie gestern ausfallen. Manchmal kommt ein wenig Wolkenschatten hinzu.

Auf dem Transparentpapier allerdings ist ein Orange hinzugetreten, das kompakt leuchtend durchschienen werden kann. Die Ölfarbentube ist über dreißig Jahre alt und ist in einer Farbfabrik in Nerchau hergestellt worden. Sie gehörte zu einem volkseigenem Betrieb, einem VEB Kalichemie, der wiederum in ein Kombinat integriert war, das den schönen Kürzelnamen „Lacufa“ besaß. Rubens Künstlerölfarben waren die einzigen, die es gab. Ich kaufte sie in einem kleinen Künstlerbedarfsgeschäft hinter der Brühlschen Terrasse.

Die Wiederentdeckung der Ölfarbe ist eine metaphysische Angelegenheit. Sie verweist für mich auf meine malerischen Anfänge, die mit der Lasurmalerei ihren emotionalen Höhepunkt erreichten. Gartenszenen, Flusslandschaften und Blumensträuße im Glas. Später kamen große thematische Zyklen hinzu. Und dann begann das letzte DDR-Jahr für mich, in dem sich ein zeichnerischer Stil ausprägte, der die Malerei in den Hintergrund drängte und mit dem ich weitere Jahrzehnte künstlerischer Produktion bestritt.

Aus der gegenwärtigen Experimentalsituation heraus sind gestern viele Blätter begonnen worden, die nun erst trocknen müssen, bevor ich sie weiteren Arbeitsschritten unterziehe. Auch die Ölfarben eignen sich für die Rolltechnik der Synaptischen Kartierungen. Die Figur einer Felsglättung in Twyfelfontein, die nur bei einem bestimmten Sonnenstand durch Reflektion sichtbar wird, diese Antilope malte und verarbeitete ich in der bewährten Weise durch Zusammenlegen und Übereinanderrollen.

Sparsamkeit

Mittwochmorgen ist das Atelier von Sonnenlicht geflutet. Es trifft auf die vielen Blätter mit den Rollstrukturen aus Preußischblau und dem warmen Schlelllackfluss. Dort wo Terpentin und Spiritus aufeinander treffen, bilden sich Archipele mit Korallenbänken. Mit Ölfarbe gemalte Figuren vervielfältigen sich durch das Zusammenrollen des Papiers, aber auch durch das Übereinanderlegen der verschiedenen Blattareale. Dieses Drehen, Wenden und Zusammenschlagen des Papiers geht auch ohne Faltungen.

Die Materialbeschränkungen, die überall innerhalb meiner Arbeit auftreten, entsprechen einem sparsamen Impuls, der viele Lebensbereiche durchdringt. Einerseits sammle ich viele Dinge und werfe wenig weg. Andererseits gehe ich sparsam mit Ressourcen um. Das macht unabhängiger.

Auch die Idee, die Miniaturformate zu monumentaler Qualität zu verdichten, entspringt diesem Streben. In dieser Weise wird auch die Banalität winziger Fundstücke durch ihre Verarbeitung innerhalb mehrschichtiger Transparentpapiere aufgehoben.

Zwischen meine verschiedenen Kletterpflanzen, von denen ich derzeit Samen zum Aussäen im kommenden Frühjahr sammle, haben sich verschiedene Knöterichranken geschmuggelt. Ich frage mich, ob ich sie dort wuchern lassen soll, damit sie meinem langsam wachsenden Rückzugsbedürfnis einen Schutzraum schaffen.

Preußischblau

Preußischblau ist die erste Farbe, die neben dem bernsteinfarbenen Schelllack auf Transparentpapier vorkommt. Die verdünnte Ölfarbe leuchtet lasierend und intensiv. Somit stellt sie einen Gegenpart zur anhaltenden warmen Farbigkeit der Vergangenheit dar. Die irrige Annahme, dass sich Verdünnung und Spiritus miteinander vermischen lassen, führt nun zu Farbverläufen, die überraschend sind und zu anderen Strukturen zusammenfließen, als sie zwischen Schelllack und Tusche auftraten.

Nach all der Beschränkung erscheint das Blau wie ein Abenteuer. An mehr Farben will ich noch gar nicht denken.

Lindernd wirkt ein feuchter, herbstlicher Luftstrom auf all die aufgeheizten Flächen und Räume. Die Bienen haben ihre Arbeit im Garten eingestellt und mein Rolltor bleibt am Vormittag unten.

Dass ich vor über dreißig Jahren Ostdeutschland den Rücken zugekehrt hatte, war sicherlich nicht nur den vordergründigen politischen Verhältnisse geschuldet. Die nun aus ihren Nischen hervordrängenden xenophobischen Bürgerprotestler repräsentieren einen Typus dumpfdreister, engstirniger und abstoßender Einheimischer, den es schon damals unter der Decke der murrenden Unbescholtenheit gegeben hat. Folgerichtig färbten sich die Folgen des Anschlusses an Westdeutschland und vor allem an seine Währung immer rotbrauner. Ich wollte und könnte dort nicht mehr wohnen.

Anderer Garten | Blüteninstrument

Frankfurt, Atelier. Auf die aufgeheizten Straßen und Landschaften fiel in der Nacht kühler Regen, und nach einem sonnigen Morgen schieben sich wieder Wolkenschichten als Lichtfilter nach Osten.

Die gestrige Gartenbeschreibung könnte ich nun fortführen. In den wuchernden Rucolabüschen flirren Bienenschwärme, schaukeln mit den Blüten, wie mit einem Musikinstrument, das sie gemeinsam spielen. Lichttöne, gelb und sanft klimpernd. Auf kleinere unvorsichtige Insekten lauern darunter Eidechsen, deren Jagd schon manchmal in meine Aufzeichnungen fand. Ein Rabe watschelt über unsere Straße und genießt die sommerliche Ungestörtheit. Er erinnert mich an meine Gesprächsversuche mit seinen Artgenossen in der Frankenallee, über Lichtzeichen von meinem Schreibtisch aus.

Am Morgen wurde ich gefragt, was ich heute tun werde. Ich antwortete unter anderem, dass ich Ölfarbe und Schelllack vermischen will. Die Idee stammt von Vorgestern und wurde noch nicht umgesetzt, weil wir die ganze Zeit unterwegs waren. Nun bin ich gespannt darauf, welche Arbeitschritte sich aus der neuen Farbigkeit der Synaptischen Kartierungen ergeben werden.

Nach einer Reise ist zumeist die Arbeitstagebuchdatei auf den neuesten Stand zu bringen. Das geht mit den Collagen einher, die sich dann in erster Linie auf die täglichen Malereien in den Büchern stützen, die die vorangegangenen Motive langsam überdecken.

Garten in Hamm

Hamm. Die große Fensterfront des Wintergartens wird von Grün der Walnussbäume beherrscht. Licht spielt mit dem im Wind fächelnden Laub. Die wenigen Himmelsdurchblicke sind blass, auch die Farbe der Blätter. Sonnenlichtflecken zwinkern auf den grauen Baumstämmen goldgrün. Ein Eichhörnchen verleiht dem Raum durch sein huschendes Versteckspiel etwas Geheimnisvolles. Nun können Geschichten beginnen, wie die Sommerpahantasien der Impressionisten, wie die Orchesterwerke, die die griechischen Mythologien in schwingende Atmosphären ummünzen. Pfauen könnten nun auftreten, Götter und Quellnymphen. Sie wandeln, flüchten, erstarren und lösen sich auf. Alles fügt sich in ein Bild der Gleichzeitigkeit. Amseln nehmen einen Goldton an und über den Baumkronen schwebt noch das Echo der Mauerseglerschwünge.

Aber Ihre Choreografien haben sie schon längst wieder in den Süden geführt. Zwei sah ich noch in Frankfurt. Nachzügler, die sich mit den Schwärmen der Schwalben, in der Hoffnung auf eine spätere gemeinsame Reise, zusammenfinden.

Ein Sommerfeuer am Abend im Garten. Grillnaschwerk die ganze Zeit hindurch. Was für Gastgeber! Später rückten wir das Feuer näher an die Bänke heran und fanden in die Geschichten der Nacht.

Auf dem Boden des Esszimmers steht ein Wechselrahmen mit einer Zeichnung von mir. Sie hat den Gestus der Achtzigerjahre, beruft sich auf den Deutschen Expressionismus. Ein schönes, kraftvolles Blatt.

Verlangsamung

Die Biografiearbeit hat sich verlangsamt. Zu glatt entstehen aus dem System immer neue Blätter. Sie beginnen mich zu langweilen. Die Mittel sind zu gleich – etwas fehlt. Die Motive wiederholen sich, was ja Absicht ist. Sie gruppieren sich immer neu zueinander. Gestern entstand ein Blatt mit einer namibischen Felsgravur, deren abstrakte Form am ehesten einem stilisierten Weltraummodul ähnlich sieht, einer figürlichen Tanzzeichnung, einem Stück Raumanzug und zwei lockeren Pionierportraits.

Am Morgen dachte ich daran, Ölfarben mit ganz hellem Schellack zu verdünnen und mit diesem Material neue Synaptische Kartierungen anzufertigen, die die anhaltende ermüdende Bernsteinfarbigkeit bereichern. Die Ölfarben wieder heraus zu holen, ist ein spannender Vorgang.

Das gestern vermisste Buch habe ich wieder gefunden. Dort wird die Lehrergeneration Richter, Polke, Immendorff mit den Jungen Wilden, ihren Schülern also, gemeinsam behandelt. Im Untertitel heißt das Buch: „deutsche malerei der gegenwart“ und es ist 1982 erschienen.

Ich erinnere mich an die Beeinflussungen durch diese Wilde Malerei. Sie ist auch noch gut in den aufgehobenen Arbeiten sichtbar.

Schale Achtziger

Von der etwa 300 Meter entfernten Baustelle schallen Klopfgeräusche herüber, Flugzeuge starten übers Atelier, Kletterpflanzen winden sich mittlerweile ins Leere, ein Glas Wasser steht auf dem Tisch, Sonne wärmt und Insekten tummeln sich auf den gelben Blüten der Rucolabüsche.

Ich kann ein Buch über die Malerei der Achtzigerjahre in Deutschland nicht finden. Es hieß „Hunger nach Bildern“. Das ist ein etwas irreführender Titel, meine ich mittlerweile. Im Städel sahen wir gestern eine Ausstellung mit Werken aus dieser Zeit. Wenige erreichten mich, viele ließen mich kalt. Schon heute muss ich mich um Erinnerung bemühen. Manche malerische Gesten wirken heute mit ihrem banalen Sendungsbewusstsein etwas lächerlich. Das Revolutionäre war schnell abgenutzt und schien eher aufgewärmt.

Die Zusammenkunft der Tevesgemeinschaft war eine angenehme Sache. Vor den Fenstern regnete es beruhigend, und wir gerieten manchmal in ein etwas schwärmerisches Brainstorming über Glaskuben, mit denen wir die verrottende Bausubstanz umgeben wollen, Schicht für Schicht entstehen dann Ablagerungen durch Laub, Müll und Schimmel. Ich finde, dass solche etwas abgehobenen und freien Ideen aufhebenswert sind, denn das Gelände hat, wenn es nach dem Willen des Planungsamtes geht, noch eine lange Zukunft vor sich.

Schriftrichtung

Die „Mitschrift“ der Zugfensterlandschaften habe ich auf einem der Kosmonautikblätter so gewendet. Dass sie sich ab der Mitte der Zeile spiegelschriftlich mit dem Anfang der Zeile zurücklaufend überlagert. In welche Richtungen laufen Schrift und Zeit? In diesem Zusammenhang erweitert sich das frühsowjetische Avantgardebestreben und taucht in einen allgemeingeschichtlichen Zusammenhang ein.

Gerne würde ich mir in diesem Zug noch mal die Relieferzählungen der altägyptischen Gräber vornehmen, um zu schauen, wie dort mit zeitlicher Abfolge umgegangen wird. Wo existieren Gleichzeitigkeiten?

An einigen der letzten Blätter arbeitete ich parallel. Die Entscheidungen, wann die Blätter fertig sind, werden dabei immer wichtiger.

Im Kino gestern ein Film über Amy Winehouse. Eine Lebensgeschichte erzählt, mit dem frühen Tod im Gepäck. In Brügge sah ich kürzlich eine Maria mit Kind, die einen solchen todesgewissen und zuvor trauernden Blick hat. Die Aneinanderreihung des Filmmaterials dagegen, war oft ermüdend. Auf Dauer schwer erträglich bleibt die Wackelvideoästhetik auf großer Kinoleinwand. Deswegen hatte ich manchmal den Impuls, hinaus zu gehen.

Rettungswunder

Eine mittelalterliche Mosesfigur, die mit einem Stab das Rote Meer teilt und die Ansicht der Rettungskapsel der Raumstation ISS, fanden sich gestern als Umrisszeichnungen auf einem Blatt zusammen, auf das ich vorgestern ein Stück der „Mitschrift“ der am Zugfenster vorbeiziehenden Landschaft und eine verwischende Synaptische Kartierung zeichnete.

Die Teilung des Roten Meeres war eine Rettungswundertat. Das Pharaonenheer, das das jüdische Volk verfolgte, wurde von dem sich wieder schießenden Schilfmeer ertränkt. Die Rettung wurde von den Frauen mit einem Trommellied gefeiert.

