Blue Jasmine | Zersplitterung | Elektroschock

Der Vorhang des Kinos fing gestern Abend lange meinen Blick. Eine altmodisch changierende Beleuchtung – wieso überhaupt ein Vorhang – ah, es handelt sich ja um ein Lichttheater – Lichttheaterspiele hieß das in den Sechzigern, in denen bei den „Drei Musketieren“ an der Kinokasse und beim Einlass gedrängelt wurde.

Gestern viel Bequemlichkeit in Zweisitzern, viel Beinfreiheit in dem ebenso bequemen Woody-Allen-Film „Blue Jasmine“. Die Nuancen der Derangiertheit mit der Kate Blanchet einen Abstieg durchspielt, und wie die Zeitebenen von Regisseur gegengeschnitten werden, ist großartig gemacht. Am Ende blitzt eine Verlorenheit der Hauptfigur auf, die einen Schimmer von Lebensgefahr durchscheinen lässt. Das geht einem im Sofa zu Herzen, lässt aber den Film nicht harmlos ins Vergessen gleiten.

1965 in Newport löste Bob Dylan mit einer Fender Stratocaster bei den Folkfans den „Elektroschock“ aus. So eine liegt nun im Karton auf dem Schrank.

Gleich nach der Förderantragsarbeit am Zwangsarbeitergedenken, machte ich mich gestern zur Baustelle auf, um an den Rändern der Baugrube weiter zu graben. Es deckt sich eine vielfältige Sachlage auf. Die Emotionalität der Zersplitterung von Wohnhäusern, Parfumflakons, Porzellantassen, Baukeramik, verbogenen Metalls, geschmolzener Glasscherben und verbogener Aluminiumtopfdeckel umschreibt das allgemeine Leid und dessen vordergründige Sinnlosigkeit. Das aber bildet nur den Rahmen dessen, was zu beschreiben ist.

„Everything Is Broken“

Stunden der Verdichtung der Apsarasequenz – der gleichförmig -konzentrierte Prozess führt zu einem neuen Nachdenken über die parallel erdachten Vorhaben. Rolle 6 lagert nun feierlich oder Standesgemäß in einer mit Schaumgummi ausgepolsterten Sperrholzkiste mit zwei Fächern für die jeweils aufgerollten Enden des langen Streifens.

Am späteren Nachmittag war ich auf der Baustelle an der Ackermannwiese, wo über dem ehemaligen „Russenlager“ das Gras wächst. Für ein kleines neues Gebäude ist eine Baugrube ausgehoben worden, die in Schichten reichte, die die unseres Interesses weit überschritten. Aber an ihrem Rand, in den Abstichkanten, wird die entscheidende Schicht mit den Trümmern der Bombardierungen des Zweiten Weltkrieges sichtbar. Je näher man an die südliche Seite des Sportgeländes und weiter an den noch vorhandenen Hochbunker kommt, um so dichter werden die Ablagerungen aus Ziegeltrümmern, Schlacke, Gehwegplatten, Glassplittern, Porzellan, Eisen und graubrauner Tonware. Sehr wichtig für mich, ist das Einfangen einer Stimmung durch haptische Artefakte der Zeit. Die damalige Färbung des Umgangs miteinander, mit der Umgebung und mit dem Fremden kommt näher. Es wird klar mit welchem Material das Lager umgeben war. Man meint den Geruch zu spüren, den der Kohl aus der graubräunlich glasierten Tonware aufsteigen lässt. Die fragmentarische Lage des „Everything Is Broken“ schafft mehr Möglichkeiten die Fehlstellen zu besetzen und die Phantasie anzukurbeln.

Neben den Ausgrabungen sollte ich als Nächstes mit den ersten GPS-Wanderungen beginnen. Sie bilden die nächste Schicht des Ausgangsmaterials, mit dem ich am Thema weiterarbeiten kann.

Vinzenz in London

Mittlerweile ist es draußen dunkel, wenn ich morgens im Atelier an meinem Tisch sitze. Während der Herfahrt überqueren die Bauerbeiter die Strasse zwischen ihren Containerunterkünften und der Baustelle im Scheinwerferlicht der großen Kräne und Betonlaster.

Vinzenz hat uns das Video des Auftritts in der „Serpentine Gallery“ in London geschickt. Einführend hält Olafur Eliasson einen kleinen Vortrag über die Arbeit im Institut für Raumexperimente, mit dem er Vinzenz ankündigt. Und Vinzenz sprach in seinem „Lichtbildervortrag“ dann über die Generationen innerhalb seiner Familie, zeigt sie im Garten seiner Großeltern. Dann stellt er Privates und seine Arbeit relativ kommentarlos gegenüber, damit der Betrachter, die Dinge selbst in seinem Hirn verknüpfen muss. Dabei macht Vinzenz einen lockeren Eindruck. verstellt sich nicht und bleibt bei sich. Das verschafft ihm beim Publikum und sicher auch bei seinen Mentoren Sympathie. Durch einen Harfenspieler gab es noch den Verweis auf fließendes Wasser, das sicher auch mit seiner Wohnstatt auf der Themse zutun hat, und das außerdem von einem Spülbeckenvideo begleitet wird.

Ich habe mir nun überlegt, nach Berlin zu fahren. Es gibt auch mit Anne viel zu erzählen, gerne würde ich dort auch wieder ein wenig arbeiten.

Einen ersten Projekttext verschickte ich an die Mitstreiter des Gefangenengedenkens. Helga machte sich gleich daran, das Ganze fleißig mit Fakten zu ergänzen.

Doris Lessing

Aus den Radionachrichten erfuhren wir gestern, dass Doris Lessing gestorben ist. Natürlich haben wir schon seit einiger Zeit mit einer solchen Nachricht gerechnet, wie man es tut wenn jemand vierundneunzig Jahre alt geworden ist. Nun ist die Welt ohne sie und die Erinnerungen an sie tauchen auf.

In Heidelberg haben wir uns kennen gelernt, als wir gemeinsam mit Philip Glass an der Oper „Die Ehen zwischen den Zonen drei, vier und fünf“ arbeiteten. Beide waren wochenlang da, arbeiteten am Libretto und an der Aufführung. Zwischen den Proben saßen wir manchmal im ersten Rang des Zuschauerraumes und sprachen über die Videos, für die ich zuständig war.

Auf der Wäschetruhe im Malsaal sitzend, in der wir irgendwelches Material lagerten, gab sie ein Fernsehinterview, das ich mit meiner eigenen Kamera auch von der Seite aufgenommen hatte. Irgendwo muss das Hi-8 Band noch rumliegen.

Als sie zur Eröffnung meiner Installation „Der Riss ist die Passage“ im Heidelberger Kunstverein nicht kommen konnte, schickte sie mir eine Karte, auf der Camille Pissarros Porträt von Cézanne abgebildet ist und entschuldigte sich höflich „…last day was so busy…“. So kam Philip Glass alleine und wir ließen uns von den Beamern beleuchten.

Vielleicht bekommen die Texte in B.`s großer Werkausgabe nun eine neue Aufmerksamkeit. Bei aller Trauer wäre das erfreulich.

Auf dem Schrank

Stratocaster heißt das Modell einer elektrischen Gitarre von Fender, die ich mir gestern Im „Session Music“ in der Hanauer Landstraße umgehängt habe. Dank einer gründlichen Beratung meines Schwagers hatte ich leichtes Spiel, dieses Modell als zu mir gehörig schnell zu erkennen. Der Hals besteht aus gewachstem Buchenholz mit einer Palisanderauflage auf dem Griffbrett. Schon schreinerisch ein Gedicht. Der Körper ist schwarz lackiert und trägt ein weißes Schlagbrett, drei Tonabnehmer, einen Tremolohebel und Drehknöpfe, einen Schalter und so weiter… Dazu kommt ein Effektgerät, das verschiedene Verstärker in sich hat und ein Universum von Tonfärbungsmöglichkeiten.

Von der Beatleszeit an kamen mit elektrische Gitarren wie ein Zeichen der Freiheit vor. Mit ihnen verband sich der Blues, der auf raren Schallplatten gehütet wurde, weil er unserem Lebensgefühl so sehr entsprach. Hinter dem Eisernen Vorhang waren wir auf verlorenem Posten. Die elektrischen Gitarrenklänge von Sleepy John Estes holten uns da heraus, halfen diese Abgeschnittenheit durchzustehen. Und im Radio gelangen die Fluchten in den Westen schnell. Silbern schimmerte der Beatclub im Fernsehen. Da wollte ich hin. Und vielleicht bin ich in dem Moment, als wir das Instrument gestern auf dem Parkplatz des Musikgeschäftes in Olivers Auto legten, erst richtig angekommen. Das ging mir nahe.

Weil ich die „Strat“ erst zu meinem Geburtstag geschenkt bekomme, liegt sie nun auf dem Schlafzimmerschrank in einem Karton, und ich stehe davor wie ein Kind, das sich mit gutem Grund auf seinen Geburtstag freut.

In letzter Zeit höre ich wieder öfter Olivier Messian. Seine dem Raum abgehörten und übersetzten Klänge füllen manchmal vorsichtig mein Atelier. Ich stelle mir einen tiefen schlammigen Ton vor, in den ich die Bergkristalle hell hineinsprenkeln kann…

Kostümierung

Das Wandbild kann in den unterschiedlichsten Ausrichtungen gehängt werden. Der Figurenkreis als Zentrum der Komposition kann beispielsweise unten oder oben liegen. In welche Richtung sich das Ornament auflöst beeinflusst den Charakter entscheidend…

Richtig untersuchen kann ich das nur auf einer wirklich großen Fläche. Das bedeutet weitere Produktion von Rohreliefs und Dreiecksrahmen – Winterarbeit.

Gestern ein Konzert von Billy Bragg in der Batschkapp. Was für ein Unterschied zum Dylankonzert. Es war eher ein Gewerkschaftsabend mit vielen Reden, am dem auch eine Band ein paar Songs spielte. Durch das viele Sprechen wurden die Lieder etwas disqualifiziert. Ein Linker, wie aus dem Lehrbuch – langweilte mich etwas. Das Publikum konnte immer mitsingen. Ich merke nun, was für ein Glück es war, das Dylankonzert zu erleben.

Die Schnelligkeit der hohen Frequenz meines Tinnitus gleicht dem Geräusch des Schweißens von einer Blechflöte begleitet. Die produktive Seite dieses Tons interessiert mich. Kürzlich im Wald wollte ich durch ihn hindurch die Stille dieses Raumes hören. Auf einem Baumstamm am Ende des Hangs sitzend, gelang es mir nicht die poetische Dimension zu hören, nach der ich suche.

Vielleicht sind aber die Figurensequenzen die Kostümierung in ein poetisches Kleid.

Wandbild

Abermals am frühen Morgen im Atelier. Im Radio versprach man einen lichten Tag.

An eine meiner Leitern ist ein Wandbild angelehnt, das ich gestern aus den Kreuzstabträgerreliefs zusammenbaute. Es besteht aus zehn identischen Dreiecken, die sich zu einem Ornament zusammenfinden. Im unteren Bereich ist das ein geschlossener Kreis. Im oberen Drittel wird er an den Seiten rechts und links angedeutet, bleibt aber durch die Begrenzung des Formates jeweils Fragment.

Es hat großen Spaß gemacht, die Einzelteile zusammen zu schrauben. Probeweise haben wir es an die Stelle an die Wand gestellt, wo es aufgehängt werden soll.

Ich habe diese Arbeit eigentlich für die Schublade angefertigt. Das Exemplar im Restaurant ist eine Leihgabe von mir, damit etwas davon von verschiedenen Menschen gesehen wird.

Maj malte an einem neuen Bild. Sie nahm sich einen Pflanzentopf und folgte meinem Rat, an möglichst allen stellen des Bildes gleichzeitig zu malen. Auf diese Weise bekam sie auch ziemlich schnell etwas zustande. Der Formenbau von Monika geht langsam voran, ein quälend langer Vorgang, der aber am kommenden Donnerstag abgeschlossen sein wird. Das ist aber erst einmal nur die Stückform fertig. Ob der Guss dann auch klappt, ist dann die nächste spannende Frage. Danach aber sollte es wieder leichtere Malerei geben.

Verfinsterung und Bestätigung

Milchiger Morgen im Atelier. Leichter Nebel mit rosafarben leuchtenden Feldern zwischendrin.

Gespräche über das Kriegsgefangenengedenken – die Bahn stellt viel Geld für den Bahnhofsvorplatz zur Verfügung – Diskussionen um das Gasterbeiterdenkmal sind zu befürchten.

In den nächsten Wochen werde ich für meine Projekte wieder etwas mehr Zeit haben, weil die Arbeit mit den Lehrlingen, die ich sehr gerne machte, reduziert wird.

Die Apsarasequenz wurde gestern mehrere Stunden lang verdichtet und verfinstert. Sie bestätigt sich dadurch selbst.

Hier auf Teves sollen nun Wandbilder des Frankfurter Kraftfeldes gehängt werden. Eine größere Zusammenstellung des Kreuzstabträgers wird es im Restaurant geben und im Foyer des Internationalen Bundes eine von Arbeiten, die ich mit Jugendlichen gemeinsam gemacht habe. Erstmal will ich das mit nur einem Dreieck beginnen, um das Licht und die Farben zu sehen.

Inmitten der Veränderungen in der nächsten Zeit werden die kontinuierlichen Projekte weiter entwickelt. Hangang, Arbeitstagebücher mit Zeichnungen und Collagen werden Stabilität bieten. Das alles steht wie eine Wand, an die ich mich anlehnen kann.

Umwidmung von Räumen

Den Hanggang habe ich gestern um einen Tag vorgezogen, weil heute Nachmittag dafür keine Zeit ist. Die Fotografien von dort zeigen immer wieder überraschende Perspektiven. Neue Wegzeichen sind im oberen Drittel etwas abseits des Pfades entstanden. Einen gebogenen Stab, der einer älteren Installation mit zwei solchen Ästen angehörte, die den Waldarbeiten zum Opfer gefallen ist, habe ich an gleicher Stelle in eine Astgabel geklemmt. Die Orientierung auf feinere, kleinere Geflechte, Gespinste und auf Figuren am Boden erleichtert die körperliche Arbeit und schafft etwas mehr Genauigkeit. Zusammenballungen derartiger Eingriffe zeigen schon so etwas, wie eine Handschrift.

Quert man diese Linie, wie es die meisten Menschen auf den Forstwegen tun, dann bedeutet das nur eine winzige Irritation. Für mich, der sich längs in diesem Korridor bewegt, bedeutet das einen großen Teil meiner Arbeit. Ich lerne viel über Raumbeziehungen. Hirschpfade, die den von Forstmaschinen umgepflügten Boden wie ein Netz überziehen, führten mich in andere Perspektiven, die neue räumliche Gliederungen erscheinen lassen.

Giles, den ich in Varanasi kennen lernte, der eine neue Website mit seiner Arbeit bekannt gab, inspiriert mich, tote Stämme, die noch stehen, mit einem Eisen zu bearbeiten. Das würde allerdings zu einem völlig anderen Charakter führen. Man muss vorsichtig mit solchen Veränderungen umgehen.

Die Inbesitznahme von Räumen geht in meiner Arbeit bis in die Siebzigerjahre zurück. Damals besetzte ich ein altes Eckgebäude mit einem Türmchen, das zugunsten von Plattenbauten mitten in Gotha abgerissen werden sollte. Ich hatte mir dort ein völlig ungeschütztes Atelier auf Zeit eingerichtet.

Kulturpolitik

Frankfurts kunstferner Bürgermeister hat eine kulturpolitische Diskussion entfacht, in der er sich wiederholt als Sozialpolitiker zu erkennen geben will. Beifall derer, die Kunst und Hochkultur als überflüssig erkannt haben ist ihm dabei sicher. Weil das die Mehrheit ist, bedeutet dies einen weiteren Schritt in Richtung seiner Popularität.

In diesem Viertel habe ich erlebt, wie es ist, wenn man Kunstförderung zum Spielball der Politik macht. Wenn auf diese Weise die Kunst dem Volk wieder zurückgegeben wird, erhalten wir mehr geförderte Volkskunst. Dann geht es jedenfalls nicht mehr um Wissensproduktion.

Gestern versuchte ich mich noch einmal mit einem Kunstkonzept für Rockenberg zu beschäftigen. Das fällt mir nicht so leicht weil ich dafür noch ein wenig mehr Ortskenntnis und Informationen darüber brauchte, mit wem ich es zutun haben würde. Es geht darum, ein System zu finden, das mit dem Ort verbunden ist. Es ist notwendig für mich, für eine Zeit auf dem Freigelände alleine unterwegs sein zu können, sich Notizen machen zu können etc..

Vinzenz schrieb ich, dass ich Figuren in einer JVA laufen möchte. Außerdem ging mir die Überlegung durch den Kopf, Fußballspieler mit GPS-Gräten auszustatten, um dann zu sehen, wie sie sich auf dem Spielfeld bewegt haben. Diese ausgedruckten Linien können auch zur Bildquelle des Projektes werden.

Im Atelier habe ich zwei Regale zusammengebaut, wodurch ich nun die Pflanzen lockerer vor die Fenster ins Licht stellen kann. Die handwerkliche Arbeit hat mit gut getan, und Platz im Atelier zu schaffen hat auch immer etwas Befreiendes.

Navigation | Spekulationen

Navigationsgeräte aus dem siebzehnten Jahrhundert in einer Ausstellung des Museums für angewandte Kunst. Rührend anmutende Messingpeilgeräte, mit denen in Kombination mit Chronometern die riesigen Weltmeere befahren wurden. Die Entdeckungen, die sie machten, spiegeln sich auch in den Kunstgegenständen wieder, die von den Reisen mitgebracht wurden. Aber in den Kajüten befand sich auch ein Stück Heimat, beispielsweise als Bierkrug oder Andachtsbild.

Ein neuer Direktor, der auch Künstler ist, hat den Bau radikal entrümpelt. Keine Vitrinen mehr in denen eine ständige Ausstellung ausharrt, sondern offene Räume, die über die großzügigen Fensterfronten in einen Dialog mit den Gärten, dem Fluss und der Skyline der Außenwelt treten.

Im oberen Geschoss befanden sich künstlerische Studien zu Modethemen, die mich wider Erwarten angesprochen und interessiert haben. Manches erinnerte mich an die auseinander gefallenen Teile einer weißen Handtasche, die ich aus geringer Tiefe am Hang ausgegraben habe. Wie auch Kleidungsstücke im Wald, erscheinen sie schnell wie Beweisstücke eines Gewaltverbrechens. Das Fragmentarische beflügelt die Spekulationen kriminalistischer Phantasie.

Auch die von den Hindemithschülern zerschlagenen Steine, konzentrieren den Anblick gewalttätiger Kraft an einer rätselhaften Stelle und provozieren Fragen nach den geheimnisvollen Vorgängen im Wald.

In einem Frankfurter Zimmer wurde Design gezeigt, das in dieser Stadt entworfen worden ist. Die fein gestalteten Stereoanlagen, Klapptische und Sitzmöbel machten mir gute Laune. Ich sollte mich öfter in dieser Weise davon versorgen lassen.

Sturm

Für Wochen hat das Cafe geschlossen. Die Stühle gekippt und die Tische im Freien stehen unberührt. Als hätten Maria und Kostas Hals über Kopf das Weite gesucht. Kein Diebstahl des Mobiliars.

Einfach auf und davon in die Landschaften der Kindheiten, auf der Suche nach dem Unschuldsgefühl, das von der Last der Gegenwart befreit, von Fremdheit und der sich dadurch ansammelnden Verzweiflung. In den Gesichtern mancher Zuwanderer kann man es sehen. Es verstärkt sich, wenn sie in Gruppen Heimat heraufbeschwören.

Bis zu dreihundert Stundenkilometer Windgeschwindigkeiten hatte ein Wirbelsturm, der die Philippinen überquerte und nun in Vietnam angekommen sein müsste. Die leichte Architektur dieser Breiten löst sich in solcher Gewalt auf. Menschen werden erschlagen und ertrinken zu hunderten in den hereinbrechenden Fluten.

Am Nachmittag beschäftigte ich mich mit der Vervollständigung der Arbeitstagebuchdatei. Dabei konnte ich nicht aufhören, über die frisch geschlagene Schneise beim Siegfriedidyll nachzudenken. Diese ungewöhnliche Aktion des Forstamtes Königstein ist für mich ein Geschenk.

Für das Atelier haben wir noch zwei Regale gekauft, damit ich die Pflanzen etwas lockerer stellen kann. Aber auch für die Materialien der Schüler benötige ich weitere große Regale, damit sie alles unterbringen können. Die werde ich selber bauen.

Bildwerke füllen Lücken

Krishnababy krabbelt auf einem Foto des trostlosen Bühnenbildes des gestrigen Theaterabends. Weiß in den düsteren Hintergrund gestanzt prangt ein Zitat der Hauptfigur des Fürsten Lew Nikolajewitsch Myschkins:

„Die Schönheit wird die Welt retten“.

