Tanzender Shiva

Manchmal begegnet man dem tanzenden Shiva inmitten der Woche, sei es als plötzlich erscheinende Großfamilie, als Bauschutttransporter, Während der Verabredung zur Waldwanderung oder beim Abendkonzert einer Jonny Cash – Coverband im Park. Ich kann mit dieser Musik wenig anfangen und mein Gitarrenlehrer Arun war auch als eingesprungener Gast weniger gefordert. Aber die Menschenmassen mit Picknickdecken auf der herunter getrampelten Wiese erinnerten an indische Zustände. Wir trafen Gudrun und tranken auf einer Decke gemeinsam ein Sixpack aus.

Am Nachmittag war ich mit ihr zu einem schweißtreibenden Hanggang im Wald. Der Sommer meint es gut in diesen Tagen. Um Majs schwebendes Boot räumten wir einen Bodenkreis frei, der es nun besser zur Geltung kommen lässt. Wir bauten viel Neues: Bodenkreise, Geflechte und Anlehnfiguren, die sich an die Baumstämme schmiegen.

Am Abend hatte ich nach einem Anruf von Helga, den heutigen Transport der Hobelbank vorzuverlegen. Vor dieser Aktion heute ist mir etwas bang. Zum einen wegen des Gewichtes der alten Werkbank und andererseits auf Grund des ungewohnt großen Autos.

Am Hang hatte ich einiges fotografiert, obwohl sich die Lichtreflexe wieder in den Vordergrund schoben. Je weniger ich im Atelier an neuen Dingen baue, umso wichtiger werden die Waldgeflechte. Im Zusammenhang mit den täglichen Zeichnungen sind sie derzeit meine Fixsterne, an denen ich mich während der Alltagsnavigation orientiere.

Drahtgitternetz mit Trümmerschichten

In den letzten Jahren sieht man öfter Drahtgestellkuben, die mit Schotter angefüllt sind. Sie werden beispielsweise zu Lärmschutzmauern neben Autobahnen oder Eisenbahntrassen gestapelt. Am Morgen dachte ich mir ein solches geflochtenes Dreiecksgitternetz, in das ich die ausgegrabenen Trümmer aus der archäologischen Schicht des „Russenlagers“ hineinfülle. Ein solches Netz kann natürlich auch in eine bestimmte Form gebracht werden.

Am gestrigen Nachmittag formte ich das Blutkreislaufrelief vielleicht zum zwanzigsten Mal aus. Diese kontinuierliche Tätigkeit verschafft mit im offenen Rolltor einen direkten Zugang zu den Atmosphären, die auf Teves herrschen.

Am Abend las ich drüben im Cafe in den „Cronicles“ von Dylan. Beim zweiten Lesen erkenne ich noch weitere Dimensionen des Textes. Neben den Kolonnen von Musikernamen, die man heute ja „googeln“ kann, öffnet sich der Raum oft in sehr poetische Passagen. Sie leuchten zwischen dem etwas schnodderigen Ton hervor. Ihr Auftritt ist ganz unmerklich, weil die Beleuchtung der Szenerie dennoch nicht wechselt: „Die Stille des Weltalls war noch nie so laut gewesen“ (S. 109).

Der Blick der ein Fußballspiel horizontal durchdringt, wird durch eine Schwerkraft nach unten umgelenkt oder der Raum wird gebogen, wie Glasfasern. Er folgt der Richtung in den Boden, der die Formationen der Trümmer der Geschichte aufbewahrt. Auf der armseligen, überdachten Trainerbank sitzt ein sorgenvoller Coach etwa dort, wo die Baracke der Wachmannschaft der Kriegsgefangenenlagers stand. Was bedeutet uns dieser Ort?

Pflanzen | Gespräche

Vormittags kümmerte ich mich nochmals um eine knappe Beschreibung des Projektes, das ich im Architekturmuseum machen möchte. Bevor das ernst wird, werde ich ein paar Schritte selber ausprobieren müssen.

Im Anschluss an die Kreuzung Schwalbacher – Frankenallee wird nun ostwärts der Grünstreifen erneuert. Die Arbeit wird in der Hauptsache in unserer Abwesenheit erledigt und findet diesmal nicht direkt vor unseren Fenstern statt. Nach künstlerischen Gestaltungen wird nicht gefragt.

Nachmittags formte ich ein Kreuzstabträgerrelief im offenen Rolltor des Ateliers aus. Mit den letzten sechs Dreiecksrahmen habe ich ausschließlich Blutkreislauffigurenreliefs gefasst. Nun kann ich sie im „Balken“ zu einem Wandbild zusammenstellen.

Am Abend kamen Gitta und Gerd, die während unserer Abwesenheit meine Pflanzen am Atelier wässern wollen. Ich zeigte ihnen kurz, wie das mit dem Schlauch unaufwendig geschehen kann.

Wir sprachen über das Günesproblem und über deutsche Erinnerungskultur. Ich versuche mit vielen Menschen über die Art und Weise des Gedenkens ins Gespräch zu kommen, um meine Haltung dazu zu bereichern.

Maj schrieb in einer Mail, und zitierte mich dabei, dass man das Ganze nicht zu früh zerreden sollte. Wenn die Gespräche aber um allgemeine Schritte des Erinnerns kreisen, kann das eigentlich nicht geschehen.

Deniz habe ich den Artikel über den RAF-Zyklus von Richter gegeben und will mal sehen, was er dazu zu sagen hat. Seine Beschäftigung mit dem Armenierthema schließt ja auch Herangehensweisen mit ein, die sich aus europäischem Gedenken ergeben.

In den Schubladen

Selten hatte ich mir vorgestellt, wie mein Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft aussehen könnte. Nie dachte ich als Jugendlicher über die Schallmauer des Jahres Zweitausend hinaus. Eher wollte ich wissen, wie sich mein Dasein in der Vergangenheit anfühlte, oder in früheren Zeiten angefühlt hätte.

Früher war ich oft mit Projekten beschäftigt, die nicht umgesetzt wurden. Dieses Arbeiten für die Schublade ist ein seltsamer Vorgang, der aber immer auch mit der Hoffnung durchsetzt ist, dass von den Entwürfen doch noch etwas gebraucht wird. Seit Jahren lagern die Neulandentwürfe und die für den Bahnhofsvorplatz im Historischen Museum. In einem Büro des Architekturmuseums hängt mein Handprint Frankfurt.

Mit Blick auf das Kriegsgefangenengedenken möchte ich nicht mehr so viel investieren, ohne dass eine Finanzierung und Umsetzung klar ist. Dem steht gegenüber, dass mich das Thema sehr reizt, und dass ich schon immer an Dingen gearbeitet habe, die mich einfach so ohne Zielorientierung interessierten.

Phasen des Erinnerns

Am ruhigen Nachmittag im Atelier, der nur kurz durch Erdbeben der Technomaschinen bei Günes gestört wurde; baute ich sechs Dreiecksrahmen zusammen.

Am Abend trafen wir Jan, Babette und Niki bei Barbara Neu zum Grillen. Mit Niki habe ich mir immer viel zu erzählen. Gestern ging es um künstlerische Formen des Erinnerns.

Am Nachmittag las ich dazu im „Kunstforum“ einen Artikel über die Rezeption des RAF-Zyklus von Gerhard Richter. Immer wieder werden die Ausstellungen dieser Bilder kontrovers diskutiert. Dem Maler wird beispielsweise die Heroisierung der Terroristen vorgeworfen und dass er keine Opfer dieser Menschen zeigt. Dabei wird die tiefere Dimension des Blickes auf die selbstzerstörerische Ideologie dieser Deutschen des zwanzigsten Jahrhunderts übersehen.

Niki wird in seinem Film über Rommel auch eine Beschönigung der Figur oder der Situation vorgeworfen. Dabei stellt er die Frage nach dem Grad der Selbsttäuschung, was die Ermordung der Juden angeht. Es geht darum, wie lange Rommel diese Wahrheit von sich fernhalten konnte und wollte, um weiter an das System glauben zu können.

Es stellt sich die Frage, was uns im Erinnern und Gedenken interessiert und wie sich diese Maßgaben im Lauf der Zeit, in der zunehmenden zeitlichen Entfernung zu den Geschehnissen verändern. Wir sind in eine qualitativ neue Phase des Erinnerns eingetreten. Dem muss bei künstlerischem Gedenken Rechnung getragen werden.

Erinnern des Vergessens

Meine Dreiecksrahmen baue ich immer noch mit der Hand. Das ist ein Vergnügen. Ich habe leichtere Leisten gekauft, deren Kanten nicht gebrochen sind, wodurch sich genauer arbeiten lässt.

Gestern war Mathilda auf dem Markt und wollte mit mir spazieren gehen. Ich zeigte ihr Obstsorten und Brot, führte sie dahin, wohin sie wollte und wurde mit ihr gemeinsam fotografiert.

Am Donnerstag habe ich Monika und Maj erzählt, worum es mir beim bisherigen Stand meiner Überlegungen zum Kriegsgefangenengedenken geht. Maj sprach das gestern an und meinte, dass das alles noch sehr distanziert klingt. Diese Distanz ist aber das Mittel, mit dem ich mir zunächst einen Überblick verschaffe. Zuerst erinnere ich an die Versuche des schnellen Vergessens, an das Planieren der Trümmer. Am Vormittag bin ich noch mal über dieses Gelände gelaufen und habe Strähnen gebleichten Haares gefunden, alte Ziegelbrocken und in einen Maschendraht eingewachsenes Holz. Das allein schon geht mir im Zusammenhang mit den Bildern von Kriegsgefangenen durch Mark und Knochen. Bei der weiteren Recherche werden wir vielleicht auf Einzelschicksale stoßen. Auf Fotos werden wir erkennen, ob das Gelände nach dem Krieg abgesenkt wurde, um die Erinnerung so gründlich wie möglich abzutransportieren.

Heute Abend findet auf unserem Gelände, „Frankfurts schönster Offlocation“ eine Technoparty statt, die überall in der Stadt plakatiert wurde. Nun werden wir sehen, wie das auf zwei Dancefloors mit insgesamt einhundertneunundneunzig Gästen funktioniert. Klaus Sudhof von der KEG wird sich das Ganze mal anschauen. Das finde ich gut.

Trümmeraufstand

In der Nacht erinnerte ich Teile von „Bildbeschreibung“ von Heiner Müller. Es waren die von Drahtgeflechten festgehaltenen Felsen, unter denen der Aufstand der Gebeine rumort.

Beim Gedenken an die russischen Kriegsgefangenen geht es um das Aufstehen einer vergrabenen und eingeebneten Schicht von Trümmern, über der eine Wiese wächst.

In meiner Vorstellung drängt aus diesen Dunkel etwas hervor, das die ganze Zeit mühsam abgedeckt wurde. Es wirft bereits Blasen und kann nur mit Mühe mit diesem Drahtgeflecht gebändigt werden. Diese Bewegung wird von den nicht zur Ruhe kommenden Trümmern hervorgerufen, die das Fundament waren auf denen der Pferch für die lebendigen Toten lagerte.

Anders: Die Geschichte ist eingegossen in einen hermetischen Block, der Risse bekommt, als könnten Wasser und Frost die Trümmer wieder sichtbar werden lassen und immer mehr der Erinnerung freilegen. Die Angriffslinien für das langsame Auseinandersprengen des Blocks, bilden die GPS-Linien der Erinnerungswanderung, die den alten Grundrissen auf der Wiese des Sportplatzes folgt und sie mit einem Liniennetz ausfüllt. Das Netz, das den Aufstand der Gebeine verhindern sollte wird so in seiner Funktion umgekehrt.

Maj hat gestern Abend ihre vielteilige Form auseinandergebaut, was eine spannende Angelegenheit war. Nun stehen wir vor der Aufgabe, sie wieder zusammenzusetzen, um dann den ersten Guss zu machen. Monika las Barlach vor und entdeckte uns die Qualität seiner Texte.

Zement

Windiger, sonniger Morgen. Kurz vor den Mauerseglern werden wir nach Angkor Wat aufbrechen. Sie haben schon Ende Juli ihre Jungen soweit, dass sie den langen Flug nach Süden antreten können.

Drüben im Cafe gegenüber saß ich gestern Abend und las in den „Cronicles“ von Bob Dylan. Meiner bemächtigte sich ein sanfter Blick auf die Gäste, auf die kühl herabfallende Dämmerung und auf den Text. Manchmal blitzen in der Prosa Zeilen auf, die aus seinen Songs stammen könnten. An einer Stelle beschreibt er den Blick aus einem Fenster auf den Schneefall, der auf den Boden niedergeht, der mit Zement bedeckt ist.

Ich dachte dabei an unseren erbarmungslosen Betonhof auf Teves, dessen Oberfläche langsam zerbröselt. Aber für jeden Kiesel, der herausgelöst wird, sammelt sich etwas Erde in den entstehenden Vertiefungen. Irgendwann wird dort etwas zu sprießen beginnen.

Der Haufen vor meinem Atelier aus Steinen, Asche und Flugerde, die von den Rückständen der sich reckenden Pappel im Westen stammt, wird auch von immer mehr Pflanzen besiedelt. Neben der unverwüstlichen Birke, wachsen dort Ahorn, Goldregen und blau blühende Schlingpflanzen.

Mit ein paar Anlaufschwierigkeiten sind die Kinder gestern zu den eigenen Figuren gekommen, die sie in den Liniengeflechten der Dreiecksreliefs finden sollten. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, das Ganze erst einmal auf Papier zu probieren, wie wir es in der Schule an unserem Tisch angeboten hatten.

Gehirnwäsche

Autofahrten und Straßenbahnfahrten mit den Kindern, auch die Arbeit im Atelier oder im Wald mit ihnen hat etwas von Gehirnwäsche.

Gestern waren wir gemeinsam im Architekturmuseum und bekamen dort eine schöne kindgerechte Führung durch die Ausstellung „Think Global, Built Social“. Mir ging es dabei besonders um die Zusammenhänge mit unserer Waldarbeit, um die Komponente des vorhandenen Materials, das sowohl im Wald als auch im Atelier zu Bauen benutzt wird. Nun werde ich heute Morgen ein paar Bearbeitungsmöglichkeiten für das mitgebrachte Material bieten, zurückgreifen auf die Arbeit, die ich im Schaufenster ausgestellt hatte um die Kinder zu animieren, mir auf diesem Weg zu folgen.

Im DAM verabredete ich mit Frau Budde, dass wir nach unseren Reisen an den Erwachsenenworkshops weiter arbeiten und uns um die Anträge für weitere Fördergelder für Zweitausendvierzehn kümmern.

Ich möchte in der kommenden Woche noch etwas mehr über die Khmer lesen und so die Reise nach Angkor Wat weiter vorbereiten. Das geht in dieser Woche nicht. Ich schlafe kurz und fest und arbeite viel.

Öfter denke ich an das Kriegsgefangenengedenken, denke im Moment gerade an einen gemeißelten Durchbruch, der durch einbetoniertes Fundmaterial führt. Am Rand des Lochs sieht man die Trümmer, dahinter die reale, sich verändernde Welt mit ihren veränderten Blicken auf die Vergangenheit.

Kinder

Schon am Vormittag fuhren Alexander und ich mit unseren Kunstferien – Kindern an den Hang des kleinen Feldberges. Das Spielerische des Vorgangs, kleine Installationen herzustellen, schuf sofort Möglichkeiten des Einstiegs.

Der Wald, für viele ein ungewohnter Raum, wurde auch zur Schatzkammer, denn ein Mädchen hatte einen recht schweren Hammer mit, mit dem Steine auf der Suche nach Bergkristallen zerschlagen wurden. Die Kristalle waren die Attraktion und wurden oft gleich nach ihren Geldwert beurteilt.

Schnell kam ihren Füßen der weiche Waldboden vertraut entgegen, und erlaubte es ihnen, mit hoher Geschwindigkeit über alle Hindernisse hinwegzusetzen, oder sie zu umrunden.

Sie hinterließen naiv kindliche Bauten und Ornamente. Am Ende liefen alle gemeinsam die Spirale um den Schlussstein.