Weltraumtrümmer sind eine stetige Bedrohung, für eine Raumstation. Die Module können so beschädigt werden, dass sie unbewohnbar werden und verlassen werden müssen. Der Blick aus ihren Fenstern ist also nicht nur auf die Erde und die anderen Gestirne gerichtet, sondern auch auf diese Rettungskapsel. Sie verweist auf den Stab des Moses, der das Rote Meer teilt, der den göttlichen Willen verwirklichend auch Wasser aus dem Felsen springen lässt, um Moses vor dem Zorn des dürstenden, ängstlichen und murrenden Volkes zu bewahren, die Idee Gottes somit zu retten.

Juri Gagarin hat von seiner Kapsel aus keinen Gott gesehen. Er war aber der erste Mensch, der den Blauen Planeten aus der Ferne sah und bald einen Personenkult um sich zuließ, der Religionsersatz für das Sowjetvolk zu sein schien.

Zeichnungen entstehen zu diesen Themen und alltägliche Fundstücke werden auf diese Weise zusammengefügt.

Aufgeweckt

Viele verschiedene Geschichten beeinflussen mein tägliches Arbeiten. Manchmal sind sie unterschwellig und sehr alt. Sie wirken eher im Verborgenen, sind oft mythologisiert und gehören zeitlich ferner Geschichte an. Je wichtiger solche Ereignisse oder Mythologien für eine Standortbestimmung in späteren Zeiten waren, umso sorgfältiger sind sie aufgehoben worden.

Solche Prozesse sind mir in meinem Arbeitsalltag nicht fern. Nun aber bin ich abermals durch einen Text von Jan Assmann aufgeweckt worden. Es geht um Moses und den Exodus als Revolution der alten Welt. Er betrifft mein „System“ scheinbar direkt, bestätigt und erweitert es.

Voraussetzungen, dass dieses Buch bei mir auf so fruchtbaren Boden fällt, sind drei andere Werke von ihm, die mit kulturellem Gedächtnis, mit der Mosaischen Unterscheidung und mit Moses dem Ägypter zutun haben. Sie begleiten mich seit vielen Jahren und unterstützen meine Arbeit durch Impulse, die nicht leicht zu erklären sind. Ich las gestern und unterbrach die Lektüre immer wieder, um schnell etwas zu zeichnen. Solche Bücher regen mich direkt zur Produktion an.

So nahm ich mir ein paar Blätter, zeichnete Varianten der vorübergleitenden Landschaft im Zugfenster und versah sie, noch feucht, mit Schelllackschwemmen der Synaptischen Kartierungen, die sie leicht verwischten. Es gesellten sich in schneller Arbeitsweise Ballettsaalgravitationen hinzu. Die Blätter hängen nun trocknend vor den Regalen und warten auf die Weiterarbeit, auf neue Schichten.

Kapseln

Der Tisch liegt voller Zeichenutensilien und Blätter, die Aquarellstifte etwas verstreut, Federhalter, offene Tuschegläser und weiche, saugfähige Tücher, an denen ich die Tuschefedern abstreife. Mittendrin ein Reiseplanflyer vom IC 2253, der alle Stationen, Ankunftszeiten und Anschlüsse zwischen Frankfurt am Main und dem Ostseebad Binz auflistet.

Mit einer kleinen Zeichnung versuchte ich den mitreisenden Kunstschülern zu demonstrieren, wie ich die vorüber fliegenden Landschaften mit einer Linie festhalten kann. Diese Linie habe ich nun mit Tinte auf Transparentpapier übertragen, will sie nun vergrößern und schauen, was ich noch damit anfangen kann. Zunächst sitzt sie schon mal durchscheinend in der heutigen Collage oben.

Mir geht nach wie vor die sowjetische Weltraumarchitektur durch den Kopf. Die fotografischen Aufnahmen der engen Wohnstätten der Weltraumkapseln, zeigen etwas abgewohnte Schachteln, in denen es weder Oben noch Unten gibt. Alle Seiten sind gleich. Es wäre also egal, wie herum ich sie auf Transparentpapier darstelle. Meine Zeichnungen haben zumeist unten einen Schwerpunkt. Würde sich das in der Schwerelosigkeit des Alls ändern?

In meiner Atelierkapsel herrscht die Stille der Eremitenhöhle. Das Rolltor ist wegen der niedrigen Außentemperatur zu. Die Nachbarn sind nicht da, keine Restaurantküchenlüftung, keine laut lachenden Telefonate, kein Theater, kein Boxkampftraining. Ruhe fährt fort.

Ballettsaalgravitation

Ein schnell mit Pinsel und Tusche hingeworfenes Rasterportrait gesellt sich nun, nach weiteren Fragestellungen, zum steifen Mosaikumriss Juri Gagarins und zu den Ballettsaalgravitationen.

Vielleicht ist es ganz gut, dass ich mit der Fertigstellung des großen Bildes noch nicht begonnen habe, denn jetzt kommt mir der Zugriff auf die Felsgravuren, in diesem Zusammenhang, etwas zu kurz vor.

Für den Herbst habe ich mich bei einem Workshop angemeldet, in dem es im Mousonturm um Tanz und Künstlerkollektivbildung geht. Mal sehn, was ich tun kann, wenn ich dort als Zeichner teilnehme. Was derzeit an Bewegung innerhalb der täglichen Malereien passiert, stimmt mich ganz optimistisch, was diese Zusammenhänge angeht.

In der Nacht hat der lang ersehnte Regen eingesetzt, der nun schon bis Mittag anhält und auch noch eine Weile so langsam vor sich hin rieseln soll. Ich atme tief durch und genieße das Wasser auf meiner Haut. Vielleicht kann es den Boden bis zu einer gewissen Tiefe durchtränken.

Ein Oboenkonzert von Bach versetzt mich in eine sonntägliche Stimmung hier im Atelier. Ruhe setzt ein.

Ich stelle hier die Fragen

Mythologisierungen der ruhmreichen Sowjetunion, Valentina Tereschkowa, die erste Frau im All – nun ihr zerstörtes Gesicht, Mosaiken im Sternenstädtchen, Schönfärbereien, Episoden die sich in die Erinnerungen an die Jungpionierzeit eingegraben haben. Auch die Embleme auf den Raumanzügen, die Linienführungen der Architekturzeichnungen, alles ist eingebrannt.

Die Zentrifuge, die die Fliehkräfte beim Start in den „Kosmos“ und beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre simuliert, kann sich in vielen verschiedenen Achsen drehen, die Körper martern.

Währen ich das schreibe, beobachte ich die Jagd der Eidechsen. Nach einer leichten Abkühlung scheinen auch sie bewegungsfreudiger geworden zu sein. In der Nacht hat es etwas geregnet und neuer Regen ist angesagt. An den Glaube ich aber erst, wenn ich ihn sehen, hören und fühlen kann.

Überraschend schnell war ich gestern mit der Antragsarbeit fertig, wodurch ich Zeit zum Zeichnen gewonnen hatte. Aufzeichnungen von Gravitationslinien aus dem Ballettsaal, Schelllackverwischungen und Mosaikstrukturen aus dem Sternenstädtchen: Sozialistisch – realistischer Zuckerguss. Dazu kommen Felsgravuren und Rasterportraits.

Ich stelle hier die Fragen!

Staubige Apologesen

Der Staub der Entwürfe für das sowjetische Raumfahrtprogramm legt sich in der Hitze dieses Sommers auf die feuchte Haut, verklebt die Poren und hindert den Organismus daran, richtig frei durchzuatmen. Wenn ich mit den Versatzstücken dieser Zeit in meinem Biografieprojekt arbeite, spürt mein Körper außerdem einen Impuls zum Rückzug seiner Funktionen auf das Notwendigste. Ich kann auch mit ganz wenig in einem ganz kleinen Raum existieren – Affekt des Einsiedlers, des Kosmonauten.

An irgendeiner Stelle aber trifft die apologetische Ingenieurskunst auch auf das andere Ende des Spektrums, nämlich auf die Verherrlichung der Werbeästhetik bei Doug Aitken. Die Rückhaltlosigkeit dieser Apologesen zweier Zeitgeister ohne den leisesten Hauch eines Zweifels, die reine Feier der reinen Überzeugung, das haben diese Gebrauchskunstwerke gemeinsam.

Während der Konzeptarbeit am Biografieprojekt hatte ich einen Text von achttausend auf zweitausend Zeichen zu kürzen. Das tat ich mit unterwegs zunehmender Lust. Bin allgemein weiter gekommen als ich dachte.

Jetzt am Morgen kommt ab und zu ein kühles Lüftchen durch das geöffnete Rolltor. Manchmal kommen aber auch die Meisen herein und bringen mir meine sensible Ordnung etwas durcheinander. Großen Gefallen finden sie an meiner Insektensammlung die ihnen als Nahrung dient. Aber sie werfen auch Skulpturen von den Gesimsen oder schauen in der Küche nach Abfällen. Das Gesträuch draußen mit seinen diversen kleinen Wasserstellen dient ihnen als Bad.

Schlagsahne

Noch mal zu schöne Bilder gestern in der Schirn bei Doug Aitken. Wir haben uns die restlichen zwei Videos angesehen, die wir bei unserem letzten Besuch der Ausstellung ausgelassen hatten. Danach trieb uns der Wunsch zu verdichten ins Metropol. Es war so viel schöner Schaum unterwegs, so viel Schlagsahne, dass ich erstmal zwei Biertrinken musste, um wieder normal schmecken zu können. Bei aller Überhöhung der Werbeästhetik, fehlt es an Dramaturgie, an Schärfe und Gegensatz, um eine kritische Haltung dem Verkaufshandwerk gegenüber zu zeigen. Wenn das aber gar nicht die Intention ist, hat das Ganze nichts mit mir zutun.

Tagsüber entstand wie nebenher etwas, das sich nun innerhalb meiner Biografietransparente weiter etablieren kann. Ich zeichnete einen Mosaikumriss des Kopfes von Juri Gagarin auf ein Blatt mit Ballettgesten und einer Synaptischen Kartierung. Ich versuche mit den abstrakten und sozialistisch-realistischen Strukturen den vielschichtigen Rückblick. Die Wirkung der Bilder spricht für diesen simplen Akt. Dank der Ausstellung über sowjetische Weltraumarchitektur im DAM, kann ich nun diese Elemente weiter in meine Biografiereihe einfügen.

Gestern begann ich den Förderantrag für kommendes Jahr zu organisieren. Formulare ausfüllen, Kooperationspartner finden und herunter gebrochene Formulierung des Biografiethemas suchen, das sind die Aufgaben.

Wind | Vibration | Wut

Kurz nach dem Erwachen zog ich das Rolltor herauf und öffnete die kleine Seitentür, die nach Westen hinausgeht. Durch die Luftbewegung setzte etwas Linderung ein.

Die Füße in kaltem Wasser saß ich am Abend im Korbsessel. Den ganzen Tag brachte ich barfuss auf dem warmen Beton zu. Draußen wird er so heiß, dass es schmerzt, ihn zu betreten.

In meinem Birkenbaum wohnt eine Grille. Ihr Gesang gleicht dem Aufziehen einer Armbanduhr. Zeit zwischen Daumen und Zeigefinger, bis man die Spannung der Feder merkt, die das mechanische Räderwerk in Gang hält. Fehlt es an Fingerspitzengefühl, kann es passieren, dass die Feder bricht

Wind kam auf. Als sei er der Strom der Zeit, unterbrach er schnell das Konzert.

Jetzt donnern die Flüche der startenden Maschinen, die sich aus Wut in die Luft erheben, setzt das Geräusch der Restaurantküchenlüftung ein und das Vibrieren der Wespen, die ihren Teil abhaben wollen.

Ich patrouilliere an den Tomatenpflanzen entlang, damit ich eine reife ergattern kann. Konzentriertes Zeichnen am Morgen.

Ruhe floh

Die Nacharbeit des Arbeitstagebuches stand nach der Reise an. Die Malereien waren ein paar Tage wilder geworden, ausufernde Farbigkeit, grobe Schwünge und Gesten, soweit es die kleinen Formate zulassen. Die Ruhe floh aus ihnen. Manchmal haben sie aber die Kraft zur Monumentalität behalten.

Heute und in den nächsten Tagen geht es noch mal um die Konzeption des Biografieprojektes. Neue Mittel müssen beantragt werden. Dazu ein Termin heute im Museum.

Immer wieder gehen mir Möglichkeiten durch den Kopf, die Technik der Miniaturen aus den Büchern auf andere Materialien und Formate zu übertragen. Nach den lang anhaltenden Beschränkungen auf die Bücher, sollte ich nun mal loslassen und mich etwas befreien. Ich weiß nun, was ich das im kleinen Format bewerkstelligen kann, dass ich mich beschränken kann.

Soeben ist der Lüfter unseres Restaurants angegangen. Er ist nicht sehr laut, bildet aber einen Teil des Klangteppichs bis in den Nachmittag hinein. Wenn er dann abgeschaltet wird, ist das immer eine Erlösung.

Tropisches Wachstum

Atelier. Frankfurt.

Auf unserer Rückfahrt besichtigten wir den alten und verunstalteten Aachener Dom. Wieder Touristenmassen, verzückt vor den alles verschlingenden Mosaiken, den Ornamenten und Marmorverblendungen. Von der Architektur bleibt kaum was übrig, nichts von ihrer funktionalen Großartigkeit. Gegenwartsgeschmäcker geschichtslosen Geistes überdecken Vieles.

Manchmal musste ich an die Gestaltung von griechischen Villenvorgärten auf dem Land denken.