Beim weiten Zurückblättern in den Tagebüchern fällt mir auf, dass ich mit den täglichen regelmäßigen Eintragungen um die Anschläge auf die Türme des World Trade Centers herum begann, genauer ein paar Monate vorher. Die klaffende Lücke eines eng voll geschriebenen und voll gezeichneten Tagebuches, das mit gestohlen worden ist, wollte ich durch Arbeit ausfüllen. Nach einem gewalttätig – kriminellen Akt mühte ich mich das Trauma durch Arbeit zu bewältigen, und so meinen Standort zu bestimmen.

So viel Schönheit anzuhäufen, womit man die Welt retten kann, gelingt auch Stefan Kimmig in seinem Theaterabend nicht. Das Bühnenwerk wagnerischer Ausmaße, hielt uns bei der Stange. Eine spärlich beleuchtete Szenerie erinnerte an ein Obdachlosencamp, das unter einer Brücke ein Ensemble zur Statik neigender Figuren beherbergte. Keine von A nach B führende Handlung störte das Bilderwerk der in Verrenkungen und in Schönheit erstarrenden Schauspieler, das letztlich zu nichts führte. Ich lasse mir so was gerne gefallen.

Und deswegen gab es auch nichts zu sagen, als ich Kimmig nach der Premiere die Hand gab. Manchmal gelingt eine wortlose Verständigung untereinander.

Schneise Siegfriedidyll

Hanggang am Donnerstag. Die Downhiller – Hang – Gang lässt mich in Ruhe. Sie zerfurchen die Grasnabe mit den Profilen ihrer Räder, legen das Gestein darunter frei. Aber meine Bauten werden auf den dreißig Metern wo unsere Wege ineinander übergehen in Ruhe gelassen. Vielleicht glauben sie an eine Verwandtschaft unseres Tuns.

Sehr klare Luft und tief herbei fliegende Wolken, die sich am Feldberg stauen, feuchtwarme Luft, die an seinen kühlen Hängen kondensiert, führen zu besonderen Lichtstimmungen. Die Unterseiten des etwas dünnen Dunstes leuchten tiefblau, während man durch ihn hindurch den klaren Himmel sehen kann, der die Farbe verstärkt. An meinem Hang wehen sie als Nebelbänke zwischen den Rindensäulen der Baumplantagen. Als ich diesmal wieder zum „Siegfriedidyll“ kam, musste ich feststellen, dass genau auf der Linie des Kampfjets, der in den Berg gerast ist, eine etwa sechzig Meter breite und vielleicht vierhundert Meter lange Schneise geschlagen worden ist. So hat man nun einen freien Blick in die Himmelsrichtung aus der das Kampfflugzeug über ein schönes Stück Landschaft gerast kam. Nun kann ich spekulieren, was das sollte, wie es nach dreißig Jahren zu dieser gravierenden Nachzeichnung des Absturzes kam. Ein Denkmal ist entstanden.

Meine Geflechte aus dünnen Zweigen ähneln Gespinsten. In Ihnen fängt sich die Feuchtigkeit und bildet Geschmeide aus Tropfen. Ich denke daran und sitze währenddessen in der Werkstatt der Polsterer, versuche meinen Geist zusammenzuhalten.

Am Abend eine vierstündige Dramatisierung von Dostojewskis „Der Idiot“. Stephan Kimmig hat das eingerichtet und inszeniert.

Klöster

Rückgriffe und Querverweise während meines gestrigen Vortrages waren auch eine Selbstvergewisserung. Neue Beziehungen zwischen den einzelnen Gestaltungslinien konnte ich für mich deutlicher machen und sie somit für die weitere Arbeit weiter an die Oberfläche holen.

Die Ursprünge vieler Beschäftigungen befinden sich in den ersten zwanzig oder weniger Lebensjahren. Die Themen Kloster, Wald und Fragment ziehen sich durch viele Arbeitsphasen. Das Kloster verbindet sich mit Askese, Meditation und Zurückgezogenheit, aber auch mit Gefangenschaft in ehemaligen Klöstern.

Vorhin dachte ich beispielsweise an die Rokokoornamente in der Kirche des Klostergefängnisses von Rockenberg, und wie man sie ganz groß auf dem Kunstrasen des Sportplatzes der JVA per GPS entstehen lassen könnte. Über diese Beschäftigung könnten Gefangene zu eigenen Motiven kommen, die sie auf der großen Fläche gehend, rasend – kunstrasend – entstehen lassen. Den Druck der Unfreiheit zu einem Motor werden zu lassen, mit dem ein intensiver Ausdruck der Verfasstheit von Teilnehmern am Projekt entsteht, wäre das Ziel der Unternehmung.

Diese Hinwendung hat einerseits etwas mit meiner Kindheit im ehemaligen Kloster, dem Jugendwerkhof Gerode zutun, andererseits hatte ich als Jugendlicher im Osten grundsätzlich das Gefühl, durch die unüberwindbare Grenze, eingesperrt zu sein.

Ornamentierung verdichtet sich in der Dreidimensionalität noch einmal entscheidend. Deswegen scheint der Bau von Dreiecksgitterobjekten, die mit den Motiven belegt werden, den langen Vorgeschichten der Ornamente die entsprechende Form zu verleihen.

Koranübung rückwärts

In manchen Fällen, wenn ich Tusche mehrschichtig auf Transparentpapier auftrage, trocknet sie sehr langsam. Deswegen blieb übernacht auf der Glasscheibe des Scanners etwas Tusche von Rolle 6 kleben.

Gestern zeichnete ich fast den ganzen Tag an der Apsarasequenz. Die ganze Zeit schon bearbeite ich eigentlich mehr die Hinterseite der Rolle. Wenn ich sie nach vorne kehre, dann dreht sich der Ablauf gegen die Schreibrichtung. Oft zeichne ich auch in diese Richtung wie bei einer Koranübung. Am Morgen dachte ich darüber nach, wie ich das korrigieren könnte, um die Zeitkontinuität wieder herzustellen.

Ein dickes, reich bebildertes Buch über Islamische Kunst und Architektur habe ich gestern Abdul und Sali mitgebracht. Wir sprachen über den Zusammenhang von Mathematik, Ornament und Meditation.

An der Stelle, wo erstmalig die Blutkreislauffigur auf Rolle 3 auftritt, habe ich ein winziges Textzitat von Jan Assmann gefunden, in dem es etwa heißt, dass die regelmäßige Wiederkehr des Mythischen die Zeit ornamentiert. Dieser Satz taucht noch bevor ich mit den strengen Wiederholungssequenzen begonnen hatte auf.

Die Möglichkeiten, die „Koranübung“ wieder in die zeitliche Kontinuität einzufügen, sind verschieden. Einerseits kann ich die matte Rückseite der Rolle zur Vorderseite erklären. Das hätte den Nachteil, dass die brillant und hoch auftrocknenden Tusche auf der Rückseite wäre. Die andere Möglichkeit ist radikaler und zielt auf einen Schnitt, der das derzeitige Ende der Apsarasequenz an den Anfang setzen würde. Der Beginn der Brandungssequenz stünde dann an der Klebestelle in der Kontinuität des weiteren Verlaufs. Andererseits könnte ich auch die Frage des Zeitkontinuums aufheben, somit Rück- und Vorderseite gleichzeitig bearbeiten und so beide als Schauseiten behandeln.

Vortrag

Für meinen morgigen Vortrag im Atelier habe ich die Tische mit verschiedenen Materialien belegt. Zusammengerollt befinden sich auf einer Holzplatte alle fünf Transparentpapierrollen, die bereits fertig sind und die sechste unfertige, die ich erst vor ein paar Wochen begonnen hatte.

In ihnen habe ich mich auf die Suche nach den Figuren begeben, die ich als kombinierbare Motive für meine ersten drei Dreiecksreliefs ausgesucht hatte. Ich besichtigte die Umgebung, in denen sie entstanden waren und kann, während ich auf dem Zeitstrahl hin und her wandere, etwas über die Dinge sprechen, die zu den Zeichnungen geführt haben. Vielleicht kann ich mit Berlin, der Baustelle und dem Pergamonaltar beginnen.

Damals als Soldat träumte ich von einem Leben als freier Künstler. Einen größeren Gegensatz als zum Leben im Magerviehhof, konnte ich mir damals kaum vorstellen. Aber ich kannte damals auch schon die Maloche in der Gummiindustrie.

Ein anderer Faktor waren die Fragmente der Klassischen Antike, deren Fehlstellen die Phantasie beflügelten und die Bedeutungskraft des Vorhandenen verstärkten. Die Arbeitsweisen, die mit dem Fragmentieren und Überlagern zutun haben, sind auf den Rollen ganz gut zu beobachten.

Auf den anderen Tischen liegen dann Transparentpapierbögen und Zettel, auf denen ich Figuren aus den Zusammenhängen extrahierte und einen dreiseitigen Figurenrapport ausprobierte. Dabei griff ich auf die Technik der Figurensequenzen zurück. Auf der Hobelbank liegen die Formen der Reliefs und die Staffelei ist der Ort, an dem ich die fertigen Reliefs zu verschiedenen Bildern zusammenfügen werde.

Alles Collagen

In den Letzten Wochen bin ich kaum regelmäßig zu meinen Hanggängen am Mittwoch gekommen. Wegen der Stürme hatte ich größere Schäden befürchtet. Mit B. gemeinsam unternahm ich gestern einen Inspektionsgang. Währenddessen hatte ich kaum etwas zutun, weil alles stabil dastand. Nur ein paar erhaltende Eingriffe waren notwendig.

Über allem lag ein dramatisch klarer Himmel. Die Sonnenstrahlen schossen unter den Wolken hindurch und beleuchteten die Bergketten golden hinter den grauen Buchensilhouetten, die aus dem roten Teppich ihrer eigenen Blätter kahl aufragten.

Auf dem Weg machte ich ein paar Fotos, die ich für die täglichen Collagen benutzen möchte. Diese könnte ich auch mal größer ausdrucken, vielleicht schon ein paar für den Vortrag am Mittwoch in meinem Atelier. Im Netz, auf meiner Seite fristen sie zwar nicht gerade einen Dornröschenschlaf, dennoch könnten sie in Verbindung mit den anderen Arbeiten weiteren Aufschluss geben.

Im Rahmen des Wiederaufrollens der Arbeit am „Frankfurter Kraftfeld“, ging mir durch den Kopf, die Umrisszeichnung einer Apsarafigur für ein Dreiecksmotiv einzurichten, aus dem ich ein weiteres Relief modellieren kann. Irgendwas, was die ganze Sache etwas bricht, wird zu finden sein, damit ich dem Dekorativen etwas fern bleiben kann.

In der kommenden Woche warten zu viele verschiedene Dinge auf mich. Lieber würde ich mich auf eine Sache konzentrieren, die von wenigen Alltäglichkeiten unterbrochen wird.

Vortrag | 1989

Im Atelier habe ich begonnen, eine Installation aufzubauen, die einen Vortrag begleiten soll, den ich am kommenden Mittwoch halten werde. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hatte, das Ding „Lecture Performance“ zu nennen. Wahrscheinlich wollte ich meinem Neffen Vinzenz nacheifern.

Zunächst habe ich begonnen einen Tisch mit Transparentpapierrollen einzurichten. Währenddessen suchte ich nach den Figuren, die ich für die ersten drei Dreiecksmotive benutzt habe. Es ist nicht uninteressant, die fünfzig Meter langen Rollen nach und nach ab- und aufzurollen, dabei immer einen etwa einen Meter großen Abschnitt vor Augen zu haben. Man kann die Rollen auch hinstellen und den entsprechenden Streifen von hinten beleuchten. Wenn ich dann zwei Schichten aus ganz verschiedenen Zeiten hintereinander stelle, dann kommt es zu immer neuen Vermischungen. Ein paar Blutkreislauffiguren habe ich auf Dreiecksrahmen fixiert, damit ich mit ihnen ein größeres Wandbild zusammenstellen kann. Dafür begann ich auf der Staffelei ein Gestell einzurichten.

Von Vinzenz habe ich eine längere Mail bekommen, in der er seine Situation auch etwas erstaunt beschreibt. Eliasson tut viel für ihn, was ihm in Zukunft sicherlich auch einige Türen öffnen wird. Für eine Präsentation sucht er nach Arbeiten aus dem Jahr 1989. Zunächst dachte ich, ihm die Zeichnung „Deutschland als Paar“ aus einer Serie zu den „Räubern“ von Schiller zu geben. Das erscheint mir nun aber zu plakativ. Es gibt aber noch eine Zeichnung aus der gleichen Reihe, die „Implosion des Stadtguerillawaldes“ heißt.

SITUATION ROOMS von Rimini Protokoll

Wenn die gelben Blätter am Boden ankommen kleben sie gleich im Regen fest. Gestern fotografierte ich die Morgenröte östlich hinter den Atelierfenstern. Das erinnert mich an die Propagandamaschine in Ostdeutschland.

Im Frankfurt Lab gestern Abend „Situation Rooms“ von Rimini Protokoll. Es handelte sich um einen verschachtelten Parcours von Räumen, der von zwanzig Menschen durch elf Türen fast zugleich betreten wird. Jeder ist mit einem kleinen Bildschirm ausgestattet, auf denen zwanzig verschiedene Filme ablaufen, die in dem Bühnenbild gedreht worden sind. Wer wen wann und wo trifft, wenn er den Anweisungen über Kopfhörer folgt, und mit ihm in Interaktion tritt, ist offensichtlich an Hand des Timecodes der Filme komponiert worden. Man schlüpft in verschiedene Rollen, tut Dinge zu denen man auf dem Bildschirm aufgefordert wird und durchwandert auf diese Weise das Labyrinth, in dessen Mitte sich dann am Ende alle treffen.

Diese aufwendige Form benötigt nun einen entsprechenden Inhalt, an dem es meiner Meinung nach an diesem Abend etwas haperte. Es handelte sich nämlich um die Verflechtungen der internationalen Rüstungsindustrie, dem Finanzkapital und den Krisenherden der Welt. Wege der klaren Aussage: „Rüstung und Kriege sind schlecht“, rennt das Ganze etwas die offenen Türen ein, von denen es im Spiellabyrinth viele gibt.

Deswegen hätte ich gerne ein ergebnisoffeneres Thema, das sich poetischer in die Möglichkeiten der mannigfaltigen Verstrickungen des aufwendigen Präsentations- und Erlebnisprinzips einlassen kann.

Kunst in der Nacht

Eine rosenfingrige Äos beleuchtet den Morgen im Atelier. Deswegen bin ich um die Zeitumstellung froh.

In der Dunkelheit des gestrigen Abends leuchtete das Atelierlicht durch die hinter den Fenstern stehenden Pflanzen und heiterte die Stimmung, die sich durch mir vor die Füße gespienen Unflat, durch Verwünschungen und Bedrohungen vorübergehend leicht einzutrüben drohte, entscheidend auf. Mittlerweile wird auch mein Einbaum, der draußen unter dem Dach steht bedroht, obwohl er für nichts was kann. Der Einbaum ist stumm und zeugt still vom schönen Projekt „Handprint Frankfurt“.

Mit Kunst einen Raum stabilisieren. Knittrige Papiereinkaufstüten sind die Modelle einer Arbeit von Roland, die auf eine Serie angelegt ist. Durch alle Fährnisse hindurch hat Deniz seinen Weg nicht verlassen und bekommt nun auch die Aufmerksamkeit, die er benötigt. Die kontinuierliche Arbeit an meinen Sequenzen auf Transparentpapier verschafft mir ein sicheres Gefühl. So begegnet die Kunst der Nacht.

Die Sequenz der fliegenden Apsaras, die das Material immer weiter stapelt, schafft ein Fundament, auf dem ich zu Hause bin. Das soll Ausstrahlung nach draußen haben, ohne dass ich die Arbeit zeigen muss.

Bei der Abfassung eines Sachberichtes für das Kulturamt, das mir das Projekt „Module | Frankfurter Kraftfeld“ förderte, bekam ich Lust daran weiter zu arbeiten. Dazu gesellt sich der Umstand, dass ich am kommenden Mittwoch einen Vortrag über diese Arbeit halten werde. Vielleicht sind dies ja alles Anzeichen, die auf die Fortführung des Projektes hinweisen.

Wintergartenatelier

Auf den Dächern liegt noch eine klare, kalte Luft. Manche tragen Raureif und schimmern winterlich. Zeit meinen Ateliergarten hereinzuräumen. Damit begann ich gestern, indem ich zunächst die Regale, in denen die Pflanzen vor die Fenster gestellt werden sollen ausräumte. Das Material des „Frankfurter Kraftfeldes“, die Pappreliefs und Dreiecksrahmen mussten neue Plätze finden. Die Formen und anderes Material wanderten in die großen, tiefen Regale an der östlichen Wand.

Dann begann ich zunächst besonders die frostempfindlichen Gewächse hinein zu transportieren. Roland lieh mir dafür seine Sackkarre, wodurch schon einmal die ganze Schlepperei wegfiel. Drinnen baute ich mir ein Stufensystem aus Stühlen, Tischen und Regalen, um die Schwergewichte langsam in die Höhe zu hieven. Ein Gesims direkt vor den oberen Fensterscheiben über den Rolltoren, die ich im Winter nicht öffne, hatte ich bisher noch nicht als Stellfläche genutzt. Nun stehen in einer Reihe ein Ficus, mehrere Sukkulenten und Wolfsmilchgewächse im Licht. Den ganzen Garten ins Winterquartier zu bringen, schaffte ich gestern nicht mehr weil ich mit Barbara zum Ausgehen aus Anlass ihres Geburtstages verabredet war.

In der Schirn Kunsthalle besuchten wir eine Ausstellung von Gericault mit dem bezeichnenden Titel „Bilder auf Leben und Tod“. Die Gemälde setzten sich mit äußerlich sichtbaren Anatomien von Charakteren, mit dem gewaltsamen Tod und Krankheit auseinander. Kein erbaulicher Gang durch die tuchverhangene Architektur. Viel Finsternis, Leid und menschliche Abgründe waren zu besichtigen.

Gut, dass wir danach noch in einem schönen indischen Restaurant waren.

Stadtmaschine

Das Rascheln der großen Holzrechen, mit denen, nachdem alle Blätter von den Bäumen gefallen waren, das Laub auf den hügeligen Wiesen vor den Kleinstadthäusern zusammengerecht wurde, meldet sich als Erinnerung, währenddessen ich dem Lärm der Maschinen der städtischen Laubbeseitigung ausgesetzt bin. Mehrstimmig röhren sie so, dass man keinen klaren Gedanken fassen kann. Auch erinnere ich den Geruch der Laubfeuer, der oft wochenlang in der Luft lag.

Gestern lernte ich während eines Vortrages von Walter Siebel, dass die Stadt die Maschine zur Entlastung von Arbeit und Verantwortung sei. Die Last des Maschinenlärms scheint mir der Preis für die Entlastung von der selbsternährenden Feldarbeit zu sein. Sehr klar und schön entspann sich im Vortragssaal, wo ich neben Frau Budde vom Architekturmuseum saß, das Gedankengeflecht des Sozialwissenschaftlers. Viele Beschreibungen von Raumentwicklungen, hatten direkt mit meiner Lebens- und Arbeitswelt zutun. Die Besetzung von Teves West beispielsweise, verweist auf die randständigen Freiräume kultureller Produktion und sozialen Experiments.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die stabilisierende Wirkung von Geschichtsträchtigkeit der Orte, die ihrer industriellen Funktion enthoben nun frei werden für andere Produktionsweisen. In der Konfrontation mit der Zwangsarbeit auf Teves im Zusammenhang mit den Kriegsgefangenenlagern, bildet sich derzeit ein Thema heraus, das für die kritische Stabilisierung unseres Standortes von Bedeutung sein kann. Ebenso die Produktion von Rüstungsgütern und die Verseuchung des Bodens durch die flüssigen Abfälle der Industrieproduktion. Während unserer Arbeit sind wir sowohl mit den Folgen als auch mit der Erinnerung an frühere Funktionen dieses Raumes ständig konfrontiert.

Nachhall | Linien

Immer noch hängen viele grüne Blätter in den Baumkronen der Quäkerwiese, weswegen die Sichtlinien über die Traufhöhen der Randbebauung des Europaviertels zum Taunus noch nicht zu klären sind. Dennoch lärmen die Laubbläser nach dem Sturm der letzten zwei Tage und pusten das Laub auf dem Spielplatz gegen den Strich.

Gerade kamen mir im Netz die „Fünf Rathas“ in Mamallapuram unter, die mit vielen Orten verbunden sind, zu denen wir unterwegs waren. Auch wenn die hinduistischen Stätten einer buddhistischen Umwidmung unterworfen waren, tragen sie doch die architektonischen Prägungen der Experimentalstation am Golf von Bengalen. Die ganze Ebene von Angkor ist beispielsweise vom Nachhall dieses Bauprogramms durchzogen.

Ich kann es kaum erwarten an meiner Apsarasequenz weiter zu zeichnen. Jetzt schon ist es spannend zu sehen wie sich die unterschiedlichen Strukturen beim Zusammenrollen des durchscheinenden Papiers überlagern.