Nach der Wanderung war ich wegen meines angegriffenen Rückens etwas gerädert. Im Rucksack schleppte ich Getränkeflaschen hinauf und wieder hinunter. Das Gehen an sich und das Bücken nach Material, das wir heute im Atelier brauchen werden, fielen mir auch nicht leicht

Es ist, als würde das Sommerwetter die Mauersegler in besonderer Weise inspirieren, weil sie sich in den letzten Tagen in spektakulären Formationen zwischen die Häuser stürzen

Gradierwerk

Noch mal ein Streifen Sonne am Morgen in meinem Zimmer. Ein Hochdruckgebiet stellt einen wolkenlosen Himmel über den Tag.

Ich bin früh auf, weil ich noch vor meinem Ferienkurs das Arbeitstagebuch nachtragen muss und das heutige auch noch vorher erledigen will.

Bevor wir gestern von Hamm aus zurück nach Hause fuhren, sahen wir uns die Baustelle an, auf der die neue Praxis von Birgit und Oliver gebaut wird. Sie liegt mitten im Grün, nahe dem Gradierwerk im Park und in Sichtweite des Kanals, auf dem viele Kajaks und Kanus unterwegs waren. Eine Weile saßen wir dann in der salzigen Luft und vorher inmitten eines Sommerblumenfelds.

Auf Teves wässerte ich am Abend meine Pflanzen. Sie sprießen nun im intensiven Licht dieser Wochen und kümmern sich nicht um die verlogene Atmosphäre dort.

Oliver erzählte ich von meinen Ideen für ein Kriegsgefangenenmahnmal in der Ebertsiedlung.

Vom Kulturamt ist mir eine Förderung für „Module – Frankfurter Kraftfeld“ bewilligt worden. Ich hatte zwar viel mehr beantragt, bin aber froh, überhaupt was bekommen zu haben. Zumindest ist damit nun der Ferienkurs abgedeckt, dem ich mich in dieser Woche widmen werde.

Im Morgenidyll

Hamm. Unter einem Nussbaum sitzend höre ich ganz in der Ferne Glocken. Wir sind gestern am Nachmittag hierher gefahren um mit Birgit und Oliver einen Abend zu verbringen.

Keine zehn Meter von mir entfernt sitzt eine Krähe in einem Kirschbaum. Im Schnabel trägt sie eine der gelbroten Früchte, die einen starken Kontrast zum großen, schwarzblauen Federkleid bildet. Ringeltauben sind zu hören, ganz in der Ferne vielleicht ein Zug.

In einem zweiten Nussbaum hängt ein kleiner Spielzeugzirkuswagen, rot vor einer alten, finsteren Eibe. Eine etwa bläulich klingende Glocke schlägt acht Mal im Morgenidyll.

Am Morgen dachte ich an den Ferienkurs in der kommenden Woche. Gleichzeitig sorgte ich mich darum, wie ich das Arbeitstagebuch und die anderen Dinge noch nebenher schaffen soll. Mit den Kindern werde ich den ganzen Tag zutun haben.

Etwas ausgelaugt tat mir gestern gut, in Herrn Spoerhase vom Quartiersmanagement einen Verbündeten in meinem Kampf um den künftigen Charakter des Tevesgeländes zu haben. Eigentlich ging es nur um einen Förderantrag, den ich beim Verfügungsfonds des Beirates der sozialen Stadt stellen wollte. Davon werde ich nun Abstand nehmen. Die Regularien passen nicht.

Würde

Die Mauersegler streichen dicht über die Dächer. Die Unterseiten der Flügel blitzen auf, wenn sie sie in der Schräglage ihrer Schwünge der Sonne zuwenden.

In meiner Blickachse steht im Nachbarhinterhof ein großer Baum, eine Linde nehme ich an, die viele Etagen besitzt. Auf dem Dach ihrer Krone wird das Laub ganz hellgrün.

Die Flugbahnen der Mauersegler bilden zur Baumkrone ein Äquivalent, sie umschreiben die Form, wie die Forsythetänzer eine Arabeske umtanzen.

Im Atelier hatte ich Besuch von Herrn Spoerhase vom Quartiersmanagement. In die Günesangelegenheit scheint nun Bewegung zu kommen. So hat sich unser Engagement vielleicht doch gelohnt. Es war anstrengend, so lange Zeit mit der Kritik nicht nachzulassen, sie immer wieder zu erneuern und auf die Einführung von Regeln zu beharren. Es bleibt ein Kampf um die Würde des Geländes.

Auf dem Markt berichtete Helga gestern von ihrer Recherchearbeit im Stadtarchiv. Sie sichtet das Material um die Kriegsgefangenenlager. In diesem Zusammenhang hat sie beispielsweise Unterlagen der Interessengemeinschaft „Russenlager“ gefunden. Außerdem gibt es genaue Pläne der Lager, die mir meine GPS-Wanderungen erleichtern werden. Je mehr Informationen ich bekommen kann, umso besser.

Ich denke oft an die Blickachsen aus den Fenstern der benachbarten Häuser in das Lager, an die sich kreuzenden Blicke

Gleis

Die Betrachtung der Vergangenheit des Tevesgeländes ist ein nützlicher Ausgangspunkt für die Einrichtung einer Zukunftssicherung des Areals. Eine sichtbare Spur beginnt mit dem Gleis jenseits der Bahndammunterführung auf Teves Ost, dem ehemaligen Anschluss des Geländes an die Deutsche Reichsbahn.

Vor der Bebauung des Geländes führten verschiedene Verkehrswege darüber hinweg und verbanden es im Osten mit der Innenstadt und im Westen mit Brachflächen, die für Kirmes, Picknick oder zum Spazieren genutzt wurden, und später mit der Neubebauung der Ebertsiedlung und dem Kriegsgefangenenlager. Die versklavten russischen Soldaten arbeiteten dann auch auf Teves.

Nun haben wir dort die künstlerisch unausgegorenen Hinterlassenschaften von Pixelkitchen. Eine bleibende Schädigung und ein trauriger Anblick, der einen Anlass mehr bietet, sich um das Gelände zu kümmern.

Vorgestern war ich im Nebel auf meinem Pfad im Wald. Während meiner Reparaturarbeiten regnete es die ganze Zeit leicht. Eine der in Zeitlupe schreitenden Figuren ist in sich zusammengebrochen, und vieles anderes durch die anhaltende Feuchtigkeit auch.

Auf meinem Weg traf ich den Querwaldeingänger, diesmal mit zwei weißen Hunden. Er erzählte mir, dass er mich am Eisernen Steg gesehen hätte.

Erinnerungsblock

Während ich weiter über das Kriegsgefangenenlager nachdenke, habe ich auch die Filmaufnahmen der Lager in Ex – Jugoslawien vor Augen. Die weitere Beschäftigung mit dem Areal führt vielleicht ins Stadtarchiv und in die Dreiecksformen, mit denen ich arbeite. Sie können aus dem Boden herauswachsen, wie die Erinnerungen, die durch die vielen Verdrängungsschichten auferstehen. Dabei möchte ich noch nicht so sehr an die Umsetzungstechniken denken, weil diese die freie Suche nach dem Motiv der Konzentration dessen, wie erinnert werden kann stört. Artefakte aus den Zeitschichten von diesseits und jenseits des Zaunes könnten real sichtbar werden.

Ein weiterer Ansatzpunkt sind die visuellen Eindrücke der Gefangenen. Es stellt sich die Frage, welche Baustrukturen sie damals bereits vor Augen hatten, sowohl vom Lager aus, als auch in der Tevesfabrik. Die Unterführung zwischen Teves Ost und Teves West besteht aus drei Brückenelementen aus verschiedenen Bauphasen. Am ältesten ist der Bachsteinbogen, der einen scheppernden Hall erzeugt, wenn man in irgendeiner Weise unter ihm lärmt. Ich stelle mir den Klang der Marschkolonnen darunter vor, ein kurzes akustisches Ereignis am Tag.

Somit verbindet sich der geschichtliche Raum mit heute sichtbaren Blickachsen, wie der Randbebauung der Ebertsiedlung mit Arkaden, dem Hochbunker und den Eisenbahnbrücken.

Mir ist, als müsse ich die Bruchstücke des damals Sichtbaren in einen Erinnerungsblock von unerbittlicher Strenge gießen – ein Monument der verschütteten Erinnerung.

Schuttschichten

Gegen Abend besuchte mich Helga im Atelier. Sie zeigte mir Materialien über ein Kriegsgefangenenlager auf der Ackermannwiese unweit unseres Tevesgeländes. Dort wurden russische Soldaten gefangen gehalten, die auch bei Teves arbeiteten.

Wir gingen dann hinüber und schauten uns mit Tobias vom Ortsbeirat das Areal an. Schon seit langer Zeit sind dort Sportplätze angelegt, auf denen vor allem Fußball gespielt wird. Ein Weg zwischen den Häusern der Ebertsiedlung und diesem geschichtsträchtigen Grund wird nun von der Stadt umgestaltet.

Nun bin ich erst einmal unverbindlich aufgefordert, mir Gedanken zu einer Erinnerungsgestaltung zu machen. Zunächst habe ich diesen Zwischenraum als einen Ort des Zwiespalts empfunden. Ich frage mich, ob die Anwohner diesen Weg gemieden haben, weil er sie mit dem Elend der gefangenen feindlichen Soldaten konfrontierte. Ich erinnere mich an die Nachbarschaft der Russenkasernen in der DDR, an die Fremdheit, an die Schreie. Ich frage mich, wie sich die Blicke trafen.

Am Morgen gingen mir Konzepte durch den Kopf. Zunächst dachte ich an Suchgrabungen nach Barackenfundamenten und nach der Schuttschicht dieser Zeit. Dieses archäologische Vorgehen verflocht sich in meinem Kopf mit einer GPS-Wanderung, die die alten Grundrisse auf dem Sportareal erkundet. Die choreografische Struktur bildet einen direkten emotionalen Kommentar zu den darunter liegenden Schichten. Das zutage geförderte Material und das gewanderte Liniengeflecht bilden den Ausgangspunkt für skulpturale Objekte, die auf dem neu gestalteten Weg installiert werden könnten.

Banalisierte Baracken

Mehr und mehr rücken die Veränderungen, die bald Teves West umgeben werden in meinen Focus. Wir hätten die Chance, als zentraler Nukleus Einfluss auf die Gestaltung des Neubauareals zu nehmen.

In eine ähnliche Richtung zielt auch ein Förderantrag, den ich an den Verfügungsfonds des Beirates der Sozialen Stadt Gallus stellen will. Dabei geht es um das FRANKFURTER KRAFTFELD und um die Zusammenarbeit zwischen „alteingesessenen Migranten“ und gut betuchten Neuzuzüglern.

Was meine Vorstellungen vom Tevesgelände als Kunststandort angeht, so ist Deniz ganz begeistert und möchte gerne dabei sein. Es könnte ein neuer Kunstverein gegründet werden, der die Zukunftssicherung des Tevesgeländes zum Ziel  hat.

Die Bemalung unserer Baracken durch Pixel Kitchen ist in einem dürftigen Zustand stecken geblieben. Das Wandbild, das uns gegenüber aufgezwungen wurde, ist bislang unvollendet.

Selbst zusammenbrechende Baracken können banalisiert werden.

Heute werde ich Materialien für den Ferienkurs einkaufen. Das sind Farben, Gips, Holz, Leim und Farbstifte, für die ich ein verhältnismäßig großes Budget habe.

In den nächsten Tagen werden Förderanträge entschieden, die das Honorar für diese Arbeit abdecken sollen…

Regen lautmalerisch

Das “L“ im Monatsnamen Juli, weist schon lautmalerisch darauf hin, dass es sich um einen Regenmonat handelt. Gegen warme Regentage habe ich nichts. Am Ende der vergangenen Woche fielen nieselnde Tropfen, unter einer steil stehenden Sonne herab.

Es wird Zeit, dass auf Teves West etwas Ruhe einkehrt. Wir werden uns nun zurücklehnen und schauen, was passiert. Wir haben erst einmal genug gekämpft. Die Technosommernächte werden in ihrer eigenen Dynamik für Veränderungen sorgen.

Während unseres Spaziergangs sahen wir am Eisernen Steg eine Großleinwandwerbung für eine Technoveranstaltung im Günestheater. Ich frage mich, wie so die Personenzahl auf zweihundert beschränkt bleiben kann.

Den Sonntag haben wir mit einer größeren Runde an den beiden Mainufern verbummelt. Mehrere Freiluftrestaurants laden ein, sich hinzusetzen um auf den Fluss zu schauen.

Spiegelungen in den Fenstern des Cafes. Maria führte gestern ihren neuen Hund spazieren und erzählte mir zum Balkon hinauf, dass er aus einem Tierheim stammt. Dann sprach sie noch mehr, was ich wegen des Verkehrs nicht mehr verstand. Eine etwas altertümliche, wenig städtische Szene.

Auftritt der Insekten

Bei der dritten und letzten Zeichnung des Morgens spielen derzeit zunächst die Farbabdrucke der rechten Handkante, mit der ich die im Wasser gelösten Pigmente der vorausgegangenen zwei Motive verschoben habe, die entscheidende Rolle. Öfter lasse ich sie unverwischt stehen, wodurch die Richtungen der Hautfalten zunächst deutlich abgebildet sind. Sie werden mit Strichen erweitert, mit denen ich die Richtungen der Handlinien aufnehme und mit dem Lineal weiterführe. Diese Strukturtransformation unternehme ich mit Tinte, Bleistift oder mit dunkleren Aquarellstiften.

In den elektronischen Collagen des Arbeitstagebuches bestimmen diese Linien oft die Richtungen der Schnittkanten, mit denen ich die Fenster herstelle, durch die man in die vorausgegangenen, unteren Schichten des Bildes schauen kann.

Im Atelier habe ich gestern einem fünfjährigen Mädchen mein FRANKFURTER KRAFTFELD erklärt. Gegenüber von meinem Rolltor röstete eine Äthiopierin mitten im Pixelkitchenfestival Kaffeebohnen und stellte Mischungen sehr unterschiedlicher Färbungen her. Einen solchen, mit Kadermom aufgebrühten Kaffee spendierte mir Tülay, ein Friedensangebot.

Am Abend überquerte ich mit B. erstmalig die neue Fußgänderbrücke zwischen dem Taschenpark des Europagartens und dem Zeppelinpark. Über einer Wiese des Grüns, das bis zum Rebstockweiher führt jagte ein Schwarm Mauersegler im abendlichen Auftritt der Insekten.

Lichtchoreografie

Die Tauben trippeln auf der gegenüberliegenden Spur der Allee durch den Dauerregen. Fahrradfahrer in dunklen Kapuzenjacken, zischende Autoreifen unter schwerem Laub.

Gestern ist mit dem Wandbild gegenüber unserer Ateliers begonnen worden. Wir hatten uns dagegen gewehrt, gebeten es auf eine wieder entfernbare Leinwand zu malen, andere Kompromisse gesucht. Das war alles umsonst. Wie wir uns mit den Umgestaltungen des Geländes fühlen, wurde ignoriert. Es ist den Veranstaltern egal, wie es uns mit ihren Aktivitäten geht.

All das vergräbt die Poesie tief in einem Erdreich voller Altlasten. Aber gut, so ist jetzt der Stand der Dinge.

Alexander Klett brachte mir gestern die Reliefs wieder, die ich in der vergangenen Woche mit in die Hindemithschule genommen hatte. Wir sprachen noch mal über den Ferienkurs in der kommenden Woche.

Mit Frau Budde vom Architekturmuseum telefonierte ich über Choreografie und daraus entstehenden Objekten. Sie stellte mir zu diesem Thema Material in Aussicht. Vielleicht ist so etwas auch schon mit den Kindern möglich, die ich in der nächsten Woche in meinem Atelier haben werde.

All das bringt etwas Licht in den Regenalltag.

Morgens

Den ganzen Nachmittag und Abend war ich in Sachen Sicherung des Tevesgeländes unterwegs. Am Nachmittag fand eine Mieterversammlung statt, in der die Themen der vorigen Sitzung abgewürgt und nicht besprochen wurden. Was aber unter den Teppich gekehrt wurde, stapelt sich nur.

J. verließ  sogar vorzeitig, gleich am Anfang aus Protest gegen die Verfahrensweisen die Sitzung. So kann das alles nicht gehen.

Am Abend gab es eine Beiratssitzung der sozialen Stadt, in der es um den Verfügungsfonds des Beirates und um einen Architekturwettbewerb rund um das Tevesgelände ging.

Danach mit Helga und Maj beim Wein. Eine Zukunftsorientierung wird für die weitere Existenz des Teves notwendig.