Ganz anders hingegen, die noch vorhandenen Freskenreste im Altarraum. Die Lichterscheinungen der riesigen bleiverglasten Fenster stammen aus den Fünfzigerjahren.

Nach dem nächtlichen Gewitter wechselt jetzt am Morgen das Licht im Atelier schnell, weil noch hohe Quellwolken vorübertreiben. Manchmal bringen sie kleine lindernde Regenschauer. In der tropischen Luft scheinen die Eidechsen ausgeflogen zu sein und die Kletterpflanzen verknoten sich dort, wo es keine himmelwärts strebenden Stäbe mehr gibt.

Niemandsland

Brügge.

Alle Tage waren strahlend blau, wie die letzten Wochen zu Hause. Ich suche den Schatten und sehne mich nach Wolken. Die Strahlen werden zur Last, brennen in den Augen und auf der Haut. Aber sie schaffen auch das Licht, das Architekturlinien schärft und auf den Malereien der flämischen Meister zu sehen ist.

Die alte Innenstadt ist zu Fuß gut zu erkunden. Sie ist von einem Kreiskanal und Wällen, auf denen Windmühlen stehen, umgeben. Fotografierende Menschenmassenkolonnen schieben sich auf den Hauptachsen eng voran und machen jeden sonstigen Verkehr unmöglich. Tritt man aber zwei Schritte in eine Seitengasse verhallt der Lärm schnell. Es ist als verharrten die Einheimischen, besonders in der Nähe des Gebrülls, hinter ihren Backsteinmauern. Ein menschenleeres Niemandsland beginnt, das erst wieder langsam in beträchtlicher Entfernung belebt wird. Diesmal sind es die Bewohner, die sich durch Gepflegtheit und Stil von den Touristen zu unterscheiden suchen. Bei der weniger geschmackssicheren Jugend führt das leicht zu etwas Übertreibung und in der Folge zu Schnöseligkeit.

Nach so vielen Bildern ist eine anderthalbstündige Siesta fällig, nach der man noch mal den Abend beim Bummel und Essen genießen kann. Auch das Essen wäre ein eigenes Thema…

In den Bilderlandschaften

Brügge.

Eine Kunsttriennale beschäftigt sich hier mit der Frage, was nötig wäre, wenn alle Gäste der Stadt blieben. Millionen kommen jährlich.

Auf einem der Kanäle entstand so ein temporäres Freibad aus mit Brettern belegten Schwimmpontons.

Auf ihnen sitzend stellten wir uns vor, wie es geklungen haben mag, als die Stadt im Siebzehnten Jahrhundert so schnell wuchs. Die gebrannten Ziegel für die teilweise pittoresken Häuser wurden sicherlich mit segelnden oder getreidelten Lastkähnen herangefahren und mit Ochsenkarren weiter verteilt. Holzkräne waren in Betrieb, Pferdekutschen waren unterwegs.

Überall sind die schönen Stadtlandschaften der Niederländer erkennbar, für die wir heute einen ganzen Tag zur Verfügung haben. Außerdem werden wir uns die hiesige Sammlung Alter Meister anschauen.

Ein Thema für sich sind die Schornsteinabdeckungen, die einfach aber Kunstvoll gestaltet wurden.

Fädeln

Muschelsand an einem Strand westlich von Zeebrugge. Die dichte Besiedlung scheint sich hier auf der Nordsee fortzusetzen. Vor dem Offshorewindpark auf dem Horizont treiben riesige Containerschiffe hin und her. Dazwischen andere Schiffe und Boote, schließlich die Segler, die nur zum Vergnügen die Wasserfläche benutzen. Uns es dauert keine zwei Minuten, dass ich beginne Bruchstücke, die den Stand ausmachen, also solche mit Löchern, aufzufädeln.

Wir haben festgestellt, dass es in der Stadt Brügge Lichterscheinungen gibt. Außer dem neuen Flugkörper am Himmel, der auch dort zu sehen war, werden die doppelwandigen bleigefassten Fenster auf eine besondere Weise durchschienen. Die durch mehrere glückliche geschichtliche Zufälle konservierte Stadtstruktur hat zur Folge, dass man in den Bildern flämischer und niederländischer Meister zu gehen scheint.

In der Gegend, in der die Erfindungen und der Genuss von Biersorten identitätsstiftend zu sein scheint, war es zunächst nicht so einfach, eine Kneipe zu finden, in der man diesem Genuss frönen konnte. Am Abend aber erkannten wir den Wirt unserer Wahl, der uns dazu noch einen reichlichen Eintopf servierte.

Langer Tag – zeitiger Schlaf.

Zeitlücke

Auf dem Esstisch in der Frankenallee steht ein Hochzeitsgeschenk, eine schöne Keramikschale voller Obst. Rechts an der Wand hängen Fische, indische Malereien aus Madurai. Links geht der Blick auf die Allee, vor der ich Jahrzehnte lang über das tägliche Hin und Her der Menschen, Schatten und das jährliche Farbenspiel der Bäume Tagebuch schrieb.

Nun berichte ich vor dem weiten, bewohnten Himmel auf Teves, verbunden mit meinem Gärtchen und nahe meiner Arbeit.

Gestern auf dem Südbalkon sah ich abermals eine gleichmäßig von West nach Ost ziehende Lichterscheinung. Es scheint sich um einen Aufklärungsflugkörper zu handeln, der in geringerer Höhe als die Satelliten die Erde umkreist.

Die fehlerhafte Montage zweier Teile an der Vorderachse unseres kleinen grünen Autochens und die damit verbundenen brutalen Geräusche, verhinderten die frühzeitige Abfahrt nach Brügge, wie wir sie uns vorgenommen hatten.

Schrieb ich erst am Abend, nach der Ankunft, als jetzt am Morgen in der überraschend aufgetanen Zeitlücke, wäre der Eintrag anders ausgefallen.

Druckfehler

Bachradio.org. Das ausschließliche Senden von musikalisch einheitlichem Material geht mit der kontinuierlichen Regelmäßigkeit der Tagebucheinträge und ihren Miniaturmalereien einher. Der Empfang dieses Zusammenspiels ist wie der von Morgenkaffee, von frischer Atemluft, wenn ich das Rolltor hochziehe oder von einem Glas Wasser.

Am Rechner entstand gestern eine sehr spontane Skulptur. Eine Fläche warf ich durch schnelles Durchschlagen zu einer Landschaft aus schmalen Platten und Schluchten auf. Bei solchen gestisch flotten Experimenten, entstehen Gebilde, die an die konstruktivistischen Kompositionen der frühen Sowjetzeit erinnern. Auf diesem Wege verbinden sie sich mit meinem Biografieprojekt.

Beim Ausdruck dieser schnell hingeworfenen Struktur, stellte der Drucker ein feines Gewebe her, Das sich wie ein Spinnennetz zwischen die Platten legte. Diese durchscheinenden Fäden, die eigentlich einen Druckfehler darstellen, erscheinen bei einem bestimmten Lichteinfall wie die Verbindungsröhren einer Raumstation. Somit hat der fehlerhafte Druckvorgang eine monumentalisierende Wirkung. Gleichzeitig verbinden sich diese Strukturen mit denen der täglichen Miniaturen, aber auch mit den Umwandlungen der Tanzzeichnungen durch die Kombination mit Fundstücken, Synaptischen Kartierungen und GPS-Aufzeichnungen.

Mir scheint, als sollte ich mehr Wert auf die Dokumentation der Konstruktionszeichnungen legen, die die spontanen skulpturalen Gesten der virtuellen Arbeit festhält. Denkbar wäre eine Serie, die dem Biografieprojekt gewidmet ist. Und vielleicht sind die Datensätze wichtiger als die Ausdrucke.

Ballettzeichnungen benutzen

Fast nebenher sind gestern neue Zeichnungen entstanden. Nach der Hitze hatte ich eine Siesta gemacht und nahm mir danach die Ballettzeichnungen von der Forsythecompany vor und schnitt ein paar Transparentpapierformate.

Es gibt ja auch viele solcher Zeichnungen aus Heidelberg aus den Neunzigerjahren. Mit denen habe ich allerdings heute nur noch wenig zutun. Sie zu benutzen, würde eine noch größere Veränderungsarbeit nach sich ziehen.

Ich nahm also einzelne Elemente der Linienführungen, abstrahierte sie nochmals und fügte sie neu zusammen. Bei einem Blatt riss beim Auseinanderrollen eine Querspur heraus. Dieses Blatt verklebte ich mit einem weiteren zu zwei Schichten und werde daran noch weiter arbeiten.

Jedenfalls war dieser Nachmittag überraschend produktiv.

Vor einer kleinen Reise werde ich nun mit dem Malereien, die ich mir vorgenommen habe, nicht mehr beginnen. Stattdessen ist noch ein wenig Einkauf und Organisation zu erledigen.

Relief | Spaziergang | Malerei

Auf einem Wappenrelief neben dem Eingangstor des Klosters Gerode posiert ein Drachentöter, sicherlich ein heiliger Georg mit einem sehr menschlichen Untier, das erschrocken aus der Szenerie schaut. Ein Gegenstand, der nähere Untersuchung lohnt.

Gleich am Morgen stellte ich den Rasensprenger an, um die wenigen Tautropfen auf der Wiese zu vermehren. Sie besteht aus Wegerich, Kräutern, Blumen und nicht sehr viel Gras, eher Pionierpflanzen, die nun an Größe gewinnen, seit ich das Stück wässere.

Unter dem Olivenbaum in meinem Garten sitzt wippend ein Rotschwänzchen, auf der Suche nach seinem Frühstück. Die Eidechsen scheinen teilweise abgewandert zu sein. Ihre Reviere wurden zu eng. Die Jungen dieses Jahres sind aber noch da.

Sonntagsspaziergang auf der Mainzer Landstraße gestern. Zwischen lauter Serben an kleinen Tischen ein Kaffee. Dann Kriegkstraße und auf der Lahnstraße langsam zurück.

Gestern dachte ich daran, die Art der Malereien aus den Büchern auf andere Formate zu überführen. Auf grundierte Filzpappe mit Acrylfarben, Schelllack und Tusche.

Der Büßer als Eremit

Ein ruhiger August kann nun kommen. Die Kunstschule pausiert. Nur Paulo kommt vielleicht ab und zu vorbei.

Gestern waren alle, gemeinsam mit Alexander, noch mal da und wir zeichneten, arbeiteten mit Pappmache und grillten. Die Berlinreise wurde rekapituliert, sowohl mit Zeichnungen als auch beim Erinnern am Mittagstisch.

Wieder entdecke ich neue Dinge bei den täglichen Malereien. Die Beendigung des großen Bildes liegt mir etwas auf der Seele.

Über weite Strecken bin ich am Wochenende alleine. Das will ich genießen, nach der Übermacht der Jugend.

Ich erinnere mich an den Winter. Weihnachten und die Tage bis Neujahr alleine hier auf Teves, kaum draußen. Der Büßer als Eremit. Einsamkeit als Läuterung. Ein paar Telefonate nur. Eine kalte Zeit.

Türme und Kuppeln

Frankfurt, Atelier.

Gestern bin ich am Morgen noch mal mit Anne zur Baustelle des unsäglichen Schlosses gegangen. In seinem Rohbau hat das Ganze etwas klotzig-gegenwärtiges. Die absolutistische Geste des Herrschers wirkt in dieser Weise gebrochen. Leider wird nun aber alles verklinkert und sahnig zugegossen. Diese Form kann keinen humanistischen Gedanken aufnehmen und sich als Humboldtforum verkleiden.

Anne kennt alle Schleichwege und Oasen im Gedröhn der touristengesättigten Innenstadt. Man kann so sehr gut mit ihr in der Stadt unterwegs sein.

Nach der Heimfahrt setzte ich mich ins Cafe an der Quäkerwiese, kam etwas runter vom Gedröhn des Zuges und den am Fenster vorüber gleitenden Landschaften.

Nun erwartet mich mein Atelier als ein mit neuen Ideen angefüllter Aktionsraum. Das große Bild steht da und fordert auf, es fertig zu machen. Das Tagebuch muss nachgearbeitet werden. Seine verschlungenen Malereien werde ich, wie immer seit fünfzehn Jahren, scannen und mit anderen Dingen zu Collagen zusammenführen.

Wie immer.

Geschichten

Berlin.

Anne und ich haben in Neukölln bei ein paar Drinks von einem Terrassenrestaurant auf die Stadt geschaut. Während Türme, die aus der Häuserebene heraustreten Orientierung verschafften, sank die Sonne.

Die Halbkugel des vergleichsweise kleinen Kuppelgerippes des Neubaus des alten Schlosses gesellt sich nun zu all den anderen Kirchen, Rathäusern und dem alles überragenden Fernsehturm mit seinem Kugelufo, einem christlichen Missionsfahrzeug, das sein Kreuz immer der Sonne zuwendet, wie die Sonnenblumen ihre schweren Blüten.

Alle Türme und sichtbaren Orte verbinden sich bei Anne mit Geschichten, denn sie ist Stadtführerin. Am Vormittag geleitete sie uns durch eine interessante Neuköllner Stadtsituation, die einerseits sehr vom Mauerbau geprägt ist, andererseits ein Bermudadreieck von gescheiterten Bauprojekten bildet. Dazu gehören ein Kanal, eine U-Bahnstation und ein Autobahnkreuz. Die vielen Geschichten, die sie zu den vielen Plätzen parat hat, bevölkern nun die Hirne unserer zehn Kunstschüler. Sehr engangiert hielt sie die jungen Menschen bei der Stange. Nach einem Essen in einem indischen Restaurant bummelten wir noch den ganzen Nachmittag gemeinsam durch die Stadt.