Die Kontinuierlichen Verwischungen der Tagebuchzeichnungen bieten immer wieder neue Ansatzpunkte der Weiterarbeit daran. Ich verändere sie derzeit, indem ich mit einer Feder und Wasser helle Spuren hinterlasse. Genau, wie die dunklen Linien, die ich meistens bei der dritten Zeichnung des Morgens in die Abdrücke meiner rechten Handkante zeichne, nehmen diese Wasserlinien die Richtungen der Hautstrukturen auf, verlängern sie und ich nutze sie für eine konstruktive Herangehensweise. So gehen die Handprints innerhalb der täglichen Zeichnungen eine neue Verbindung ein, die sich in den Collagen weiter vermischt.

Weglinien

Mit Sali fällte ich auf Teves mehrere Essigbäume, die wir zu den anderen Baumgerippen, die im Laufe der Zeit angefallen sind, hinzustellten. Somit verweist der Raum um mein Atelier langsam und immer mehr auf die Waldgestaltungen, indem er einen wilderen Charakter annimmt. Die Gedanken gehen immer öfter zur Arbeit am Hang, die immer mehr Bedeutung für mich bekommt.

Im Tagebuch von 2011 las ich, wie ich bemerkte, dass sich die losen Eingriffe in den Waldraum, verschiedene Stein- und Holzkonglomerate langsam an einer Linie aufreihten. Räume zwischen den Montagen, Geflechten, Schichtungen, Gruben und Steinplätzen, lassen sich direkt mit den Zeichnungen und Collagen zusammen denken.

Fast meine ich, dass die Linien auch lange Textzeilen begleiten müssten, die an den Verzweigungen hinauf wachsen und sich im Geäst verlieren.

Ganz anderen labyrinthischen Weglinien folgte ich gestern gemeinsam mit Anne. Markus startete am Vormittag an der Festhalle zu seinem ersten Marathon. Und wir entwickelten in der Zeit des Laufes langsam eine Strategie, wie wir ihn im Feld von fünfzehntausend Läufern immer wieder entdeckten Auf der langen Gerade der Mainzer Landstrasse überholten wir Markus mehrmals mit der Straßenbahn und konnten ihn auf diese Weise immer mal anfeuern. Es war nicht klar, ob er die Strecke schaffen würde und manchmal wussten wir auch nicht, ob er noch dabei war. Als er aber wieder in der Festhalle einlief, waren wir alle überrascht und froh, dass es geschafft war.

Einige Zeit konnte ich in die Gesichter der spät einlaufenden Menschen schauen. Von ihnen übertrug sich ein Glücksgefühl auf mich. Das war der eigentliche „Event“ in der Stadt.

Zeitlos

Wer schlau war, hat die Uhr in der vergangenen Nacht nicht um eine Stunde zurückgestellt, sondern eine Stunde lang angehalten und sich somit der Zeitlosigkeit hingeben können.

Überraschend hatte ich gestern Zeit für einen Hanggang. Durchwachsenes Wetter mit tief fliegenden Wolken hüllte zeitweise die Westflanke des Kleinen Feldberges ein. Die Inspektion ergab keine Schäden oder mutwillige Zerstörungen. Die großen von Vinzenz aufgestellten Steine die in den letzten Wochen zwei mal umgeworfen worden sind, hatte ich mit Holzkreisen umlegt und gegabelte Äste gegen die Umsturzrichtung in den Boden gesteckt. Das sind Zeichen für die Leute, die sich mehrfach daran vergriffen hatten – ein wenig Magie muss sein! Ich spreche also mit meinen Zeichen zu den Leuten, werbe um Respekt mitten im Wald. Hirsche, die auf dem Pfad unterwegs sind haben die Steinpilzfamilie aufgefressen, die ich eigentlich stehen gelassen hatte, damit sie noch ein wenig wächst. Der Sommer dauert lange und sie können sich einen ordentlichen Winterspeck anfressen.

Am Abend besuchten uns Anne und Markus. Er will heute den Frankfurtmarathon mitlaufen und bekam von uns dafür ordentlich Kohlehydrate.

Aus einem klaren blauen Himmel fallen stark beleuchtet gelbe Blätter. Nach Norden gibt es schon einige Durchblicke, die das Geheimnis bald lüften werden, ob mir die neuen Häuser im Europaviertel bei meinem Blick auf die Horizontlinie des Taunus im Wege stehen werden.

Verfestigen und verflüssigen

Manchmal versuchen wir schöne Erinnerungen bei uns zu behalten, weil sie das Leben verlängern, wie eine gute Band. Durch wiederholtes Erzählen bauen wir Einzelheiten aus, die unseren Erwartungen des Ereignisses und unserem Wunschbild entsprachen. So kann man die schwächer werdenden Erinnerungen verfestigen, während sich das, was wirklich geschehen ist sich verflüssigt.

Im Netz habe ich die Möglichkeit nun die Mitschnitte zu sehen, die es von den diversen Konzerten der „Neverending Tour“ dieses Herbstes gibt. Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass meine Eindrücke dadurch verwässert werden. Einzig bleibt eine Kraft, die durch den Abend zugewachsen ist und ihre Folgen, die sich beispielsweise in der Apsarasequenz niederschlägt.

Gelb fallen die Blätter auch ohne Wind in scharfem Sonnenlicht herab und werfen dabei einen Schatten der sich mit ihnen dann am Boden vereinigt.

Mittlerweile hebe ich siebzehn Apsaras auf Rolle 6 aneinandergereiht. Die Entwicklung der Binnenformen tendierte irgendwann zu Kreisen und wandelte sich dann zu Dreiecken, die ich am Ende immer weiter reduzierte. Das reizt nun dazu, das Ganze wieder von hinten her aufzurollen und versetzt zu überlagern. Dann verflechten sich die nacheinander entstandenen Strukturen zu einem einzigen dichten Feld. Wenn ich solange weitermache… Vorher aber will ich die Einzelfiguren scannen, damit ich mit ihnen innerhalb der Tagescollagen arbeiten kann. Das wird meine nächste Zeit im Atelier füllen.

Bob Dylan

Die voll besetzten Schnellbahnen rollen über den Bahndamm in die Stadt hinein. Irgendein Nebel hat am Morgen den Mond verdeckt. Bauarbeiter verlassen ihre Schlafcontainer, um gleich daneben in ihrem neuen Betonbaustellenmoloch zu verschwinden.

Das Dylankonzert vom Dienstag klingt noch in mir nach, die Texte sprechen noch mit mir und die Erinnerungen verfestigen sich und verflüssigen sich wieder. Sein Griff mit der schwächeren linken Hand in die Tasche des ornamentierten Jacketts, in der die Mundharmonika liegt, scheint die Kraft bündeln zu wollen, die in die Stimme fließt. Die klingt schnörkellos wie die Instrumente, die er anrührt, aufs Wesentliche konzentriert. Die Sprache mit ihrer Vielzahl von Betonungen wird uns vorgeführt, die Unterschiedlichkeit der Textbedeutungen hervorgehoben und wieder anders verändert. Ein Refrain wird so zu einer Folge von verschiedenen Bildern. Die Stimme hat im Verlauf des Abends eine Veränderung durchgemacht, als reiste sie noch einmal durch ihr eigenes Leben. Das düstere Rumpeln, Donnern und Zischen einer alten Straßenbahn wich am Ende bei der Interpretation des ältesten Songs des Abends dem nasalen Ton der Sechziger- und Siebzigerjahre und bekam ihre Jugend wieder zurück. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Wenn Bob Dylan ans Mikrofon tritt, scheint er niemanden im Saal zu meinen. Das Geheimnis bleibt, wie er doch alle trifft und die Seelen der meisten ankratzt. All diese Dinge, die ich beim Zurückblättern in meinem Tagebuch schon aufgeschrieben sehen kann, haben sich irgdenwie bestätigt:

Eine Tour durch die Erinnerungen, die in die Zukunft projizieren kann.

Still bewegt

Der Einladung von Johannes Janssen folgend, setzte ich mich am Morgen nach dem Konzert ins Auto und fuhr nach Bad Homburg. Das gepflegte und gepflasterte Städtchen am Taunus beherbergt das Sinclair Haus, dessen Direktor Johannes ist. Ein frühklassizistischer Bau, gleich unterhalb des großen Schlosses – ein Museum mit wechselnden Ausstellungen. Die derzeitige trägt den Titel: „Still bewegt“ und passt sehr gut in das dortige Ambiente. Die Stillleben in den nicht sehr großen Räumen des Hauses sind Malereien aus der Zeit vor dem Bau des Gebäudes und werden von Videoarbeiten kommentiert. Sie münzen zumeist langsame Vorgänge um in sichtbare Bewegung, oder zeigen umgekehrt große Geschwindigkeit als überschaubar langsamen Vorgang.

Wenn ich an unsere Videopionierarbeit denke, fällt mir auch an meine Argumentation zum Einsatz von Video auf der Bühne ein, wonach den schnellen Bildern die langsamen folgen werden. Der schnell geschnittenen Bilderflut folgte demnach die kaum wahrnehmbare Bewegung auf scheinbaren Standbildern. Diese Diskussionen führte ich in den Neunzigerjahren mit meinem Intendanten Stoltzenberg, der strikt gegen Video auf der Bühne war.

Gut tat der Ausstellung die Gewalt von Projektilen und herabstürzenden Kronleuchtern. Auch Verwesung kontrastierte sinnstiftend das fein gemalte Obst. Eine sehr nette Geste war, dass mir Johannes einen der fein gemachten Kataloge schenkte.

Beim Durchblättern des Arbeitstagebuches von 2012 gestern fiel mir auf, dass die Preußische Arabeske manche Aspekte der gegenwärtigen Arbeit erweitern könnte.

Der Donner

Durch zwei fürchterliche Gewitter fuhren wir vom Düsseldorfer Dylankonzert durch die Nacht zurück nach Hause. Nichts sollte uns aus der dramatischen Stimmung des Abends entlassen. Einzig die Rücklichter der vorausfahrenden Laster wiesen den Weg durch das Inferno.

Das alles passte zu der Verdichtung der gesteigerten Konzentration des Konzertereignisses. „Thunder On The Mountain“ wurde zwar nicht gespielt, dennoch wurde die Halle donnernd von dem alten Mann gefüllt. Kurz als dieser Odysseus auf der Bühne erschien, war ich gerührt von dem Moment. Da stand nun der Mann, der fast an jedem Tag der letzten Jahre eine Rolle gespielt hatte und bestätigte mir noch einmal: „Things Have Changed“. So, wie sich die vielen Schichten seiner Diskontinuitäten zu einem unverrückbaren Block zusammengeschmolzen haben, macht es Mut die eigene Arbeit in seiner Weise kontinuierlich fortzuführen. Rückgriffe auf alte Zeichnungen, die man in neue Gewänder der gegenwärtigen Zusammenhänge stellen kann bauen ihre eigene Strahlkraft aus. Die ganz alten Songs sind am stärksten verändert und finden auf diese Weise ihre besondere Wirkung. Es leuchtet dabei eine Freude auf, die an der Veränderung des alten Materials, die Spielfreude der ganzen Mannschaft auf der Bühne entzündet.

Und dann gibt es einen der seltenen Momente, wo Dylan einen kleinen Dialog zwischen seinem Keyboard und der Steelguitar von Donnie Heron zu einem freundlichen Seitenblick zu seinem Multiinstrumentalisten nutzt. Beide freuen sich da offenbar über die gelungene Auffindung von etwas, was sie in den Rhythmen ihrer Überlagerungen gesucht hatten. Der Raum des Abends war mit dem Konzentrat eines Lebenswerkes angefüllt. Deswegen fühlte sich jede musikalische Geste stimmig und unterstrich, dass man im Alter das Glück haben kann, weniger Fehler zu machen.

Neue Apsarasequenz auf Rolle 6

Erinnernd begann ich gestern eine neue Reihe von Apsaras. Auf Rolle 6 richtete ich sie in der Weise ein, dass sie einerseits aus den vorangegangenen Geflechten hervorgehen, sich aber zunächst nur identisch wiederholen. Damit bin ich nun der asiatischen Tradition nahe, die sowohl an buddhistischen als auch an hinduistischen Bauwerken die Wiederholungen identischen Figuren wie eine gebetsmühlenartige Wiederholung feiern. Wenn man an einer Reihe von vielleicht dreihundert identischen Buddhafiguren vorbeigeht, beginnt man die dahinter stehende Haltung zu spüren. Mehr noch gilt das für das Gefühl beim Zeichnen. Nun kann ich aber meine europäische Haut nicht ganz abstreifen. Während ich drei Apsaras nebeneinander durchzeichnete, sie mit den anfallenden Linien vorausgegangener Figuren füllte, schlichen sich in der Linienführung wieder leichte Veränderungen ein. Diese stammen von den Vorzügen, die ich bestimmten Formen während des wiederholten Zeichnens zugestehe. Diese kleinen Räume werden etwas ausgebaut und verändern das Innenleben der Umrisszeichnung von Mal zu Mal leicht. In längeren Reihen wirkt sich das dann gravierender aus, womit das Wesen der buddhistischen Tradition verlassen wird.

Ich bin mir nicht sicher, wie ich weiter verfahren werde. Am nahesten wäre mir derzeit, dieses Verfahren noch weiter auszudehnen, um das Hauptaugenmerk auf die langsamen Veränderungen legen zu können.

Am Morgen dachte ich, dass die Arbeit an den Rollen, das derzeit beste Mittel für mich ist, dem was ich tun möchte, auf den Grund zu kommen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich die Rollen zu einem wirklich eigenständigen Medium entwickeln, mit dem ich auch auf meine zeichnerische Vergangenheit gut zurückgreifen kann.

Spaziergang | Alterswerke

Meinen Sonntagsspaziergang machte ich gestern alleine drüben im Europaviertel. Dort traf ich meine Freundin Mathilda mit ihrer Mutter und ihrer Tante. Zu viert umrundeten wir die monumentalen Blöcke des neuen Stadtteils und schleppten abwechselnd das fast zwölf Kilo schwere Kind, das etwas zu wenig geschlafen hatte. Eine Puppe, die sowohl fröhlich als auch traurig schauen konnte spielte mit uns Fußball auf der großen Wiese. Von so viel Sportlichkeit waren die Krähen vertrieben und behielten Abstand. Vielleicht verlockte sie die ungewöhnliche Wärme auch zu irgendwelchen Reisen an Wasserläufen oder anderen Wegzeichen entlang.

In der Zeitung steht, dass Dimiter Gotscheff gestorben ist. Mit ihm ist ein Stück Theatergeschichte gegangen, dass immer mit Heiner Müller verbunden war. Eigenartig konserviert erschienen die Bühnenereignisse mit ihm und von ihm schon seit Jahrzehnten. Man muss sich von Müller befreien können, um in der Zeit zu bleiben.

Darüber auf der selben Seite des Feuilletons stand eine Kritik zum Auftakt der Dylantournee in Deutschland. Ein liebevoller Text über einen altmodischen Abend mit einer Tanzkapelle. Ganz so leicht daher kommen die Livemitschnitte der skandinavischen Konzerte nicht. Manchmal steht der Meister hinter seinem Keyboard wie der Steuermann auf einer Odyssee, der Geschichten einer langen Reise erzählt. Er spricht dann mehr als er singt, verändert das Material mit dem Tonfall, und „Blowing In The Wind“ kommt mir vor wie eine zerklüftete Jazznummer, die nur noch über den Text zu identifizieren ist. – Morgen…

Sommerspeicher

Schon schaue ich auf die Setlists der letzten Dylankonzerte, die sich ähneln, gleich bleibend mit „Things Have Changed“ beginnen und mit der Zugabe „Blowing In The Wind“ enden. Ich bin sehr gespannt auf Übermorgen in Düsseldorf. Man kann sich heutzutage gut auf ein solches Konzert vorbereiten, die Songs noch mal in verschiedenen Versionen hören oder aktuelle Mitschnitte im Internet anschauen. Man kann sich dauernd mit diesen Dingen beschäftigen, Zeit damit verbringen und die eigene Arbeit vergessen.

Gestern unterwegs in den farbigen Weinbergen zwischen Nackenheim und Nierstein. Die Trauben sind schon zu großen Teilen abgeerntet und die, die noch hängen geblieben sind, tragen den ganzen Sommer in sich, wie im vergangenen Jahr. Die Sonne schien und der Rhein gab seine gespeicherte Wärme dazu, reflektierte sie in den Raum. Die Trauben, der Fluss und unsere Erinnerungen werden uns über die kommende Winterzeit bringen.

Unter der elsterndurchflogenen und milden Trübnis des heutigen Himmels fächeln die gelben Ahornblätter, bevor sie auf den Laubteppich, der morgen lärmend zerblasen wird herabsegeln.

Sonntag – gestern schon arbeitete ich wenig, heute – mal sehn, vielleicht ein wenig Rolle 6.

Vinzenz hat nun seinen Auftritt in London hinter sich, seine olympischen Weihen in der Serpentine Gallery. Hätte er auf die Familie gehört, würde er heute Grabsteine bei einem Steinmetzmeister rücken… Ich bin so froh, dass er seinen Weg macht.

Gefangenschaften

Mit meinem alten Animationsprogramm „Bryce“ habe ich eine Stele mit einem Durchblick konstruiert. In dieses Fenster setzte ich eine Scheibe mit einem Liniengeflecht von Rolle 6, das ich der Brandungssequenz entnommen habe ein. Außerdem stellte ich die Tagebuchdatei zum Kriegsgefangenengedenken noch einmal neu mit der Angabe des Datums der Entstehung der Texte zusammen. Dazu gehören nun auch die Collagen, die die bisherigen Fundstücke mit anderen Strukturen zusammenfügen.

Vor mir auf dem Schreibtisch liegt der Wasserleitungsplan der Baracken, der auch die Grundrisse der sechs Gebäude mit allen Zwischenraummaßen umschließt. Seine offizielle Bezeichnung ist: „Bewässerungsplan 1:100 Ausländerlager Ackermannwiese“. Aus diesem Material ließe sich schon einmal ein Gang auf dem Fußballfeld einrichten.

Mit Helga redete ich am Weinstand über meinen Besuch in der Justizvollzugsanstalt Rockenberg und die Schwierigkeit, ein künstlerisches Projekt zu entwerfen, das zugleich zugkräftig und anspruchsvoll ist. Idealerweise müsste es etwas mit dem Leben nach der Haft zutun bekommen. Damit müsste aber auch eine weitere Betreuung der Teilnehmer verbunden sein. Dazu benötige ich noch weitere Informationen von der Initiative „Ninja“, die solche Übergangsprojekte organisiert.

Mich selbst interessiert an der Situation besonders die Spannung zwischen dem Gefangensein und der Freiheit.

Hermetisch

Von Herrn Holzapfel bin ich nach Rockenberg eingeladen worden, woselbst in einem ehemaligen Zisterzienserkloster eine JVA für Jugendliche eingerichtet worden ist. Sie liegt, wie alle Zisterzienserklöster inmitten einer sehr schönen Landschaft am Rande eines Naturschutzgebietes mit Gewässern Schilf und hügeligem Land.

Wir hatten uns für gestern Nachmittag verabredet. An der Pforte wurde mir dann, bevor ich in einer Schleuse nach Metallgegenständen untersucht worden bin, mein Ausweis abgenommen.

Schon während der Annäherung an das Gebäude erinnerte ich mich an Gerode, das Kloster im Eichsfeld, in dem ich aufwuchs. Diese Erinnerung hielt während der gesamten Führung vom freundlichen Herrn Holzapfel an. Der Justizbeamte zeigt dem Künstler „sein“ Gefängnis. Durch mehrere Höfe mit immer hermetischeren Funktionen gelangten wir in den Bereich, in dem bereits der Feierabend der Häftlinge begonnen hatte. Von innen aus der Nähe erscheinen einem die Mauern noch unbezwingbarer als aus der Entfernung. Kurios erschien mir die leblose Rokokokirche, mit einsturzgefährdeter Orgelempore.

Soweit ich sehen konnte, schlafen die Jugendlichen in Einzelzellen und haben ansonsten einen streng reglementierten Alltag, in dem pro Tag eine Stunde persönliche Freizeit ohne Programm vorgesehen ist. Dieses System kenne ich aus meiner Militärzeit bei den Grenztruppen der Deutschen Demokratischen Republik (Diese letzten drei Worte habe ich seit langer Zeit nicht mehr ausgeschrieben, und es setzt eher gruselige Erinnerungen frei). Die Hermetik des Raumes, der nur nach oben hin offen ist und daher den schönen Herbsthimmel hereinleuchten lässt, hat mich stark berührt, erinnert und alle meine Sinne waren in Aufruhr. Umso größer ist nun mein Wunsch, dort etwas zu machen.

Optimierungssysteme | Trümmer

Manche tragen dampfende Kaffeebecher auf ihren Wegen in die Büros der Stadt, und alle bevorzugen am Morgen die Ostrichtung, als würden sie vom Licht angezogen. Aber sie funktionieren nur nach den Vorgaben der Optimierungssysteme der verflochtenen, netzabhängigen Strukturen.

Die mit Kindern im Schlepptau nach Westen wandernden, könnten eigentlich trödeln. Aber auch sie befreien sich nicht von dem Takt ,der die Stadt beschleunigt.