Künstlerisch blieb mir gestern nur die Arbeit am Morgen, die Verdichtung meiner Tage-Zeichnungen. Das hält mich aufrecht, auch am heutigen Tag. Und mit einem neuen Relief konnte ich beginnen, dessen Ausformung ich heute Nachmittag fertig stellen kann. Es müssen noch mehr Formate her, die ich für die Wandbilder im Balken benötige. Die Dauer der Arbeit hat auch eine Form von Gründlichkeit zur Folge, die über das Nachdenken darüber entsteht.

Bodenberührungen

Mit hellem Bauch in einem sehr rotbraunen Fell springt ein Eichhörnchen durch das strotzende Grün auf den Ästen der Ahornkronen entlang. So kann es große Teile der Allee überwinden, ohne den Boden zu berühren.

Mein Denken sucht solche Räume, um mich von den alltäglichen Niederungen der Rücksichtslosigkeiten fern zu halten, die schon seit einiger Zeit auf unserer Arbeitsinsel die Oberhand gewinnen zu scheinen.

Die negative Energie, die davon ausgeht, dass wir das Gefühl haben überrollt zu werden, kann nur durch ein Denken in die Zukunft positiv umgemünzt werden. Die Kunstkonzentration als Gegenkultur zur investorengesteuerten Verdichtung muss ihre Weiterexistenz durch eine Konzeption untermauern, die Raum für ein Fluidum schafft das die Umgebung inspiriert. Das kann eine Grundlage für den Erfolg von Teves West über den ins Auge gefassten Zeitraum hinaus sein. Ein solches Ziel kann nur mit rücksichtsvollen Anrainern verfolgt werden, um in die neu entstehenden Wohnbereiche zu wirken.

Inmitten all der Ablenkungen durch die Auseinandersetzungen bin ich froh über die Konzentrationsmöglichkeiten innerhalb der Arbeit an den Dreiecksformaten. Nur langsam wachsen die Wandbilder, die ich gestern erstmals jemandem zeigte. Dabei konnte ich gemeinsam mit Maj feststellen, dass man lange hinschauen kann und muss, und dass die Arbeit daran noch lange weitergehen kann.

Ein Schwarm Schwalben segelt zwischen den Baumkronen durch dünne, regenschwere Insektensuppe des kalten Siebenschläfertages.

Raumgreifend

Beim Hängen des Wandbildes habe ich fotografiert. Die Installation ist aber noch nicht so weit, dass die Dreiecke einfach und unkompliziert gewechselt werden können. Das ist immer noch ein etwas wackeliger und komplizierter Akt.

Das Astmaterial aus dem Wald, das ich im Projektraum deponiert hatte, trug ich hinunter vor das Atelier. Dort stapele ich die verzweigten Äste auf einem Metalltischgestell. Auf ihm entsteht ein dichtes Gesträuch. Das schirmt mich etwas ab vor dem allgemeinen und ins besondere vor einer Großveranstaltung zunehmenden Verkehr.

Außerdem arbeitete ich an den Blutkreislaufreliefs, die ich verschieden beschichtete. Als Nächstes sind wieder Dreiecksrahmen aus Holz zu bauen.

Der Druck, der auf dem Gelände lastet, nimmt zu. Wir Künstler wehren uns gegen eine unabgesprochene gestalterische Übernahme des Raumes durch Orada. Der zentrale Punkt der Auseinandersetzungen bildet das Wandbild, dass direkt gegenüber von unseren Atelier fest installiert werden sollte. Morgen findet eine weitere Zusammenkunft der Nachbarschaft statt.

Die Zukunftssicherung des Geländes kann langfristig durch diese Auseinandersetzungen nur gewinnen. Es geht um demokratische Prozesse und Veränderungsmanagement.

Digitalisierungen

Am gestrigen Vormittag habe ich Digitalisierungen des Arbeitstagebuches nachgeholt. Der Umgang mit den Zeichnungen als Rohmaterial für Collagen ist der Start für eine Wiederaufnahme oder eine neue andere Hinwendung zur digitalen Bildarbeit. Sie ist mit einer alltäglich konservativen Technik unterlegt.

Das Zurückdrängen des technisch Machbaren als Maßstab für die moderne Beschäftigung mit Medien erscheint mir als Chance, zum einen dem Modischen zu entfliehen. Degradiert zum Datenrohstofflieferanten, entsteht in mir andererseits eine Opposition gegen die gesellschaftlichen Auswirkungen der Datensammelwut. Ein Rückkopplungseffekt lässt die Nutzer zu vorauseilend angepassten Teilen eines Schwarmes degenerieren. Das erscheint mir in eine Richtung zu gehen, die jeder bisher da gewesenen Diktatur spotten wird.

Und schon überlege ich, ob ich mich mit diesem Satz in Zukunft einer Gefahr aussetzen werde und ob ich dieser entgehe, indem ich ihn streiche und eher unauffällig bleibe.

Die Auseinandersetzungen auf Teves West gehen nun in eine neue Runde. Die Wand gegenüber unserer Ateliers ist nun grundiert und vorbereitet für ein Wandbild eines Künstlers, der mit unserem Gelände nichts zutun hat. Mit uns ist kein Gespräch geführt worden, in dem wir eine Meinung über dieses Vorhaben äußern konnten. Nun werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt und können nur mit Hilfe einer intensiven Gegenreaktion das Ganze abwenden.

Steinberg | Richter

Saul Steinberg, ein amerikanischer Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, mit rumänischen Wurzeln, fertigte für die Weltausstellung Ende der Fünfzigerjahre in Brüssel großformatige Collagen mit dem Titel “The Americans“ an. Diese Arbeiten wurden nun im Museum Ludwig gezeigt. Er klebte geschnittenes und gerissenes Packpapier auf Fotovergrößerungen seiner Zeichnungen. Die Papierkonturen zeigen Insbesondere Figuren, die mit einem Karikaturengestus sicher und in einiger Größe überzeichnet wurden. Alles bleibt leicht und etwas modisch, jetzt historisch.

Eine kleine Richterausstellung hingegen strahlte Zeitlosigkeit aus. Ein Zyklus mit dem Titel „Elbe“ erinnerte mich an die Monotypien, die ich in den Achtzigerjahren gemacht hatte. In großen hintereinander stehenden Glasscheiben, die die gespiegelten Figuren ähnlich verwischen, wie die Malereien Richters, fotografierte ich mich in Auflösung. Ein intensives vielfältiges Werk, das selbst in kleinen alten Blättern eine große Verdichtung erkennen lässt.

Nach der Heimkehr blieb die Arbeitstagebuchdatei unberührt. Ich spielte Gitarre und suchte nach etwas Ruhe.

Dylansongs in der Küche, während wir Lammfleisch mit Gemüse und Bratkartoffeln machten. Dokumentarfilme am Abend über die indischen Schmalspurbahnen in die Hillstations der Kolonialverwaltungen. Wir kennen das von Mussoorie mit seinem großen tibetischen Internat und den alten Holzbauten im Kolonialstil. Wir wohnten in einem Cottage mit dem kreuzförmigen Grundriss einer Kapelle in der Kühle von zweitausend Höhenmetern.

Schnittmusterwanderungen

Köln, an Monas Schreibtisch. Taubengesang wie zu Hause und nach Osten ziehende Wolken, wie von Barbaras Arbeitstisch aus.

Ein dreimonatiges Arbeitsstipendium führt Mona demnächst nach Istanbul. Dort arbeitet sie an ihren Roman weiter. An ihren Wänden hier werden geschichtliche Räume auf Karten, Grundrissen und Fotos sichtbar.

Die Fahrt ging unter einem Himmelsmeer mit segelnden Wolken hierher. Es kabbelte und leuchtete auf den heißen Asphalt. Von den Höhen des Siebengebirges, im Schneewittchenland noch eine halbe Stunde von Köln entfernt sah man schon in lichtem Indigodunst die Türme der Stadt.

Jetzt über dem Gärtchen lösen sich die kompakten Wolkenformationen in Schäfchenherden auf. Ihnen folgt ein kalter kobaltblauer Raum. Fürsorglich brachte mir Kirsten einen Kaffee, wollte die Jalousie ein Stück herunterziehen um mir die Sonne zu ersparen, die mir mittlerweile ins Gesicht scheint. Sie fragt nach meinem Schlaf, nach meinem Wohlbefinden.

Am Abend über den Spuren der Rädelwanderungen auf dem alten Schneidertisch, Gespräche über die Schnittmuster unserer Familien.

Spaziergang an den See im Park, der „bewölkt“ war von einer ganzen Schwanenarmada.

Projektionsräume | Verdichtungen

Strukturen des Handballens als Rohmaterial für die Collagen des Arbeitstagebuches oder als eigenständige Zeichnungen einer für sich stehenden Werkreihe. Ich tue mich nur so leicht mit dem Zerschneiden, weil die Zeichnungen in den Büchern ja ganz bleiben. Und dennoch ist mir immer nicht ganz wohl dabei.

Gespräch mit Deniz über den Gezipark in Istanbul und über Methoden der Produktion. Er erzählte mir das dort bis ins Jahr 1911 ein armenischer Friedhof gelegen hat. Somit bekommen die Bilder der konturierten Figuren in den Tränengaswolken der Polizei eine weitere Dimension. Der Projektionsraum erweitert sich senkrecht in die Tiefe unter dem Raum der Demonstrationen und Räumungen.

Wir kamen darauf, weil ich vom Zusammentreffen der Beschäftigung mit den anatolischen Kalkbrennern, die den Pergamonaltar zu Staub fragmentierten und dem Parkdruck der Autos der Türken, die uns beim Modellieren im Freien bedrängten erzählte.

Der Konflikt mit dem Günestheater hat einen kritischen Punkt überschritten. Die Auseinandersetzungen werden schärfer. In dieser Weise ist die langfristige Sicherung des Geländes als Kulturstandort nicht zu bewerkstelligen. Demokratische Prozesse müssen das Claimabstecken in Wildwestmanier ablösen. Dafür muss ein Instrument gefunden werden. Deniz schlug schon einmal vor, einen Kunstverein zu gründen. Dieser müsste aber das Wohl des gesamten Geländes zum Inhalt haben. Er könnte ein Werkzeug zur Stabilisierung künstlerischer Verdichtung sein, die sich gegen die städtebauliche Konzentration als Gegenpol behauptet. Dazu gehört eine Ästhetik des großzügigen Raumes

Waldarbeit | Ornamentrichtungen

Schon fast ist der Aufbau der Marktzeltstände getan. Die Menschen sind in der stark abgekühlten Luft wieder flotter unterwegs. Das gemessene Orientalische wich dem quecksilbrig zügigen Gehen. Hunde halten die Leinen mit denen sie angebunden warten straff.

Im Atelier fand ich den Fehler, der von der kreisförmigen Anordnung des Blutkreislaufornamentes zur linearen führte. Er liegt in den zwei entgegengesetzten Richtungen, in denen die Figuren übereinander gezeichnet sind. Werden die Kopfstehenden als ineinander greifend definiert, läuft die Bewegung im Uhrzeigersinn, anders – entgegengesetzt. Die abwechselnde Kombination beider führt zur linearen Ausrichtung.

Gestern Vormittag hatte ich noch etwas Zeit, mich mit den „Improvisation Technologies“ von Bill Forsythe zu beschäftigen. Teile davon, insbesondere die Beschäftigung mit Winkeln und Radien des Körpers, könnte der Arbeit mit dem menschlichen Maß hinzufügen.

Richtungen, Räume, Beziehungen zu Vorhandenem und sich Veränderndem, lassen sich auch innerhalb der WALDARBEIT verfolgen.

Noch weiß ich nicht, wie ich all das zusammenbringen kann, merke allerdings schon, dass ich wissentlich nicht so viel dafür tun muss, weil es sich während der Arbeit von alleine ergibt. Sichtbar wird es in den täglichen Collagen aus Zeichnungen, Atelier- und Waldsituationen.

Auf Teves werde ich nun auch beginnen, mich verstärkt mit den Waldstrukturen zu beschäftigen. Selbsternannte Gärtner lassen mir genügend geschnittenes Material dafür.

Antipoetik | Collagen

Arbeitsrückstände der vergangenen Wochen, Holz, Ton, Pappmache, Gläser und durcheinander liegende Werkzeuge habe ich gestern im Atelier endlich aufgeräumt. Wegen der Hitze blieb das Rolltor unten.

Auch wegen der Hitze ließ ich gestern den Arbeitsnachmittag am Hang ausfallen. Aber immer stärker verbinden sich die Zeichnungen mit dem Geschehen im Wald. Das kommt auch in den Digitalcollagen des Arbeitstagebuches zutage. Mit den verschiedenen Werkzeugen zum Ausschneiden und zum Schichten transparenter Motive, bilden sich nun keine Dokumentarbildstreifen mehr ab. Es entsteht ein eigener künstlerischer Strang, den ich zunehmend ernst nehmen will.

Juli Zeh macht an der Uni „Antipoetikvorlesungen“. Ihrer Meinung nach sollte der Leser freier entscheiden können, was er in einem Text liest, welche Inhalte für ihn hervortreten. Der Vorgang des Schreibens ist eine schwer zu entwirrende Verknüpfung von Vorhaben, modifizierter Erinnerung und den Wendungen, die durch das Schreiben selbst ausgelöst werden. Das hat viel mit der Dynamik des Zeichnens zutun, die darin vielleicht noch extremer ist.

Am Abend ein enttäuschender Taboriabend als Gastspiel aus Luxemburg. Ein Fragment aus dem Nachlass, was bisher noch nie gespielt wurde.

Vormittags eine kurze Mail an die Pixelkitchenveranstalter, in der ich sie aufforderte, das Projekt mit den Anliegen der Nachbarn abzugleichen, das Ganze also zu besprechen. Heute war in meinem Postfach eine direkte Antwort von Baumanns mit einem Wandmalereientwurf und einem Gesprächsangebot.

Fehler | Änderung | Strategie

Ein kleiner Junge mit großem Kopf trödelt seiner Mutter durch die Wärme des Morgens hinterher. Eine afrikanische Luftströmung hat für ein paar Tage die Gestaltung des Himmels und der Temperaturen übernommen.

Einige Exemplare des Blutkreislaufreliefs sind gestern von mir beschichtet worden. Durch ein Versehen hat sich das geplante Zusammenspiel der Ornamente verändert. Aus der kreisförmigen Anlage hat sich eine lineare herausgebildet. Ich hab das Ganze noch nicht so recht begriffen, was mir in der Wirkung ganz recht ist. Immerhin habe ich die Arbeit bei fünfunddreißig Grad Lufttemperatur über dem heißen Tevesbetonboden gemacht. Zu anderen Dingen, wie Atelier aufräumen war ich nicht mehr im Stande. Mit Vergnügen aber wässerte ich die Pflanzen und meine Füße mit.

Mit Roland und Deniz habe ich gestern über meine Ideen zur Organisation der Zukunftssicherung des Geländes gesprochen, um den vielen kleinen Strategien einen zusammenhangstiftenden Überbau zu geben. Das Ganze kann sich langsam zu einem fein verästelten System des „Veränderungsmanagements“ entwickeln.

Roland hat eine Idee für ein Kunstwerk auf unserem zentralen Platz. Vielleicht können wir uns zusammentun und ein gemeinsames Werk schaffen, das Module der Reaktion auf die Veränderung der Umgebungssituation enthält.

Aber ich selbst komme nicht einmal zu den Arbeiten, die ich mir für den Sommer vorgenommen hatte.

Umrisszeichnungen | Ringwanderungen

Als ich vor etwa zwei Jahren das letzte Mal mit Herrn Hausmann vom Planungsamt über die Zukunft des Tevesgeländes gesprochen habe, meinte er, dass eine weiterführende Strategie benötigt würde, um das Areal zu gestalten. Ich finde auch, dass so etwas wie eine neue Vision notwendig ist, um uns erfolgreich in das Geschehen der nächsten Jahrzehnte einzubinden. So etwas, wie eine Analyse dessen, was bisher geschehen ist, eine Vorausschau auf die Veränderungen, die uns in den nächsten Jahren in der Nachbarschaft erwarten und das Hineinwachsen mit einem „Veränderungsmanagement“, sind die Aufgaben der nächsten Zeit.