Am Abend las mir Anne eine eigene sehr amüsante Geschichte vor, bei der ich an verschiedenen stallen selber entscheiden konnte, wie sie weitergehen soll.

Berlin

Berlin.

Die Katzen räkeln sich wo immer es geht und interessieren sich für den Inhalt meiner Aktentasche, die auf den bernsteinfarbenen Dielen liegt. Schon öfter habe ich in diesen Räumen geschrieben und gezeichnet.

In der UdK trafen wir Vinzenz, der uns eine Führung gemacht hat. Die Kunstschüler haben gelernt, wie es in etwa bei so einem Kunststudium zugeht. Sie verstanden, wie viele Fächer dort studiert werden können und warum sich deswegen die Einrichtung Universität nennen darf. Vinzenz berichtete Von seiner Arbeit und sagte, welchen Inhalt sie hat, berichtete von der Situation bei Ai Wei Wei, der demnächst dort eine Professur antreten wird.

Danach mit Vinzenz alleine in der Kantine. Ein wenig konnten wir voneinander erzählen und uns gegenseitig fragen. Ich würde gerne noch mal einen ruhigeren Besuch machen, mehr Zeit haben für uns zusammen.

Mit der Anne ein Abend bei ihr zu Hause.

Vor Mitternacht ins Bett.

Grenzübertritt

Die alte Eisenbahnstrecke nach Berlin. Ich erkenne die Stelle auf dem Bahnsteig von Herleshausen, auf der ich vor gut dreißig Jahren erstmalig westlichen Boden nach dem Bau der Mauer betreten habe. Fünfjährig saß Anne damals mit in diesem Waggon. Sie bemerkte, dass man die Grenze daran erkennt, dass die Häuser plötzlich weiß sind.

Auf ihrer Gardine in jetzt in Neukölln zeichnet sich wellig und etwas verschroben der Umriss einer Katze nach. Es ist, als würde sie Menschenbewegungen nachmachen, um mich zu lenken:

Mach doch mal die Balkontür für mich auf!“

An der Bahnstrecke durch Thüringen und Sachsen Anhalt überwuchert ein Pappeldschungel alte Bahnkörper. Schöne neogotische Backsteinindustriebauten fallen ein, dazwischen ist viel Platz. Mit vielen der Orte verbinden sich kleine Geschichten. Die Kunstschüler haben allesamt den „Grenzübertritt“ verschlafen.

Die abgespeckten Ballettzeichnungen mit den GPS-Aufzeichnungen zu kombinieren, macht immer mehr Spaß. Es sind mehrere Blätter entstanden, obwohl am Montag schon die Kunstferien bei mir im Atelier begonnen hatten.

Gleichförmiges Rauschen

Jetzt gegen Neun im Atelier streifen die Äste der Birke von außen über die kleinen, geriffelten Oberlichterscheiben, durch die im Winter viel Wärme verloren geht. Durch das junge Holz entsteht auf dem Glas ein sanft klickernder Laut, wie von einem Perkussionsinstrument. Der Baum ist in diesem Jahr kaum gewachsen. Er konkurriert mit vielen anderen Pflanzen um sehr wenig Erde. Ein Ahorn, eine Weide, eine Eiche, Efeu, Kartoffeln, Rucola und Thymian wachsen dort auch.

Der Sonntag gestern war kühl und am Abend regnerisch, so dass ich mir das Wässern der Gärten sparte. Ansonsten Transport eines Schrankes mit einem etwas überdimensionierten Auto von Friedrichsdorf in die Frankenallee.

Durch die Atelierscheiben höre ich die Ringeltauben und das gleichförmige Rauschen von Wind, Flugzeugen, Zügen, der Autobahn und der vielen Lüfter von Servern, Küchen und Klimaanlagen rundherum.

Gerade telefonierte ich mit Vinzenz. Die Kunstschüler werden sich mit ihm in Berlin in der UdK treffen und etwas über seiner Arbeit hören. Ich möchte mich mit ihm mal alleine, oder vielleicht mit Anne zusammen treffen, denn es gibt viel zu erzählen.

Haltbarkeit der Zeichnungen

Die Ruhe am Sonntagmorgen, kein Wind mehr, ein paar S-Bahnen auf dem zweigleisigen Damm unter den filigranen Oberleitungen, mit ihrem abstrakten Linienpotential. Überschwänglich überziehen meine Kletterpflanzen das Trockengesträuch im Gärtchen, bis in seine Spitzen hinauf, mit blauen Blütentrichtern.

Nachdem sich die Flugzeuge im gestrigen Anflug auf die Landebahnen unruhig bewegten, gleiten sie heute wieder gleichmäßig von Osten heran, wie ein ruhiger Fischwanderungszug.

Obwohl ich den ganzen Tag im Atelier war, habe ich nicht gezeichnet. Eher beobachtete ich die Linien und die sich im Licht verändernden Strukturen der Produktion der vergangenen Woche. Manchmal ist es gut, unaufhörlich zu produzieren, manchmal ist es gut, innezuhalten. Es könnte immer so weitergehen, Linien zeichnen und ihre „Haltbarkeit“ überprüfen, daraus Rückschlüsse ziehen und weiter zeichnen.

Die Gärten habe ich etwas gepflegt, Brombeeren herausgerissen, Essigbaumtriebe, die überall aus der Erde treten, abgeknickt. Die Wiese müsste nun einmal gemäht werden. Dafür brauche ich eine scharfe Sense.

Tanzfigurenumrisse

Sturm zersprüht Wasser. Die Gärten trinken, der Beton glänzt und spiegelt in Pfützen das Geschehen. Wegen der nordwestlichen Luftströmung bin ich etwas geschützt und genieße, im offenen Rolltor sitzend, die Linderung nach den heißen Tagen. Das stundenlange Wässern bleibt mir heute erspart.

Trotz der gestrigen Heimsuchungen der Kunstschüler schon am Morgen und dem nachmittäglichen Besuch durch die Flüchtlingsjugendlichen, habe ich fleißig gezeichnet.

Ballettzeichnungen übertrug ich auf Formate, auf die GPS Linien der Wanderung „Handprint Frankfurt“ gezeichnet sind. Sie fügen sich sehr gut mit den abstrahierten Linien der Ballettbewegungen zusammen. Außerdem spielt der Bühnenraum, bzw. der des Ballettsaales eine Rolle. Die Figürlichkeit der Tänzerumrisse soll zugunsten einer Konkretheit der Raumform zurückgenommen werden. Die zeichnerischen Figurenumschreibungen werden bislang dem Forsythekonzept nicht gerecht. Das aber kann ich nun korrigieren. So navigiere ich mich durch den Gravitationsraum der Linienbeziehungen.

Während einer solchen Zeichnung erklärte ich meiner Kunstschülerin Natalie mein Vorgehen, begründete jede Abweichung von der unterlegten Zeichnung und machte mit somit selber klar, was geschah. Während des Rollvorgangs der „Synaptischen Kartierung“ werden die Tuschelinien von den Lösemittelanteilen des Schelllacks teilweise wieder angelöst, was die Dopplung von Motivteilen durch abermaligen Abdruck zur Folge hat.

Zeichnen lernen von Mauerseglern

Weiteres Zeichnen gestern. Routinemomente treten auf, ich zögere und mache dann doch weiter, bis ich sie überwunden habe, bis ich nicht mehr so genau weiß wie es weiter geht. Ich nehme mir aus der Erinnerungskiste wahllos Dinge und füge sie zu einem Bild zusammen, das mit meiner Zeit zutun hat.

Darüber nachdenkend, was die täglichen Miniaturen mit den Transparentpapierarbeiten und ihrem veränderten Zeichnen zutun haben, fällt mir ein, dass es sich um verschiedene Dinge handelt. Wenn mein Auge nach Annäherungen von Linien sucht und den Energieraum zwischen ihnen spürt, dadurch die Hand mit der Tuschefeder geführt wird, kommt es zu kompositorischer Perfektionierung. Eher wurde dieses Zeichnen von den Rollsequenzen der Transparentpapierrollen beeinflusst. Dort kamen, beim häufigen Durchzeichnen ein und derselben Form, ständige kleine Korrekturen zustande, die spannungsvollere Zwischenräume erzeugten.

Unter einem schönen Abendhimmel saß ich am Rand meiner Wiese und schaute den Mauerseglern zu. Manchmal glaubte ich, einen Draht zu ihnen zu haben, als könnte ich sie mit meinem Willen zu bestimmten Schwarmkonstellationen zwingen. Nicht alle Flugbahnen sind ebenmäßig geformt. Manchmal kommt es zu rhythmischen Störungen und zu kleinen eckigen Bewegungen. Fast sah es so aus, als wollten sie mir zeigen:

So zeichnet man!

Verknappung | Dampf

Kaum erwähnenswert, dass der Morgen sonnig und warm beginnt, sich dann zur Mittagshitze steigern wird. Aber über dem Schwarzwald entwickelt sich eine nordwärts ziehende Gewitterwolke, die uns hoffentlich am Nachmittag erreicht. Der Beton strahlt, die gewässerte Wiese dampft.

Eine der weniger gelungenen Zeichnungen habe ich mit einem Jungpionierportrait übermalt. Sofort wechselt die Gewichtung in die dokumentarische Struktur, was dem Blatt entscheidend gut tut.

Dann nahm ich mir die alten GPS-Spuren der Frankfurtwanderung vor. Alles Material auf Transparentpapier ist nun wertvoll für diese spezielle Biografiearbeit. Gut, dass ich das alles aufgehoben habe. Die Linienführungen der Ballettzeichnungen veränderte ich nach den gestrigen Maßgaben. Und sofort folgen die Linien anderen energetischen Zusammenhängen. Die Gravitation wird wichtiger. Außerdem führen die Fragmentierungen die Bleistiftlinien der Stadtwanderung und die der Ballettzeichnungen, d.h. Figurengruppenumrissen in eine besondere Ähnlichkeit.

Bei einer weiteren Zeichnung setzte ich auf Verknappung und kombinierte eine Ballettsituation lediglich mit einer Synaptischen Kartierung. Auch das geht ganz gut.

Geht also vorwärts mit den Zeichnungen.

Geheimnis und Intuition

Bei weitem nicht alle Tanzzeichnungen die ich 2003 im Ballettsaal der Forsythe Company gemacht habe, weisen die hohe Qualität auf, wie die, die ich kürzlich für eine Collage benutzt habe. So fielen auch die gestrigen Versuche hinter diesen neuen Sprung zurück. Ich bin skeptisch, was die allzu deutlichen Figuren angeht, die ihr Geheimnis nicht bewahren. Dennoch will ich abwarten, ob nicht vielleicht eine spätere stärkere Wirkung zustande kommen kann. Würde ich die Figuren fragmentieren, wäre das eine spannungsvollere Angelegenheit.

Während vieler Gespräche, aber auch während des Zeichnens versuche ich eine spielerische Konzentration zu behalten. Das führt manchmal zu intuitiven Ungereimtheiten. Allzu großer Ernst aber, mit dem man an die Arbeit oder an ein Gespräch geht, hat vielleicht mit fehlendem Feedback bei der Kunst zutun, oder mit Unsicherheit in den Gesprächen.

Schöne Abende jetzt am Mainufer. Gestern war es etwas regnerisch und entsprechend leer dort. Die Lichter schaukelten schön im schwarzen Main.

In meinem Garten pflanzte ich weitere Weiden aus, die sich nun auf der Erde, die ich auf den Beton häufe, festwurzeln sollen. Aber die Schlingpflanzen, die alles überwuchern und derzeit einen undurchdringlichen Urwald schaffen, haben schon eine Weide auf dem Gewissen. Mal sehen, wer sich dann im kommenden Frühjahr durchsetzt.

Frisch gewaschen

Immer noch vergeht die Zeit schnell – weiß nicht ob ich das nach wie vor gut finden soll.

In meinen Träumen erfinden Kinder „Leiterworte“ und „Weißes Fliegen“. Sie sind noch klein, haben nichts mit meinen Kunstschülern zutun.

In der Schirn Kunsthalle sahen wir zwei von vier Videoinstallationen von Doug Aitken. Sie sind eher Design als Kunst scheint mir im ersten Augenblick. Tiere, die in saubere Motelzimmer gestellt werden, sind ebenfalls frisch gewaschen. Einzig ein Augenblick, in dem eine Lampe umfällt und droht, eines der Zimmer in Brand zu stecken, entsteht ein zwingend dramatischer Moment. Kaum Spuren, wenn sich ein Bison an einer tapezierten Ecke sein Fell wetzt. Auch der schamponierte Fuchs schien nicht zu riechen. Die gepflegten Bilder im Rondell von „Song 1“, rufen nach einem halben Tag Abstand so etwas wie Widerwillen bei mir hervor. Vielleicht ist das die nachhaltige Wirkung dieser „Kunst“.

Wir verbrachten einen Teil unseres Nachmittags zwischen diesen Videobildern und sparten uns die weiteren für einen zweiten Besuch, während dem wir unser Urteil überprüfen wollen.

Gestern hatte ich erneut Besuch von Flüchtlingsjugendlichen aus Afghanistan, Eritrea, Syrien etc.. Ich zeigte ihnen die Arbeit zur „Biografie“. Vielleicht können einige von ihnen unsere Freitagsarbeit bereichern.

Echos

Im leichten Westwind gleiten die Flugzeuge über die Blüten meiner Pflanzen hinweg. Die Luft ist gesättigt von Feuchtigkeit, dass ich das Gefühl habe, schwer atmen zu können.