Der Antrag für Schattenboxen ist nun gestellt und abgeschickt, nachdem das System des Antragsformulars erforscht worden war. So konnte ich mich nun auf das nächste Projekt konzentrieren und stellte gleich eine Datei zusammen, die aus Tagebuchaufzeichnungen zum Gedenken zusammengesetzt ist. Das war gut mit der Suchfunktion auf meiner Website zu machen. Dabei wurden die Strukturen, die ich bevorzuge klar uns auch die Materialien mit denen ich mir zutrauen würde, das Ganze umzusetzen: Trümmer, Beton, Stahldraht und Glas.

Am Nachmittag machte och mich zum Hanggang auf. Ich freute mich auf den federnden Boden der schon immer meinen Füßen entgegen zu kommen schien. Die Wegzeichen oder die Galerie von leicht verfremdenden Eingriffen in Augenhöhe oder in der Anhäufung des Bodenmaterials verändern sich. Es werden nun eher weniger spektakuläre, kleine Konstruktionen, Verstrickungen oder Richtungsweiser. Aus umgestürzten Bauten entstehen immer neue Bodenkreise. Vielleicht wird der große Rundbau am oberen Ende, nachdem er zusammengebrochen ist, als solcher bestehen bleiben, nur waagerecht statt senkrecht ausgerichtet. Die zwei großen senkrechten Steinscheiben, die Vinzenz aufgerichtet und platziert hatte, sind wieder umgestoßen worden. Ich werde sie immer wieder aufrichten.

Verdichtung | Gedenken

Unter einem wolkenlosen, tiefblauen Himmel, lässt dessen Licht die Laubfarben durch die Schattenregionen der Baumkronen der Allee hindurchleuchten. Völlig anders als das gestrige Licht. Für meinen heutigen Hanggang allerdings wünsche ich mir eher gedecktere Farben, die von etwas Nebel ausgebleicht werden.

Nach dem Arbeitstag mit den Lehrlingen, war ich noch mal im Architekturmuseum. Die Texte von Frau Budde gefallen mir gut, und mir macht es nichts aus, dass von meinen Formulierungen nur wenig blieb. Das Onlineformular für den Antrag blieb umständlich, was zu immer mehr Arbeit führte.

In der aktuellen Ausstellung des DAM ein Foto eines Entwurfes für den Spielbudenplatz in Hamburg. Dort ist letztlich die Idee von mir mit zwei auf Schienen verschiebbaren Bühnenwagen umgesetzt worden. Ob nun mehrere Leute dieselbe Idee hatten oder wie das gelaufen ist, habe ich nicht weiter verfolgt.

Johannes hat mich ins Sinclairhaus eingeladen, wo wir unsere Gemeinsamkeiten und eventuelle Zusammenarbeit ausloten können. Gerne würde ich mich dem Phänomen der Waldinstallation mit Blick auf Verdichtungen in der Zeichnung und in den gewanderten Linien beschäftigen. Das ist mir gleichzeitig im Zusammenhang mit Gedenken und Erinnerung wichtig, oder besser gesagt mit dem Sichtbarmachen von Gedenken.

Am Abend bei Tine und Adi Ausblicke über den siebzig Grad heißen Asphalt in verschwommene gesellschaftliche Bedingungen in Katars Metropole Doha, wo sie seit einiger Zeit wohnen. Wer sich etwa zu Fuß bewegen will, braucht dicke Sohlen.

Olafur Eliasson und Vinzenz Reinecke

Ein Tiefdruckgebiet mit Starkregenfronten überquerte in den Nachtstunden die Stadt. In solchen Zeiten klärt sich so mancher Kommissionsbesuch auf unserem Gelände, der der Entwässerung gewidmet ist.

Die Atelierheizung ist wieder ausgefallen. Das gilt auch für die Werkstätten, in denen ich mich heute um die Lehrlinge kümmern soll.

Mail von Vinzenz mit einem Link auf die Seite der Serpentine Gallery, wo Olafur Eliasson und Vinzenz Reinecke gemeinsam etwas veranstalten. Sie stehen gemeinsam in einer Zeile, bilden gemeinsam einen Programmpunkt in der Reihe „89` Marathon“. In einem weiteren Link führte er uns zu einem Video, das Olafur Eliasson anlässlich des Beginns des letzten Semesters an der UdK Berlin unter seiner Leitung aufnahm. Darin umreißt er, dass sie sich den Verbindungen von künstlerischen und wissenschaftlichen Produktionen von Wissen widmen wollen. Der Diskurs scheint dem in der Tanzwelt ganz ähnlich.

In London wäre ich gerne dabei gewesen, wenn Vinzenz seinen Vortrag neben Eliasson hält. Stolz bin ich auf ihn.

Gestern noch mal Texte für die Arbeit am Architekturmuseum. Wir wollen uns auch noch mal treffen, damit ich das sehen kann, was letztlich aus der ganzen Arbeit hervorgegangen ist.

Am Nachmittag verdichtete ich die Apsarasequenzen weiter. Rolle 6 habe ich nun auch wieder mitgenommen ins Atelier. Hier mache ich den analogen Experimentalaufbau für die Zeit nach der Implosion des Internets

Purpurspur

Die Texte im handschriftlichen Tagebuch und in der Arbeitstagebuchdatei unterscheiden sich immer stärker. Für Dinge, die ich weglasse, kommen neue Ideen hinzu, wie beispielsweise die der GPS-Figuren auf dem Fußballplatz der Justizvollzugsanstalt gestern.

Eigenartigerweise befindet sich der Standort der ehemaligen Zwangsarbeiterbaracken auch auf einem solchen Spielfeld. Somit ist es also kein Zufall, dass ich auf die Idee kam mit den jungen Strafgefangenen in dieser Weise zu arbeiten. Vielleicht könnte man mit mehreren GPS-Geräten gleichzeitig auf dem Platz unterwegs sein. Es könnte aber auch sein, dass es irgendwelche Sicherheitsregeln gibt, wonach das nicht möglich sein wird.

Schönes Licht gestern zusammen mit den derzeitigen Laubfarben auf dem Westerwald. Und während der Heimfahrt gab es über Frankfurt eine Lichterscheinung im Sonnenuntergang. Wie ein Leuchtmedium strahlte eine purpurne Spur senkrecht über dem südwestlichen Horizont.

Beim Nachdenken über die Gestalt von Darstellungen von GPS-Linien, kam ich darauf, sie mit Draht zu flechten um sie dann in Glas zu gießen, wie eine Drahtglasscheibe. Schichten aus Panzerglas, Drahtgeflechten und Fundstücken in einem Betonrahmen. Eine Durchsicht durch das abgeschlossene Areal der Gefangenschaften.

Stapel | Meditation

Zahlen – Tag für Tag zählen, ausstreichen, stapeln – Farben beschreiben, Geräusche, Bewegungen und Begegnungen – Sprache.

Ein neues, silbrig – feinklingendes Glöckchen haben wir gestern unter den Türsturz zwischen unsere Zimmer gehängt. Dort gibt es schon eine ganze Sammlung solcher, die sich in der Dunkelheit in meinem Fester spiegeln und die wir vorwiegend aus Asien haben. Ein etwas überdimensioniertes Blech in Herzform, das am Schlegel des neuen hängt, sollte eigentlich durch den Wind läuten.

Während der täglichen Tagebucharbeit gestern, war ich von Google Earth abgelenkt. B. hat uns auf Lanzarote für die zweite Februarhälfte ein Haus gemietet, das ich in seiner Vulkanlandschaft immer mit Flugsimulationen umrunden musste. Es liegt an der Flanke des schönsten Vulkans der Insel, und der Blick geht weit über die südliche Landschaft bis zum Ozean.

Wie erinnern uns gut an diese Gegend mit einem spektakulären Surferstrand an der Westseite. An der Ostseite geht der Sand ganz langsam und sanft in das Meer über. Eine weite weiße Fläche übersät mit schwarzen Steinen. Dort befindet sich auch ein großartiges „Fädelrevier“, wo ich schon einige Steine und Korallenschutt verschnürte.

Am Schreibtisch arbeitete ich an Rolle 6 weiter, verdichtete die Apsaras weiter Ich könnte ständig daran arbeiten, es ist eine Meditation, würde zum Jugendknast in einem ehemaligen Zisterzienserkloster passen. Ich dachte daran, dort auf dem Fußballplatz mit den Jugendlichen Figuren zu gehen. Einen Kosmos im Kleinen zu schaffen – das ist eine Aufgabe, die es leichter macht, eine Haft besser zu überstehen.

Ausblick | Premiere

Längeres Gespräch am Nachmittag mit Frau Budde von DAM. Wir einigten uns darauf, dass sie meine Texte für die „Antragslyrik“ überarbeiten und verwenden kann. Sie hat ihrerseits eine allgemeine Vorbemerkung verfasst, die unsere Vorstellungen in den richtigen Rahmen rückt. Je tiefer wir in das Projekt einsteigen, umso mehr Spaß macht es uns. Für mich ist es klar, dass ich im Prinzip die ganze Zeit am Projekt arbeiten werde, es also zu meiner eigenen künstlerischen Arbeit verwandelt wird. Nur so kann der Drive entstehen, der die Kraft hat die Arbeit über die Zeit hin wachsen zu lassen. Die Form der Dokumentation kann sich am Arbeitstagebuch orientieren, was noch einen Moment der Verschmelzung der Projekte hinzufügt. Falls wir die Förderung bekommen, kann es gut sein, dass ich fast ein ganzes Jahr mit diesem Thema zutun haben werde.

Zusammen mit den anderen Aussichten auf Kooperationen, könnte ich im Kommenden Jahr ziemlich beschäftigt sein.

Nach meinem Marktbesuch, während dem ich mich mit Gitta kurz über einen unverschämten Artikel unserer Anatolier in Not unterhalten, der in der Frankfurter Rundschau stand, stand die Premiere von Molieres „der Menschenfeind“ in einer Inszenierung von Günter Krämer auf dem Programm. Der Hauptdarsteller Wolfgang Michael tat schnodderig das was er immer mit Sprache und Gestik auf die Bretter bringt. Franziska Junge, artistisch schön, wie sonst, war eigenartig tonlos – schwer zu verstehen, sprachlich verhalten.

Radierungen | Fischerabend

Laubbläser im Regen vor dem Markt, konvertierte Muslimas ohne Schirm, der Blickstreifen auf die warm leuchtenden Brötchen in der Auslage des Bäckers ist schmal, weil sich die Marktautos im Vergleich zur vorigen Woche verschoben haben.

Noch keine Heizung auf Teves, deswegen Workshop im Städelmuseum. Die kleinen Formate der Rembrandtradierungen beschäftigten uns eine Weile, die unterschiedlichen Techniken, die ich aus eigener Erfahrung beschreiben konnte, die verschiedenen Linien, Dichten und Fragmente. Besonders die Überarbeitung der Platte eines anderen Künstlers, auf der er aus einem einen Wanderer begleitenden Engel Bäume und eine bäuerliche Figur gemacht hatte, erinnerte mich an meine Verdichtungen auf Transparentpapier. Nach alle dem kleinformatigen Gewusel gingen wir noch zur Malerei der Moderne, wo Maj großes Standvermögen beim Schauen bewies und sich öfter mal über bestimmte Motive kaputtlachen konnte.

Gut, dass ich mich danach entschlossen hatte, durch den Regen in die Hedderichstraße zum Buchmessenempfang des Fischerverlages zu gehen, denn dort lernte ich Johannes Janssen, den Direktor des Sinclair-Hauses in Bad Homburg kennen. Wir erzählten uns von unserer Arbeit und stellten uns in Aussicht, darüber mal zusammen zu kommen. Außerdem traf ich Antje Oegel, die Barbara Perlmutters Funktion für Fischer in New York übernommen hat. Sie ist in Pirna geboren und wir hatten uns viel zu erzählen. Sie hatte auch schon mit Simon zutun, der dort „Steilwand“ („Seawall“) gelesen hatte

Gestaffelte Zeitfolien

Mit Helga und Thomas Sock ging es am Abend in einer Fußballvereinsgaststätte auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers um die geografische Einordnung der Baracken. Erst konnten wir mit Hilfe der alten Fotografien und den Angaben auf den Bauzeichnungen zunächst nur die Ausrichtung und ungefähre Lage der Unterkünfte feststellen. Ich stellte meine Idee vor, die Grundrisse mit GPS zu laufen, um sie dann mit einem dichten Netz von Gängen zu umgeben. Wenn diese Arbeit mit kleinen Grabungen ergänzt wird, kann das zu einer weiteren Dynamik führen, die einen neuen Prozess einleitet.

Helga fragte in diesem Zusammenhang nach Geld. Ich denke, dass es gut wäre, die Phase der Vorarbeiten und der Konzeption schon mit einer Summe zu vergüten. Das würde mir Druck aus der Situation nehmen. Außerdem redeten wir über das Verhältnis der Dylantexte zu seiner Musik. Ich sagte etwas über die Gleichzeitigkeit der Assoziationen eines Ortes, während der die Zeit ein fester Körper ist, der von uns durchwandert wird, Schichten, die wir hintereinander durchsichtig gestaffelt  zugleich sehen können.

Des Weiteren beschäftigte ich mich den ganzen Vormittag und Nachmittag mit dem Förderantrag für das DAM und das Projekt „Schattenboxen“. Das Prozedere ist etwas umständlich. Entsprechend viel Zeit muss man damit zubringen.

Neben den Treffen mit Alexander und Frau Budde heute, stehen am Abend noch der Afterworkshop und der Buchmessenempfang des Fischerverlages an. Der Kälte durch die immer noch nicht reparierte Heizung im Atelier, kann man mit einem Besuch der Ausstellung der Rembrandtzeichnungen im Städelmuseum entgehen. Der Kälte im Hof des Fischerverlages kann ich entgehen, indem ich nicht hingehe.

Schützende Gesträuche

Vor mir, senkrecht auf dem Schreibtisch, steht im Gegenlicht Rolle 6. Zu sehen ist das Aufeinandertreffen dreier Sequenzen: „Die Fliegenden Apsaras“, „Kinderzeichnungen im Sand“ und „Die Brandungssequenz“.

Die dunklen, dicht nebeneinander gezeichneten Schwünge erzeugen, wo sie in mehren Schichten übereinander liegen ein tiefes Schwarz, das eine besondere Qualität besitzt. Die Kraft der Strukturen kommt aus der Beharrlichkeit der Wiederholungen relativ banaler Durchzeichnungen von fotografierten oder gewanderten Linien. Ich finde, dass hinter dieser Verdichtung viele andere Dinge stehen oder zum Vorschein kommen. Diese Hinwendung zu inneren Prozessen tut mir gut und lässt Anspannungen von mir abfallen.

Manchmal glaubte ich sogar beim Zeichnen im geöffneten Rolltor durch die dichten und starken Sequenzen, vor der offenen Aggressivität auf dem Gelände geschützt zu sein. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Dornenzäume aus Gesträuchen, mit denen afrikanische Tierhirten ihre Herden vor Raubtieren bewahren. Vor meinem Atelier in Metallgestellen gibt es schon solche Astgeflechte mit einer schützenden Funktion.

Mittlerweile formuliere ich drei Einzelanträge für die Arbeit mit dem Architekturmuseum im kommenden Jahr. Meine Formulierungen folgen noch zu sehr den komplizierten künstlerischen Gedankengängen, was die Handlungsabläufe auch etwas undurchsichtig erscheinen lässt. Deswegen muss ich die Texte vereinfachen.

Geschlossener Vollzug

Mit der Justizvollzugsanstalt Rockenberg telefonierte ich gestern. Von dort habe ich den stellvertretenden Leiter Herrn Holzapfel kennen gelernt. Den ich in der nächsten Woche besuchen möchte.

Dieses ehemalige Zisterzienserkloster beherbergt gut zweihundertfünfzig junge, männliche Strafegefangene, die dort eher kurze Inhaftierungen absitzen. Mit geht es insbesondere darum, heraus zu bekommen, ob ich mit einigen von ihnen eine konzentrierte künstlerische Arbeit beginnen kann und darum, die Welt kennen zu lernen, die sich durch die besondere Situation öffnet. Herr Holzapfel erzählte mir, dass kürzlich schon Teile der Gefängnismauer gestaltet worden sind. Gerne würde ich aber zunächst kleiner mit ihnen arbeiten, vielleicht mit GPS und mit Transparentpapier.

Die Apsarasequenz auf Rolle 6 verdichtet sich im Atelier. Ich konnte mich noch einmal offenen Tor den von mir so gemochten Verdichtungen hingeben. Jetzt möchte ich einen Ausschnitt scannen, in dem sich die Kinderzeichnung am Strand und die schwebend tanzenden Apsaras überlagern, und sie dann der täglichen Collage hinzufügen.

Gestern am Nachmittag danach noch ein Gespräch mit Frau Budde im Architekturmuseum über den Förderantrag „SCHATTENBOXEN“. Damit haben wir noch einiges zutun, womit ich heute Vormittag beginnen möchte. Das Ganze ist auch dringend mit Alexander abzustimmen

Farbtrost

Die Farben in meinen Büchern sind ein Trost, und manchmal fächern sie sich durch das wässrige Verwischen überraschend schön auf. Manchmal überwiegt ein neutrales Grau, das einem kleinen Gelb oder Blau mehr Gewicht verleiht. Ja – Trost, denn oft freue ich mich, wenn der Tag mit dem Schreiben und Zeichnen beginnen kann.

Jetzt werden die Ahornblätter vor dem Fenster rot. Das durchbricht sogar die neblige Trübnis und spendet noch einmal wenigstens visuelle Wärme.

Immer noch Ostwind, immer noch startende Maschinen überm Haus, und zum Donnerstag hin soll es kalt werden, dass ich meine Pflanzen nach drinnen verfrachten muss.

Weil an Sonnabend die Heizung im Atelier ausgefallen war, fror der Verein während unserer recht langen Sitzung.

Erstmalig war ich auf dem Blog, den Tine Bahl in Doha schreibt. Niemand geht dort durch die Straßen. Alles wird mit dem Auto erledigt. Zu Fuß gehend trifft man sich nur in den Shopping Malls. Selbst der gekühlte Pool zwischen den Häusern bleibt leer.

Termine derzeit mit Alexander zu machen, ist nicht so einfach. Deswegen kann ich heute nur alleine ins Architekturmuseum gehen, um mit Frau Budde unser weiteres Vorgehen zu besprechen.

Durchtränkt

Es regnet nun schon den zweiten Tag ununterbrochen. Nur an den Südseiten der Baumstämme auf der Allee gibt es noch schmale trockene Rindenstreifen. Ansonsten rauschen die Autoreifen und alles ist durchtränkt.

Das Atelier ist nun vollständig aufgeräumt und gereinigt. Der Raum veränderte sich sehr und lädt nun eher ein, etwas Neues zu schaffen. Zwei Tage hatte ich die Arbeit an Rolle 6 unterbrochen, angerührtes Pappmache steht in einem Eimer, es kann also losgehen. Erstmalig habe ich Dinge weggeworfen, die ich als Arbeitsmaterial gesammelt, aber nicht benötigt hatte.

Die Zwischenraumsitzung am Nachmittag hat sich insbesondere mit der Situation auf Teves befasst. Kürzlich hatte ich Gelegenheit zu fragen, ob mir Tülay etwas sagen wolle. Vielleicht hat sie meine Frage nicht verstanden…

Wenn ich mir anschaue, wie Orada auf die Weisungen des Vermieters reagiert, tausende von Menschen zu ihren Veranstaltungen einlädt, habe ich das Gefühl, dass sie ihren Laden mit Absicht gegen die Wand fahren wollen.

Auf Arte kam gestern eine Sendung über Forschungen an der Khmerkultur von Angkor. Ergebnis der umfangreichen Untersuchungen war, dass die Pyramidentempel Bestattungsorte waren. Außerdem waren die Skulpturen durch die Umschlingungen des Dschungels besser geschützt als jetzt, wo sie freigelegt sind. Nun verfallen die Reliefs schneller und die Restauratoren kommen mit den Reparaturen nicht nach.

Turbinen?

Sind die Fluglärmtage unterbrochen? Fällt mir das Wort für die Aggregate ein, die den Schub verursachen? Propeller oder Düsen? Wenn der Himmel schweigt, ist das egal.

Aufräumen im Atelier – ich habe mich dabei vertrödelt, keine klare Linie gefunden, vom Hölzchen auf Stöckchen, kein Zeitplan.

Turbinen ist fast richtig – aber nur fast.

Ich bin an den Regalen hängen geblieben. Ganz unten hinten den rumstehenden Eimern und dem ganzen Zeug, waren noch leere Fächer, was für eine Vergeudung. Ich schuf Platz auf Augenhöhe für schönere Dinge, für meinen blechernen Aquarellkasten beispielsweise, der sich hinter dem ganzen Gedöns versteckt hatte, mit ihm zusammen das Aquarellieren.

Lärm der Triebwerke kommt aus den dichten Wolken – Triebwerke!