Erstmals saß ich vormittags drüben im Cafe und versuchte aus dieser anderen Perspektive meine Themen für die Arbeit am Architekturmuseum zu entwickeln. Ich möchte die Kreisbögen, die man mit seinen Körpergelenken als Zirkel zeichnen kann als eine Ressource nutzen, um Objekte zu bauen, die mit dem menschlichen Maß und Bewegung zutun haben. Aus den unterschiedlichen Bogensegmenten können Umrissfiguren zusammengesetzt werden, die als Modelle für Ringwanderungen mit dem GPS-Gerät dienen sollen. Wenn diese Umrissfiguren gewandert sind, unterwegs Material in der Landschaft gesammelt worden ist, wird alles zusammen in die Erzeugung der Objekte fließen.

Die nächste Grundlage dafür sind in Ton  modellierte Scheiben mit den Umrissen der Wanderungen, von denen Gipsformen gegossen werden. In diese werden Konglomerate aus Landschaftsmaterialien und Schellack gegossen, die Elemente bilden, die man stapeln oder anders verbinden kann. Die Offenheit der Ergebnisse und das spontane Anwenden neu gefundener Arbeitsweisen gehört dabei zum Prozess. Wie überhaupt und allgemein die Prozessorientierung im Mittelpunkt steht und die Objekte Zwischenergebnisse darstellen oder Dokumentationen der Arbeit.

Jahrestag | Zuspitzung

Der DDR-Aufstand ist nun sechzig Jahre her. Schon damals war das System moralisch abgewirtschaftet. Das Datum begleitete mich das ganze Leben. Während meiner Ostzeit war dieser Tag jährlich der emotionale Tiefpunkt, auch durch all die Feierlichkeiten und Reden, die im Westen gehalten wurden.

Für die nächsten Tage ist eine Hitzewelle prophezeit worden, deren Temperaturen auf siebenunddreißig Grad steigen sollen. Mit Ostrückenwind, der Flugverkehr über unserem Viertel auslöst, fuhr auf der anderen Seite der Allee gerade ein Transporter mit der großen Aufschrift WINTERDIENST vorbei.

Der Pächter des Cafes, der heute erstmalig ohne sein Hündchen kam, räumt seine Werbeschilder auf die Strasse. Der Raum zwischen den Tischen ist nun leer.

Mit Barbara und Jan waren wir gestern auf dem Pfad. Beim Erzählen über diese Arbeit wurde mir klar, wie ich mich allmählich aus der Waldfläche auf diese Linie zurückgezogen habe.

Die Situation auf dem Tevesgelände braucht Geduld. Die Lärmbelästigung nahm am Sonnabend zu.  Zuspitzung  von der anatolischen Seite her.

Schnell wird die Temperatur im Balken unter der Sonne in den kommenden Tagen auf über vierzig Grad steigen. Deswegen werde ich das Wandbild später aufhängen.

Im Schatten der finsteren Wolke

In letzter Zeit schaffen es immer weniger Sätze aus dem handschriftlichen Text in die Arbeitstagebuchdatei.

Die Sonne ist nun kurz nach Zehn schon so erbarmungslos, wie im namibischen Winter. Westwind, die Mauersegler streifen um die Dächer, Worte fallen aufs Papier.

Eine finstere Wolke bildet Tav Falcos Lockenpracht, in deren Schatten ein Gesicht liegt, dem man wenig Freude ansieht. Verborgen bleibt die Anspannung, die sich auf die Band überträgt nicht. Müde wirkt die Schlagzeugerin, deren Tanz vor der Show etwas bemüht daher kommt. Ich habe oft die Positionen im Raum gewechselt. Das war einfach, weil es bei weitem nicht voll war. Aus der Ferne sieht man manchmal besser. Dennoch ein schöner Abend.

Im Atelier baute ich Dreiecksrahmen und belegte sie mit Kreuzstabträgerreliefs. Davon gibt es nun so viele, dass man schon ein Wandbild hängen kann, das sich gut verändern lässt.

Am Cafe ist gerade das kleine Hündchen überfahren worden. Es hat jämmerlich geschrieen, als es der Eislieferant erwischte. Bedrückt steht er nun dabei, und muss sich anschauen, wie sich Maria die Seele aus dem Leib schreit, als ginge es um ihr Kind. Die Verzweiflung wird in Wut umgemünzt. Die Glocken der Friedenskirche läuten dazu, wenn sie das Maskottchen Rocky nun zum Arzt bringen, wo es dann eingeschläfert wird.

Das Universum ist eine Scheibe

Sonnabend, Morgendämmerung, Amselgesang, Milchkaffee. Zwei Stunden Gitarre gestern bis zur Mittagszeit. Dann bearbeitete ich Kreuzstabträgerreliefs unter dem offenen Rolltor im Atelier, dem Beobachtungsposten der Kunstpolizei. Tatsächlich entgeht mir an diesem Platz wenig, was auf dem Gelände passiert. Das beeinflusst meine Rolle dort.

Die Bäume vor dem Fenster tragen nun ein kraftstrotzendes Blätterkleid. Das Grün treibt überall in einer verzögerten zweiten Explosion.

Auf dem Markt will Mathilda Seifenblasen sehen und anderen Kindern beim Schaukeln zuschauen. Ihre Mutter forscht zu Themen der Arbeitsethik von Sozialarbeitern und ihrem Wandel. Da könnte ich einiges beitragen.

Am Abend spielt Tav Falco im Bett. Am liebsten würde ich mit B. zusammen hingehen.

Mit Barbara Neu und ihren Jungs wollen wir morgen auf den Pfad gehen. Ich bin auf die Reaktionen gespannt.

Die Rohrkonstruktion auf dem Gelände will ich noch weiter bearbeiten. Mit weißer Farbe kann ich neue Richtungen anlegen und die offenen Enden der Rohre markieren. In ihnen stecken schon abgestorbene langstielige Pflanzenreste. Manche Rohre, die geknickt sind, will ich mit der Säge durchtrennen, um die Spannung des Ganzen aufrecht zu erhalten.

Das Universum ist eine Scheibe.

Handwerk | Wald | Gravitation

Eine Kaltfront mit finsteren Sturmwolken stülpte sich gestern Abend über einen Sommertag. Kalter Regen löschte die Hitze des Betons.

Maj und Monika packen ihre Figuren in Formteile ein. Eine langwierige Übung in Demut. Man muss warten, bis die Teile ausgehärtet sind, damit man weiter arbeiten kann.

Rückhalt im Alltag bilden die neuen Projektentwicklungen und Material, Handwerk, Wald, Gravitation, Sturm, Holz, Schelllack, Wörter, Lehm Pappmache, Energie, Musik, Licht in Wellen des Farbglanzes.

Zusammenkunft aller Tevesanlieger, des Planungsamtes und des Vermieters gestern auf der sonnigen Terrasse des Startorante. Zunächst setzte eine allgemeine Anklagerunde, die die Veranstaltungen der Günes und deren Folgen für das Gelände zum Inhalt hatte ein. Bei aller Kritik hielten sich die meisten am Tisch etwas bedeckt. So hätte sich die Gesamtsituation nicht verändern lassen.

Die Wende war die Frage nach der Eignung eines Probenraumes als Veranstaltungsort. Das wurde von Vermieter klar beantwortet. Falls dort mehr als zweihundert Menschen im Raum sind, will er ihn dicht machen. Das wird eine erste Entspannung auf dem Gelände bringen, der weitere folgen werden.

Mit dieser neuen Entwicklung kann man nun aufmerksam umgehen.

Mehrfachnutzung

Die Torsituation im unteren Bereich des Taunusweges, wo die großen, kahlen, gebogenen Äste die Einladung, den Weg hinauf zu gehen bilden, beginnt unterschiedlich zu wirken. Einerseits gehen Menschen den Weg, weil sie einfach neugierig sind hinauf. Aber schon wird der untere Abschnitt als Zieleinlauf für die Downhillbillies auf ihren Ritterrädern genutzt. Gut, dass sie sich nicht den ganzen Weg als Geschicklichkeitsstrecke auserkoren haben. Mit einem Beil ist eine große helle Markierung in einen quer liegenden Stamm, der allgemein gerne als Hindernis genutzt wird, geschlagen worden. Ein weiteres Zeichen auf dem Weg.

Meistens bin ich vor Ort mit dem Zustand der Installationen und des Weges beschäftigt. Weniger denke ich an Material für das Atelier, um dort weiter zu experimentieren. Aber vielleicht kommt das mit den Workshops, die ich derzeit entwickle.

Den Steinhaufen im mittleren Teil wachsen zu lassen ist eine körperliche Herausforderung. Ich beginne mit den Händen die Kristallgruben weiter auszuheben, um Steine in meinen Rucksack zu packen, die ich auf den Platz, der etwa einhundertfünfzig Meter Weges weiter unten liegt, transportiere. Auf diesem Wegstück lastet immer ein großes Gewicht auf meinem Körper.

Im oberen Drittel beginnt sich der Weg nach dem Holzeinschlag nur langsam wieder zu etablieren. Am Ende konnte ich bei meinem großen Rundbau eine kleine Diagonalbewegung der senkrecht stehenden Äste beobachten. Ich versuche dem entgegen zu wirken, indem ich die Stangen wieder senkrecht stelle, die Peripherie weiter auffüttere und mehr Diagonal- und Querverbindungen durch den Bau führe.

Materialbeschränkung

Krishnababy ist von seinem Ausflug ins Atelier zurück. Er zeigt auf ein handgeschriebenes Konzeptpapier und dort drinnen auf eine Überschrift: Wanderungen und Materialien.

Der Materialbegriff als Überschrift begegnete mir gestern wieder, als ich im Architekturmuseum war. In der Ausstellung „global denken, sozial bauen“ ging es in erster Linie um Bauprojekte in Entwicklungsländern. Es wurden Gebäude vorzugsweise in traumhaften Landschaften gezeigt, die aber ihr Material oft aus ihrer direkten Umgebung bezogen. Traditionelle Baumaterialien waren bei den ausnahmslos westlichen Architekten hoch im Kurs. Dieser Ansatz des vorhandenen Materials ist für mich interessant, weil sich meine Arbeit sowohl inhaltlich als auch formal schon lange diesem Aspekt geöffnet hat. Materialbeschränkung spielt dabei eine wichtige ästhetische Rolle.

Innerhalb eines Gesprächs bin ich gestern noch mal auf eine besondere Gefährdung des Tevesgeländes hingewiesen worden. Der Bauboom rund um unser Areal löst einen neuen Druck aus. Es wird genau beobachtet, was hier passiert. Schon rückte der Planungsausschuss der Stadt mit Investoren an, die sich zwar für ein Nachbargelände interessierten, aber mit ihren Fotokameras auch einen Zugang zu unserem Gelände fanden. Und die Linsen im automatischen Zoom richteten sich auf die zusammenfallenden Baracken, durch unabgeschlossene Türen auf deren Inhalt, wie Gasflaschen zwischen Bauholz, auf den Müllplatz hinter den Baracken, auf die leer getrunkenen Schnapsflaschen neben den Günes Stufen und auf die überquellenden Müllcontainer. Das Zusammentreffen von Bauboom, fahrlässigem Umgang mit dem Gelände durch Brandgefährdung, Drogen und Gewalt muss den Verantwortlichen deutlich werden.

Ringe, Scheiben, Stapel | Extruder

Die Konzeptentwicklung, immer die angenehmste Phase bei der Planung von Vorhaben, führt mich im Fall des Deutschen Architekturmuseums zu der Frage von Verbindungen zwischen Räumen, die durch Bewegung definiert werden und Materialien ihrer Wiedergabe.

Die Spur einer Wanderung kann in einer ersten Übung maßstäblich mit dem Material gelegt werden, das aus dem der Boden des begangenen Raumes besteht, mit Tannennadeln, Steinen und Reisern. Rhythmen einer Linienkomposition können mit dem Wechsel des Materials innerhalb der Linie erprobt werden.

Ein Material, mit dem die Fundstücke gebunden werden wie Gips oder Schelllack wird probiert. Die Umrisse, die die Ringwanderungen erzeugen, bilden die Kontur der gegossenen, ausgefüllten Scheiben, die dann gestapelt werden können. Diese Stapel stellen die skulpturale Verbindung zwischen den Bewegungssequenzen dar.

Eine nächste Möglichkeit ergäbe sich daraus, die Umrissbilder digital zu extrudieren, d.h. kurze, schlauchartige Verbindungen mit den sich wandelnden Querschnitten zwischen den Umrissformen herzustellen. Diese Formen könnten dann geplottet werden.

Wenn man diese Ausgangskoordinaten mit dem Titel der aktuellen Ausstellung „global denken, sozial bauen“ verbindet, dann kann man der Arbeit eine weitere Wendung oder mehrere weitere Schichten hinzufügen.

Denken in Bewegung.

Projektionsraum

In dem Buch „Bob Dylan und Amerika“ beschreibt Sean Wilentz eine Aufnahmesession von John Lomax mit Blind Willie Mc Tell aus dem Jahr Neunzehnhundertvierzig.

Der Folkmusicforscher drängte den Sänger, Songs zu singen, die sich mit der Unterdrückung der Schwarzen in den Südstaaten beschäftigen. Mit vielen Ausflüchten gab er nichts von alldem preis, was er sicherlich in seinem Repertoire hatte. Direkte Bezüge zu den Verhältnissen dort, hätten ihn womöglich gefährdet, zumindest seine Musikerkarriere. Als blinder Bluessänger ohne Engagements hätte er es schwer gehabt.

Mich erinnern diese Worte der Ausflüchte und dieses Sprechen mit Informationen zwischen den Zeilen, an meine Zeit im Osten. Bei schwierigen Verhandlungen, gibt es ein solches vorsichtiges Verfahren heute auch noch.

Anfang der Achtzigerjahre dann hat Dylan den Song „Blind Willie Mc Tell“ aufgenommen, der mit ähnlich vagen Anspielungen ausgestattet ist, die eine rassistische Welt beschreiben. Bei Dylan ist das allerdings keine Vermeidungsstrategie aus Angst vor Repression, sondern ein poetisches Verfahren, das dem Text einen tiefen Projektionsraum verschafft.

Der Tag ist mit Terminen belegt. Kaum Möglichkeiten für konzentrierte Arbeit – am ehesten am Abend.

Vorhandenes strukturieren

Sonntag, aufziehende Gewitter, Flugverkehr.

Verschiedener als sonst klingen die Ringeltauben an diesem Morgen, wenn sie gemeinsam singen.

Das stetige Üben zeitigt Fortschritte beim Zupfen der Gitarrensaiten. Das spornt mich an, die Töne reiner und länger zum Klingen zu bringen.

Schöne Blitze gestern am Abendhimmel. Der Regen blieb aber südlich.

Von den Grenzen des Verbalen bei der Arbeit mit Tanz erzählte gestern B., als sie vom Tanzkongress in Düsseldorf zurückkam. In einem Workshop wurde die Aufgabe: Stell dir vor, du durchquerst einen Raum und verlierst dabei die Richtung. Was passiert dabei? Überlasse die Antwort deinem Körper.

So ist es also mit dem Tanzen ganz ähnlich, wie mit dem Zeichnen. Raumerkundungen, Installationen, vorhandene Strukturen, wie im Wald. Ich arbeite dort immer stärker mit schon vorhandenen Formen, wie beispielsweise die Verletzungen des Bodens durch Wildschweine. Sie sind Ausgangsformen für Bodengestaltungen. Die Spuren der abwesenden gefällten Stämme sind Richtungen, nach denen sich Holzsammlungen ausrichten.

So, wie für Olivier Messian Vogelstimmen Ausgangsformen für Kompositionen waren.

Wandernd

Kaum noch haben die Sonnabende die Bedeutung wie einst, als wir manchmal noch auf den Markt an der Konstablerwache gegangen sind. Jetzt ist das ein regelmäßiger Arbeitstag für uns. Das müsste man wieder Rückgängig machen.

Gestern allerdings war ich den ganzen Tag mit meinem Freund Andreas unterwegs. Am Vormittag gingen wir meinen Pfad, dann hinauf bis zum Kleinen Feldberg und hinab bis zum Fuchstanz. Von dort aus ging es über die Keltenringe bis auf den Gipfel vom Altkönig, wo wir eine Rast einlegten. Wieder unten am Fuchstanz gab es ein Bier, das beim nächstenAnstieg gleich wieder verflogen war.