Meine Arbeitskonzentration findet sich an manchen Tagen, die von vielen anderen Notwendigkeiten durchsetzt sind, einzig in den täglichen drei Miniaturmalereien wieder. In deren Kompositionen spielen die Abdrücke meiner Haut, insbesondere die der rechten Handkante eine nicht geringe Rolle. Sie nehmen in ihren Linien auch Strukturen der Verbindung des Wassers mit den Pigmenten der Aquarellstifte auf. Manchmal erzeugen wiederholte Abdrucke dieser Vermischungen Echos innerhalb eines Bildes oder in der ganzen Dreierserie. Oft geschieht das schnell und wenig geplant. Umso schöner sind manchmal die Ergebnisse. Vielleicht könnte ich die verschiedenen Linienbündel meiner Hand auch bewusster einsetzen.

In meinen Mappen suchte ich gestern nach Zeichnungen, die ich im Ballettsaal der Forsythe Company gemacht habe. Sie sind nun schon zwölf Jahre alt. Obwohl sich mein Zeichnen in dieser Zeit noch stark verändert hat, sind sie so etwas, wie ein Höhepunkt meiner Arbeit. Jetzt nehme ich sie mir wieder vor, kombiniere und verändere sie, suche nach ihrem Potential für die Zukunft.

Polyederpappen | Zusammenfügungen

Während meine Kunstschüler gestern Polyederpappen falteten und die Körper dann aus Einzelteilen zusammenbauten, zeichnete ich.

Zuvor hatten wir Spaghetti mit einer, der Hitze entsprechenden kalten Sauce gekocht und gemeinsam gegessen.

Ich nahm mir Tanzzeichnungen die ich bei der Forsythecompany gemacht hatte vor und kombinierte sie mir Fundstücken vom Handprint Frankfurt, so wie man es oben sieht. Die Zusammenführung der unterschiedlichen Motive und Techniken weckt neue Impulse. Außerdem fügte ich eine abstrakte Felsgravur aus Twyfelfontein zu einem Pflanzenteileinschluss in Schelllack zusammen. Irgendwo lagert noch viel Material aus der Beschäftigung mit Tanz und von der Reise nach Namibia. Ich muss mal die vielen Mappen durchforsten, um einen Zugriff auf das Material im Zusammenhang mit dem Biografieprojekt zu bekommen.

Die Polyederpappmodelle haben noch ein großes Potential, weil es ein Programm gibt, mit dem man sämtliche Volumina in solche Faltmuster umwandeln kann. Eine Kunstschülerin möchte Innenausstatterin mit dem Ziel Innenarchitektur zu studieren lernen. Während ihrer Lehre möchte sie weiter meinen Workshop besuchen. Mit ihr werde ich dieses Faltthema weiter bearbeiten. Joana zeige ich immer wieder die Arbeiten von Jackson Pollock, Hans Hartung und anderer dieser Richtungen. Sie arbeitet nach wie vor mit Wachs und Filzpappe. Das werden immer schönere Objekte. Sie bleibt auch einfach dran, mit Ausdauer und Ruhe.

Vages Versprechen

Es ist ein sehr schwülwarmer Morgen. Die Mauersegler, die sich zu schnellen Schwärmen zusammenschließen, fliegen tief und stoßen dabei ihre schrillen Rufe aus.

Nun habe ich die Zeichnung, die ich gestern beschrieb, noch mal ganz in das Arbeitstagebuch oben eingefügt. Beim längeren Nachdenken und Erklären gestern, erschien sie mir noch wichtiger als vorher. Lediglich einen Ausschnitt der dritten heutigen Miniaturmalerei habe ich hinzugefügt. Die Linie, in die die linke Figur übergeht erscheint wie ein Schild oder ein Spiegel von der Seite, mit dem Kontakt zu der Verwischung von heute aufgenommen wird. Nun möchte ich an dieser Stelle weiterarbeiten in weiteren Zeichnungen. Vielleicht kann ich die Rastermotive auch ganz weglassen und die Tanzzeichnungen nur mit den Felsgravuren oder mit in Schelllack zwischen Transparentpapierlagen eingeschlossenen Fundstücken verbinden. Ein vages Versprechen.

Das Zusammenspiel von abstrahierten und fragmentarisierten Formen entspricht dem Vorgang des Aussprechens von Vorhaben oder Erkenntnissen, die noch nicht zu Ende gedacht sind.

Einem Falter der sich vor einer Scheibe aussichtslos vor einer Scheibe meines Rolltores müde flatterte, schenkte ich, auf dem Tisch stehend, auf dem ich jetzt schreibe, mit einem Staubwedel die Freiheit.

Zusammenschluss von Abstraktionen

Wenn ich die Rasterportraits der Jungpioniergruppe nur in den Flächen ausführe, die ich zuvor mit einer Synaptischen Kartierung versehen habe, gerät die Fragmentierung bis zur Unkenntlichkeit des Motivs. Die schwarzen Tuscheflecken, einer Tanzzeichnung, die innerhalb ihrer Fläche Hindernisse bilden, verändern die Gesichtsmuskelpartien des hinzugesellten Rasterportraits noch einmal. Die Linien auf dem Blatt zeigen eher den Weg des Tänzers, als seine Gestalt. Das Zusammenfügen dieser verschiedenen, in Abstraktion und Fragmentierung weit fortgeschrittenen Arbeiten führt zu einer anderen Qualität, deren Neuheit das Experiment rechtfertigt. Die Arbeiten schließen sich zu einer größeren Kraft zusammen. Über eine weitere Wirkung dieser Zusammenfügung denke ich nicht nach. Sie erscheint mir nur stimmig.

Am Morgen, wie gestern Abend habe ich Pflanzflächen gewässert, weil es heute wieder sehr heiß werden soll. Lange saß ich im Korbsessel, die Füße in einer Wasserwanne und schaute auf den Himmel. Die Mauersegler bilden jetzt Schulen mit ihren Jungen und fliegen manchmal in sehr großen Schwärmen, die eine große Höhe bilden, wie bewegliche Volumina.

Eine Gruppe von Fahrrad fahrenden Damen aus Sachsenhausen schaute in mein Atelier. Ich erzählte ihnen was von meiner Arbeit. Dies ist ein halböffentlicher Raum, besonders im Sommer.

Und ein weiterer Kunstjournalist besuchte mich. Er möchte ein Fernsehfeature mit mir machen. Ich lache darüber, weil es mir irgendwie sinnlos vorkommt, sage aber zu. Wer braucht mich im Fernsehen?

Kleine und große Malerei

Im nun voll geschriebenen und voll gemalten Buch, liegen die Malereien von gestern aufgeschlagen vor mir. Manche aufrechte Linien stehen wie Messlatten im Farbraum. Die Verwischungen und Schwünge halten sich die Waage. Die Farben leuchten sanft zwischen Apricot und Indigo. Die Malereien entstehen in letzter Zeit schnell hintereinander oder gleichzeitig in den Lücken, die ihnen der Text vorher eingeräumt hat. In diesem gemeinsamen Schwung beziehen sie sich mehr aufeinander. Manche Elemente aus Abdrücken der rechten Handkante wiederholen sich innerhalb der verschiedenen Formate und verweisen so aufeinander. Dieser ganze Komplex wäre es mal Wert näher betrachtet zu werden.

Mit einem etwas größeren Transparentpapierformat auf das ich schon eine Synaptische Kartierung gerollt hatte, probierte ich gestern die Verbindung von drei Felsgravuren und einem Rasterportrait. Daran zeichnete ich bis in den Abend. Somit bewege ich mich auf die Beendigung des großen Formates zu. Dieser Abschluss wird die Beendigung eines Kapitels sein. Wenn ich nun mit Ölfarben weitermale läuft das auf größere Präzision und auf eine festere und brillantere Malweise hinaus.

Mit der gestrigen Zeichnung bereitete ich diesen Schritt vor. Dazu gehört nun aber auch, dass ich das neue Material bereitstelle und mich an diese Malweise, wie ich sie vor vierzig Jahren betrieben habe, erinnere.

Manchmal erscheinen auf den Displays der Digitalkameras Elemente der aufgenommenen Motive klarer, als man sie in Wirklichkeit wahrnehmen kann. So sah ich in der Kamera des Kunstjournalisten, der mein Bild vor ein paar Tagen aufnahm, dunkle Figuren, die sich von unten in das Format hinein schieben.

Verschiedenheit

Anstatt zu zeichnen, fertigte ich gestern eine weitere architektonische Skulptur zum Thema „kristallin und fluid“ an. Dieses weite Feld lässt sich mit verschiedenen Kompatibilitätsfragen, auch von Materialien, verbinden. Z.B. Wachs, Filzpappe und Drahtgitter.

Zunächst zeichnete ich zwei verschiedene Umrisse und extrudierte zwischen sie einen Übergang. Das kristalline Gebäude, das dann entstanden war, deformierte ich leicht mit einer großen kugelförmigen Masse, deren Abdruck der Form etwas Fließendes hinzufügte.

Dieses Zusammenspiel gehört zum Thema: „Dinge, die nicht zusammenpassen“. Gern würde ich mehr davon anfertigen und auch mit den oben genannten Materialien verbinden.

Mein gestriger Entschluss, das große Bild nun fertig zu malen, geht mir durch den Kopf. Eine gewisse Scheu, da heran zu gehen, kann ich nicht verhehlen. Vielleicht ist es aber auch eine Frage der Überzeugung, des Zeitpunktes und der Kraft.

Demnächst muss ich mich um den 3d Scanner kümmern, um die skulpturale Arbeit mit anderen Formen weiter zu führen. In erster Linie aber interessiert mich dabei die festgehaltene Bewegung des menschlichen Körpers.

Ölfarbe?

Montagmorgen im Atelier. Wir sprachen gestern über die Weiterarbeit am großen Bild und seine Vollendung. Das Schwarz meines Rasterselbstportraits als Sechsjähriger, will ich mit einem sehr dunklen Blau vertiefen. Vielleicht kann ich Ölfarbe dafür benutzen. Als Gegenpart auf der linken Seite, sollen Felsgravuren aus Twyfelfontein, vielleicht drei übereinander oder ineinander verschlungen und verschiedenfarbig stehen. Zwischen ihnen und den Rasterpunkten könnten farbige Verbindungslinien hin und her laufen. All das kann von der Spur des Heliumraben umleuchtet werden. Dann ist das Großformat nach vielen Jahren Arbeit fertig, kann abgespannt uns zusammengerollt werden.

Somit würde sich dieses Bild in die Biografieserie mit eingliedern. Ganz anders als gedacht, wäre es dann fertig geworden. Die verschiedenen Varianten, die ich zwischendurch überlegt hatte, sind beiseite gelegt, aber dennoch mit darin aufgehoben, denn immer schwebte etwas von den Ideen bei der Arbeit daran mit hinein.

Und wie geht es heute weiter? Zunächst mal nahm ich mir vor, etwas Büroarbeit, die sehr notwendig geworden ist, zu machen. Dafür soll genug Zeit sein, und erst danach will ich mich um die weiteren Zeichnungen kümmern.

Gemetzel

Der beträchtliche Output meines malenden Nachbarn wurde durch die Stippvisite eines berliner Galeristen noch einmal gesteigert. Auf die großen Formate legt sich eine weitere extensive Schicht programmatischer Verfinsterung. Die unterste Lage bilden Projektionen.

Die Elstern bewachen die Wasserstellen. Gestern fand ich eine halbe Eidechse auf dem Weg meines Gärtchens. Ich weiß nicht, welchen Räubern ich dieses Gemetzel zuschreiben soll, ob dem großen Kater, der schwarzglänzend übers Gelände streift, den Amseln, die sich ihrerseits furchtbar über ihn erregen können oder den anderen Jägern der Lüfte. Hoffentlich haben ein paar den Angriff überlebt. Gesehen habe ich heute noch keine.

Einen zufälligen und interessanten Zaungast verwickelte ich am späten Nachmittag in ein Gespräch. Er ist Kunst- und Filmkritiker, Architekt und Künstler. Wir sprachen über innovative architektonische Konzepte, was mich neugierig machte. Heute las ich zwei seiner Artikel im Netz.

Durch meine neuere Arbeit mit den 3d-Umsetzungen und Entwürfen bin ich wieder näher an den Vorgängen der Entwicklung von Kunst und Architektur durch neue technologische Möglichkeiten. Ich habe die Idee das Film- und Architekturmuseum durch einen Strang filmischer Skulptur zu verbinden

Über die tägliche Malerei hinaus will ich am Montag weiter zeichnen.

„Ateliergang“

Die „Ateliergang“ machte gestern ihre ersten 3d-Ausdrucke. Joana entwarf einen Ring mit einer mäandernden Oberflächenlandschaft, den wir in eine untere und eine obere Hälfte teilten, damit wir das beide komplikationslos drucken können.

Noah hat zwei neue Jungs mitgebracht, die schon zuvor eine Bühnenshow mit dem Günes Theater gemacht hatten. Sie arbeiteten gleich leicht und ungehemmt mit. Langsam entwickelt sich Teves West zu einer Außenstelle der Hindemithschule.

Alexander richtet sein Augenmerk nun auf jüngere Kunstinteressierte, die sich hier ein paar Jahre entwickeln können. Vielleicht kann ich auch das Gärtnern mit zu unseren Beschäftigungen hinzunehmen.