Am Abend im Frankfurt Lab ein Tanzabend mit einer brasilianischen Company. Der Stil stammte von der Strasse. Breakdance oder Hip Hop Elemente. Eine nervende Monotonie. Aneinanderreihung von Kunststückchen auf hohem artistischem Niveau. Es fehlte nur Geist. Eine gleich bleibend dröhnende Musik ohne jeglichen raffinierten Einfall. Ich war froh, als es vorbei war.

Erinnerungen an meine Arbeit in Salvador. Auch dort hatte ich immer das Gefühl, dass die Künstler der Zeit weit hinterher laufen.

Ordnung

Trüber Morgen nach regnerischer Nacht. Mit einem Straßenbesen fegen die pakistanischen Zeltbauer die aus den schütterer werdenden Baumkronen herabgefallenen Ahornblätter zusammen.

Gestern am Tag der deutschen Einheit spazierten wir in der Sonne am Main. Der Fluss reflektiert die Wärme an sein Nordufer. Wir waren auf B.`s Initiative hin vormittags unterwegs, saßen auf Bänken und genossen die Aussichten von Osten auf die Stadt.

Ich frage mich, wie sich meine Haltung in einem Streit verändert, wenn ich über psychische Erkrankungen meines Gegenübers aufgeklärt werde. Welche Folgen hat das wiederum auf sein Verhalten? Geschehnisse rücken aber von mir ab und Reaktionen lassen sich besser verstehen.

Die Auslagen des Bäckereiwagens leuchten warm zu mir herauf. Schade, dass ich schon gefrühstückt habe.

Das Leiden unter meinem unaufgeräumten Atelier wird heute ein Ende haben. Alles schien in letzter Zeit wichtiger, als Ordnung zu machen und den Boden zu fegen. Dabei sind es nicht so sehr die Dinge, die ich tue, die den Raum verstellen, sondern eher die meiner Schüler. Jasminas Farborgien beispielsweise, oder die Reliefs von Maj. Das wird sich heute ändern!

Die Einrichtung des Freundeskreises zur Förderung der künstlerischen Arbeit auf Teves ist ein kleines Pflänzchen, das eher langsam wachsen soll und deswegen vorsichtig gegossen werden muss. Ich will irgendwann alle auf Teves dafür hinter mir haben.

Dreidimensionale Schraffuren

Die Fotografien vom gestrigen Hanggang lasse ich als Diashow auf meinem Bildschirm laufen. Es ist, als zöge ich mich in dem Wald zurück, in die künstlichen Dickichte der umgestürzten Stapel, zwischen die Kraftfelder der Steine, die über Augenhöhe auf den stabilen, kurzen und trockenen Ästen der Fichten liegen, seit Jahren nun schon. Mit dem zusammengebrochenen Stabmaterial lasse ich am Boden Figuren oder eher Richtungsweiser und Schraffurformen entstehen, deren Strukturen sich in den Raum erheben und an den Baumstämmen emporwachsen. Das Material, das an den Rand des Weges heranwandert, ihn deutlich markiert oder sich zu Bodenkreisen formiert, nutze ich auf diese Weise zum dreidimensionalen Zeichnen.

Gleich über dem zweiten Weg wächst die Steinpyramide. Der Platz rundherum gestaltet sich langsam, wie ein bewohntes Refugium. Gestern schien die Sonne, wie heute. Die Lichtflecken verstecken den Weg.

Oben zwischen dem großen Rundbau und dem Ende des Weges habe ich den einzigen Pilz der letzten Wochen gefunden. Er brachte aber achthundert Gramm auf die Waage und sein Schirm, eine Braunkappe, hat den Durchmesser eines großen Tellers. Den werde ich mir heute zubereiten.

Irgendwann träumte ich, dass meine Tagebücher nur noch aus Bildern bestehen. Sie waren starkfarbig und füllten prall die Seiten aus. Heute haben sie sehr unterschiedliche Größen. Schrift kann sich klein machen und mehr Platz für Farben schaffen.

Auf Rolle 6 ging die Arbeit an der Tanzsequenz der Apsaras weiter. Eine glückliche Arbeit, die sich sehr mit der Waldarbeit verbindet.

Absetzbewegung

Im Atelier arbeitete ich an der Sequenz der tanzenden Apsaras weiter und stelle mich auf den nächsten Schritt mit der nächsten Schicht ein. Dabei werde ich die Arbeitsrichtung wieder umkehren und die Rollbewegung von vorne her ausführen, von der Seite mit dem geringeren Rollendurchmesser aus. Demzufolge wird es eine Vielzahl von versetzten Überlagerungen geben.

Die Arbeit wurde durch viele Gespräche unterbrochen, die mit der Zukunft des Geländes zutun haben. Allgemein ist eine Absetzbewegung vom Verein Orada festzustellen. Klaus Sudhof teilte mir mit, dass die Technoveranstaltungen untersagt sind. Die Problematik um das Theater wird dem Beirat der Sozialen Stadt übergeben. Dort soll darüber gesprochen werden, ob die Konstellation auf Teves noch in dieser Weise sinnvoll ist. Die Vorschläge, die von dort kommen, werden eine spannende Geschichte sein und uns sicherlich mit neuen Ideen konfrontieren.

Deniz kam aus der Türkei zurück. Mit ihm und Roland redete ich über unsere Kunstinitiative, die Zukunft von Teves betreffend. Wir wollen die Sache langsam angehen und sie eher aus Inhalten und der künstlerischen Beschäftigung heraus entwickeln.

In den Kammerspielen sahen wir das Stück „Das Versprechen“ von Dürrenmatt in einer Inszenierung von Markus Bothe. Es gab ein Wiedersehen mit Biber Gullaz, den wir seit über zwanzig Jahren nicht gesehen haben. Er erzählte uns sein Leben seither und ich erinnerte mich an seine Musik für meinen Hundehasserfilm. Mittlerweile lebt er vom Film und bezeichnet seine Theaterarbeit als Hobby.

Vinzenz in der Serpentine Gallery

Der trübe Morgen lässt kaum Farben zu. Ein kühler Ostwind treibt das Grau verdichtend vor sich her, um die Herbstfarbenwärme zu verschlucken.

Im zweiten Programm des Hessischen Rundfunks wurde eine Autorin befragt, die ein Sachbuch unter dem Titel „Kunst hassen, eine enttäuschte Liebe“ in einem Stuttgarter Verlag herausgebracht hat. Darin geißelt sie den Kunstbetrieb als bevormundend und rein kapitalistisch orientiert. Diese Aussage kann ich schon nachvollziehen – nur, warum muss man dann die Kunst hassen, die dem ausgesetzt ist.

Kippenberger hat seinen Städelschülern gesagt, dass sie verkaufbare Bilder malen müssten. So macht man allerdings niemandem Mut zur Kunst.

Vinzenz schrieb, dass er Mitte Oktober einen Vortrag in der Serpentine Gallery in London hält. Er ist schnell in Sphären gestiegen, die ich niemals erreichen konnte. Es ist immer noch ein große Freude, das anzuschauen.

An meine Weiterarbeit an Rolle 6 denkend, zog ich in Erwägung, die Linien der Röhren auf Teves von der großen Leiter aus zu fotografieren, um sie auf das Transparentpapier übertragen zu können. Dort zeichnete ich an einem Angkor-Apsara-Fries weiter, dessen zwei Figuren sich genau nach einer Umdrehung der Rolle wiederholen. Ganz gerne würde ich nun in die Leichtigkeit der Synaptischen Kartierungen wieder einsteigen, die den Gegenpart zu den linearen Verdichtungen bilden, aber das Brandungsmotiv durch das Fließen von Spiritus, Tusche und Schelllack wieder aufnehmen können. Möglicherweise wirkt das der Ermüdung der Apsaratänze entgegen.

Geschichtet

Am vergangenen Sonnabend vergaß ich einen Farbeimer zu schließen, was ich gestern nachholte. Bei der Gelegenheit konnte ich sehen, dass meine gebogenen Stangen nicht verschoben worden sind, und dass lediglich ein kürzeres Stück hinzugekommen ist. Somit habe ich also erst einmal wenig Arbeit damit.

Es gibt aber noch genügend anderen Stoff, mit dem ich mich zu beschäftigen habe. Ich denke, dass dazu die Gründung einer Initiative zur Zukunftssicherung des Geländes Teves West gehört. Weil die Idee von mir stammt und auch von mir vorangetrieben wird, ist es nun auch logisch, wenn ich einen Text vorlege, der die Inhalte behandelt, um die es gehen soll.

Ausgehend von der Geschichte des Ortes, kann sich eine Arbeit entwickeln, die die Verbindung der Künstler mit dem sie umgebenden Raum behandelt. Dabei kann es um die Schichten gehen, die bei einer Ausgrabung zutage gefördert würden, um all die Bewegungen, Arbeiten, Blickachsen und Töne, die es gegeben hat. Wer weiß, was noch alles entdeckt werden kann, während man sich mit dieser Materie richtig befasst. Schon die Besetzung des Geländes durch mich ist mittlerweile Geschichte.

Eigentlich sollte ja in dieser Woche eine Sitzung stattfinden, die die Probleme auf dem Gelände behandeln und Regeln in Kraft setzen sollte. Bisher hat aber niemand noch einmal eingeladen oder eine Tagesordnung gemacht.

Reinigung des Raumes

Sofort und direkt habe ich gestern auf Teves umgesetzt, was ich mir am Morgen ausgedacht habe. Beim Arbeiten spürte ich, dass ich so etwas schon lange mit mir herumgetragen habe. Entsprechend leicht und schnell ging mir allen von der Hand. Für das Hervorheben der Linien wählte ich eine weiße Punktstruktur, die ich sowohl auf die anthrazitfarbenen Röhren als auch auf das Knochenpflaster daneben malte. Somit habe ich die Lage der Objektfragmente dokumentiert und danach alles fotografiert.

Nun ist abzuwarten, wie das Ganze in Zukunft in Bewegung kommt, die ich dann weiter aufzeichnen will. Der Rhythmus der Abstände zwischen dem Röhrenpunkten variiert zwischen etwa vierzig Zentimetern und zusammenhängenden Punktlinien. Dieses Spiel zwischen relativer Leere und langsamen Verengungen der Zwischenräume zeigt auf den Schwüngen etwas von einer musikalischen Komposition.

Nun kann ich in Ruhe anwarten, was passiert und die Arbeit dann fortführen und verdichten, indem ich die mutwillige Zerstörung meiner Arbeit für einen Prozess nutze, der diese Umformungen in eine künstlerische Sichtweite transponiert. Somit unterlaufe ich die Destruktion und mache sie zu einem produktiven Element.

Das Ganze bildet einen nach hinten offenen Vorgang, der sich noch spannend gestalten kann. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, den Raum von der Banalität des Unflats und der Obszönität zu reinigen.

Verbogene Stangen

Wegen einer Idee, die mir in der Nacht kam, bin ich nun sehr zeitig am Schreibtisch. Schon gestern dachte ich, mit dem auseinander gezerrten Röhrenobjekt etwas zu machen. Als es noch vollständig an seinem Ort ruhte und in sich zusammensank, zog ich die Überlegung, es mit weißen Punkten zu bemalen in Erwägung. Nun hat sich aber mit der Zerstörung eine völlig neue Situation ergeben, die ich nutzen will. Eigentlich hatte mir die Konstellation gleich gut gefallen. Nie wäre ich selbst auf die Idee gekommen, die verbogenen Stangen in so großzügiger Weise in der Landschaft zu verteilen. So habe ich also in einer fremden Raumbesetzung eine ungewollte Vorlage für eine weitere Arbeit, die auf diesem Zustand aufbaut.

Ich dachte mir, alsbald, wenn nicht gleich heute, die Lage der herausgezogenen Röhren an den Stellen mit weißer Farbe am Boden zu markieren, an der sie dem Grund sehr nahe sind. Die Teile, die sich weiter über das Knochenpflaster erheben, könnte ich dann mit den weißen Punkten bemalen, die mir schon vorher in den Sinn gekommen sind und dann die Anmutung von Wegpunkten bekommen. Somit entsteht ein Kommentar, der sich mit Vokabeln anreichern ließe. Man könnte darin über einen postkolonialen Bevorzugungsrassismus nachdenken, auf den die Türken mit einem eigenen Rassismus antworten. Als Synonym könnten Textteile aus Dylans „EVERY THING IS BROKEN“ dafür genutzt werden. Man könnte den Text mit Stigma und Rufmord anreichern.

So früh bin ich auch aufgestanden, weil wir einen sonnigen Tag bekommen werden, den ich für diese Arbeit nutzen will.

Kraftraumgreifend

Nach einem etwas kärglichen Frühstück gemeinsam mit anderen Einzelnen in der Morgendämmerung zur Arbeit unterwegs zu sein, erinnerte mich heute Früh an meine Schichtarbeit in Waltershausen. Dennoch kann ich die Situationen nicht so recht vergleichen, weil ich heute viel angenehmere Arbeitstage vor mir habe.

Hier auf Teves angekommen, musste ich allerdings feststellen, dass meine Röhrenskulptur am Bahndamm auseinander gerissen und die Fragmente daneben auf dem Pflaster verteilt worden sind.

Von Herrn Schulz habe ich heute erfahren, dass Orada die Technoveranstaltungen vom Vermieter verboten worden sind. Damit wird sich der Geist des Geländes in einer ersten Stufe verändern. Es wird nicht mehr die beste Partylocation der Stadt sein, sondern sich wieder auf leisere Töne konzentrieren können. Jetzt sollte eine andere Praxis Raum greifen.

Die Arbeit an der neuen Sequenz auf Rolle 6 verdeutlicht mir in diesem Zusammenhang noch einmal die Wirkung von Kontinuität und Konzentration. Wie die anhaltende Meditation von Asketen einen Kraftraum für andere schafft, so kann das auch die künstlerische Arbeit an sich tun.

Mit Roland sprach ich gestern eine Weile über unser Zukunftsprojekt. Wir sind die Ältesten auf dem Gelände. Deswegen ist es logisch, dass wir dieses Thema aufgreifen. Wir sollten uns nun etwas ins Zeug legen.

Umsturzbilder

Nach der Tagebucharbeit kümmerte ich mich gestern um das Projekt für das Deutsche Architekturmuseum. Neben Inhalt geht es um Zeiteinteilungen, Finanzplanung und um die Einbindung der anderen Institutionen.

Am Nachmittag aber flog ich in den Taunus und reparierte am Hang einige Zerstörungen, die eindeutig auf das Konto Mentholzigaretten rauchender Leute gingen. Große Steine, die Vinzenz aufgestellt hatte, sind umgestoßen worden, wie auch einige Installationen, die ich an Baumstämme gelehnt hatte. Letztere richtete ich nur nach der Wegrichtung aus und ließ sie ansonsten liegen. Die Umsturzbilder haben nämlich ihren eigenen Reiz. Neben einigen Kleinigkeiten baute ich am oberen Rundbau weiter. Durch den Reisiganteil werden seine äußeren Ringe nicht mehr ganz so kompakt, wie die inneren. Nun bin ich gespannt, wie es aussehen wird, wenn die ersten Teile zusammenbrechen und die äußeren, höheren und verzweigteren stehen bleiben. Von den geschlagenen Bäumen ist noch genügend Material in der Nähe, dass ich diese Arbeit fortführen kann.

Beim Hinablaufen habe ich Steine aus den Kristallgruben mit nach unten auf den hellen Steinhaufen genommen, der auf diese Weise langsam wächst.

Am Abend im Mousonturm eine choreografische Arbeit zu „Sacré Sacre du Printemps“. Zu Strawinskys Musik hat Laurent Chétouane eine ruhige, spannungsgeladene Choreografie geschaffen, die sehr von der Ausstrahlung der Tänzer abhing. Die Leichtigkeit der Geschwindigkeit, mit der sie mit dem Raum umgingen hatte selten etwas Angestrengtes. Ein schöner Abend, der nachwirkt.

Rolle 6 | Vol. 10

Gestern zeichnete ich endlich mal wieder zehn Stunden im Atelier. Zunächst das Tagebuch, dann aber die Transparentpapierrolle Nummer sechs.

Wie ich es vorhatte, setzte ich zunächst die Kinderzeichnung von Chaolao ein und überlagerte sie gemeinsam mit den übrig gebliebenen kleinen Flächen der Brandungssequenz. Im Anschluss begann ich zwei Absaras aus Angkor Wat, die über dem Quirlen des Milchsees schwebten, in die entgegengesetzte Richtung fliegen zu lassen. Ich rollte sie also auch überlagernd zurück über das Ende der Kinderzeichnungssequenz hinweg. Als diese beiden Motive aufeinander trafen, wusste ich, wie ich beim nächsten Mal weiterzeichnen könnte. Ich kann mich auf die kommende Arbeit freuen, und die Verzagtheit der vorigen Tage ist vorbei.

Die Verdichtungen und ihr langsames Werden verarbeiten vieles von dem, was um mich herum vorgeht und lehren mich von den Obszönitäten und Provokationen abzugrenzen. Was ich angefangen habe, das will ich nach Kräften zu Ende bringen.

B. hat Vol. 10 der Bootleg Series von Dylan gekauft. Es handelt sich um Songs zwischen 1969 und 1971. Eben habe ich etwas hineingehört, weithin Songs, die ich noch nicht kannte, während der nächsten Tage im Atelier aber kennen lernen werde.

Heute will ich wieder in den Wald. Mir ist aufgefallen, dass die Installation, die Maj mit der Werft ihrer Eltern in Verbindung gebracht hatte, in dem Moment in Auflösung fiel, als sie eine wichtige berufliche Entscheidung umgesetzt hatte.

Neue Muster

Pappmacheklumpen, die von der Reliefarbeit übrig waren und getrocknet sind, fing ich nun an mit Schelllack und Tusche zu bearbeiten. Zunächst grundierte ich diese leichten Pappsteine, die sich etwas wie Bimsstein anfühlen weiß und zeichnete dann ein Liniennetz darüber, das den Unebenheiten der Fläche folgte – dann eine Schicht Schelllack.

Auf dem falschen Untergrund kann dieser Lack banal wirken, was er in diesem Fall auch tut. Ich werde den Glanz verändern, indem ich mit Tusche weiter darüber zeichne.

Zunächst aber beendete ich die Brandungssequenz, nutzte die frei gebliebenen Kleinflächen für ein neues Muster. Das verbindet sich mit den neuen Figuren, die ich frühmorgens ausgedruckt habe. Es sind zwei Reliefmotive aus Angkor Wat und die Sandzeichnungen des Kindes in Chaolao.

Mit meiner Produktivität bin ich etwas unzufrieden. Einerseits habe ich die großen Vorhaben für den Sommer aus den verschiedensten Gründen nicht geschafft, muss aber konstatieren, dass immer Ansätze entstehen, die nicht geplant waren und sich in einem Experimentierstadium befinden. Vielleicht sollte ich auf die langfristigen Pläne mal eine Weile verzichten und mir es leisten in den Tag hinein zu arbeiten, um zu sehen, was an seinem Ende entstanden ist.

Heute also, die Kinderzeichnungen und die Reliefs von Angkor.

Jone San Martin und „Clouds after Cranach 1+2“

Außer dem Tagebuch blieb ich der Arbeit gestern fern, gestern am Sonntag, der auch noch ein Wahltag war.

Während eines Spaziergangs gerieten wir in die Besucherströme der Internationalen Automobilausstellung. Die dazugehörige Blechlawine ergoss sich bis in den Park, in dem wir eigentlich spazieren gehen wollten. Wir kamen uns wie Fremdkörper vor. Die dicken Messebesucher rochen nach Anstrengung und abgestandener Luft. Ganze Blöcke davon ergossen sich aus den Shuttlebussen.

Am frühen Abend besuchten wir die Vorstellung „Clouds after Cranach 1+2“ von der Forsythe Company. Teil 1 war ein klassisches Forsythetanzstück. Immer wieder werden darin Szenen in unterschiedlichen Abläufen durchgespielt. Manche der Darsteller beginnen ihre Figuren plötzlich rückwärts zu spielen, mache Szenen frieren mitten in den Explosionen und wirbelnd Körpern ein. Durch diese Veränderungen im Raum kommt es zu immer neuen Konstellationen und Begegnungen. Den zweiten Teil bestreitet in erster Linie Jone San Martin zusammen mit David Kern und Amancio Gonzalez. Jone spielt die Mutter eines durch einen Raketenangriff getöteten Jungen. Dabei zeigt sie intensiv und genau diese langsam einsetzende Gewissheit, dieses Todes des eigenen Kindes, die sie eigentlich noch von sich fernhalten wollte. Dann aber dehnt und verdreht sich ihre Stimme in die zunehmende Intensität des unsagbaren Schmerzes.

Das Stück habe ich vor acht Jahren schon einmal gesehen. Damals, glaube ich, habe ich es begeistert beschrieben. Gestern sah ich vielleicht noch eine Schicht tiefer, was etwas vom Zauber nahm aber mehr Einsicht erlaubte.

Krähenfeder | Papiertüte

Auf dem Schreibtisch zwischen den Farbstiften liegt eine zerzauste Krähenfeder. Auf ihrer Oberseite schimmert im satten Schwarz ein Grün. Irgendwo am Hang des Altkönigs habe ich sie aufgelesen, in die Seitentasche meiner Wanderhose gesteckt, um sie in meine Sammlung von Dingen, mit denen ich noch nicht weiß, was ich mit ihnen tun werde, einzufügen. In dieser Weise sammelt sich Material an, das dann irgendwann im Atelier landet.