Ein Falke steht südlich unter den von Osten heranquellenden Wolkentürmen in der Luft und hält dort nach Opfern Ausschau. Irgendwo läutet eine Hochzeitsglocke und Automotoren heulen auf.

B. ist gestern zu einem Tanzkongress nach Düsseldorf gefahren, wovon sie lustige Geschichten erzählen wird, wie sie mit vorhin telefonisch ankündigte.

Nach der Wanderung waren wir noch am Weinstand auf dem Gallusmarkt, wo sich Andreas auch ziemlich wohl gefühlt hat. Mathilda war da und verlangte immer wieder nach Seifenblasen, in deren schillernde Spannung sie mit ihren kleinen Fingern griff, um sie so zum Zerplatzen zu bringen. Gitta und Gerd sind wieder aus Wien zurück, sodass die Runde wider komplett ist. Vor dem Atelier ließen wir dann den Tag am Grill ausklingen.

Abwesende Baumstämme

Wenn die Sonne flach über die Zeltbahnen der Pakistani streift, erinnern sie mich an die Beduinenzelte in Jordanien. Eine Fünfteilung des Textilverkaufsstandes wird sichtbar und suggeriert eine nomadische Struktur.

Die Mütter, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen, kommen zunehmend aus wohlhabenderen Schichten. Manche aber schauen den ganzen Weg lang auf ihre Smartphones, während die Kinder in den Kinderwagen Selbstgespräche führen.

Im Atelier formte ich ein Blutkreislauffigurenrelief aus und mit Maj am Abend Formenbau für den Torso, den sie fertig modelliert hatte. Die Arbeit daran erinnert mich an meine Zeit an der Hochschule, als wir manchmal Wochen mit einer Stückform verbrachten.

Am Hang habe ich begonnen, in den Strukturen die die Baumfällarbeiten der Forstarbeiter erzeugten, Richtungen zu verändern und zu bündeln. Bei dieser Beschäftigung mit dem im Raum Vorhandenen, handelt es sich um ein langsames Vorantasten, wie bei vorsichtigen Erkundungszeichnungen. Dabei arbeite ich ausschließlich mit trockenen Ästen, die von den unteren Partien der gefällten Bäume abgeschnitten wurden. Weiter oben an der Spur des abwesenden Stammes, befinden sich die grünen Äste, mit denen ich frühestens arbeite, wenn sie die Nadeln verloren haben.

Kontinuierlich schwindender Raum

Gestern pflegte ich am Hang die Objekte und den Pfad, den sie markieren, flocht kleinere neue Dinge und kümmerte mich etwas intensiver um die Spiralkonstruktion, die offensichtlich durch die Erschütterungen des Holzeinschlages etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde. Somit geht es um Gravitation und Statik, wie auch bei dem Rohrgeflecht, das unter hoher Spannung flach gefallen ist. Gerne würde ich daran weiter arbeiten.

Die Irritationen auf Teves West begannen für mich mit ästhetischen und inhaltlichen Zumutungen der Anatolier. Zum einen wurde durch unsäglich schlecht gestaltete Schilder mit dem Titel „Günes Artatelier“ (was für eine Wortschöpfung) am Eingang des Geländes suggeriert, dass in den Räumen von Orada bildkünstlerische Produktion stattfindet. Ihre Qualität, falls sie überhaupt stattfindet, kann man auf den Gestaltungen der Schilder ablesen. Wie auch die Bezeichnung Probebühne, durch ein Banner angezeigt, das Theaterproduktion vermuten lässt, einen Etikettenschwindel darstellt.

Im Workshop arbeiteten wir zum Thema Pergamonaltar, dessen Fragmentierung durch die Kalkbrennöfen von Bergama, mit Modellierungen fragmentarischer Körper. Wegen des Lichtes und des Raumes, der Maße des Arbeitens deutlicher macht, taten wir das im Freigelände.

Wegen einer Filmvorführung wurden wir dann von schwarzem anatolischem Blech zugeparkt, eingebaut und mit stinkenden Auspuffgasen umgeben. So kommt eines zum anderen, was sich zu historischer Kontinuität zu fügen scheint.

Unter dem roten Himmel

Innerhalb des dicken Songtextbuchs von Bob Dylan zeigt Krishnababy eher auf stimmungsvolle Zusammenhänge, als auf einzelne elektrisierende Zeilen. Meist geht es um bildhafte Anordnungen einer gewissen Gleichzeitigkeit. Es gibt beispielsweise den kleinen Jungen und das kleine Mädchen, die in einer Gasse unter dem roten Himmel ein Mann vom Mond besucht und die irgendwann in einer Pastete gebacken werden.

Mit den Künstlern Diskussionen über die Qualität unserer Konflikte mit den Anatoliern, über ihre tiefer liegenden Gründe. Dabei kreisen die Gespräche um orientalisch – europäische Spannungsfelder, um patriarchale ländliche Clanstrukturen und deren Sozialisationsauswirkungen und um die hermetische Gruppe, die sich beim nomadisierenden Theaterspielen in der anatolischen Steppe herausgebildet hat. Sie hat nach einiger Zeit des Verharrens an einer Stelle, die menschlichen und materiellen Ressourcen aufgebraucht. Die nutzlosen Hinterlassenschaften häufen sich und belasten ihr eigenes Areal. Kooperationswillen, Zuneigung und Hilfsbereitschaft der Nachbarn nehmen ab.

Mein Freund Andreas rief gestern an, um unser Treffen am kommenden Freitag klar zu machen. Weil er schon am Morgen da sein wird, können wir auf dem Markt was zum Grillen einkaufen, um darauf in den Wald aufzubrechen, am Abend wieder zum Markt an den Weinstand zurückkehren und danach vor dem Atelier zu grillen. Fast komme ich in Lagerfeuerstimmung, wenn ich daran denke.

Gestern kam ich später ins Atelier und machte dennoch eine langwierige Ausformung des Zweifigurenreliefs fertig. Sonst nichts.

Pixelkitchen | Boxcamp

Der Organisator einer Kunstparty mit dem Namen „Pixelkitchen“, die seit einiger Zeit monatlich auf dem Teves in den Räumen der Probebühne des anatolischen Theaters läuft, besuchte mich gestern Abend in meinem Atelier. Während seiner Arbeit auf dem Gelände hatte er mitbekommen, dass die Spannungen zwischen dem Theater und den anderen Tevesanrainern durch den Charakter und die Dichte der Veranstaltungen zugenommen hatten.

Seine nächste Veranstaltung in gut drei Wochen soll noch größer ausfallen, als die vergangenen. So bangte er um sein Vorhaben und kam, „bevor das alles den Bach runtergeht“ zu mir, um sein Konzept vorzustellen und dafür zu werben.

In der Summe ist es egal, ob er aus eigenem Impuls oder auf Hinweis der Anatolier gekommen ist. Wichtig ist nur, dass die Situation als explosiv eingeschätzt wird.

Ein weiteres Gespräch über dieses Thema hatte ich mit dem Jugendtrainer des Boxcamps. Er geht viel direkter mit den Leuten von Orada ins Gericht und sagt, dass die Großveranstaltungen mit Drogenkonsum, Alkoholausschank und mit dem Lärm bis in den Morgen nicht auf das Gelände gehören. Die Jugendlichen, die sich am Sonntagmorgen um Neun am Camp treffen, um zu einem Wettkampf zu fahren, kommen alle aus schwierigen Lebensumfeldern. Dann sind sie mit der betrunkenen Veranstalterin, mit herumliegenden Jointresten und geleerten Schnapsflaschen konfrontiert. Teves ist als Partylocation schon in Verruf geraten. Das hat Signalwirkung. Jährlich kämpft das Boxcamp um Fördermittel, die durch die Veranstaltungen gefährdet werden.

Mit den Veranstaltungen gehen also mehr Risiken einher, als Chancen.

Oberflächen – Spannungen

Auf dem Tevesgelände versuchen wir einen Konflikt auszutragen, der klare kulturelle Gründe hat. Die sichtbarsten sind die sprachlichen Barrieren, aus denen sich immer neue Fehlinformationen entwickeln. Wenn eine kritische Masse sich stapelnder Probleme erreicht ist, kommt es zu Ausbrüchen, die mit sich unkontrolliert aufschaukelnden Emotionen einhergehen. Der deutschen Sprache sind die Teilnehmer an diesem Konflikt sehr unterschiedlich mächtig. Das führt teilweise zum Ausbleiben jeglichen Gesprächs, was die Basis für ein Zusammenleben auf dem Tevesgelände wäre.

Als nächster Schritt wäre die Bereitschaft für Absprachen zu entwickeln, die durch den Nutzen ihrer Wirkung als notwendig veranschaulicht werden müssten. Veranstaltungen, die einen Grossteil des Geländes betreffen, uns an der künstlerischen Arbeit hindern, müssten zumindest gemeinsam terminiert werden.

Aber dabei handelt es sich tatsächlich nur um die Oberflächen-Spannungen, die auf Beweggründen beruhen, die zu diskutieren wären. Das allerdings stößt auf Grenzen.

Das heißt aber, dass man sich auf Regeln des Zusammenlebens einigen muss, deren Grundlage die Gründe für die Subventionierung der Arbeit auf dem Gelände sein müssten. Die müssen selbstverständlich auch auf den gesetzlichen Grundlagen, beispielsweise für das Betreiben von Veranstaltungsräumen beruhen.

Tischlern

Langsam werden die Fingerkuppen meiner rechten Hand härter. Vom Gitarrespielen wächst mir eine Hornhautschicht.

Draußen in der Kälte singen Tauben einen monotonen Song, wie einen immerwährenden Blues. Meine Halswirbel knacken dazu im Takt.

Die fertigen, gerahmten Dreiecke trug ich gestern in den großen Balkenraum unterm Dach. Ich habe die Rahmen nicht gezählt, es sind aber noch viel zu wenige. Drei habe ich am Nachmittag noch gebaut, Verplattungen im Winkel von einhundertzwanzig Grad mit der Hand gesägt, dann verleimt und mit Nägeln fixiert. – Erinnerungen an die Tischlerwerkstatt, in der ich in die Lehre ging. Ich genieße diese Arbeit, das Anreißen und Einspannen des Holzes, den leichten, gleichmäßigen Gang der alten Tischlersäge, spüre aber gleichzeitig den Anachronismus. Ich weigere mich, schneller zu arbeiten, mir den Lärm einer Kreissäge anzutun, genieße eher die Langsamkeit. Es kann dauern…

Die drei Reliefs, die ich Donnerstag und Freitag ausgeformt habe, müssten morgen trocken und hart sein. Dann geht es weiter.

Keine Menschen auf der Strasse, nur manchmal rauscht unter meinem Fenster ein Auto vorbei.

Demonstrationen in der Stadt. Kommunistische Gruppen demonstrieren gegen den Kapitalismus. Das ist nichts Neues. Hubschrauber knatterten den ganzen Tag über der Innenstadt und Polizei hielt die wichtigen Verkehrsknotenpunkte besetzt.

Wald-,Text- und Wasserfarbenräume

Die Tiefe der Waldräume auf den Fotografien von Pfad, geht mit der Tiefe der elektronischen Collagen zusammen. Innerhalb der Tagebuchzeichnungen entstehen Räume durch die verschiedenen Schichten. Das sind sich kreuzende farbige Linien, Schraffuren und kreisend gestrickte Strukturen und die darauf folgenden Verwischungen mit dem Handballen und Wasser. Dann haben sich an der Hand Wasserfarbreste zusammen geschoben, die ich erneut mit mehreren Handprints neben oder in die gewischten Flächen setzen kann. Ist das Ganze angetrocknet, setze ich noch mal Wasserspitzer oder –linien darauf, die ich dann, wenn sie die Farbflächen angelöst haben, mit hohem Druck und hoher Geschwindigkeit nach Rechts oder Links verschiebe. Dadurch lege ich helle Flächen frei.

Obwohl diese die Farbschichten bis auf den Grund auflösen, und so einen Raum in die Tiefe eröffnen, schieben sie sich in den Vordergrund und schaffen somit einen widersprüchlichen Effekt.

Krishnababy erzeugt nun, indem er auf eine Zeile des Songs „Most of the Time“ von Dylan zeigt, eine weitere Schicht. Bei der Beschäftigung mit diesen Texten wird mir die Qualität des Gesangs immer deutlicher. Besonders im Vergleich verschiedener Aufnahmen ein uns desselben Songs, kann man die Variationsbreite und damit die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten für sich selbst als Zuhörer erfahren. Gleichzeitig habe ich ein Gefühl von großer Dichte, wenn ich Dylan singen höre. Jedes Wort bekommt eine eigene Färbung und Unterstützung durch den Gesang.

Chromgelbe Schirmposaune

Anhaltend bilden sich Kreise in den In den Pfützen. Tropfen auf Tropfen. Der Wind kräuselt die rauschenden Alleebaumkronen, unter denen behütet und beschirmt Leute über den Markt huschen. Das Backwerk leuchtet in seiner Auslage, dass es schon aus der Ferne zu duften scheint. Die Zeltbahnen der Marktstände hängen schwer von all dem Wasser, als wollten sie endlich auf dem Boden ausruhen.

Ein kleinerer, im Winter unscheinbarer Ahorn trägt nun ein dichtes Blätterdach und darunter einen tiefen dunkelgrünen Schatten, der in Violett zu kippen droht.

Einer der pakistanischen Textilhändler spannt plötzlich einen großen chromgelben Schirm auf, als ob eine Posaume zwischen den flüsternden Querflöten oder Highwaterbanjos aufschreit.

Im Atelier gestern zwei ausgeformte Reliefs, die Tonfiguren meiner Schülerinnen und die dicht parkenden dunklen Limousinen der linken türkischen Community, die sich einen Film über Gefangene im Hungerstreik anschauten. Sie bedrängten uns und ließen uns wenig Platz für die konzentrierte künstlerische Arbeit. Das ist der Ignoranz der Veranstalter zuzuschreiben – eine typische Situation.

Eine der Collagen aus den Schichten der Bilder, mit denen ich mich täglich beschäftige, habe ich ausgedruckt und mitgenommen ins Atelier. Dort bekommt sie einen anderen Klang, verlangt nach anderem Material, vielleicht nach Transparentpapier, Tusche und Schelllack.

Schlag auf Schlag

Zur Fortführung der Reliefproduktion muss ich mich öfter selbst anschieben. Gestern habe ich aber drei Blutkreislaufreliefs mit Graphit und Schelllack bearbeitet. Somit beginnt sich ein neues Ornament zu bilden.

Krishnababy zeigt auf frühe Zeilen von Bob Dylan in direkter Reaktion auf die Ermordung von John F. Kennedy entstanden. Es liest sich wie die erste Skizze von „Ring them Bells“, das erst zirka fünfundzwanzig Jahre später erschien. In den Sechzigern, dieser spannenden Zeit sind viele Grundlagen gelegt worden. Ginsberg wurde 1965 in Prag zum Maikönig gekrönt und von der Regierung ausgewiesen. Zwei Jahre später sah ich die Matadors, eine Beatband aus dieser Stadt in einem Bierzelt an der Ostsee, in dem meine Eltern arbeiteten. Die langen Strandspaziergänge waren voller Songs, die ich noch nicht verstand.

In den kommenden Wochen erwarten wir große Demonstrationen der Occupy Bewegung. Man rechnet allein mit mehr als zweitausend gewaltbereiten Menschen, die mit den anderen friedlichen Demonstranten die Stadt lahm legen wollen. Neben der Autobahn am Rebstock ist ein Zeltlager entstanden. Alles findet unter der liberalen Duldung der Stadt statt.

Schon die Hausbesetzung in der Nachbarschaft war ein Zeichen sich verschärfender Gegensätze der Lebensumstände. Es ist kein Zufall, dass ich mich derzeit mit den Sechzigerjahren beschäftige. Es gibt Parallelen und es wäre banal dazu zu sagen, dass sich die Zeiten zu ändern beginnen. Es geht Schlag auf Schlag.