Gleich am Morgen habe ich wieder den Rasensprenger angestellt, damit es grüner wird. Die anatolischen Freunde haben eine Sense vor die Tür gestellt. Mal sehen ob ich das Sensenblatt dengeln und schärfen kann, wie man das früher machte und wie ich es vor vierzig Jahren von Heinrich Dächert gelernt hatte, um sie für die Wiese zu nutzen.

Am Abend ein Spaziergang am leuchtenden Main, der den Schattenriss der Skyline und ihre Lichter bewegte. Bier im „Senza Licenza“ und Müdigkeit, denn die letzten Tage waren anstrengend.

Geschichtete Biografie

An jedem Morgen blühen die blauen Kelche der Kletterpetunien so auf, dass sie vor meinem trockenen, zusammengestellten Gesträuch eine blumige Wand bilden. Die wenige Erde auf dem Beton gibt viel her.

Das Rasterportrait meiner Mutter habe ich mit der Felsgravur eines Gnus aus Twyfelfontein verbunden. Die Schwünge der Tuscheverbindungslinien kreuzen sich. Diese Stellen betonte ich mit schwarzen Punkten, damit sich das Raster in seiner Umgebung fortsetzt und teilweise zur Tierdarstellung hinüber springt.

Die nun schon zahlreichen Kombinationen mit den Tierumrissen geben den Motiven eine etwas schamanistische Prägung. Das Erinnerungsthema wird in dieser Weise erweitern, führt in den Kombinationen in zwischenkulturelle Felder. Kommen dann auch noch die Gestaltungen vom Vortag und die Malereien aus den Arbeitstagebüchern hinzu, wie in der oberen Collage, verstärkt sich ein Bild von geschichteter Biografie.

Eine vierte Skulptur druckte ich zur Vervollständigung der Serie, die kristalline und fluide Formen zusammenfügt. Außerdem stellte ich eine Negativform einer Skulptur her, deren Ausdruck allerdings über vier Stunden in Anspruch nehmen würde. Das verschiebe ich.

Mit Alexander besprach ich Details unserer Berlinreise mit den Kunstschülern am Ende des Monats.

Erinnerungsverbindungen

Noch am Vormittag vor meiner Verabredung, habe ich mich an eine Selbstportraitzeichnung gesetzt, die ich dann am Nachmittag fertig gemacht habe, indem ich die Tusche-Schelllack-Lasur im Stil der Synaptischen Kartierungen aufgetragen habe. Eine weitere Zeichnung entstand am Abend, während der 3d Drucker die dritte Variante des Musikpavillons ausdruckte.

Eine skulpturale Serie entsteht, die mit den Gegensätzen von fluid und kristallin zutun hat. Je kleiner die Dreiecke sind, aus denen sich die Skulpturen zusammensetzen, umso flüssiger erscheinen die Formen. Es ist sehr reizvoll, sehr langsam mit den Verschiebungen der Netzknoten der Figuroberflächen die plastischen Werte zu schaffen, die dann handgreiflich nach dem Druck erfahrbar sind.

Die zwei Selbstportrait-Rasterzeichnungen von gestern verbinden sich mit Tierumrissen von Felsgravuren aus Twyfelfontein. Die Tuschelinien sind wegen der abgenutzten Feder unregelmäßig und manchmal zittrig. So zeigen sie aber mehr von den verschiedenen Erinnerungen und ihren Zusammenhängen.

Alexander hat gestern eine Unterkunft für unsere Berlinreise gefunden, die direkt neben dem Magerviehhof an der S-Bahnstation Friedrichsfelde Ost gelegen ist, in dem ich mit 250 anderen Soldaten das Jahr 1976 in einem Schlafsaal ohne Fenster zugebracht habe. Das war die einzige Kaserne in der DDR, in der es Alkohol gab. Wir bauten damals den Palast der Republik. Das taten wir allerdings nicht mehr mit der Begeisterung, mit der ich 1961 Juri Gagarin verehrte. Viele dissidentische Geister waren dort mit offenkundig kriminellen Armeeangehörigen zusammengesperrt.

Milderung

Mit einem der 123d Programme habe ich gestern weitere Architekturmodelle entworfen. Das geht spielerisch, wie von selbst und sieht auf den ersten Blick ganz professionell aus. Die Skulpturen werden in Etagenraster eingeteilt, die einer kühnen Hausvision gleichen. Das Programm ist dafür gedacht, ineinander steckbare Schablonen zu drucken. Dann können die Gebäude zusammengebaut werden.

Dennoch bin ich mit meiner Arbeitsleistung der letzten Tage nicht zufrieden. Das liegt an einer Konstellation von Terminen, Urlaub und Hitzewelle. Das lässt mich nicht so recht zur Konzentration kommen.

Zwei kleinere gewittrige Güsse, die erst nach der Wässerung der Gärten herunter kamen, überraschten gestern. Mit einer Nordwestlichen Luftströmung bringen sie Milderung.

Alexander und ich organisieren eine Berlinreise mit unseren Kunstschülern. Habe schon mit Anne und mit Vinzenz Kontakt aufgenommen. Anne möchte uns eine Stadtführung machen. Vielleicht kann Vinzenz uns auch etwas von seiner Arbeit erzählen.

Heute Mittag ein Termin, der mir den Tag zerteilt. Ich hoffe auf etwas Sammlung danach.

Konstruktivismus und Gravitationsschwünge

Im Untertitel heißt eine neue Ausstellung des Architekturmuseums: „Vom Konstruktivismus zur Kosmonautik: Pläne Projekte und Bauten“. Es begegnet einem viel „Sozialistischer Realismus“, zu dem ich eine eher traumatische Beziehung habe. Dennoch haben sich seine Insignien auch in meine Arbeit eingeschlichen. Heute ist das am ehesten noch in den Gravitationsschwüngen zu sehen, die ihre Inspiration bei Franz Konter fanden, aber eher aus den Tiefen der Atomenergieapologetik stammen könnten. Außerdem haben sie mit Raumfahrt und den Propagandabildern der Sowjetunion mit ihren Raketen zutun. Selbst der Konstruktivismus, der bei einem Künstler wie Glöckner in Dresden fortgeführt wurde, hatte seine Niederschläge in meinen Beschäftigungen mit Räumen. Juri Gagarin gehörte zu den Helden meiner Jungpionierzeit und würde in das derzeitige Biografieprojekt gut hineinpassen.

Von all dem war ich gestern allerdings zurückgehalten durch Abrechnungen meiner Projekte. Administrationsarbeit lässt meist keinen Raum für Künstlerisches.

Langer Spaziergang gestern in der Abendsonne am Main und danach noch einen Absacker im „Senza Licenza“ und einen weiteren auf dem Südbalkon unter den Sternen.

Die tropischen Tage erfordern etwas Arbeitsdisziplin.

Stadthitzeaktionen

Jetzt am Montagmorgen im Atelier, an dem ich erstmalig nach vielen Tagen wieder das Rolltor hochgezogen habe, beschäftigt mich noch, die Hitzeunternehmung vom Sonnabend beim Architekturmuseum.

Eine so genannte Kaltfront hat uns in der Nacht überquert, ohne in unserer Gegend ein nennenswertes Gewitter oder etwas Niederschlag mitgebracht zu haben. Durch die Frische aber, die durch zwei Türen nun in meinen Raum dringt, sank die Temperatur innerhalb von einer Viertelstunde schon um ein Grad auf 26°C.

Mir gehen Stadtkartierungen durch den Kopf, die man in skulpturale oder architektonische Formen umarbeiten kann. Wie entsteht aus einer Karte eine Skulptur? Sind die statistischen Parameter oder künstlerische Erwägungen entscheidend? Kann man beides mischen? Kann man aus einer Pisseckenkartierung ein Gebäude errichten?

Zwei Aktionen vom Sonnabend erschienen mir besonders bemerkenswert. Erstens: die „Spucknapfaktion“, bei der eine schwere Metallabdeckung umgedreht wurde. Die so entstandene Schüssel wurde von allen als Spucknapf benutzt. Das Archaische, Klebrige und Intime der Szene, setzte sie in die Nähe einer künstlerischen Aktion. Die Reaktionen der Umgebung mit hinein genommen, handelt es sich um einen komplexen Vorgang. Zweitens: die Poesie der Stadtversorgung, das Gedicht auf einem kleinen blauen Schild, das die verlegte Wasserleitung bezeichnet und ihre Eigenschaften beschreibt.

Die neue Generation Eidechsen

Wenn der Wassersprenger die Wiese versorgt, habe ich im Atelier das Gefühl, mehrfach produktiv zu sein. Heute haben wir erneut Temperaturen um die vierzig Grad. Nur ein kleines Gewitter entlud sich bisher über dem Taunus. Ab und zu quillt etwas Bewölkung auf, wird dann aber wieder vom heißen Südwestwind verblasen.

Gerade sah ich die erste ganz kleine Eidechse der neuen diesjährigen Generation. Sie war kaum drei Zentimeter lang und floh vor meinem Wasser, mit dem ich begonnen hatte, die dünne Erdschicht meines Gartens auf dem Beton zu wässern. Die Bedingungen scheinen also optimal zu sein.

Das Zeichen oder Malen im Tagebuch macht wieder großen Spaß. Heute kam ich, wie gestern, erst am Abend dazu. Wann werde ich diese Arbeiten mal größer angehen?

Die Temperatur im Atelier sank von 29,6° auf 29,5°. Das lässt auf Milderung hoffen.

Promenadologie

Spaziergangswissenschaft hat immer viel mit Praxis zutun. Gestern bei 40° im Schatten, Schritt für Schritt. Etwas aberwitzig, aber letztlich doch ganz produktiv war der Workshop im Architekturmuseum und in seiner Umgebung.

Hunde sah ich, die wegen des heißen Asphalts gleichzeitig das linke Vorderbein und das rechte Hinterbein anhoben und dann nach wenigen Sekunden wechselten. Manchmal blieben die Schuhe bei unserem Gang in die Stadt kleben.

Mir ist deutlich geworden, wie viel Praxis ich auf diesem Gebiet schon erworben habe, hielt damit auch nicht hinter den Berg. Die Ideenentwicklung hat die anderen auch mitgezogen. Sogar Passanten haben sich unseren Aktivitäten angeschlossen, wurden mit begeistert. Schönes Gefühl.

Oft dachte ich an meine Handprintwanderungen in Wien, Frankfurt und in den vielen indischen Städten.

Grün

Einmal im Stausteiner Hof, in der hinteren Pfalz an der französischen Grenze, wo wir die letzten sechs Tage ohne Arbeit verbrachten, fotografierte ich die Farbigkeit meiner Malereien im Buch mit den sie umgebenden Blütenfarben.

Jetzt hier auf Teves wieder in die Arbeit zurückzufinden, verbindet sich mit der Hitzeabwehr. Am Morgen gegen acht Uhr, waren es schon über dreißig Grad. Gemeinschaftlich haben wir damit zutun, das ganze Grün, das wir zur Gestaltung unserer Gärten gepflanzt hatten, nun am Leben zu erhalten.

Erstmalig zeigt sich die Wiese in üppigerem Grün, weil ein Rasensprenger dort regelmäßig Dienst tut. Es wachsen aber auch schon wieder Brombeeren, die wir stetig entfernen müssen. Das Gärtnern macht Spaß – eine Altersbeschäftigung.

Den Arbeitsfluss bringe ich nun am ehesten wieder in Gang, indem ich für die Kunstschüler was koche, was bei der Hitze auch kein Vergnügen ist. Dann schauen wir, was wir an Dingen zusammenfügen, die nicht zusammenpassen.

Lärm | Doppelportrait | Monolog

Ein stiller Moment im hochgezogenen Rolltor  wird von einem monströsen Dieselmotorengeräusch beendet. Ein Kohlweißling hat sein Flatterrevier in meinem Gärtchen bezogen. Grundlos kollert der Diesel weiter und ein Güterzug kommt heran. Kein klarer Gedanke, bis ich meinerseits beginne zu lärmen: „Birdland“ 2005 live in London. Ich denke dabei an Simons Stevens Stück mit dem selben Titel, an seine Erinnerung an mein „Frankfurter Kraftfeld“ im Angesicht einer Anselm Kiefer Ausstellung in London.

Wenn es wieder still wird, steigert sich das Schweigen aller Gegenstände so sehr, dass ich die Feder auf dem Papier schleifen höre. Dieses Geräusch steigert sich seinerseits. Wo habe ich das schon einmal verstärkt gehört?

Während des dreistündigen Ausdrucks der zweiten Variante des Musikpavillons, hatte ich Zeit für eine Zeichnung eines Doppelselbstportraits mit einem Elefanten, der von einer Felsgravur aus Twyfelfontein stammt. Außerdem sind zwei Fundstücke in Schelllack eingeschlossen und eine davon erzeugt Gravitationsschwünge, die sich mit einem der Portraits verbinden.

Isaak Dentler hatte gestern mit einer Dramatisierung Kleists „Michael Kohlhaas“ im Kammerspiel des Schauspiels Premiere. Emotional heruntergefahren zeigte er uns das kalte Räderwerk und die sich zusammenziehenden Verstrickungen, die unweigerlich in die Katastrophen der Novelle führen. Großartiger Schauspieler mit einem schönen Monolog.

Raubvögel

Hoch hinter zerstäubten Schwaden Luftwassers leuchtet der Morgenrabe, der entzündete Heliumballon auf die Schmetterlinge zwischen den Schlingpflanzen in meinem Garten. Sie klettern in das trockene Geäst, das ich aufgerichtet habe, um mich etwas abzuschirmen. Eidechsen turnen jagend im Gesträuch, auf der Hut vor den Raubvögeln in der Gegend. Bussarde, Sperber, Falken, Elstern und Raben.