B. wollte gestern eine Papiertüte aus Salt wegwerfen. Auf ihr ist ein Auszug eines Stadtplanes abgedruckt, auf dem eine Strasse eingezeichnet ist, die zum Toten Meer führt. Am Montag nehme ich die Feder und die Papiertüte mit ins Atelier und werde sie dort weiter herumliegen lassen.

Gestern saß ich noch einmal mit der Verdichtung der Brandungssequenz zwei Stunden im offenen Tor. Bis zum Ende sind es nun noch etwa drei Zentimeter. Ich habe länger gebraucht, aber es auch intensiver betrieben, als ich vorher geplant hatte.

Ich werde versuchen freundlich zu bleiben. Das Theater hat in einer Rundmail einen Bettelbrief geschrieben und darin die eigene Genialität der eigenen desaströsen Finanzlage gegenübergestellt. Nun hoffen sie darauf, dass schnell Spenden in Höhe von zehntausend Euro auf ihrem Konto eintreffen, sonst seien sie, nach ihren eigenen Worten am Ende. Das scheint mir aber nur die Spitze des Eisberges zu sein.

Auf dem Sindlinger Straßenfest hatte ich den sechs Wochen alten Säugling von Maike und Arun auf meinem Arm. Ich war von dem kleinen suchenden Wesen sehr gerührt.

Zeichen projizieren

Der ruhige Freitag führt schon etwas ins Wochenende. Gelegenheit zum Ende der Brandungssequenz hin, genauer zu werden, die frei gebliebenen Felder sorgfältiger mit Linienmustern auszufüllen, die erst im Gegenlicht erkennbar werden. Diese meditative Produktionsweise hat etwas Sogartiges.

Vorgestern sprach ich mit Maj über die Dylantexte, und wir hörten einige Songs. Dabei fiel uns die Beiläufigkeit auf, mit der Zeiten und Räume verquirlt werden. Es ist, als setze eine andere Ordnung ein. Auch seine amerikanische Musik kommt eher unspektakulär daher. In traditionellem Kleid werden hintergründige Sätze aneinandergereiht und vorgetragen, wie scheinbar leichte Kost.

Krishnababy zeigt auf zwei Zeilen aus „Ring Them Bells“:

“There`s a woman on my lap und she`s drinking champagne

Got white skin, got assassin`s eyes”

All diese Zeilen schlagen Abgründe auf Erinnerungsseiten auf. Labyrinthisch mäandern die Zeilen zwischen den Bildern. Ich möchte immer mehr schichten Transparentpapier mit immer mehr Motiven übereinander legen und dann nur die Linien nachzeichnen, die die Figuren umreißen, die mir gerade einfallen. Und so kann die Tour immer weitergehen, während die Erinnerungen in die Zukunft projiziert werden.

Klangspiegelzeichnungen

Zeltbau der Textilhändler, Fischspezialitäten, Landmetzgereien, Gemüsestand, Bäckerauto, Imbiss und Weinstand. Heute kann ich mir das wieder mal von meinem Schreibtisch aus anschauen, bin dabei. Tische werden aufgestellt für all die Treffpunkte zum Mittag oder Abend, die es schon seit Jahrzehnten oder erst seit Kurzem gibt.

Gestern am späteren Nachmittag, als die Lehrlinge nach Hause gegangen waren, arbeitete ich am Schreibtisch noch an meinem Text des Tages, veröffentlichte ihn auf meiner Seite.

Die Waldarbeit bildet mittlerweile einen stabilen Hintergrund für die Arbeiten im Atelier und zu Hause. Sie gehört zum Fundament und begegnet mir beispielsweise in den Fotografien, die ich für die täglichen Collagen benutze. Und dort zeigen sich die Verwandtschaften zwischen meinen Zeichnungslinien und den Konstruktionen am Hang.

Die Arbeit an der Brandungssequenz ist nun durch die Entscheidung, sie noch weiter zu verdichten, an der Stelle angelangt, wo ich glaube, dass ich nicht mehr vorwärts komme, eher im Gegenteil.

In einem ringgebundenen Zeichenheft, das ich in Indien gekauft habe, entdeckte ich Zeichnungen, die ich während einer Orchesterprobe der Heidelberger Symphoniker gemacht habe. Es ging damals um Bilder, die in Kompositionen auftauchen und um solche, die nach Kompositionen entstanden sind. Schöne kleine Zeichnungen zu „Klangspiegel“ von Redel.

Durchlässigkeit

Hinter dem linken Rolltor des Ateliers glüht rosafarbenes Wolkengeschehen auf. Aus diesem Glühen wird im Osten ein Brennen, wie der Widerschein einer Bombardierung. Das erste Graudämmern nach einer kalten Nacht war schon ein großer Trost. Weil die Heizung noch nicht eingeschaltet ist, spendet im Atelier nur die Lampe etwas Wärme.

Gestern auf dem Weg am Hang trieben sich windende Wolken zwischen den ernst stehenden senkrechten Holzsäulen hindurch. Die Verwandlungen des Raumes bringen es manchmal mit sich, dass ich mich desorientiert umschaue und für Sekunden nicht genau weiß an welchen Stelle in welchen Winkeln zum Boden ich unterwegs bin. Dann habe ich die „Feinorientierung“ verloren, es wird mir ein wenig schwindelig.

Ein schneller Patrouillengang mit kleineren Reparaturen, Ergänzungen, Veränderungen, Eingriffen, Markierungen, Zeichen, Raumdefinitionen und Irritationen. Das Stichwort heißt „klein“ aber auch ständig, kontinuierlich und viel. Ich habe fleißig fotografiert und erfahre zu Hause beim Anschauen der Bilder mehr über mein Tun.

Im Atelier habe ich es heute mit den Lehrlingen zutun. Sie haben eine etwas stupide Aufgabe zu erledigen, und ich hatte sie zunächst emotional dafür zu gewinnen. Dafür ließ ich sie ihre Phantasie so frei wie möglich entwickeln. Nun aber muss es wieder ernst werden.

Durchlässigkeit ist eine Eigenschaft, die man dem zunehmenden Unflat und der sich steigernden Brutalität entgegensetzen kann. Will man sich nicht herabziehen lassen, ist sie das Gebot der Stunde des Älterwerdens.

Hebbel | Müller

Mit Krishnababy teile ich mir den Arbeitsraum, den der Lichtkegel der Schreibtischlampe schafft. Er beleuchtet, wie die linke Hand der Bronzefigur auf eine Textstelle in Hebbels „Die Nibelungen“ zeigt, die mich sehr an den Heraklestext von Müller erinnert, den ich erst kürzlich vorgelesen habe: „Siegfried: …Ich irrte, der ganze Wall war nur ein einziger Wurm, der tausend Jahre in der Felsenkluft schlafend, mit Gras und Moos bewachsen war und eher dem zackigen Rücken einer Hügelkette als einem Tiere glich, das Odem hat. Hagen: Das war der Drache!“ Die Parallele zu „Der Wald war das Tier“ fiel mir gleich während der Vorstellung auf. Und erstmalig verbinde ich das Bild mit meinem Pfad und stelle mir vor, diesen Text im Wald vorzulesen.

Gestern, den ganzen Tag im Atelier, zeichnete ich an der Brandungssequenz weiter. Sie wird nun doch weitergehender verdichtet, als ich mir es vorgenommen hatte, weil ich mir davon einen neuen Arbeitsschritt erhoffe.

Besuch am Nachmittag von Thomas Sock, mit dem ich über den Wettbewerb sprach, der für die Neubebauung des Geländes um Teves West herum ausgeschrieben worden war. Als ich ihm sagte, dass wir uns als Künstler in den Prozess mit einbringen wollen, glitt das Gespräch bald in die Erinnerungskultur der Zwangsarbeiterproblematik, die mit der Ackermannwiese, aber auch mit dem Tevesgelände zutun hat.

Dieses Thema wollte ich am Abend mit Helga Roos weiter besprechen. Während ich auf sie wartete, zeichnete ich an der Sequenz weiter.

Boxen

Im Morgenlicht des Ateliers versuche ich meine Müdigkeit abzuschütteln. Die Stille wird von den über den Bahndamm donnernden Güterzügen unterbrochen. Ihre Signalhörner klingen nach Eisenbahngeschichte.

Das Wort „Justizvollzugsanstalt“ sollte ich neu buchstabieren lernen. Einige Beamte, die in diesem Bereich arbeiten, vermittelten mir und anderen Teilnehmern einer Zusammenkunft gestern, die Renate Krol organisiert hat, ein etwas differenzierteres Bild vom Innenleben eines Gefängnisses. Es wurde eine Neugier spürbar, die aus einem Reiz des Schauders zu erwachsen schien. Es sollte sich ein Förderkreis bilden, junge Gefangene in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich lernte ein neues Netzwerk für meine Projekte kennen.

Am Nachmittag dann „Brainstorming“ mit Frau Budde vom Architekturmuseum. Es ging um einen Förderantrag für ein Projekt, das Museobilbox heißt. Drei Organisationen sollen zusammenarbeiten, um die bereitgestellten Boxen zu füllen. Darüber sollte ich bald mit Alexander Klett sprechen, denn die Hindemithschule würde neben Zwischenraum und DAM der dritte im Bunde sein. Start wäre frühestens im Februar und es könnte dann bis zum Sommer laufen. Der Umfang des Ganzen muss aber noch genauer überlegt werden.

Wolkenlicht

Ich erwachte kurz vor B.`s Anruf aus Dresden aus einem langen tiefen Schlaf. Dort, jenseits von meinen Träumen, hatte sie die erfolgreiche Deutsche Erstaufführung von „Supergute Tage“. Am Morgen fuhr ich sie an den Bahnhof und von dort aus gleich auf die Autobahn, um meine Eltern in Thüringen zu besuchen.

Unterwegs begegnete mir sehr spannendes Licht in senkrecht stehenden, von der Sonne durchschienenen Nebelbänken über dem Vogelsberg. Niedrige Wolken zogen wie schnelle Vorhänge durch die Strahlenkränze. Alles sah aus, wie künstliche Fotografie über tropischen Wäldern mit vage leuchtend dampfenden Figuren. Diese wunderbare durchlässige Stimmung hätte man aber sicherlich nur schwerlich fotografisch einfangen können.

Während eines kleinen Spaziergangs am Waldrand entlang, zeigte mir mein Vater eine mehrere hundert Jahre alte gesunde Eiche, deren gewaltige Krone bis hinab auf die Wiese reichte, auf der sie stand. Auf einer anderen Wiese, wenig entfernt warfen Obstbäume ihre Früchte ab.

In den nächsten Tagen habe ich es mit vielen Terminen zutun, die Projekte behandeln, die noch nicht angelaufen sind. Es geht dabei um meine nächsten Arbeitsjahre, die ich beispielsweise gerne zusammen mit dem Architekturmuseum gestalten würde.

Dylankonzert

Schräg gegenüber dem Fenster steht die Bühne eines Straßenfestes, von der aus wir gestern den ganzen Tag beschallt wurden. Es ging um volkstümliche Unterhaltung dabei, was mir besonders auf die Nerven ging. Für den Nachmittag bin ich ins Atelier entronnen, verzog mich in meine Höhle, schaute auf den wechselnden Regen und zeichnete an der Brandungssequenz weiter, wo das Wasser immer schwärzer zu wogen beginnt.

Mit Maj auf dem Markt habe ich besprochen, dass wir eine neue Arbeitsphase beginnen wollen. Sie soll mehr mit Farben, Pinseln und Malerei zutun haben. Die Welt der Zeichnung und der Skulptur ist strenger.

Plötzlich kam mir gestern die Idee, nach dem Stand und dem Verlauf der „Neverending Tour“ von Bob Dylan zu schauen. Sie läuft nun schon seit vielen Jahren und wir hatten uns schon einmal geärgert, keine Karten gekauft zu haben. Ich stellte fest, dass er Mitte Oktober in Düsseldorf auftritt und B. kaufte sofort im Internet zwei Karten der ersten Kategorie. Das traf mich wie ein Blitz und ich kann es immer noch kaum glauben.

„Gob Squad“, eine Performergruppe, zeigte im Mousonturm „Gob Squad`s Kitchen“. Von den life aufgenommenen und projizierten Bildern ging eine so starke Wirkung aus, dass sich scheinbar mühelos Zuschauer fanden, die zum Mitspielen gebracht wurden. Mit einem Headset versehen, sprachen sie Texte, die ihnen eingesprochen wurden. So schlüpften sie in völlig fremden Rollen und sagten Texte, die sie nicht kannten.

Dreißig Jahre Nibelungen | Schwärze

Noch einmal in offenen Rolltor saß ich über der Brandungssequenz am Tisch, weil nachmittags die Sonne herausgekommen ist und mit ihrer späten Kraft den Beton am Boden erwärmte, während sich die Transparentpapierfläche verdunkelte. An dieser um Millimeter für Millimeter wachsenden Schwärze mit ihren unterschiedlichen Qualitäten und Schattierungen, kann ich mich kaum satt sehen. Ich versuche sehr langsam und behutsam die Felder zwischen dem Linien zeichnend zu füllen und komme wieder auf die Idee, diesen Vorgang noch mehr in die Dreidimensionalität zu erweitern. Der Ansatz für Skulpturen wäre ein Schichtenaufbau eines Körpers aus Tusche, Schelllack und Gips, um dann nach völliger Trocknung das entstandene Stück zu schleifen oder anders zu bearbeiten.

Die Eröffnung der Spielzeit des Schauspiels Frankfurt gelang mit der Premiere der „Nibelungen“ von Hebbel. Ein junges Regieteam hat eine überzeugende Arbeit abgeliefert und uns damit die große Qualität des Textes vorgeführt.

Und natürlich erinnerte ich mich an meine letzten Monate in Dresden vor dreißig Jahren, wo ich zeichnend an den Proben zu „Nibelungen“ unter der Regie von Wolfgang Engel teilnahm. Vielleicht ist in den damaligen Zeichnungen schon etwas von dem zu spüren, was mir erst gestern klar wurde. Lucke, der Siegfried von damals war auch da.

Jasmina, eine der Lehrlinge hat gestern fleißig gemalt und gewischt und entdeckte dabei eine zurückhaltend zarte Farbigkeit und beweist immer wieder ihr gestalterisches Talent. Das gilt es zu fördern.

Lehrlinge beginnen zu singen

Die zunehmenden Tage, an denen ich mit den Lehrlingen gemeinsam in ihren Werkstätten oder in meinem Atelier, oder in allen Räumen gleichzeitig arbeite, nehmen mir Zeit von meiner eigenen Arbeit, auch Konzentration. Die Tage, an denen ich mich ungestört meinen Zeichnungen und Projekten widmen kann, werden wertvoller.

Auf einem der Ateliertische liegt nun die Brandungssequenz, an der ich gestern bis in der fortgeschritteneren Abend gearbeitet hatte. Bei näherer Betrachtung, setzt sich nun auch bei größerer Liniendichte eine Wasserstruktur durch. Vielleicht komme ich damit in der nächsten Woche zum Schluss.

Heute bin ich wieder ab Sieben im Atelier, kann aber auf keine Morgensonne hoffen, die die Temperatur nach der kalten Nacht etwas steigen lässt.

Auch die Aussicht auf ein angefülltes Wochenende mit zwei Theaterabenden, Autofahrten und mit einem dichten Wochenstart danach lassen mich etwas beunruhigt auf meine Arbeit blicken.

Die parallelen Projekte nehmen zu…

Die Lehrlinge sind da und beginnen zu singen. Es wird hell im Raum. Die Bewölkung entwickelt sich etwas schütterer und etwas Wärme entsteht. Ich zeige den jungen Menschen Gerhard Richter und wir beginnen Acrylfarben auf Tapetenresten zu verwischen.

Implosionen

Gestern, am Mittwoch, bin ich wieder auf meinem Pfad gegangen. Der „Downhillerweg“, der am Anfang ein Stück gemeinsam mit meinem verläuft, ist mittlerweile ziemlich ausgefahren und gegen meine zarten Eingriffe in diese kultivierte Natur geradezu gewalttätig. Die alten, tief eingeschnittenen Wege zwischen den Hyperbelstangen werden durchfahren, was kein Zufall ist. Die Orientierung auf diese Kreuzung folgte meinen Wegzeichen. Auch die begleitende Wegführung im Bereich darüber, die sich meinen Spuren langsam annähert, scheint von meinen Zeichen angezogen worden zu sein.

Die Knüppelpuppen, die zumeist an Baumstämme angelehnt stehen, brechen nun langsam zusammen. Das schafft wunderbare Bilder von Implosionen oder des Vergehens. Die Stangen zeigen in alle Richtungen aus denen ich sie zusammengetragen habe. Wolken zogen durch die Baumstammkolonnen und meine Wesen dazwischen und gliederten übersichtlich die Areale. Sonne drang durch Nebellücken und beschien zarte Zweigzeichen, an Äste gehängt und locker miteinander verflochten.

Am Oberen, langsam in sich zusammensinkenden Rundbau arbeitete ich weiter. Die entgegen der Bewegungsrichtung gestellten Hölzer, bäumen sich etwas panisch gegenüber den Diagonalen des Zusammenbruchs auf.

In der Schirn sahen wir am Abend die Ausstellung „Glam“, die sich mit dem Stil des Glamrock und den sich daran anschließenden Bilderwelten beschäftigt. Mir scheinen das in erster Linie eher Modeanstrengungen zu sein. Manche stilbildende Oberfläche folgt nur kommerziellen Ausrichtungen.

Rückbewegung

Nun bin ich gestern im Atelier in die Rückbewegung der Brandungssequenz gekommen, in der sehr dichte und dunkle Felder entstehen. Die weich schwingende Struktur wandelt sich hier in der neuen Umgebung zum verfilzten Dickicht, das, weil es immer mehr Linien oder Informationen aufnimmt, einem Kollaps entgegen rollt und schließlich zu einer schwarzen Fläche zusammenwächst.

So gesehen gleichen die Transparentpapiersequenzen dem gegenwärtigen Marktgeschehen. Das Informationsgestrüpp hat den Umbau von immer mehr Systemen in immer größerer Geschwindigkeit und mit größerem Umfang zur Folge.

Systemumstellungen auf meinen Transparentrollen, bedeuten aber radikale Reduktion auf die kleinen übrig gebliebenen weißen Felder, mit denen der neue Zyklus beginnt.

Aber ich kann auch die Zeichnungen des kleinen Mädchens am Strand von Chaolao nehmen, die ich fotografiert habe, um sie auf den weiteren Verlauf der Rolle zu zeichnen und eine neue Sequenz zu starten, mit einer neuen Sprache.

Einen kleinen Ausschnitt der Tuschelinien habe ich über eine Fotografie von Angkor Thom gelegt. Inmitten des Prozesses weiß ich nicht, was ich alles mache. Das wird erst hinterher deutlich.

Erstmalig habe ich im Atelier wieder bei geschlossener Tür gearbeitet und merke, wie mir der Übergang vom offenen Sommer in den Rückzug des Herbstes gut tut.

Flüssiges Gestein

Frühmorgens schon im Atelier. Wie flüssiges Gestein leuchten die Wolken über dem Bahndamm.

Kurzes Gespräch mit Deniz gestern, der optimistisch aus Berlin zurückkehrte und heute gleich weiter nach Istanbul will. Dort will er auf dem Land ein paar Wochen zubringen.

Am späten Nachmittag habe ich mir noch mal die Ackermannwiese und die beginnenden Bauarbeiten in ihrer Nachbarschaft angeschaut. Helga schickte mir einen Grundriss, des so genannten Russenlagers vom Anfang der Vierzigerjahre, mit dem ich viel anfangen kann. Per GPS kann ich nun die Eckpunkte der Baracken und anderer wichtiger Punkte auf der gegenwärtigen Wiese markieren, um dann mit einem Gang das Ganze zunächst nachzuformen, und um in den nächsten Schritten einen zeichnerischen Kommentar zu finden.

Mich interessiert darüber hinaus, die Verbindung des Lagers mit dem Tevesgelände. Wie viele der Gefangenen waren hier zur Zwangsarbeit eingeteilt und was geschah mit ihnen?

Gegenwärtig haben wir auf Teves West erreicht, dass nicht mehr so viele Veranstaltungen stattfinden. Aber alles geschieht noch über unsere Köpfe hinweg. Ich glaube, dass nur die Androhung von Konsequenzen verhindern konnte, dass das Niveau der Veranstaltungen nicht total den Bach runter ging. Um das Verständnis unserer Positionen ging es noch nie

Wasser

Anstatt in die Stadt zum Galeriestart zu gehen, fuhren wir in den Taunus und liefen oberhalb von Königstein durch das Reichenbachtal bis an den Altkönig heran. Wir zogen die gewundenen Pfade durch feuchtes Unterholz mit glucksenden Bächen dem Lärm der Stadt vor.