Begegnung

Während meiner gestrigen Arbeit am Hang des kleinen Feldberges, begegnete ich einem jungen Mann mit einem großen, weißen Hund mit lockigem Fell. Er kam direkt auf mich zu und begann genauso direkt ein Gespräch mit der Frage nach der Bedeutung der Geflechte, Stapel und Wegzeichen. Er folgte dem Weg von der Strasse aus, weil er neugierig war, wohin die Zeichen führen mögen. Ich traf ihn ziemlich genau in der Mitte des zweiten Abschnittes, in der Nähe der Kristallgruben. Dort eröffnete ich ihm, dass die Dinge, die er sieht seit zwei Jahren von mir gebaut werden. Außerdem erzählte ich ihm, wie ich das Ganze weiter verarbeite.

Diese Begegnung war ein wichtiges Ereignis für mich, weil ich nun davon ausgehen kann, dass damit begonnen wird den Weg zu nutzen und dass dieser Wanderer nicht der einzige sein wird, der diesem Pfad aus Neugier folgt. In dieser Weise werde ich nun für meine Beharrlichkeit belohnt.

Lange war ich gestern im schönen Wetter am Hang unterwegs, baute an den Dingen, die langsam zusammenrutschen, die überdeckt sind vom Material der Baumfällarbeiten und erfand neue kleine Eingriffe in die Forstwirtschaft. Mittlerweile sind alle gefällten Baumstämme aus dem Areal herausgezogen worden. Wieder sind keine meiner Bauten, trotz großer Nähe zum Geschehen, in Mitleidenschaft gezogen worden.

Meine Begegnung auf dem Pfad feierte ich mit einem Besuch des Großen Feldberges, von dem aus die klare Sicht auf die weite Landschaft den Horizont weiter nach oben steigen ließ.

Leergefegt

Von Nordosten her kommt die Sonne auf einen Kurzbesuch in mein Zimmer. Nur weil ein Zwischenhoch den Himmel leergefegt hat und ich früh auf bin, komme ich in diesen Genuss. Dieses Wetter ausnutzend, werde ich heute auf meinen Pfad in den Wald gehen.

Gestern Nachmittag schon zog ich das Rolltor vom Atelier hoch, um in der ungewohnten Wärme an den Reliefs weiter zu arbeiten.

Marilia Albanese ist eine Indienexpertin, die auch verschiedene Bücher über die Khmerkultur und Angkor Wat geschrieben hat. Mit diesen Büchern und unseren Indienerfahrungen können wir nun diese Reise nach Kambodscha vorbereiten. Barbara hat schon Guesthouses gebucht und sich einen allgemeinen Überblick über das Reisen zwischen Thailand und Kambodscha verschafft. Da wir schon viele indische Tempel gesehen haben, deren Strukturen und Bildprogramme etwas kennen, werden wir uns in Angkor Wat gleich etwas heimischer fühlen können. Ich bin sehr gespannt auf die Regenzeit, den Dschungel und die Vogelstimmen.

In den letzten Wochen haben wir viel Tanz gesehen. Motion Bank macht eine neue Website, für die Barbara Texte übersetzt. Uns überraschte die Vielfalt, in die sich das Genre aufsplittert. Die Grenzen zwischen den bildenden Künsten und den darstellenden Künsten verschwimmen immer stärker. Ein wesentliches Bindeglied ist die Performance.

Auch Vinzenz hat seine Website erneuert und sie um ein weiteres Projekt erweitert.

Finsternis | liebevoller Blick | Poetisierungsverfahren

Im Mousonturm erlebten wir die Performance “Unterton“ von Sidney Leoni. Wir sahen sie nicht, weil sie meistens in vollständiger Finsternis stattfand. Krishnababy zeigt im Programmfaltblatt auf:

„…und sie werden am Ende nicht sagen können, wann der Sturm losbrach, wann ein mysteriöses Tier ihre Beine umstrich und wann der enge Raum um sie plötzlich unendlich weit wurde.“

Ein ungewöhnliches Erlebnis, bei dem man von den „Darstellern“ immer wieder vorsichtig berührt und sogar umarmt wurde. Noch einmal wurde mir währenddessen unsere berührungslose Gesellschaft deutlicher.

Im Museum für Moderne Kunst sahen wir Videoarbeiten von Rineke Dijkstra. Ihre Motive sind heranwachsende Menschen vor weißem Hintergrund. So posieren beispielsweise ein paar etwa zehnjährige Schüler in Schuluniformen, die sich wortreich mit dem für den Zuschauer unsichtbare Bild „Weinende Frau“ von Picasso beschäftigen. Ein liebevoller Blick auf diese ernsten Kinder. Viele andere nicht minder intensive Videos beschäftigen sich mit tanzenden jungen Menschen.

In der vergangenen Woche erst wurde bekannt, dass Sara Kirsch schon am fünften Mai gestorben ist, eine der aufrechten Dichterinnen der DDR-Zeit. Schon in den Siebzigerjahren, kurz nach der Biermannausbürgerung ist sie in den Westen gegangen. Im Nachruf von Wulf Segebrecht in der Frankfurter Allgemeinen wird ihr romantisches Poetisierungsverfahren beschrieben, das keine vordergründige Harmonisierung im Sinn hatte.

Laudatio | Regiekonzepte

In einer knappen Stunde, also sehr schnell formte ich ein Blutkreislaufrelief aus. Danach sprach ich mit dem Anatolier Albak, erklärte ihm, dass ich unsere Probleme lieber unter uns gelöst hätte. Nun gibt es einen offiziellen Termin. Das wird die Auseinandersetzung um die Nutzung von Teves West verschärfen.

Das besetzte Haus in der Schwalbacher Straße ist schon geräumt worden. Die Besetzer hatten nicht gewusst, dass es einem privaten Versicherungsunternehmen gehört. Von der Stadt als Besitzer hätten sie mehr Aufschub erwarten können.

Eine etwas gespenstische Geschichte ereignete sich gestern bei der Preisverleihung des Verlags der Autoren an Frank Patrick Steckel für sein Übersetzungswerk. In der Laudatio erwähnte Annette Reschke einen Scherz Steckels: „Und was machen sie, wenn ich mit vor der Verleihung ein Bein breche?“ Beim Besteigen des Zuges von Berlin nach Frankfurt brach er sich dann den Fuß.

Mit Annette sprachen wir eine Weile über die Wirkung von nachgetanzten Forsythestücken und ihre Verwandlungen, denen sie durch andere Tänzer unterworfen sind. Luise Rist will mir ihre Freischützbearbeitung schicken und mit Marion Tiedtke sprach ich lange über Verbindungen meiner Arbeit, speziell der Raumprojekte zu Möglichkeiten der Erarbeitung von Regiekonzeptionen. Ein netter Abend.

Aneignung | Tanz

Krishnababy zeigt auf eine Zeile auf einem winzigen Flyer, den ich gestern auf dem Weg zum Ballett im Mousonturm in die Hand gedrückt bekam:

„Wir haben uns heute das leer stehende ehemalige Sozialrathaus angeeignet. Wir wollen hier langfristig einen Raum eröffnen, in dem sich Menschen selbst organisieren.“

In der Schwalbacher Strasse hatten wir einen Polizeikordon und eine dicht gedrängte Demonstrationstraube zu passieren, um zur Straßenbahn zu gelangen. Eine künstlerische Verdichtung als Aneignungsinstrument für öffentliche Räume war ein Denkansatz den ich für Projekte im Architekturmuseum entwickeln will.

Studierende der Hochschule für darstellende Künste zeigten am Abend fünf verschiedene Stücke oder Fragmente davon. Beispielsweise entwickelten sie „Enemy in the Figure“ von William Forsythe mit Tänzern dieser Forsythecompany. Die älteren Stücke sind sehr emotional und werden durch die Jugend der Tänzer noch anrührender.

Danach fuhr ich gleich mit der Straßenbahn weiter bis zum Tevesgelände, um mir Pixelkitchen von außen aus anzuschauen. Die Probebühne war voll mit Menschen und zu dem Zeitpunkt, an dem ich dort war, ging es ruhig zu. Dagegen könnte man nichts haben, wenn der Raum für Veranstaltungen zugelassen wäre, wenn der Notausgang nicht mit der Garderobe zugestellt und diese dahinter liegende Tür nicht abgeschlossen wäre, wenn nicht in einer hygienisch bedenklichen Situation Essen ausgegeben würde und keine Feuerjongelage zwischen den Teerdächern brennen würde…

Fingerzeige | Bahndamm

Klar zieht eine kalte Dämmerung herauf. Die Temperaturen sanken immer weiter und nähern sich der Frostgrenze.

Während des Workshopabends fragte mich Anna, ob es Tage bei mir gibt, an denen ich nicht kreativ sein will oder kann. Zunächst ist das nicht eine Frage des Willens, sondern des Zustandes. Er wird schon durch das tägliche Arbeitstagebuch gewährleistet. Diese tägliche Produktion von Zeichnungen, Texten und Collagen hält mich bei der Stange. Nicht unwichtig sind die Fingerzeige von Krishnababy.

Im Atelier liegt nun ein ganzer Stapel von Dreiecksrahmen, die ich mit dem Zweifigurenrelief belegen kann. Diese Arbeit wird dadurch behindert, dass Deniz seine Ausstellung im Balken nicht abräumt. Dazu muss ich ihn nun dringend auffordern.

In der Biografie „Bob Dylan und Amerika“ lese ich über die Zeit der großen Depression und die der Beatbewegung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Allan Ginsberg und Jack Kerouac lebten in Greenwich Village, wo die neue Folkszene aufzulodern begann. Wenn ich die Whitmarkdemos höre, donnert in einem Song die U-Bahn am Ort der Aufnahme vorbei. Unwillkürlich schaue ich zum Bahndamm, ob sich ein langer Güterzug mit den Graffitis aus aller Welt vorüberwälzt.

Ein grauer Eisdeckel wächst aus der klaren Nacht, der die wärmenden Strahlen des Morgens abhalten wird. Auf der gegenüberliegenden Alleenseite ziehen die Abschleppwagen heran, um sie für den Freitagsmarkt frei zu räumen.

Bildtunnel

Die Collagen, die ich derzeit aus den Tagebuchzeichnungen zusammenstelle, besitzen viele Fenster, durch die man bis auf die darunter liegenden Schichten hindurchschauen kann. Das ist wie ein Rückblick auf ein paar Tage durch einen Tunnel in die Vergangenheit. Wenn ich diese Arbeitsweise ernsthaft weiter betreiben möchte, muss ich mit einem Speicherformat arbeiten, das die Schichten einzeln aufhebt. Das bringt noch mehr Variationsmöglichkeiten, benötigt aber mehr Speicher.

Im Atelier fügte ich Dreiecksrahmen zusammen, beaufsichtigte Lehrlinge und motivierte sie durch Mitarbeit an ihrem Projekt.

Am Abend habe ich mich mit einem Glas Wein ins Cafe gegenüber gesetzt. Der große Abstand aus dieser tiefen Perspektive zu meinem Schreibtisch erstaunte mich. Der Raum definierte sich von dort aus in einer anderen Dimension.

Die Menschen machten sich in der kühlen Luft zwischen den kalten Regenschauern klein und rar. Die Vögel schwirren verzweifelt ohne Wärme erzeugen zu können.

Eine nette Mail von Cordula, die mich im Atelier besuchen möchte. Alexander schickte einen Text zu dem Vorhaben, das wir mit dem Architekturmuseum beginnen wollen und möchte Ergänzungen und schriftliche Unterstützung. Vielleicht lässt sich ein Naturraum – Stadtraum – Aspekt mit einfügen. Gehen, Spuren hinterlassen, kleine Eingriffe im Stadtraum mit Materialien aus dem Wald…

Verdichtung | Freiraum

Krishnababy zeigt auf einen Satz von Bob Dylan, der in einem Rolling Stone – Interview, das zwischen dem dritten und siebten Mai Zweitausendsieben geführt wurde:

„Es kam nicht so einfach ohne Grund aus dem Boden geschossen.“

Dabei geht es um seine Arbeit in den Sechzigern und die Reaktion des Publikums darauf. Der Unterschied zur heutigen Produktion rührt seiner Meinung nach von mehr Freidenkertum und Nonkonformismus in dieser Zeit her. Ich lese gerne in den ausführlicheren Äußerungen Dylans in einem Sonderheft des „Rolling Stone“, das mir Barbara aus Berlin mitgebracht hatte.

In einem Metallschälchen aus Jordanien, mit gravierten Tier- und Pflanzenornamenten, sammeln sich die Holzspäne und der Pigmentstaub, die beim Anspitzen der Aquarellstifte anfallen. Meine Tischflächen füllen sich mit Eintrittskarten, Notizen, Museumsfaltblättern und Programmzetteln. Es ist an der Zeit, wieder Ordnung zu schaffen, den Stand der Projekte festzuhalten, um daran etwas planmäßiger weiterarbeiten zu können.

Beispielsweise gehen mir Dinge durch den Kopf, die mit der künstlerischen Besetzung von Räumen zutun haben. Freiräume im Wald und deren Projektion auf die Stadt. Eine Gegenwehr zur wachsenden Macht der Investoren im Zusammenhang mit der baulichen Verdichtung. Der Kunst kommt die Aufgabe der Gegenbewegung zu, die ihr nur mit einer künstlerischen Verdichtung möglich werden kann, die Freiraum bedeutet.

Dekorationsfalle

Die Skulpturen, die ich im Atelier mit Naturmaterialien und Gips gemacht hatte, enttäuschten mich etwas. Wenn ich nicht aufpasse, bekommt manches einen deutlichen Dekorationscharakter. Es gehört also mehr Anstrengung dazu.

Vinzenz schrieb, dass er an einem Tag mit Via Lewandowski, Daniel Birnbaum und Olafur Eliasson gesprochen hat. Das baut ihn auf. Aber auch er muss aufpassen, dass er nicht in die Dekorationsfalle tappt. Aber jetzt erst einmal kann er Erkenntnisse sammeln, die ihn davor bewahren können.

Etwas unkonzentriert und zersiedelt muss ich bei mir beobachten, dass nichts fertig wird. Vor der Kambodschareise muss ich noch was hinkriegen. Vom ständigen Arbeiten ohne Feedback bin ich auch etwas ausgelaugt.

Sehr wichtig sind mir nach wie vor die täglichen drei Zeichnungen und zunehmend auch das Schreiben. Es stellen sich hier andere Konstellationen ein als sonst. Auffällig wird das besonders bei den Überschriften über den Abschnitten im Netz im Zusammenhang mit den Collagen. Auch die werden wichtiger. Außerdem habe ich überhaupt keine Lust, diese Arbeit zu vergrößern oder ins Atelier zu transportieren. Dort geschieht etwas anderes.

Heute habe ich gemeinsam mit den Lehrlingen Dreiecksrahmen für die Modulwandbilder gebaut.

Baumarchitektur

Fast dreihundert Jahre alte knorrige Buchen in den Wäldern des Rheingaus zeugen von einer speziellen Art der Grenzbefestigung, die sich „Gebückwerk“ nennt. Eine etwas sperrige Bezeichnung für ein Grenzbefestigungsvorgehen dass einer natürlichen Schutzwallarchitektur folgend angelegt wurde. Junge, hoch aufgeschossene Hainbuchenstangen wurden so zum Boden herab gebogen, dass sie weiter oben am Stamm neu wurzeln konnten. Die Triebe, die dann an den ineinander greifenden Bögen wuchsen, konnten anschließend miteinander verflochten werden. In dieser Weise wurden undurchdringliche Hecken gezogen. Grund dafür waren die materiellen und politischen Werte, die es im Rheingau gegen die Nachbarn und marodierende Haufen zu verteidigen galt. Mir gefällt daran besonders der Zusammenhang zwischen dem geflochtenen undurchdringlichen Wachstum und den zu schützenden freiheitlichen Werten. Manchmal waren die Streifen einhundert Meter breit. An den Stellen, wo Wege die Grenze passierten, standen stark befestigte Bollwerke mit Türmen, Torbögen und Schießscharten. Diesem etwa fünfzig Kilometer langen Streifen steht im Süden der Rhein als natürliches Hindernis gegenüber, das gut überwacht werden konnte.

Auf dem Heimweg begegnete uns noch ein anderes, sehr viel freundlicheres Bauwerk, das ebenfalls das Wachstum zur architektonischen Unterstützung benötigt. Es handelte sich um eine Tanzlinde, deren Äste jetzt noch zu jung sind, um den Tanzboden in etwa drei Metern Höhe zu tragen. Die alte Linde fiel einem Sturm zum Opfer, worauf 2003 eine neue gepflanzt und gleich eine achteckige Balkenkonstruktion mit dem Tanzboden drum herum gebaut wurde.