Sammlung in Zurückgezogenheit suchte ich gestern Abend, hier im Atelier, zwischen den täglichen Gesprächen, Terminen, die immer mehr zu werden scheinen.

Ich höre jetzt Patti Smith. Mich jetzt mit ihr zu beschäftigen, fällt mir leichter, weil ich sie nun in der Alten Oper erlebt habe. Das macht einen großen emotionalen Unterschied.

Weitere skulpturale Versuche entstehen mit den 3d Programmen. Eine Linie dabei könnte sein, zunächst aus dem Grundkörper des Musikpavillons immer neue Varianten der Beschäftigung mit diesem Volumen herzustellen. Die Begrenzung dabei bieten die Möglichkeiten des Druckers.

Während der langwierigen Druckvorgänge kann ich am Biografieprojekt weiter zeichnen.

Geschwindigkeiten | weiter Blick

Innerhalb der Bewertungen der letzten Kulturereignisse an vier hintereinander liegenden Tagen aus Ballett, musikalischer Lyrik und Architektur, versucht mein Hirn Gemeinsamkeiten zu etablieren.

Im Vergleich der Geschwindigkeiten von Bilderfluten, öffne ich die Augen, um sie abzubremsen, versuche mit Langsamkeit gegenzusteuern, bevor ich die Lider wieder kurz nach unter klappe: „zwischen Blick und Blick geschieht das Entscheidende“.

Gestern in der achtunddreißigsten Etage des Silver Towers konnte ich durch die klare Luft bis in der Odenwald blicken. Regenfahnen trieben heran, sonnenbeschienene Wolkengebirge zogen fern. Ich wäre gerne lange dort stehen geblieben.

Mir ist die Sinnhaftigkeit des Hochhausprojektes klarer geworden, konnte mir gut vorstellen, wie die Arbeit, für die ich noch keinen Namen gefunden habe funktionieren könnte. Landmarken, Wanderungen, Fundstücke und Zeichnungen in einem Acrylblock vor dem Fenster.

Immer wieder schaue ich in die Architekturen, die mir beim Augenschließen aufleuchten. Irgendwas Altbackenes ist da noch. Ich weiß noch nicht genau, was ich damit meine.

Pavillon für Patti Smith

Eine ähnliche Architektur, wie den gestern beschriebenen Musikpavillon, habe ich als Übung entworfen und ausgedruckt. Immer noch überrascht es mich, dass ich die Entwürfe nun auch handgreiflich auf den Tisch bekomme.

Die aus dem Quader hervortretenden explosionsartigen Volumina beschreiben einen Bühnenvorgang.

In der Alten Oper sang sich die freundliche Schamanin mit den gefährlichen Eckzähnen den Leib aus der Seele und nicht umgekehrt. Ihrem Ausbruch poetischer Energie kann ich nur plastisch begegnen. Patti Smith sah ich zum ersten Mal. Ihre Energie trifft mich wie die von Jone San Martin und füllt seelische Hohlräume auf.

Das Zusammentreffen von vier Ideen in vier aufeinander folgenden Tagen, die ihren Ursprung in Geistesbefreiungen der Sechzigerjahre haben, bestätigt mich in meiner biografischen Suche.

Die Choreografie einer leuchtenden Erscheinung, die einen Raben im Flug umschreibt, ist ein architektonisches Konzept für mich.

Die kalte Alte Oper wurde ein dampfender Regenwald.

Wetter und Musik

Im Architekturmuseum sahen wir gestern eine Ausstellung von Coop Himmelb(l)au. Die Herangehensweisen an die architektonischen Aufgaben sind den meinen, an meine frei gewählten Themen ähnlich. Von einer Wolke, einem Wettergeschehen, wie Wind oder von einem Musikstück auszugehen, um Körper zu schaffen, ist mir nicht fremd. Die großen musikalischen Sequenzen auf Transparentpapier, die Wirbel in meinen Zeichnungen auch das frühe Naturstudium sind verwandt. Außerdem spielt natürlich die äußere Zerlegung von Formen in Dreiecksgitternetze eine nicht geringe Rolle bei der Verwandtschaft.

Da gibt es beispielsweise die Umsetzung eines ab- und wieder aufbaubaren Musikpavillons, dessen Formen auf Frequenzsektionen von Jimi Hendrix „Purple Haze“ und Mozarts „Don Giovanni“ beruhen. Spikekonstruktionen, also verschieden geformte Pyramiden treten aus einem Quader fast wie eine Explosion hervor und funktionieren aber als lärmabweisendes „Soundscaping“. Mir kam die Form sofort bekannt vor, weil ich kürzlich bei der Bearbeitung eines Quaders ähnliche, aber sehr spontane Ergebnisse erzielte.

Manche der kleinen Modelle waren auch mit 3d Druckern hergestellt. Wir haben den riesigen, preisgünstigen Katalog gekauft. Er wird bei den „Dingen, die nicht zusammenpassen“ und bei „Biografie, ein Haus“ eine Rolle spielen – Anschauungsmaterial für meine Kunstschüler.

Verschiedenheit der Techniken | Dylan in Mainz

Nach den Malereien und Collagen am Morgen beschäftigte ich mich gestern weiter mit den 3d Programmen, der Kompatibilität der Formate und mit der Leichtigkeit skulpturaler und plastischer Arbeitsweisen im virtuellen Bereich. Spontan entwickelte Zeichnung im Raum, muss dann auch im Druck darstellbar bleiben. Bei waagerechten Überhängen kommt es gerne zu Druckfehlern. So beispielsweise bei dem Block, der eine waagerechte Höhlung aufweist, deren Querschnitt sich von einem Kreuz zu einem Habmond oder umgekehrt verändert.

Die Vielfalt der Arbeitsweisen, die jetzt im Atelier parallel zur Anwendung kommen, verschaffen mir eine abwechslungsreiche Freiheit, die nun auch zu Kombinationen von Techniken führen soll, die sonst nichts miteinander zutun haben oder nicht zusammenpassen. Joana, die derzeit mit Wachs und Filzpappe arbeitet, könnte beispielsweise Transparentpapier und ausgedruckte Formen mit hinzunehmen.

Eigentlich hatte ich gestern in Mainz mit der gleichen Setlist gerechnet, wie wir sie schon zweimal bei Dylankonzerten gehört hatten. Und es hätte mir auch nichts gefehlt, wenn es so geblieben wäre. Aber der Meister hat mit seinen Musikerkollegen etwas mehr Energie entfaltet und mischte das Althergebrachte gehörig auf. Er nahm Songs der neuen Platte, sang Uraltes in neuem Gewand, zog Jazzgesangteile mit hinzu und überraschte mit einem allgemein energischen Zugriff auf sein Songmaterial. Dabei ging’s zwischen den Musikern der hervorragenden Band und dem Gesang Dylans zeitweise sehr leise zu und manchmal entfesselt. So schaut man zurück als Künstler.

Abschied

Es war so kalt in der Nacht, dass im Atelier die Heizung angesprungen ist. Sie rauscht jetzt noch wie in Winterzeiten.

Am Nachmittag, im Beisein der Kunstschüler, druckte ich die erste ernstzunehmende Skulptur aus, die ich im Rechner entworfen habe. Nun beginnen die Experimente auf de ich mich so lange gefreut hatte. Die Strukturen der inneren Stützwaben und die der äußeren Trixel verbinden sich in der Sicht auf das durchscheinende Material. Entsprechend dieses Zusammenspiels möchte ich nun Figuren entwerfen, die das ästhetisch und gestalterisch aufnehmen, architektonische Schichten entwickeln. Die Fülle der Möglichkeiten ist eher ein Hindernis.

Während der Drucker arbeitete, zeichnete ich mit Gravitationsschwüngen an einem Jungpionierportrait auf Schelllackeinschlüsse von Fundstücken einer Stadtwanderung.

Noch eine Begegnung mit Jone von der Forsythecompany. Während der Vorstellung im Frankfurt Lab setzte sie sich von der Bühne aus neben mich auf einen zufällig freien Stuhl. Die Strahlung, die von ihr ausging, war deutlich zu merken. Ich habe ihre faszinierende künstlerische Persönlichkeit schon mehrmals beschrieben. Nach der Vorstellung sprachen wir kurz. Mit unseren Handflächen sandten wir uns aus fünf Zentimeter Entfernung etwas Energie zu. Ihr braunes Auge schaute tief in mich, vielleicht eine Verwandtschaft entdeckend. Dann eine Umarmung – das war der Abschied.

Archipel

Endlich habe ich den 3d Drucker in Gang gesetzt. Ich hatte einen kleinen Archipel entworfen und ausgedruckt. Das dauerte etwa nur eine gute halbe Stunde. Nun bin ich natürlich gespannt darauf, andere Figuren zu entwerfen, die den Fähigkeiten des Werkzeugs und dem Material angemessen sind. Weil ich die Form aus Ersparnisgründen hohl angelegt hatte, wurde im Inneren zur Stabilisierung eine Wabenstruktur geplottet. Das Filament, d.h. das Material das geschmolzen und Schicht für Schicht aufgetragen wird, ist im Rohzustand einer starken Perlonschnur ähnlich. Durch das Erhitzen und den Spritzvorgang durch den Extruder, entsteht eine durchscheinende, in vielen Höhenlinien geschichtete Landschaft. Die Dreiecksgitter, mit denen ich schon seit siebzehn Jahren arbeite, treten nicht so deutlich hervor. Scharfkantigkeit kann man vielleicht bei einer feineren Schichteneinstellung erreichen. Bis jetzt ist alles eher rund. Wenn ich an weitere skulpturale Formen denke, die zu entwerfen sind, so sind das eher abstrakte Figuren, als Gegenständlichkeit. Diese können sowohl das Material, als auch diese neue Baustruktur am ehesten zur Geltung bringen, weil die Eigenform nicht so im Vordergrund steht und viel eher mit der Schichtung zusammenspielt.

Meine Miniaturmalereien haben heute eine andere Qualität bekommen. Ich glaube dass die Farbigkeit der Kathedralenbilder von Monet bei mir noch nachklingt.

Mir geht ein weiteres Projekt durch den Kopf, das mit Architektur und Film zutun hat. Mit eigenen Animationen habe ich das schon mal mit dem Amiga vor 20 Jahren probiert, virtuell damals. Es geht um Framestapel, an deren Rändern sich abbildet, was das Format innerhalb einer Filmsequenz verlässt. So wird das Geschehen auf der Haut der Skulptur sichtbar.

Biografiewanderung

Termine zerpflücken mir die Konzentration auf das Biografieprojekt. Aber es hat sich gezeigt, dass meine negative Einschätzung des Zusammenspiels von Gravitationsschwüngen und abstrakten Umrissformen, die sie ausfüllen, in der Rückschau nicht ganz zutrifft. Die betreffenden Arbeiten kommen mir jetzt stärker vor.

Den 3d Drucker in Gang zu setzen, gestaltet sich nach wie vor eher schwierig. Stattdessen arbeite ich mit den Skulpturwerkzeugen. Das gelingt immer besser, immer intuitiver und beginnt richtig Spaß zu machen.

Gestern habe ich noch unsere Wiese gewässert, nicht wissend, dass es die ganze Nacht regnen wird. Das war ein Segen. Längere Trockenzeiten lösen ungute Gefühle in mir aus. Besonders die Indienreisen in den Trockenzeiten, während derer wir öfter um das Trinkwasser, das wir in Flaschen mit uns führten, angebettelt wurden, trugen dazu bei, dass ich mich fast immer über Regen freuen kann.

Mit Alexander sprach ich über ein Ferienprojekt, das wir mit unserer Künstlergruppe machen wollen. Es soll mit Biografie, Stationenwanderung und den Dingen zutun haben, die nicht zusammen passen. Eine spannende Mischung.

Seerosen | Reliefs

Gestern mitten im großen Pflanzprogramm der Nachbarn, an dem ich als Gartenfreund immer wieder beteiligt wurde, arbeitete ich mit den 3d Programmen. Ich bemühe mich zu erlernen, wie ich mit ihnen möglichst intuitiv Volumina erzeugen kann. Das geschieht derzeit eher in Reliefform. Die Vorgehensweise gleicht am ehesten der Zeichnung und ist mir deswegen sehr nahe.

Zwischendrin legte ich noch mit Pflanzen, die bei den Nachbarn übrig waren, eine Seerosenwanne an. Eine ganze Kiste mit anderen Gewächsen wartet nun darauf auch noch in meine Gartenerde zu kommen, die ich für diesen Fall nun noch zusätzlich aufschütten muss. Die Fläche, auf der ich den Beton biologisch besiedeln kann, wächst nun fast täglich.

Am Abend, im trockenen und kühlen Nordwind, wässerte ich unsere Schotterwiese. Ein ehemaliger Ingenieur von Teves erzählte mir während eines spontanen Besuches, dass dort eine große Baracke gestanden hat, in der Teile für die Produktion entworfen worden sind.

Die Kälte der Nacht ist bis in die Eidechsenhöhlen vorgedrungen. Die Morgensonne ist noch nicht so stark, als dass diese wieder aufgewärmt sind. Deswegen sind die Reptilien auch noch nicht auf ihrer morgendlichen Insektenjagd.