Die etwas melancholischen Geräusche des fließenden Wassers, wie es über die unregelmäßigen Stufen springt, klar durch kleine Becken strudelt und zwischen den Steinen plätschert, wurden später durch einen Regenguss unterstützt. Er rauschte in silbrigen Fahnen in das schon herbstliche Grün der Buchen. Ein wenig weiter oben begannen die Wolken schon den Wald einzuhüllen.

Unter unseren zwei Schirmen merkten wir, wie gut uns das Atmen der kühlen, feuchten Luft tat und wie sehr wir vom Alltag schon wieder eingestaubt sind. Die Bilder von Angkor haben es zunehmend schwer, noch einmal so hervorzukommen, dass sie einen ganz einnehmen. So manövrieren wir herum, versuchen die sich immer rasanter verändernde Umgebung auf Distanz zu halten.

Das Morgenlicht bringt auf dem von Nachtregen dunklen Boden violette Töne hervor. Sie stehen neben einem strahlenden gebrannten Ocker im Schatten. Beide Farben gehen etwas ins Rötliche.

Auf den Wegen sprachen wir gestern schon über den bevorstehenden Winter und seine Sonnenwende, obwohl ja späte Sommertage noch möglich sind.

Tempelbegegnung | Besetzer

Sonntag. Baksei Chamkrong hieß die erste vierstufige Tempelpyramide, die ich in Angkor bestiegen habe, währenddessen es zu der seltsamen Begegnung mit dem selbsternannten Hüter einer liegenden Buddhastatue kam. Die Bilder und Stimmungen gehen mir immer noch nach und erfüllen mich mit einer großen Genugtuung.

Keine Atelierarbeit gestern, denn ich hatte genug Arbeit am Schreibtisch. Die vergangene Woche war etwas zerrissen, weswegen ich auch mit meiner Brandungssequenz nicht so weit gekommen bin, wie ich mir das gedacht hatte.

Nach einigen Anläufen und Zettelproben habe ich gestern begonnen, den Prolog zum „Cold Water Blues“ zu schreiben und habe daran aber noch zu werkeln, weil mir der Ton noch nicht so gefällt, weil die Spannung sich sicher noch besser aufbauen lässt.

Gleich um die Ecke in der Kriftler Straße befindet sich das ehemalige Sozialrathaus, das seit einiger Zeit leer steht und einer neuen Bestimmung zugeführt werden soll. Am Freitag zog eine Gruppe von sehr entschlossen wirkenden jungen Leuten am Markt vorbei dort hin und besetzte dieses Gebäude. Ich hatte den Bau mal mit einer vieretagigen Ausstellung ausgestattet. Unter den Besetzern habe ich Kira entdeckt, die vor ein paar Jahren sehr lange in meinem Atelier gearbeitet hatte. Auch deswegen berührte mich diese Aktion sehr. Schon gestern als wir zu Gudruns Essenseinladung unterwegs waren, kamen uns viele Polizeiautos entgegen, und am Morgen las ich in der Zeitung, dass das Haus bereits geräumt wurde. Das ist nun schon der zweite Fehlschlag auf engem Raum. Irgendwas machen sie falsch.

Cold Water Blues

Der „Cold Water Blues“, über den ich gestern noch mal mit Gerd sprach, besteht in erster Linie aus der Geschichte seiner Inspiration:

Du steigst aus der Rikscha und weißt nicht, zum wievielten Mal dein Hemd durchgeschwitzt ist, weißt nicht, wie du unter der senkrechten Sonne diese flimmernde staubige Straße bis an den Rand des Dschungels zurücklegen sollst, in dem du die Ruine vermutest, wegen der du dich auf den Weg gemacht hast, die aber jetzt hinter der Absperrung so weit entfernt scheint. Der Grund dafür sind auch die unzähligen Menschen, die dir etwas zum Kauf anbieten. Ständig steht dir jemand mit einem T-Shirt im Weg, auf den Die Umrisslinie dessen abgebildet ist, das du dir im Original anschauen wolltest. Vor dem wedelnden Lappen in der Hitze stehst du da, wie ein Stier, während sich eine Frau mit einem Glöckchen davor schiebt, dessen Klang dich an alle großen, kleinen, eisernen, silbernen und bronzenen Glocken erinnert, die du je gehört hast, und in dieses Gebimmel singt ein Blinder, begleitet von einem Beinamputierten, der ein mit Stöckchen anzuschlagendes Saiteninstrument spielt, einen verstörend fremden Song, währen geflochtene Fischlein an Spielzeugangeln im schwülen Luftaquarium vor dir herumschwimmen, dir Freundschaftsbändchen angeboten werden, die irgendwann von alleine von deinem Handgelenk fallen sollten. Im Lärm der anschwellenden Hitze verlierst du die Orientierung, weißt nicht mehr, warum du eigentlich hier bist, worauf dich ein T-Shirt mit seinem Aufdruck wieder erinnert, und du spürst, wie dir langsam Hörner wachsen, wie dir die Zunge am Gaumen klebt, wie der verdorrter Körper nicht mehr weiter weiß. Dann aber bietet dir jemand das einzige, was in diesem Moment helfen kann an:

„Cold Water, Sir! One Dollar, Sir! “

Dekorationstechniken

Wieder am Morgen im Atelier im Rückzug der Schatten, in denen noch die Kühle der Nacht wohnt. Nach dem langen Arbeitstag gestern, am Abend noch Wein auf dem Balkon. Unter den Sternen sprachen wir noch mal über die erstaunliche Helene Hegemann, von der ich auch Maj während unserer Abendarbeit erzählt hatte. B. hat von ihr einen Aufsatz aus der „Zeit“ ausgegraben der die Bayreuther Festspiele zum Thema hatte

Soweit ich gestern dazu kam, arbeitete ich an der Brandungssequenz weiter und schaue nun schon gespannt auf den Moment des zeichnerischen Zurückbrandens der entstehenden Struktur.

Jetzt zur Mittagszeit ist das Atelier zu beiden Seiten hin geöffnet, was etwas erleichternden Luftzug erzeugt. Mit den Lehrlingen, die gerade Mittagspause haben, arbeite ich an Dekorationstechniken. Ich höre ihnen zu, sie erfrischen mich und am Nachmittag werde ich ihnen den Bayreuthtext von Helene Hegemann vorlesen.

Einige Papierformate aus Rückseiten von Tapeten haben wir mit der Acrylrakeltechnik bearbeitet. Ich nenne das Dekorationstechnik. Bei der Freude am Tun entstanden schnell viele Blätter nacheinander. Die Produktivität spornt dann auch noch mal an. Nach einer Stunde, wenn dann Feierabend ist, kann ich mich wieder meiner Brandung widmen.

Junger Text | schneidendes Licht

In diesem Spätsommerwetter dringt mir die Sonne, so wenig gefiltert, am Morgen und Abend überm Horizont flache Strahlen aussendend, blendend direkt auf die Netzhaut. In jedem Jahr sind diese Tage auf ihre besondere Weise anstrengend.

Beim Hangabwärtsgehen am Nachmittag nach Westen schon war der Wechsel zwischen den tiefen Schatten unter den Tannen und dem frontalen Licht zwischen den Wipfeln schneidend. Seit sechs Wochen war ich wieder das erste Mal auf dem Pfad. Er hat die Zeit gut, fast wie gepflegt überdauert. Gelitten hat nur der große Rundbau am oberen Ende, der nun langsam in sich zusammensinkt. Meine Gegenmaßnahmen werden das nicht verhindern. Aber ich wollte an ihm weiter arbeiten, was ich nun auch tun werde. Ich bin gespannt, wie sich das den Herbst über entwickelt.

Alles musste gestern schnell gehen, weil die Lesung, zu der wir am Abend gehen wollten schon so zeitig begann. Helene Hegemann hat bei Hanser in ihrem zarten Alter schon den zweiten Roman herausgebracht. Aus diesem Text mit dem Titel „Jage zwei Tiger“ las sehr schön der Neuzugang zu unserem Frankfurter Schauspielensemble, Paula Hans. Eine junge Frau, gut passend zum in mehrfacher Hinsicht jungen Text. Hegemann ließ sich durch die Oberlehrerfragen von Oliver Reese nicht ins Bockshorn jagen, sondern beharrte charmant auf ihrem Stil und auf den hilfreichen Fehlern darin. Ihre entwaffnend charmante und offene Intelligenz verwies Reese in die besserwisserische Nörgelecke.

Plejaden | Begegnung

Mit dem Beginn des Verkehrs am Frankfurter Flughafen, bin ich am Schreibtisch. Auf dem Balkon vorher im Fernglas, passierte ein Satellit den Sternenhaufen der Plejaden – Orion streckte sich bis auf den Horizont.

Gestern hatte ich tagsüber immer wieder Zeit, an den Brandungslinien weiter zu arbeiten. Es geht nun schon auf die erste Wende der Rollbewegung nach rechts zu. Die Bewegung der aufgenommenen und sich verdichtenden Wasserverläufe würde nun als nächstes entgegen dem Zeitstrahl laufen, zurückbranden. Und ich frage mich ob diese Form der intensiveren und schnelleren Überlagerung, die richtige ist. Ich könnte es auch, wie im Schaufenster vor einem Jahr mit neuen Motiven einfach weiterlaufen lassen. Diese kämen von außen, oder würden aus den übrigen hellen Partikeln, die zwischen der Tusche liegen entstehen.

So zeichnete ich in der Polsterwerkstatt, in meinem Atelier an der Hobelbank und im geöffneten Tor dieser Entscheidung entgegen.

Einen Bericht über die Wettbewerbsentscheidung zum Neubauquartier rund um unser Tevesgelände brachte Frau Kanamüller mit, die mit einem Kollegen vom Planungsamt unterwegs war, und bei mir vorbeischaute. Ich sagte noch mal, dass wir uns als Künstler gerne in Gestaltungsfragen einbringen würden.

Surreale Begegnung mit einem mich anstarrenden Menschen, der auf meinen Gruß trocken lacht.

Wasser- und Luftbewegung

Schreiben an der Hobelbank – mit dem Geruch – das Tor habe ich schon heraufgezogen, jetzt morgens kurz nach Sieben. Seine Mechanik wird schwerer gängig und muss mal etwas gepflegt werden. Immer ist aber alles andere wichtiger.

Überraschen habe ich gestern noch am Nachmittag eine Anfrage für eine heutige Vertretung für einen Ausbildungstag bekommen.

„Common Purpose“ hat mich zu einer Runde eingeladen, bei der es um die Integration von jungen Strafgefangenen oder Vorbestraften geht. Weil ich daran unbedingt teilnehmen will, muss ich meine Dresdenreise verkürzen.

Durch die perforierten Eisendeckel der Kanalisation wird die klare, kühle Morgenluft mit der aufsteigenden warmen Abluft durchsetzt. Ich schreibe an der Stelle, an der ich gestern an der Brandungssequenz arbeitete. Einen Ausschnitt ihres Fortschritts habe ich über die gestrige Collage gelegt. Ich möchte herausbekommen ob die Überlagerungen der Linien das Hin- und Herströmen der Wellen noch deutlicher werden lassen, den Eindruck verstärken kann.

Besuch von einer Gruppe japanischer Soziologen, die sich meine Projekte erklären ließen. Nach allen Konzepten, waren sie tatsächlich von der aktuellen Sequenz besonders angetan. Die Bewegungen des Meeres spielen ja an Japans Küsten mit seiner verletzlichen Energiegewinnung eine besondere Rolle.

Sequenzen als Wegzeichen

In den Überschriften der Webseitentexte befindet sich an zwei Tagen hintereinander das Wort Brandungslinien. Das Wichtige dabei ist aber nicht so sehr die aufgezeichnete Aktion, sondern die Übertragung auf eine Transparentpapierrolle als Überlagerungssequenz. Sie markiert den Start für eine neue große fünfzig Meter lange Rolle, an der ich in der nächsten Zeit arbeiten will.

Die fünf bisherigen Transparentpapierrollen sind immer wichtige Begleitungen der anderen Arbeit gewesen, haben sich dann auch manchmal unversehens zur Hauptarbeit entwickelt. Verläufe von Arbeitsphasen sind so festgehalten worden. Teilweise bildeten die verschiedenen Sequenzen Wegzeichen, die zu anderen Arbeiten, zum Beispiel zu den Reliefs führten.

Irgendwann hatte ich beschlossen, die Arbeit auf einzelnen überschaubaren Bögen unterzubringen, womit aber die Kontinuität der Transparentpapiersequenzen endete.

Als ich die großformatigere Rolle mit einem auf zwanzig Metern mit dem Titel „Where…“ fertig hatte, nahm ich mit größere Blätter wie aus der Serie der „Synaptischen Kartierungen“ vor. Nun bin ich froh, zu diesem Rollenformat zurückgekehrt zu sein, das meiner Arbeitsweise am meisten entgegen kommt. So kann ich mich auf die nächste Zeit im Atelier freuen.

Vielleicht komme ich wieder zu dem Materialien Tusche, Graphit, Schelllack und Spiritus. Daraus könnten sich auch Holzarbeiten entwickeln.

Brandungsliniensequenz

In meinem offenen Ateliertor sitzend habe ich gestern begonnen, die Brandungsliniensequenz zu zeichnen. Der Vorgang der Verdichtung ist zwar bewährt, führt aber dennoch immer wieder zu überraschenden Formen der Begegnungen der Linien. Ein stetes Verdunkeln durch die zunehmende Steigerung der Überlagerungen.

Mühsam, wie immer ist das Nacharbeiten der Tagebuchdateien. Eine Frage der Geduld, der Überwindung und der aufzuwendenden Zeit.

Über das Glück der künstlerischen Arbeit sprach ich gestern am Rande des Abschiedsabends von Tine und Adi, mit Waltraud, einer Kollegin, die auch immer zu den Treffen „zwischen den Jahren“ gekommen war. Währenddessen habe ich dem schönen Riesling gut zugesprochen. Die Zwei werden am Dienstag mit ihrem Sohn endgültig nach Doha in Katar umsiedeln. Ein mutiger Schritt in eine ganz andere Welt.

Auf der gegenüberliegenden Alleenseite geht ein grauer Großvater mit seinem hüpfenden Enkel an der Hand stadteinwärts, vorbei an den Kaffeetrinkern und Eisessern, die in der Mittagssonne die letzten Sommerstunden vor der großen Finsternis genießen wollen. Schon bewölkt sich von Nordwesten her der Himmel, der am Morgen noch blassblau war.

Die trödelige Ruhe eines Sonntags schiebt sich zwischen mich und die Arbeit. Schön ist es das Treiben gegenüber im Cafe zu beobachten.

Brandungslinien

Der Morgen wird von den regelmäßig fahrenden Bussen rhythmisiert. Ich schaue auf die Uhr, wenn sich der Dieselmotor nähert, nehme mir vor, beim nächsten Bus aufzustehen und warte ab, um Kaffee kochen und mich an den Schreibtisch setzen zu können.

Ich lese in den ein Jahr alten Eintragungen von der Struktur, mit der ich die Ausstellung bei Schulz und Souard gemacht habe. Die Waldwanderungen, die damals eine entscheidende Rolle gespielt haben fehlen mir jetzt. Am kommenden Mittwoch nehme ich mir wieder vor, auf den Pfad zu gehen. Vielleicht geht es zukünftig nicht mehr so sehr um die Bauten am Wegesrand, sondern nur um das Material, das dahin verrückt wird.

Das fotografische Material aus Angkor findet nun langsam in die täglichen Collagen. Dabei ist meistens tropischer Wald, der die Ruinen umgibt und ihre Mauern sprengt.

Endlich sind die Brandungslinien aus Chaolao auf neun Din A 4 Blättern in das Atelier gewandert. Geradezu feierlich habe ich dann einen Streifen Transparentpapier zugeschnitten, um die Einzelteile zusammenzeichnen zu können. Es war, als sei ich zu meiner wahren Bestimmung zurückgekehrt – glückliche Stunden. Manchmal lohnt es sich also, den Arbeitstag am Schreibtisch etwas zu verlängern.

Nun habe ich den Anfang für eine weitere Transparentpapierrolle, die ich im Verlauf der nächsten Monate zeichnen will.

Langsame Veränderungen

Von den Zeltbahnen der Textilstände des Marktes wird das gefilterte Morgenlicht dieses Freitags aufgefangen. Die Farben der Jahreszeit werden projiziert.

Unterwegs schauen Radfahrer auf ihre mobilen Displays, begeben sich in die andere Welt. Schüler verlieren ihren ungelenken Habitus und steuern manchmal gleichzeitig in eine stillere Gangart. Das sind die langsamen Veränderungen vor dem Schreibtischfenster.

Ein neues Einkaufszentrum, dessen Funktion uns schon vor zwölf Jahren beschäftigt hat, ist eröffnet. Die ursprünglichen Entertainment- und sogar Kulturfunktionen sind nicht verwirklicht worden. Es scheint die üblich glatte Warenwelt, die auf das überflüssige Geld der Menschen zielt entstanden zu sein.

Mein zeitliches und räumliches Gerüst, das mich wieder in meine Arbeitskontinuität bringen soll, wird durch die Unterrichtstage unterwandert. Immer noch fehlen mir die Brandungslinien und die Reliefstrukturen aus Angkor im Atelier. Die Prioritäten sind aber andere.

Maj zeichnete gestern Abend mit Pinsel und schwarzer Farbe skulpturale Volumina, wie ich das vielleicht vor fünfundzwanzig Jahren in den Theater und Tanzproben angefertigt habe.

Falkenrevier

Flach bis in den hintersten Winkel des Ateliers dringt das direkte, blendende Sonnenaufgangslicht. Scharf und deutlich sehe ich die aufgeräumten Werkzeuge und die von beiden Seiten in eine schwarze Leiste geschnittene Figur. Mit einem Geißfuß vom alten Schreiner Roos schnitt ich so tief in das Holz, dass nun eine durchscheinende „Seele“ im Gegenlicht leuchtet.

Die Jungen Menschen auf Teves geben mir ein warmherziges Feedback auf unsere bisherige Zusammenarbeit. Sie wollen sogar unsere weitere Zusammenarbeit mit ihren Mitteln stabilisieren.

Im Spätsommerlicht sehe ich winzige Eidechsen, die einem Gelege unserer einzelnen wenigen Exemplare entwachsen sein müssen. Sie tummeln sich etwas gewagt über die Einsichtsflächen des Falken.

Fast meine ich, dass das Licht nun ganz still ist. Ein sanfter Schleier liegt über allem. Auf unserer Schotterfläche haben sich Kamille und Huflattich angesiedelt. Sie können einiges an Trockenheit und Hitze aushalten.

Ein weiteres Gespräch mit den Künstlerkollegen über die Zukunft des Tevesgeländes. Impulse erhoffen wir uns von der Neubebauung der Umgebung. Die Bauherren sollten uns vielleicht als imagestiftend wahrnehmen und uns ein wenig aufbauen.

Stillhalten

Herbstliche Farben und lange Schatten legt das Licht in den Morgen. Im Hin und Her tragen die Menschen wieder Jacken.

Die kleine Büste wurde gestern im Atelier fertig. Dennoch, die Fülle in meinem Kopf lässt sich noch nicht ordnen.

Am Bildschirm versuchte ich die GPS-Aufzeichnungen der Brandungslinien aus Chaolao in ein Format zu bringen, mit dem ich weiterarbeiten kann. Dafür benötige ich noch mehr Zeit.

Abwarten – nichts entzündet eine Inspiration – Stillhalten.

Besuch von Carola am Abend. Wegen der Trägheit der Organisatoren scheint unser Indienprojekt auszufallen – einfach so.

Anne wird heute Fünfunddreißig. Als sie geboren wurde war ich zehn Jahre jünger als sie jetzt und jetzt nahe Sechzig. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, wie die nächsten fünfunddreißig Jahre aussahen.

In vierzehn Tagen fahren wir nach Dresden zur Premiere einer deutschen Erstaufführung von „Supergute Tage“ von Simon in B.`s Übersetzung. Außerdem findet nach einem Rimini Protokoll Abend ein Fest zum hundertjährigen Bestehen des Schauspiels Dresden statt. Wilfried Schulz, den wir aus Heidelberg kennen, ist dort Intendant. In fünfunddreißig Jahren wird sich viel verändert haben. Ich bin auf den Umgang mit der Vergangenheit gespannt.

Dokumentationswille

Der Satz Holzschnitzwerkzeuge, die Hobelbank und die anderen Holzbearbeitungswerkzeuge inspirieren mich zu handwerklichen Experimenten. Die setzte ich gestern mit einer kleinen Büste fort. Ihre Schulter soll von der Seite aus extrem schmal werden. Die Frontalansicht des Gesichtes ebenfalls, so dass die Ausrichtungsachsen fünfundvierzig Grad zueinander verdreht sind. Ich merke, wie ungeübt ich bin und wie wenig diese Arbeit mit dem zutun hat, was ich eigentlich will. Mit der handwerklichen Freude ist es eben nicht getan.

Eher interessieren mich die GPS-Linien, die ich in der Brandung von Chaolao gelaufen bin. Aber auch die Kompositionslinien des Schlachtengetümmels an den Mauern von Angkor Wat erinnere ich. All das aber ist noch für die Benutzung im Atelier aufzuarbeiten.