Wachstum | Objekt | Tanz

Auf der Suche nach langstieligen, trockenen Pflanzenstengeln durchstreifte ich gestern Nachmittag den „wilden“ Teil des Tevesgeländes. An manchen Stellen erobert sich die Natur den versiegelten Boden wieder zurück. Aus allen Ritzen treten zwischen dem Beton Pflanzen hervor. Auf den Oberflächen sammeln sich ihre Reste, verrotten und schaffen somit neue Böden für weiteres Wachstum. Die Birke aus einem Pflanzkübel hat nun mittlerweile schon eine Höhe von über drei Metern vor meiner Atelierwand. Sie wächst nur in dem Boden, der sich über dem Beton gebildet hat. Ich achte darauf, dass sie nicht ins Mauerwerk wurzelt. Zwischendrin wachsen auch mehrere Ahornbäume.

Aus diesem Pflanzenleben heraus gewinne ich nun also noch Material für Objekte. Die geernteten Stengel schnitt ich in etwa fünfzehn Zentimeter lange Stücken, bis ich ein kompaktes Bündel zusammenhatte. Dieses stellte ich in einen kleinen Plastikeimer und goss eine Schicht Gips hinein. Nachdem diese fest geworden war zog ich sie mit den Stengeln aus dem Behälter und wiederholte das Ganze an dem entgegengesetzten Ende.

Am Abend sahen wir ein Tanzstück mit Christina Veit und Pierre-Yves Diacon im Mousonturm.

Auf dem Weg dorthin waren wir mit tausenden Eintrachtfans konfrontiert, die mit aggressiver Fröhlichkeit ihren Fußballclub feierten.

Das Stück war einfach, unaufgeregt schön – vielleicht aber doch etwas zu simpel.

Neue Abformmasse | Kriegenburg

Meine Abformmasse habe ich nun, auf der Suche nach einem schnelleren Verfahren, erheblich verdünnt, gleichzeitig mit mehr Leim versetzt und dann dick in die Formen gestrichen. Die Brauchbarkeit dieses Vorgehens entscheidet sich nun während des Trocknungsprozesses.

Der freitägliche Ateliernachmittag ist immer, wegen der Verabredung auf dem Wochenmarkt, etwas kurz. Leider musste ich Mathilda vermissen.

Im Schauspiel erinnerte ich gestern Andreas Kriegenburg endlich an unsere erste Begegnung vor zweiundzwanzig Jahren in Frankfurt an der Oder. Wir sahen dort seine Inszenierung von „Barackenbewohner“ mit Schauspielstudenten. Die wurde dann zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen, wonach der kometenhafte Aufstieg des Regisseurs begann.

Gestern sahen wir seine „Möwe“ von Tschechow, wofür er selber ein gut funktionierendes Bühnenbild entworfen hat. Die Inszenierung fand an einem großen Tischkreis statt, der sich auf einer Drehbühne befand, die fast immer in Bewegung war. Hinter einem Vorhang vor der Hinterbühne wurde die Tafel von der Requisite immer neu gedeckt.

Im Atelier hatte Monika ihre Kamera vergessen. Ich brachte sie ihr zum Weinstand mit, wo sie gleich anfing, sie eifrig zu benutzen. Mit meinen Schülerinnen habe ich eine begabte und kreative Gruppe um mich, die mich auch ziemlich herausfordert. Die Arbeit an den Skulpturen gestern war demzufolge auch anstrengend für mich. Will ich ihrer Konzentration und Energie etwas entgegensetzen, muss ich mich ins Zeug legen.

Hang | DAM | Stückformen

Im Deutschen Architekturmuseum traf ich mich gestern mit Christina Budde und mit Alexander Klett. Es ging um eine Zusammenarbeit innerhalb des FRANKFURTER KRAFTFELDES ab Juli dieses Jahres. Außerdem sprachen wir über Erwachsenenworkshops und überlegten, ob man sie an die Thematik der neuen Ausstellung und einem damit im Zusammenhang stehenden Kongress anlehnen kann. Es geht um Architektur und soziale Strukturen in der Dritten Welt.

Für mein Gefühl ist das Zusammenspiel zwischen dem gestalteten Raum an Südwesthang des kleinen Feldberges und den Objekten, mit denen ich gerade im Atelier begonnen habe eine Herangehensweise, die mit dieser Thematik in Zusammenhang gebracht werden kann. Sicherlich geht es auch um die Annexion von Raum irgendwo in der Landschaft. Ich denke in diesem Zusammenhang auch an die MST-Dörfer in Brasilien.

Aus Zweigen stellte ich gestern kleine Architekturen zusammen, deren Verbindungen ich mit Gips stabilisierte. Der Gips gerinnt zu massigeren Formen, die einen eigenen räumlichen Faktor erzeugen. Dieser kann vergrößert werden, wodurch die filigrane Gerüstform von kompakten Elementen durchzogen wird.

Am Abend bauten wir im Workshop Gerüste für Tonplastiken. Vorher zeigte ich die Pergamonfriesleporelli. Wir sprachen über die Bedeutung des Fragments und der Farblosigkeit für die Kunstproduktion der letzten Jahrhunderte. Unser Ziel ist es nun zu den Skulpturen Stückformen zu bauen. Das wird eine Weile dauern.

Perspektivveränderungen am Hang

Bei durchmischtem Wetter bin ich gestern in den Taunus gefahren, um den neuen Herausforderungen an meinem Pfad zu begegnen. Im unteren, „alten“ Bereich ist alles geblieben, wie es war. Dort kann ich einfach weitermachen und den Wegesrand verdichten. Mein Blick schweift auf der Suche nach besonderen Astgestellen ab und zu weiter über den Hang. Manchmal stehen sie wie seltsame ausgebleichte Tierskelette in der Umgebung des Weges. Von ihnen habe ich schon manche näher herangetragen und neu aufgestellt. Es kommt darauf an, ihnen Aufmerksamkeit zu verschaffen. So folgt das untere Drittel ganz und gar meinen Gestaltungsbestrebungen.

Etwas uneindeutiger zeigt sich die Situation in der Mitte zwischen dem zweiten und dem dritten Weg. Dort drang von oben her die Forstmaschinerie weiter nach unten vor. Während oben der Holzeinschlag beendet zu sein scheint und alle Stämme aufgestapelt  zu trocknen beginnen, wurden weiter unten in der Mitte weitere Bäume gefällt. Obwohl sie teilweise inmitten meiner Bauten standen, ist keiner von ihnen zu Schaden gekommen. Das spektakulärste aber ist ein nagelneuer Jägerstand mit beträchtlicher Höhe, von dem aus ich meine Arbeit nun von der Vogelperspektive aus anschauen kann.

Im letzten Drittel allerdings habe ich zu kämpfen. Die von mir frei geräumte Lichtung wurde beispielsweise mit Fichten bepflanzt. Zugunsten meiner Mikroklimaräume habe ich die Reihen gelichtet und die Bäumchen umgepflanzt. Unangetastet behauptet sich die Kiefer. Neben all den gewalttätigen Spuren verändern sich die Blickwinkel auf die feinen kleinen Konstruktionen.

Leere und Energie

Eine Skulptur, wie ich sie mir gestern am Schreibtisch vorstellte, begann ich am Nachmittag im Atelier zu bauen. Auf einen Tisch stellte ich ein kleines Bündel Zweige und rührte mir einen Gipsbecher an. Dann trug ich den sehr dünnflüssigen Gips mit einem kleinen Spachtel an das zarte Holz und wiederholte das ein paar Mal. So entstand eine Figur, die im zentralen Korpus stabil gebaut, nach außen hin aber filigraner verzweigt ist. Wenn ich weiter daran arbeite, kann es geschehen, dass die Struktur der Zweige völlig verschwindet. Mir gefällt der Aspekt, aus einer zufällig hingeworfenen Formation, wie einem Reisigbündel, eine strengere Form zu bauen.

Krishnababy zeigt auf die große Lücke um Theia auf dem Südfries des Pergamonaltars. Die kleinen Details, die in den mit Möglichkeiten angefüllten leeren Raum zeigen, werden mit all den Bedeutungen aufgeladen die er hergibt. In Ihnen konzentriert sich die Energie, die es möglich macht, die Leere zu füllen.

Eine ähnliche Energie entsteht, wenn ich meine Zeichnungen, mit dem Handballen und Wasser wischend, fragmentiere. Die Kraft der gezeichneten Linien bündelt sich dann in dem zusammen geschobenen Pigmentwasserfleck am Ende der Wischbewegung.

In dieser Weise verknüpfen sich die Dinge der Rezeption und Produktion zu einem Strom von Beziehungen meines Wissens und der Erinnerungen, auf die ich zurückgreifen kann. Die Produktion füllt aus dem Rückgriff fragmentierte Räume und setzt die Bilder dort neu zusammen.

Gips und Holz

Auf Google Earth habe ich mir die Umgebung des Hügels angesehen, auf dem der Pergamonaltar stand. Mit den Fotos, die auf den Satellitenaufnahmen liegen, habe ich versucht, die Häuser und Viertel ausfindig zu machen, die vor der Zeit der Grabungen entstanden sind. Der Ort, der den Hügel umgibt, dessen Baumaterial teilweise aus dem zerstörten Altar besteht, heißt Bergama.

Im Atelier las ich noch ein wenig über die Ausgrabungen. Die Geschichte der Rezeption reicht bis in Bibeltexte zurück, wo der Ort als der Thron Satans bezeichnet wird.

Interessant in diesem Zusammenhang auch die Verbindung zwischen der Antikensammlung des Louvre und Rodin.

Drei Wandvitrinen im Keller des Liebighauses zeigen die Arbeitsgänge des Wachsausschmelzverfahrens sehr genau und ausführlich. Vielleicht könnte man im Atelier ein ähnliches Verfahren probieren, dessen Guss allerdings mit Gips geschehen muss. Interessant und neu für mich war, dass es eine Stückform für das Wachsmodell gegeben hat.

Ich stellte mir heute ein kleines geflochtenes Gesträuch vor, das ich mit Gips beträufeln und dann weiter verarbeiten kann, um auf diese Weise eine Figur entstehen zu lassen. Das würde die Holz-Gips-Verbindung des Mittelalters aufnehmen und es neu in meine figuralen Überlegungen einfügen.

Gestern pausierte ich mit meiner Arbeit an den Reliefs. Mit Peter sprach ich über meine Erfahrungen mit dem Massenspritzverfahren.

Kalköfen | Lücken

Insgesamt 3 Meter Leporelli des Pergamonaltarfrieses hat mir Barbara aus Berlin mitgebracht. Seine Lücken, die das Hirn füllen will, verweisen auf die Kalköfen der Landbevölkerung, in denen die wunderbaren Stücke zermalmt worden sind.

Mit Vinzenz dachte ich mal darüber nach, mit den Bauwerken, die aus diesem Kalk entstanden sind, ein Projekt zu machen. Man könnte beispielsweise ihre Grundrisse in die Leerstellen des Frieses einsetzen.

Weil wir im Atelier gerade auf die Skulptur im Allgemeinen zusteuern, würde ich ganz gerne ein Ensemble aus verschiedenen Fragmenten herstellen. Jedes Einzelteil könnte auf die anderen Teile hinweisen und vielleicht sogar Anschluss an sie finden, ähnlich wie die Motive der Dreiecke.

Passend dazu besuchte ich gestern die Ausstellung „Zurück zur Klassik“ im Liebighaus. Eine kunsthistorische Fehleinschätzung bot uns die vielen weißen Projektionsflächen zumeist lückenhafter Figuren, die es vermochten, das Denken in zusätzliche Richtungen zu lenken.

Krishnababy zeigt auf dem Leporello des Ostfrieses auf Udaios, der am Boden liegt. Sein linker Arm stützt den Oberkörper etwas auf, während das linke Auge von einem Pfeil des Apollon getroffen wurde. Der Lichtgott verdunkelt dem Angehörigen des Erdmutterclans den Blick. Schon auf Vasenmalereien im Liebighaus begegneten mir streitgeladene Szenen, bei denen Gaia eine Hauptrolle spielt.

Lichtbalance

Als ich begann, in dieses Buch zu schreiben, auf dessen vorletzter Seite ich nun angekommen bin, war alles voller Schneetreiben und stetigem Ostwind, der den Winter so weit verlängerte. Auch dieser Morgen ist kühl, aber um die zehn Grad mit einem stetigen Regen.

In der vergangenen Nacht schaute ich in den Sternenhimmel über klarer Luft und sah dabei einen Vogelschwarm in lockerer Formation nach Südosten ziehen. Die hellen Unterseiten der Flügel reflektierten das Stadtlicht. Dieser nächtliche Zug unter einem strahlenden Sternenhimmel erzeugte eine eigenartige Lichtbalance.

Im Städelmuseum konnte ich zwei Stunden mit klassizistischen Kunstwerken verbringen, die in eine eigenartig heroische Romantik mündeten, die für mich etwas Abstoßendes hatte. So konzentrierte ich mein Augenmerk auf Abgusstechniken, auf die Nähte der Formenteile und ihre ästhetische Bedeutung für mich. Das geht einher mit der Beschäftigung mit Skulptur im Atelier, vielleicht kommen wir in der nächsten Zeit zu größeren Vollplastiken, die wir abformen werden.

Ein Tag ohne Atelierarbeit gestern. Ich sah nur nach meinem Reliefabdruck. Der aber noch nicht trocken war.

Am Abend sah ich einen Film über Unterwasserarchäologie im verdreckten Nildelta. Dort ist eine versunkene Hafenstadt mit Schiffen Mauern; Skulpturen, Inschriftenmonolithen, Keramik und Schmuck entdeckt worden.

Pusteblumen | Collagen

Während ein Mann mit einer orangefarbenen Tasche unter den Bäumen der gegenüberliegenden Alleeseite, unter denen es noch trocken ist, entlang schlendert, suche ich nach einem Gedanken, dem ich heute früh folgen kann. Vielleicht reicht es ja auch einfach darauf zu warten, welches Bild erscheint.

Eine sehr schöne halbe Stunde hatte ich gestern mit Mathilda, meiner zweijährigen Freundin. Wir gingen gemeinsam spazieren und sahen uns die Kleidermuster der pakistanischen Textilhändler an. Auf dem Grünstreifen entdeckten wir die Pusteblumen – ein großer Spaß. Als sie irgendwann wieder auf dem Arm ihrer Mutter saß, zeigte sie mit ausgestrecktem Finger auf mich und sagte: Das ist Frank.“

In einem aufwendiger werdenden Prozess collagiere ich derzeit meine Tagebuchzeichnungen, beziehungsweise deren Scans. Neben dem Ausschneidewerkzeug, das meist den sich diagonal kreuzenden Linien folgt, nutze aber auch noch weitere Veränderungsmöglichkeiten. So bekommen die Abbildungen innerhalb der Tagebuchdatei immer mehr einen eigenen künstlerischen Ausdruck und treten dadurch vom reinen Dokumentatioscharakter stark zurück.

Im Atelier formte ich noch ein Zweifigurenrelief, das in Wirklichkeit ein Zwölffigurenrelief ist, aus. Gleichzeitig versuchte ich immer wieder die Tauben vom Gebälk unseres Vordaches zu verscheuchen.

Kreuzstabträgerwand

Geblümte Hemden, gestreifte Röcke und Kleider in sommerlichen Farben hängen auf den Metallstangen der fahrbaren Gestelle der pakistanischen Textilhändler vor meinem Fenster.

Im Atelier kümmerte ich mich etwas um meine Pflanzen. Manche bekamen neue Erde, die mit etwas Dünger versetzt ist, manche habe ich schon vor ein paar Wochen zurück geschnitten.

Und natürlich arbeitete ich an der Kreuzstabträgerwand weiter. Es sind nun siebzehn Exemplare des Reliefs entstanden. Mit dieser Menge kann ich nun schon beginnen, das zu probieren, das den ganzen Aufwand benötigte. Öfter denke ich über das Massenspritzverfahren nach, das wir im Theater für den Auftrag von groben Strukturen anwandten. Ich muss probieren, ob das auch mit Pappmache geht, und was das kostet.

Am Abend waren Maj und Monika da. Wir schauten uns eines der Skizzenbücher an, die Monika führt. Manchmal sind kleine tagebuchartige Sätze über ganz weiche Aquarelle gezeichnet.