Schwünge und Gegenständlichkeit

Noch mal ein Selbstportrait als Sechsjähriger mit Tuscheschwüngen. Zuvor probierte ich das mit der Figurengruppe im Elbeisgang. Dabei stellte sich heraus, dass ein großer Abstraktionsgrad der Raster, bzw. der Verzicht auf Gegenständlichkeit einen Spannungsabfall zwischen den Gravitationsschwüngen und dem Motiv zur Folge hat. Der Kontrast zwischen den abstrakten Schwüngen und dem Gegenständlichen ist ganz wesentlich. So glaube ich mit dieser Erkenntnis einer Sackgasse entronnen zu sein.

Am Rand der Wiese vor meinem Tor wird aus Natursteinen ein Spiralbau errichtet, der mit Erde angefüllt nun viele verschiedene Kräuterpflanzen aufnehmen soll. Mir gefällt das ganz gut. Diese Gärtnerambitionen teile ich mit manchen auf dem Gelände. Vielleicht können wir uns da immer mehr zusammentun.

Gerade ist erneut ein 3d Drucker geliefert worden. Hoffentlich habe ich nun mit seiner Inbetriebnahme mehr Glück, als beim letzten Mal. Muss mich erst einmal wieder motivieren, mich überhaupt damit zu beschäftigen. Vielleicht geht das am ehesten, wenn ich ein paar eigene 3d Motive entwickle, die zarten Reliefs beispielsweise, von denen ich schon mal sprach.

Heute hat mich überraschend Monika besucht. Ich war gerade mitten in der Arbeit, hatte deswegen nicht so viel Aufmerksamkeit. Nett war’s trotzdem.

Grün schillernde Fliegen

Grün schillernde Fliegen

in der Sonne, Eidechsen auf der Jagd, ein windiger, fast wolkenloser Morgen.

Die Mücke,

Die ich gestern auf meinem linken Oberarm erschlug, hinterließ eine längliche Spur meines oder schon ihres Blutes. Wir lagen am neu entdeckten kleinen See in der Knoblochsaue im Ried auf der neuen Picknickdecke, sahen in den Schwalbenhimmel und ruhten uns aus. Manche Menschen badeten.

Ein Bier noch

vor dem Atelier auf dem Heimweg. Ich wässerte die Pflanzen noch mal etwas, wie schon am Morgen dieses trockenen und heißen Tages.

Die Eidechsen

trauen sich manchmal an große Insekten heran, vor denen ich, wegen ihrer Stiche, ziemlichen Respekt habe. Schnell und furchtlos schlagen sie zu. Quer im Maul tragen sie dann ihre Beute, schütteln und zerstückeln sie.

Auch Vinzenz

Arbeitet derzeit an einem Biografiethema. Wir sollten uns mal wieder austauschen.

Sonntag | die Figurengruppe | eine Band

Sonntag.

Das Rolltor bleibt unten. Die Morgentemperatur steigt schnell. Auf der Wiese steht ein improvisierter Rasensprenger.

Die Figurengruppe

von der Insel im Eisgang habe ich noch mal stärker konturiert, damit ich weiter mit ihr neue Möglichkeiten der Energieverteilungen probieren kann. Sie kann das Sujet für weitere größere Arbeiten bilden, die ich vielleicht auch aus kleineren Formaten zusammenkleben kann. Ich freue mich auf diese Woche mit den neuen Zeichnungen.

Am gestrigen Abend sahen wir die Premiere von „Was ihr wollt“ im Schauspiel Frankfurt. Uns erschien der Abend rundherum gelungen. Ich war mir zunächst nicht so ganz sicher. Aber wir redeten während der Premierenfeier ein wenig. Der Einsatz der Videosequenzen war genau so, wie ich mir das vor über zwanzig Jahren immer vorgestellt hatte. Zurückhalten, als kleineres Versatzstück, das der Dramaturgie dienlich ist. Ähnlich, wie die Ausstellung Vorgestern, machte der Abend gute Laune. Die Schauspielerleistung kam mir homogen vor. Die ganz junge Hauptdarstellerin spielte ihren Part gekonnt, wild, emotional und natürlich nicht abgeklärt. Sie ist volles Risiko gegangen.

Eine Band

führte durch das ganze Stück. Auch das war eine gute, tragende Idee. Die „Schauspielersongs“ waren ein sinniges und den Abend zusammenhaltendes, wie unterhaltsames Element.

Das Alltägliche | Monet

Ein verbummelter Morgen.

Erst gegen Zehn war ich im Atelier um mit dem Täglichen zu beginnen. Es stellt sich nicht die Frage, was das sein wird, das Alltägliche.

Am Nachmittag gestern, in Anwesenheit meiner Kunstschüler, zeichnete ich über die Rastervergrößerung der Insel im Eisgang der Elbe, unter dem Transparentpapier, die die Anmutung einer Figurengruppe, vielleicht auf einer Bühne hat, „Gravitationsschwünge“ im Rahmen der dunklen Flächen. Dann kam noch ein breiter Streifen „Synaptische Kartierung“ dazu. So sieht das Blatt schon ganz gut aus. Allerdings fehlt noch so etwas, wie eine Graphitfrottage.

Endlichhaben wir es nun geschafft.

Gestern waren wir in der Monetausstellung im Städel, die zeigen will, wie es zum Impressionismus gekommen ist. Die Unaufgeregtheit der Präsentation hat wieder die Werke in den Mittelpunkt gerückt. Die zwei Bilder der japanischen Brücke sind von einem Abstraktionsgrad, der erst wieder viel später erreicht wurde. Auch das Serielle der Kathedralenbilder, fand sich erst nach vielen Jahren wieder. Ja, und dann diese Farbigkeit im Spätwerk. Die Entscheidung sämtliche Seerosenbilder wegzulassen ist witzig und klug, wie überhaupt das ganze eher zur guten Laune führte.

Raster, Schwünge und 3d

Langsam taste ich mich an die größeren Formate heran. Mit dem gleichen gerasterten Jungpionierkopf wie gestern, verband ich die Rasterpunkte mit in ihnen liegenden Gravitationsschwüngen. Mich beschleicht das Gefühl, dass das schnell an seine Grenzen stößt, wenn sich nicht andere Schichten hinzugesellen.

Außerdem stelle ich mir diese Arbeit in den 3d Bereich übersetzt vor. Manchmal, wenn ich Ausstellungen aufgebaut hatte, war Nylonschnur in wolkenartigen Ballen übrig. Man könnte diesen Formen eine Begrenzung schaffen, dass sie Figuren umschreiben. Aber auch das habe ich schon gesehen, was ziemlich banal wirkte.

Nein man kann sich diese Dinge nicht ausdenken, man muss sie einfach ausprobieren.

Vinzenz hat mal in einem Video gezeigt, wie er mit einem optischen 3d Werkzeug sein Gesicht in grobe Trixel auflöste. Ich kann mir vorstellen, dass es solche Tools schon als Shareware gibt. Vielleicht machen sich meine Schüler heute mal auf die Suche danach.

Energieformen

Energiefelder zwischen den Rasterflächen der Portraitzeichnungen versorgen ihre Kompositionen mit Kraftlinien. Magnetismus, Gravitation und Geschwindigkeit spielen auch in den Zeichnungen von Franz eine Rolle. Sein Forschungsgebiet sind aber die Umwandlung von Energieformen, oder Übergangsorte von einer Dimension in eine andere. Den Vorgang des Nachdenkens darüber, übertragen wir in den der Zeichnung. Die sich entwickelnden Gravitationsschwünge sind somit Hilfsmittel der Erkenntnis.

Diese neu gefundene Form soll nun in größeren Formaten weiterentwickelt werden.

Als ich am Morgen ins Atelier kam, folge mir ein großer Laster, der einen Müllcontainer abholte, der seit Wochen neben unserer mittlerweile ausgedörrten Wiese stand. Während er dort vor sich hin dieselte, donnerte ein langer Güterzug vorbei, über dem die Turbinen einer startenden Maschine röhrten. Jetzt ist wieder Ruhe eingekehrt, als wäre nichts gewesen.

Durch den Garten schlich ein Kater mit fetter Beute zwischen den Zähnen. Ich muss ihn während meiner Abwesenheit fernhalten, weil er mir sonst meine Eidechsen auffrisst.

Magnetfelder

Kalter Wind vertrieb mich gestern früher am Abend aus dem Gärtchen und ließ mich das Rolltor früher als sonst herunterfahren.

Bin heute sehr früh aufgestanden und habe bald mit der Arbeit losgelegt. Es wird deutlich, wie der rote Faden hier nicht abreist. Das Thema vom Vorabend ist am Morgen gleich wieder präsent.

Innerhalb der Jungpionierportraits habe ich begonnen, mit Gravitationsschwüngen zu arbeiten, die vielleicht eher der Darstellung von Magnetfeldern ähneln. Sie umschreiben die abwesenden Strukturen, die sich dann, wenn ich sie negativ umschalte, wieder als Portraits zu erkennen geben. Die Ausdrucke der Rasterportraits, weisen oft, wenn sie sehr stark vergrößert sind, die Ecken der Pixelquadrate auf, die auch die Rundungen beschreiben. Sie haben auf die gezeichneten Linien eine energetische Wirkung. Sowohl die Ecken, die nach innen gehen als auch die, die hervortretenden, haben eine Anziehungskraft und lenken damit die Linien. Sie werden dann von diesen Eckpunkten in spitzen Winkeln wieder zurückgeworfen.

Franz besuchte mich gerade, als ich damit angefangen hatte. Wie stellten die Gemeinsamkeiten unserer Arbeit fest und überlegten, ob man mal was zusammen machen kann.

Leere Räume

Gespräche über Abwesenheit im Museum. Das Thema kommt mir immer wieder in den Sinn. Die abwesende Arabeske im Ballett, das abwesende Brett, weggehobelt in meinem Atelier, die leere indische Nische mit dem abwesenden Buddha, die fehlende Nische. Die Darstellung der Abwesenheit im Raum durch Zeichnung, Bewegung und Raumexperimente verschiedener Art.

Außerdem erläuterte ich kurz „Biografie, ein Haus“ und „Landmarken“, ein Projekt mit Zeichnungen von Landmarken, Fundstücken von dort und Wanderungskartierungen für die Scheiben eines Hochhauses.

Es kommt bei den Vorhaben auf die künstlerischen Einfälle an, die auf einen humosen Boden fallen müssen. Die Qualität der Keime und beständiges Gießen und Düngen sind die Bedingungen, unter denen sie aufblühen. Ich habe das Gefühl, dem in letzter Zeit ein wenig näher gekommen zu sein.

Am Nachmittag kann ich mich wieder in Ruhe um das Biografieprojekt kümmern. Vielleicht kommen ein paar Abwesenheitsumschreibungen hinzu.

Schatten

Hier auf Teves schnitt ich gestern eine Rose um sie zum Abholen mit an den Bahnhof zu nehmen. Im Auto stellte ich sie in eine Wasserflasche. Der Zug kam von Norden, ging weiter nach München und hatte fast eine halbe Stunde Verspätung. Das geschwungene Glasdach der Gründerzeitarchitektur bietet nur ein paar Schattenstreifen, mit denen ich während des Wartens mitwanderte. Die Umgebung kontrastierte meine Eremitage. Die Menschen, ihre Bewegungen, ihr Aussehen, die Verkleidungen und ihr Benehmen in diesem Chaos kamen mir komisch und absurd vor.

Auch im Gewimmel beim anschließenden Spaziergang am Main suchten wir Schatten. Meine zehn Tage zeitloser Konzentration auf mich alleine sind nun vorbei.

Auf Teves wässerten wir das Gärtchen und zupften an den Zimmerpflanzen herum, die ich umgetopft habe. Alle waren da und verbrachten einen Teil des Sonntags hier.

Heute haben wir ein langes Teamtreffen im Museum. Es geht schon 15 Uhr los und am Abend wollen wir noch gemeinsam Essen gehen.

Insekten | Tanz | Erleuchtung

Oft habe ich Skrupel, Pflanzenteile, die ich abgeschnitten habe, einfach wegzuwerfen. Meistens landen sie in einem eigens dafür mit Wasser gefüllten Eimer, wo sie noch einmal die Chance haben, Wurzeln zu treiben. Während der heißen Tage sammelten sich an diesem Ort, zwischen den ganzen Blättern und Stengeln viele Insekten, langbeinige Wespen, grünschillernde Fliegen und schwarze Bienen.

Im Günestheater fanden gestern Tanzworkshops statt. Unter der Überschrift „Hip Hop“ tummelten sich internationale junge Menschen und zeigten, was sie drauf haben. Bei ohrenbetäubenden Beats tobten sie sich aus. Weil diese Tanzform von der Straße kommt, wie Salsa ja auch, erscheint sie im geschlossenen Saal etwas deplaziert. Die Barackenwände wurden mit neuen Bildern aus dieser Szene versehen.

Auf der Konstablerwache, wo ich meinen Apfelweinkanister auffüllte, traf ich auf eine ältere Dame, die sich mit den Lehrsätzen eines hinduistischen Priesters aus Tiruvannamalai beschäftigte. Sie erzählte mir bei vierunddreißig Grad im Schatten von ihren Erleuchtungserlebnissen. Den Stadtnamen nannte ich wie eine Reisetrophäe und erinnerte mich an die riesigen Notstromaggregate dort, die manchmal direkt neben einer pompösen Hotellobby einen Höllenlärm machten. An den Tempeln kämpften Hunde- und Affenbanden miteinander.

Die Eidechsen sind jetzt aufgestanden. Sie sollen an diesem angenehm kühlen Morgen die lästigen Fliegen fangen und auffressen.