Eine Ernsthaftigkeit der Holzschnitzereien kann vielleicht erst dann entstehen, wenn ich sie mit den geschweißten Dreiecksgitternetzen kombiniere. So ließen sich die Elemente einer Geschichte voneinander getrennt in einem Raum schweben lassen, in dem sie durch das Netz dennoch miteinander verbunden sind.

Ähnliches hatte ich mir schon mit mehreren identischen Abgüssen einer Figur überlegt, die unterschiedlich ausgerichtet im Netz schweben.

Einen großen Eindruck macht auf mich derzeit ein Text des Filmemachers Rithi Panh, der sich in einem Dokumentarfilm mit den Folterern und Mördern der Roten Khmer beschäftigt hat. Erstaunlich ist, wie er die zerfaserte Kraft als Überlebender mit seinem Dokumentationswillen rüstet. Nichts soll vergessen werden.

Quer durch die Grauschleier

Mit dem Auto quer durch die ganze Stadt über eine der Mainbrücken am leeren Mainuferfest vorbei bis nach Oberrad. Dort fanden wir auf dem Waldfriedhof das Grab von Ingrid.

Am Eingang, in die Friedhofsmauer eingelassen, befindet sich ein Stein, der einen von Rankenwerk umgebenen Jüngling zeigt. Im Kontrast zum Ort, ein sehr vitales Werk.

Keinen Spaziergang über das schöne bewegt – waldige Gelände erlaubte der tosende Regen, der mit unserer Ankunft eingesetzt hatte. Das Urnengrab ist ein Quadrat, das zur Ausrichtung des Weges, an dem es liegt, vielleicht um dreißig Grad gedreht ist, zurückhaltend bepflanzt und sehr geschmackvoll.

Kein Halt auf der Rückfahrt, ein stiller Sonntag, verregnet und arm an Farbe.

Die akustischen Rhythmen vor der Tür werden von einer temporären Bushaltestelle, die uns aus nicht erfindlichen Gründen noch einen Monat erhalten bleibt, bereichert. Dazu die startenden Maschinen in der seltenen Konstellation mit von Osten vorbei geschobenen Wolken, die Regen mit sich führen.

Ich beginne nun die Motive von Angkor mit in die täglichen Collagen einzubauen. Bald werden auch die Reisetexte mit in das Arbeitstagebuch eingefügt

Fernhalten

Gestern ist die Allee von einem Guss unter Wasser gesetzt worden, der einem Tropengewitter alle Ehre gemacht hätte. Während dessen stellte ich mir die nach Schutz suchenden dreimillionen Besucher des Museumsuferfestes zwischen den Elektrokabeln der unzähligen leuchtenden, Essen anbietenden und lärmenden Stände vor. Die brodelnden vergnügungssüchtigen Menschenmassen, die heute auch noch von einem verkaufsoffenen Sonntag angezogen werden. Es kann einer Stadt nicht reichen nur der Ort des Wohnens, des Arbeitens und der Ort zu sein, wo man seine Freunde findet und trifft. Nein – alle Menschen der weiteren Umgebung müssen durch die Eventisierung des Ortes in Gang gesetzt werden, sich zusammenzuballen und den entstehenden Lärm und die Müllberge anschwellen lassen.

Wessen Erfindung ist die Sehnsucht nach Ruhe, nach der bachdurchflossenen Stille des Waldes? Es erscheint mir wie ein Privileg, mich von den Massenveranstaltungen fernhalten zu können.

Gestern habe ich die Fotos unserer Kambodschareise zunächst auf meinen kleinen Rechner geschoben und geordnet. Die Angkorfotos sind noch nach Tempeln zu sortieren.

Vom Atelier habe ich mich gestern noch ferngehalten. Zu sehr bin ich zu Hause mit dem Ankommen beschäftigt. Ich erinnere mich an den Moment, als wir die Wohnungstür hinter uns geschlossen hatten und der unbekannte Raum vor uns lag. Selbst die Beschaffenheit der Stadt Bangkok, die wir vor zwölf Jahren etwas kennen gelernt hatten, musste sich durch die Jahre unserer anderen Asienerfahrungen verändert haben.

Reisen erzählen

Ganz gerne würde ich die Reisetagebucheintragungen, die oft kleine Geschichten in sich tragen, in die Arbeitstagebuchdatei einfügen. Mich schreckt dabei einerseits die viele Arbeit, andererseits könnte ich mich noch mal in Ruhe mit der Reise beschäftigen und die Geschichten etwas abrunden. Außerdem wäre es ein Treuedienst an meine Internetleser.

Im Atelier habe ich mit Linien, die ganz formal kontrapunktisch aufeinander reagieren begonnen, eine neue Transparentpapierrolle zu zeichnen. Auch dafür werde ich die Fotografien aus Angkor benutzen können. Das ist alles noch eine Menge schöner Arbeit.

Auf dem Markt waren nun alle wieder da, zurück von ihren Reisen und froh, sich erneut zu sehen. Mathilda ging wieder mit mir spazieren und ich erzählte gerne von der Reise.

Öfter ging mir unterwegs durch den Kopf, dass Anja gesagt hatte, dass sie sich freuen würde, wenn ich dann wieder da, erzählen würde. Und oft dachte ich, wie soll ich das jetzt beschreiben. Vielleicht haben deswegen auch die Reisetexte einen etwas anderen erzählenden Stil, im Gegensatz zu den Dokumentationen der vergangenen Jahre bekommen.

Gerd hatte wohl die meiste Arbeit mit dem Wässern der Pflanzen gehabt. Ihm gebührt also der größte Dank. Aber ich sehe schon kommen, dass es schwierig wird, alle mal zum Essen zusammen zu bekommen.

Absaras

Vor mir steht eine kleine Figur einer tanzenden Absara auf meiner Schreibtischplatte. Wir kauften sie von zwei Mädchen vor einer der späteren Tempelbesichtigungen in Angkor. Die Händlerscharen erstrecken sich manchmal bis in das Innerste der Heiligtümer, und selbstverständlich sind auch die religiösen Dienste nicht umsonst zu haben. Aber da wir keine Buddhisten sind und uns deswegen auch nicht den Bräuchen nähern, haben wir nur mit stoischer Gelassenheit das Meer des Kommerzes zu queren. Wenn die Kinder allzu lästig wurden, sagten wir ihnen, dass sie lieber in die Schule gehen sollten. Das half.

Vier unbesichtigte Fotochips liegen noch auf dem Tisch, einer ist noch in der Kamera. Viele der aufgenommenen Absaras mit den mannigfaltigen Frisurenaufbauten sind auch dort noch zu entdecken.

Ferner liegen einzeln in kleinen Klarsichttüten eingepackte Amulette zu fünf Stück noch einmal in eine wieder verschließbare Tüte eingepackt auf der Schreibtischplatte. An den Mauern eines großen Wats in Bangkok gibt es einen Markt, der nur auf diese kleinen Täfelchen spezialisiert ist. Es waren die heißen Stunden des Tages, und keiner der Händler schien große Lust zu haben, für die paar Bath, die ein Exemplar kostete, bei unserem Vorbeigehen auch nur den Kopf aus einem der Klappsessel zu heben. So konnten wir uns die Exemplare, die uns gefielen in Ruhe aussuchen.

In den letzten Tagen unserer Reise sprachen wir öfter von luftgetrocknetem Schinken, Ziegenkäse, dunklem Brot und dem hellen Grauburgunder aus Battenberg. Nun ist B. auf den Markt gegangen.

Ayuttaya

Bangkok. Weißer Himmel. Deckenventilator auf Stufe vier. Eine schwarze Katze umstreicht das Geisterhäuschen, an dem mit ein paar Lebensmittelopfergaben für gute Stimmung gesorgt werden soll.

Gestern gerieten wir in die Gebete und die rituellen Handlungen der Buddhisten. Dann nehmen wir manchmal zwischen ihnen Platz, warten ab, schauen uns um, bis zwischen den Wiederholungen kleinere Pausen eintreten. Das gibt uns Gelegenheit zwischen den aufstehenden oder hereinströmenden Menschen umherzugehen, um sich etwas in die Malereien vertiefen zu können.

Ayuttaya. Kurze Fahrt in einem eisigen Taxi aus der großen Stadt heraus in ein nettes Resort hierher. Die Häuser, die Böden und Möbel bestehen aus dem hiesigen Tropenholz, oft dick mit Bootslack beschichtet.

Wir bezogen ein schönes Eckzimmer über dem Pool, der von einem dichten Garten umgeben ist. Durch das viele Grün führen verwinkelte Wege zu den Zimmern.

Schon unterwegs fielen mir die Backsteinruinen der Tempeltürme auf. Während ich schreibe und B. uns einrichtet, überlegen wir, wie der Tag heute noch weitergehen soll.

Noch bin ich gefangen von der Brutalität der Stadtaußenbezirke, von dem rohen, in unförmige Maßverhältnisse gegossenen Beton. Die Shoppingtempel mit riesigen Reklamen dazwischen, aber auch kleine traditionelle Wats der Buddhisten. Irgendwann aber kamen die Flächen der Zuckerrohr- und Reisfelder und das Land begann wohltuend.

Wandbilder

Bangkok. Der Verputz profaner Bauten bietet starkfleckige Bilder, ungerahmte Objekte vom Wetter gezeichnet, von den Abgasen mitgenommen, weißfleckig, oder schwarzgrau senkrecht gestreift. Im Raum davor befinden sich bündelweise schwarze Kabel, einzeln miteinander verknüpft und von jungen muskulösen Drahtziehern verlegt. Sie kennen sich zwar im Labyrinth der verzweigten elektrischen Wege aus, was ihnen aber im Fall der Regenflutung der Stadt auch wenig nützt. Gefährlich bleibt es dann allemal.

An unserem dritten Tag in der Regenzeit hier, fiel noch kein Tropfen. Ganz zu schweigen ist von den Wasserwänden und rauschenden Infernos, wie wir sie kennen.

Am Nachmittag aber wurden neben den Klonks schon Planen gespannt. Die stechende Hitze senkrecht von oben wurde besonders drückend.

Die Malereien an den Wänden der Tempel folgen oft den indischen Epen, zeigen aber auch viele Szenen aus dem Leben der Herrscher oder ihres dienenden Volkes. Dabei werden die Götter, aber auch die Landbevölkerung mit individuell genau gezeichneten Porträts versehen. So bedecken feine Malereien über detailreichen Vorzeichnungen große Wände der Innenräume vieler Tempel.

Am Nachmittag dann, als wir gerade im Hotel angekommen waren, setzte das ein, was man einen Tropenregen nennen kann. Wir legten uns auf die Betten und ich dachte an die Stromstöße, die die Busladungen ausgeschütteter Touristenherden durchzucken.

Klosternachbarschaft

Bangkok. Von den Fassaden der bunten Tempeltürme, Prang genannt, fallen manchmal kleine Keramikstückchen herab, die in den Putz eingelassen die Dekoration flirrend zerstreuen. Vor zwölf Jahren fanden wir das noch sehr erstaunlich und faszinierend.

Die touristischen Hauptattraktionen werden von Touristenmassen heimgesucht. Dabei handelt es sich um Chinesen, Vietnamesen und Menschen aus anderen asiatischen Regionen. Es herrschen Enge, Grobheit und Lärm. Die Enden der metallenen Sonnenschirmstreben befinden sich auf Augenhöhe. Man muss sehr aufpassen.

Oft führen uns unsere Wege über den Fluss. Von einem Restaurant an seinem Ufer beobachteten wir das schnelle Hereinbrechen der Dunkelheit und das Aufleuchten der Stadt. Entsprechen hatten wir ein paar Bath mehr aufzuwenden. Die kleinen Garküchen zwischen den Häusern und in den Toreinfahrten haben aber Bestand. Ihre Suppen sind unübertroffen und nach wie vor preiswert.

Unser Guesthouse befindet sich in einem Viertel, in dem viele Holzhäuser stehen geblieben sind. Einige Klöster stoßen mit ihren Mauer fast an unser Gelände. Das Beeinflusst den Stil der Bewegungen um uns herum. Es ist stiller und gemächlicher. Die Kleinteiligkeit erfreut die Sinne.

Ankunft Bangkok

Bangkok. Wie Olivin leuchtet das Wasser des Flusses auf dem man schnell mit Booten von einem zum anderen Ort der Stadt kommt, zwischen den Strudeln der Schiffsschrauben. Schwere karpfenartige Flusswelse drehen ihre geschuppten Seiten an die Wasseroberfläche.

Am Morgen sahen wir diesen Fluss schon bald beim Landeanflug nach einer verkrümmten Nacht im Sitz eines A 380 über den asiatischen Wüsten, als ockerfarbene Schlange zwischen den Stadtflächen. Erst hinter Pakistan auf der Höhe von Amritsar spürte man die Wolkengebirge des Monsuns. Im Halbschlaf glaubte ich über dem Ganges immer etwa zu wissen, wo wir uns befanden.

Die Arbeitsgeräusche hier in dieser sehr ruhigen Gegend der Stadt werden von den tropischen Schreien eines Vogels übertönt.

Der Nachmittag war ein typischer Eingewöhnungstrip mit etwas Schlaf, Bootsfahrten auf dem Fluss und mit Spaziergängen auf dem Gelände des Wat Pho.

Und natürlich spielen die Erinnerungen an unseren ersten Besuch der Stadt vor zwölf Jahren eine Rolle. Alles was uns damals exotisch und spannend vorkam, hat sich nun etwas relativiert. Dem Fremden nähern wir uns mit etwas mehr Reserviertheit. Der Reiz der Fassaden des Wat Pho ist etwas verblasst. Dafür aber scheint uns ein dritter Blick, etwas mehr unter die verzierten Oberflächen möglich geworden zu sein.

Packen


Zwei junge Damen vor mir an der Kasse eines Drogeriemarktes sind so intensiv mit ihren Smartphones beschäftigt, das der Kassiervorgang ins Stocken kommt. Ich möchte Batterien für die Stirnlampen kaufen, die wir auf der Reise zu benötigen glauben und merke aber, dass ich zu wenig Geld in die Tasche gesteckt habe. Die Damen benötigen für ihr Fertiggrillset und die eingeschweißten Würstchen noch die passenden Grillpartner und ich ziehe unverrichteter Dinge ab. Zu Hause sind überraschenderweise doch noch passende Batterien vorhanden. Urlaubsreif.

Vierunddreißig Grad im Schatten. Die Pflanzen vor dem Atelier bekommen viel Wasser. Am kommenden Wochenende sollen die Temperaturen noch mal steigen. Ich habe ein schlechtes Gewissen die Versorgung meines Grüns bei dem Wetter Gitta und Gerd zu überlassen. Immerhin habe ich den Kühlschrank voll Bier gepackt.

Gestern packten wir in Ruhe unsere Taschen. Nachher fahren wir dann mit der S-Bahn zum Flughafen.

Auf Teves ist vorübergehend etwas Ruhe eingekehrt, obwohl ich mit mehr Veranstaltungen mit viel Krach gerechnet hatte. So vermindert sich nun das Konfliktpotential.

Virtuelle Skulptur | Hitze

Gestern Vormittag begann ich wieder, mit virtuellen Skulpturen zu arbeiten. Eines der Werkzeuge heißt „Ray Dream“ und ist nicht ganz einfach zu bedienen. Damit kann ich aber auch die Umrisse extrudieren, die man gezeichnet hat oder gewandert ist.

Die Hitze hat mich fest im Griff. Sie ist ein Synonym für all die belastenden Dinge, denen man nur schwer entrinnen kann und löst eine depressive Tendenz aus. Ich kann nicht aus meiner Haut und werde gleichzeitig träge. Deutlich ist zu spüren, wie die Luft steht, kaum Zirkulation. Sehnsucht nach Fahrtwind oder einem Gewitter kommt auf.

Dennoch baute ich im Atelier an dem Dreiecksrahmen für die Reliefs und hatte mich dabei auf die neue Situation der Werkbank einzurichten. Sie ist niedriger als der Schraubstock auf seinem Tisch.

Am Abend las ich in einem Buch über Angkor Wat und stellte dabei fest, dass die Masse der Bauten noch viel gewaltiger zu sein scheint, als ich mir das vorgestellt hatte. Jedenfalls müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, uns alles anschauen zu können.

Gestern interessierte ich mich besonders für die Reliefgalerien des Bayon. Die Fülle der Motive lässt sich kaum zwischen zwei Buchdeckel bringen. Auch deswegen muss man hinreisen. Es kann sein, dass die Besichtigung anstrengender aber auch großartiger wird, als alles, was wir bisher in Indien gesehen haben.

Gehirnwäsche

Gehirnwäsche – zum wiederholten Mal, ohne großen Variantenreichtum, wurden wir von der unglücklichen Geschichte einer Ehe überschüttet. Ich komme mir abgefüllt vor. Besuch – höflich harrt man aus, versucht Einwürfe, versucht den Sonntagnachmittag zu retten, sich etwas zu erholen – vergebens.

Es ist fast unmöglich nach einem solchen Redeschwall zur Normalität zurückzukehren. Ich versuche das in der Kühle des Morgens auf dem Balkon, wo immerhin meine gefädelten Ketten aus Fuerteventura hängen. In der gestrigen brutalen Hitze stiefelten wir durch den Sonnenschein am Mainufer. Unter dem Schattenschirm der Platanen bewegten sich kleine Sonnenspots auf den Gehwegen. Sie werden erst sichtbar, wenn man selber stehen bleibt.

Über den Dächern ging ein Vollmond auf, groß, klar und schnell wandernd. Für heute ist noch größere Hitze angesagt. Für Gewitter fehlt es noch an Luftfeuchtigkeit.

Am Wochenende von fettwänstigen Familien vermüllt, die ihren Reichtum damit ausdrücken, liegt die Allee da. Bauerbeiter aus Südosteuropa betrinken sich schon am Vormittag, was den Effekt hat, dass sie in der Nacht nicht mehr lärmen.

Schon die Spiegelbilder in den Scheiben des Cafes signalisieren mir, dass ich hier raus muss. Es ist genug jetzt.

Gärung

Auf einem meiner Tische im Atelier steht die Weinpresse von Helgas Vater. Das erinnert mich an meine Zeit an der Elbe bei Dresden. Zwischen dem Wohnhaus und dem Fluss befand sich eine große Sauerkirschplantage, die nach einer Ziemlich schlampigen Ernte zum Plündern freigegeben wurde. Eimerweise habe ich diese Früchte zu Kirschwein verarbeitet, einem schillernden Getränk, von dem ich bis zu zweihundert Liter gemacht habe. In den vielen verschiedenen Weinballons blubberte es dann bis weit in den Herbst hinein und im Atelier roch es in dieser ganzen Zeit nach Gärung. Durch mehrmaliges Abfüllen klärte sich das Getränk, weil immer etwas Bodensatz zurückblieb. Mit einem wachsenden Freundeskreis war der Wein dann im darauf folgenden Sommer ausgetrunken.

Nun stehe ich hier vor der Aufgabe, die geeigneten Früchte der Region zu finden, mit denen ich das Ganze wieder beleben kann. Ich könnte es zunächst mal mit Äpfeln versuchen und dann mal schauen, was sich noch eignet.

Die Hobelbank weihte ich gestern mit dem Schnitzen eines kleinen Paares aus einem Stück Bauholz ein. Einiges von dem Werkzeug, das ich für den Bau der Dreiecksrahmen benötige, legte ich schon in die große Schublade unter der dicken Arbeitsplatte. Ich habe mich nun schon so sehr mit dem sich dafür nicht sonderlich gut eignendem Schraubstock eingearbeitet, dass ich erst einmal überlegen muss, wie ich das Holz für diese Arbeit in die Werkbank einspannen kann.

Holzarbeit


Auf den verschiedenen Bodenbelägen, dem Pflaster und den Wegen aus Erde und ockerfarbenem Split, werden die Schatten der Aleenbäume lang nach Westen hin verwischt.

Die Ringeltauben und Elstern liefern sich Sängerkriege und seit vierzehn Tagen starten die Flugzeuge mittlerer Größe über unser Haus. Manchmal nähert sich schon das nächste, wenn der Lärm des vorherigen noch nicht verklungen ist.

Am vergangenen Donnerstag haben wir das Werkzeug aus der Schreinerwerkstatt zunächst nur auf den Boden des Ateliers gelegt. Nun habe ich meine Regale etwas stabilisiert und Platz für das viele Metall gemacht.

Auf der Werkbank, die gewichtig in der Mitte des Raumes steht, hobelte ich eine Leiste, die ich schon eine Weile für dies und das benutze. Sie war rau, schmutzig und splittrig, ist nun fast ein glatter Handschmeichler.

Und gleich fallen mir Dinge ein, die ich aus Holz machen könnte. Vor der Tür steht ein schwerer Balken, der Brandspuren, Gipsschichten und Bruchkanten aufweist. Er würde sich für eine Figur eignen, die ich in ein Dreiecksgitternetz montieren kann. Als Vorbild schwebt mir dafür ein animiertes Wesen vor, das ich vor zwanzig Jahren in ein virtuelles Weltall rotieren ließ. Das war innerhalb der Performance „In The Forest“ in der Schokofabrik in Heidelberg.