Maj entfernte unter Einsatz von Geduld und Mühe ihren ersten vollständigen Reliefabdruck und hatte danach noch einige Zeit mit Reparaturarbeiten zutun. Je länger der Abend dauerte, um so mehr ging es um Skulptur. Inspiriert durch Rodin wurden Figuren aus Pappmache geformt, indem das Material fast wie Ton benutzt wurde.

Vorfreude auf Wandbildexperimente

Christi Himmelfahrt – Feste in Kirchen behaust – Sehnsucht nach Religiosität wird im katholisch-mystischem oder im schlichten protestantischen Gewand aufgefangen. Predigten, Kerzen und die murmelnden Gemeinden.

Andere ziehen heute mit Bollerwagen voll Bier in Männergruppen in die so genannte Natur. Sie wandern sich betrinkend.

Auseinandersetzungen auf Teves gelten den überhand nehmenden Partys im Günestheater. Wir sollten diese Spannungen unter uns lösen. Leidtragender ist derzeit mein Ateliernachbar, der von verschiedenen Seiten bedroht wird und deswegen seiner Arbeit nicht konzentriert nachgehen kann.

Langsam wächst die Masse der Reliefs in einen Bereich, der es ermöglicht, zu sehen, wie sich das Kreuzstabträgerornament auf größeren Flächen verhält. Ich freue mich sehr darauf, im Balken die Wandbilder zu probieren, die verschiedenen Varianten zu gestalten und zu fotografieren, freue mich auf das Experiment.

Wie ich mir heute den Feiertag gestalte, weiß ich noch nicht so recht. Sicher aber werde ich einfach das Tägliche tun und an meinen Sachen weiterarbeiten.

Splitternder Text von Ivana Sajko

Am Abend in der Box des Schauspiels: „Das sind nicht wir, das ist nur Glas“ von Ivana Sajko. Den splitternden Text hat Alida Bremer übersetzt. Ivana hat das Lebensgefühl derer gezeigt, die in der permanenten Krise aufgewachsen sind. Das junge Ensemble hat das Stück sehr schnell vorgetragen, permanent auf dem Wasser laufend, was durch einen sichtbaren Bühnenbildtrick ermöglicht wurde. Ein dichter Text, der mich manchmal etwas an Elfriede Jelinek erinnerte.

Am Nachmittag beschäftigten mich die Schichten meiner Reliefdreiecke. Auf den abgeformten Modellierstrukturen liegen die der Pinselstriche der weißen Grundierung. Mit Graphitschraffuren versuche ich möglichst viel davon sichtbar zu machen, so dass es sich lohnt nahe an die Wandbilder heran zu gehen. Die ineinander fließende Sichtbarkeit der Materialoberflächenschichten wird durch die nächste Schicht aus Schelllack, trägt man sie vorsichtig und zugleich schnell auf, noch deutlicher sichtbar. Die Graphitlinien in den Tiefen der Reliefs vermale und verstärke ich noch mal mit diesem Lackauftrag. Mit dieser Palette von reizvollen Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung wird das Ganze etwas lustvoller. Es macht Spaß, sorgfältig zu arbeiten.

Eigentlich dachte ich in dieser Woche, mit den Schweißarbeiten beginnen zu können. Aber es gibt keine Information über den Stand der Dinge hinsichtlich des Ausstellungsvorhabens „Eco Art“ im Sommer.

Noch ist nicht klar, was ich am Nachmittag tun werde. Entweder gehe ich auf meinen Pfad, oder ins Atelier.

Linien | Haut

Bis zum Mittag hatte ich mit den Aktualisierungen der Tagebuchdatei und dem Blog „Aktuelle Arbeit“ auf der Trixel – Planet – Website zutun.

Die Fenster, die ich aus den gestapelten Scans schneide, orientieren ihre Schnittkanten nach den Linien der Zeichnungen. Die Linien der Zeichnungen nehmen oft Richtungen auf, die mit den Abdrücken meines Außenhandballens der rechten Hand entstehen. Dort bildet sich die Struktur meiner Haut ab.

Am Mittag fuhr ich ins Atelier und zog dort mein Rolltor hoch. Ich hatte mir vorgenommen an der grafischen Farbgestaltung der Kreuzstabträger – Reliefs weiter zu arbeiten. Zwei davon bearbeitete ich mit demselben Muster, wie die vorigen, mit denselben Materialien. Ein Relief habe ich danach noch vollständig abgeformt. Damit begann ich erst gegen Sechs, wodurch ich noch lange im Atelier blieb.

Habe ich geträumt, dass ich den dünnen spitzen Schwanz der Eidechse wieder gesehen habe, oder war es der einer neu zugewanderten in meinem Augenwinkel gestern?

Manchmal überkommt mich während der Arbeit am FRANKFURTER KRAFTFELD ein Anflug von konzeptionell kalkulierter Kühle. Mehr Raum für Spontaneität kann es aber erst geben, wenn ich tatsächlich größere Mengen von Reliefs miteinander kombinieren kann.

Schichten mit Fenstern

Von afrikanischen Trommlern unterstützter Türkischer Volksmusiklärm gestern Nachmittag. An Arbeit war da nicht zu denken. Ich wässerte die Pflanzen und trank im Liegestuhl ein Bier.

Mittags bin ich aus Thüringen zurückgekehrt und erledigte etwas von der aufgestauten Tagebuchverarbeitung. Etwas nachlässig habe ich am Sonntag die Dateien noch nicht ganz auf den neuesten Stand gebracht.

Das Morgenritual der Kaffeezubereitung, wie auch das Zeichnen bildet den roten Faden in Situationen, wenn sich die Gedanken noch in der Nacht befinden. Ein routiniertes Herangehen, das mit neuen kleinen Handgriffen immer neue Nuancen hervorbringen kann. Die Strukturen der Zeichnungen verändern sich fast unmerklich.

Mit einer einfachen Scherenschnitttechnik bearbeite ich die Scans in Stapeln wo ich Fenster schaffe durch die man auf die verschieden entfernten Ebenen hindurchschauen kann. Derzeit sind diese Zeichnungen und digitalen Tagebuchabbildungen die einzigen künstlerischen Dinge, die ich tue. Im Atelier hat mich die Pappmacheproduktion fest im Griff, was ich aber heute ändern will.

Der Himmel ist leer von Mauerseglern. Die, die schon da waren, scheinen wieder abgereist zu sein. Vielleicht gibt es wegen des lang andauernden Winters noch nicht genügend Insekten für ihre Ernährungsflüge.

Selbstfeier und Sturz

Bedrohlich sitzen Katzen aus Steingut auf den Dachfirsten der Roten Ziegeldächer des Dorfes an der Grenze des ehemaligen Russenschießplatzes. Wenn sich der thüringische Gestaltungswille Bahn bricht, kann er etwas sehr Düsteres bekommen. Die Wurzelgesichter aus dem Wald bewachen die Vorgärten, wie böse Trolle.

Gestern gondelten wir zu viert in einem Kleinwagen durch die wellige Landschaft nach Bad Frankenhausen, dem Ort einer historischen Schlacht, die die Niederlage der aufständischen Bauern besiegelte. Die blühenden Buschreihen, Felder und gerundeten kleinen Wäldchen waren eine Augenweide. In milchiges Licht getauchte und weichgezeichnete kleinteilige, wogende Hügel boten einen freien Blick auf den dünn besiedelten Teil Nordthüringens.

Jetzt in Frankfurt, fühle ich mich wie auf einer Insel. Ich bin aus der östlichen Fremdheit zurück und Barbara ist in Berlin. Vertrautheit ist hier

Die Panoramamalerei von Tübke hinterlässt bei mir einen hölzernen Geschmack. Die Manieriertheit des Stils offenbart sich in solcher Monumentalität deutlicher als in kleineren Zeichnungen, die erträglicher sind. Am spektakulärsten erscheint mir in diesem Zusammenhang das Datum der Fertigstellung, einen Monat vor dem Mauerfall. Wie auf dem Bild der großen Selbstfeier kommen Massen hervor aus ihren Löchern und bemächtigen sich des Raumes der Herrschaft.

Am Ende der Welt

Haina am Ende der Welt – Vinzenz traf ich gestern hier zum achtundsiebzigsten Geburtstag meines Vaters. Er beschäftigt sich derzeit viel mit Theorie und Performance. Außerdem zeichnet er Akt mit einer Linie.

Bei Arun lernte ich wieder ein paar neue Griffe, die mir neue Schwingungen in meinen Körper transportieren können. Mit Vinzenz und mit meinem Bruder, sprach ich über die Nähe der Töne beim Musizieren.

Grill im Garten, zuviel zu Essen wie immer. Niemand merkt, dass die Uhr im Wohnzimmer eine halbe Stunde nachgeht.

Heute werden wir eine große Masse von Staatskunst der DDR besichtigen: eine Panoramamalerei von Werner Tübke zum Deutschen Bauernkrieg. Ich bin gespannt, wie sich das aushalten lässt.

Und wieder werde ich ein Stück thüringische Landschaft kennen lernen, das mir, als ich dort gelebt habe, verschlossen blieb.

Workshops | Popsongs

Einen zehntägigen Workshop mit zehn Übersetzerinnen und Übersetzern aus zehn verschiedenen Weltregionen zu geben, beschäftigt ab heute Barbara in Berlin. Das findet innerhalb eines Theaterfestivals statt und verspricht Spannung.

Am Abend kamen Maj und Monika ins Atelier. Maj holte einen großartigen Abdruck ihres Reliefs aus der Form, sehr Detailreich und genau abgebildet. Sie war ziemlich glücklich damit und ich erleichtert, weil ich eine Weile lang nicht mehr an den Erfolg des Unternehmens geglaubt hatte.

Monika modellierte ein Reptil mit Ohrenflügeln, das wir zum Trocknen ins Regal gestellt hatten. Maj will probieren, es zu brennen.

Die Jungen Menschen, mit denen ich es gestern zutun hatte, sangen Popsongs aus den letzten fünfzig Jahren mit vollständigen Texten, Tanz und ganz netten Stimmen. Ziemlich außer Rand und Band taten sie das, während sie die Dreiecke grundierten.

Wallfahrten

Am Morgen hoppeln vor dem Atelier auf der Wiese die Kaninchen herum. Ihre Fluchten vor mir werden nachlässiger. Ich stelle mir schon vor, mit ihnen zu spielen.

Ein mildes Licht bescheint mein Gärtchen. Die Blätter müssen sich zunächst an die direkte Sonneneinstrahlung gewöhnen, werden während dessen gerne gelb, fallen ab und neue wachsen dann in diesem Licht, die dann mit ihm auskommen. So ist es jedes Jahr.

Den gestrigen Feiertag verbrachten wir in Rheingau und gingen dort einen Rundweg um eine Hochebene. Rundherum fielen schroffe Hänge bis zum Boden der Bäche ab.

An einem dieser Bäche lag eine Franziskanerkapelle, in der am ersten Mai eine besondere Monstranz angebetet wird. Es handelte sich um einen Wallfahrtsort, dessen Kapelle im Inneren viele Votivtäfelchen auf ihren Wänden versammelt. Das sind Steinmetzarbeiten mit Inschriften. Besonders rührend sind die Bildhaften Zeugnisse der Volksfrömmigkeit. Da gab es zum Beispiel ein Franz von Assisi gewidmetes Gärtchen, in dem sich allerhand Vorgartentierplastiken versammelten. Mehrere Bambis warteten darauf, sich endlich in einen Hirsch zu verwandeln.

Ein weiteres Kloster der Benediktinerinnen befand sich am Hang hinzu Rhein. Sie kamen ursprünglich aus Prag und errichtete den riesigen Komplex um Neunzehnhundert.

Zeichen verstummt | es schreibt

Der ächzende Gong der Standuhr der Kommunisten schlägt acht Mal. Ein erster Mai, trübe und kalt.

Ein Husten hält mich ab vom Denken, Krishnababys Fingerzeige bleiben ungelesen. Die Zeichen bleiben stumm.

Die Bewegungen der Bäume interessieren mich kaum, kaum das Licht, schon recht weit oben hinter den dichten Schleierwolken.

Einzelne Mauersegler flattern eher und schlagen keine großzügigen Bögen.

Einzig haltbar ist die Disziplin selbst auferlegter Regelmäßigkeit. Die fortlaufenden Linien der Schrift ziehen ihre Energie aus den vorhergehenden – es schreibt!

Das Zeichnen versorgt und ernährt mich.

Zumeist schreiten mürrisch Männer auf der anderen Seite der Allee. Die Frauen fehlen, weil die Kindergärten geschlossen sind.

In der Stadt wird es heute zu Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Extremisten geben. Viele Straßen und Plätze sind besetzt mit Veranstaltungen von Bürgerorganisationen.

Wir halten uns fern – ich möchte Natur, Weite und Stille

Fuchs | Müll

In der Nacht erschien mir die Wüstenei des Waldes, das Wüten der schweren Maschinen auf meinem Pfad.

Am Rand des Bahndammes streifte gestern ein ausgemergelter Fuchs entlang. Recht groß mit räudigem Fell durchstöberte er, bevor er wieder nach Süden verschwand, die Bauten der Kaninchen und den Müll der Günes. Ein erbärmlicher Anblick.

Wenn sich die Nutzer des Geländes heute treffen, wird unter Anderem dieser Müll, den er untersuchte, Thema sein. Durch die Veranstaltungen des Theaters, das kein Theater mehr ist, entstanden in den letzten Jahren sich vermehrende Belastungen. Weil ich in dieser Sache federführend bin, finde ich mich in der Rolle wieder, die ich vor zehn Jahren auf dem Gelände einnahm. Jetzt will niemand, außer mir Verantwortung übernehmen, auch weil das Verhalten derjenigen, die die deutsche Sprache am wenigsten beherrschen, aggressiv ist. Um diese Sprachlosigkeit zu überwinden, hoffe ich, dass eine kulturvolle und vernünftige Allianz zustande kommt, die dafür sorgen kann, dass auf dem Gelände wieder Theater geprobt wird. Vielleicht brauchen die Günes einen Impuls von außen, um sich ihrer Tugenden wieder bewusst zu werden.

Mit meinem dreieckigen Tisch wandere ich mit der Reliefarbeit vor dem Hausschatten davon, arbeite gerne, soweit es geht im Freien.

Die Mauersegler scheinen sich wieder verzogen zu haben.

Gläserne Klangpfeile

Könnte ich doch die Luftverwirbelungen sehen, die hinter den Figuren entstehen, die vor meinem Fenster, auf der anderen Seite der Allee, hin und her laufen. Afrikanerinnen mit schwingendem Gang, der griechische Pächter des Cafés, mit seinem manchmal schräg geneigten Kopf oder Fahrradfahrerinnen mit wehenden Mänteln. All diese Wirbel stelle ich mir vor, wie mit Tinte schnell geschriebene Zeilen.

Nach dem Liederabend mit Carola schlief ich lange und fest. Ihre Stimme hatte in der Französisch – Reformierten Kirche in Offenbach etwas Gläsernes.

Danach im Restaurant sprachen wir über Impressionismus und Messiaen. Es war nicht ganz einfach, sich auf dieses malerische Äquivalent zu einigen. Carola und Hans Zitko waren der Meinung, dass der religiöse Hintergrund des Komponisten einem solchen Vergleich im Wege stünde. Ich meinte hingegen, dass der gemalte Lichtfleck ebenfalls einen Hintergrund besitzt oder herstellt. Sicherlich aber gingen mir etwa pointilistische Arbeitsweisen bei der Einbeziehung von Vogelgesängen und die ganze Hinwendung zur Natur in diesem Zusammenhang mit durch den Kopf.

Hans konnte ich von meiner derzeitigen Arbeit erzählen. Auf seiner anderen Seite saß Amy, die in den USA auf einem Campus studierte, der in Teilen von Buckminster Fuller gebaut worden ist.

Raum im Raum

Einen Moment lang nahm ich in der Küche  eine andere Perspektive ein, wie aus meiner Kindergröße im Alter von etwa vier Jahren. Für Sekunden wandelte sich auch mein Selbstverständnis. Mein Wille schien untergeordnet, war weniger wichtig. Gleichzeitig befand ich mich im Gehäuse eigener Vorstellungen, in das niemand eindringen konnte, was gleichzeitig eine gewisse Einsamkeit auslöste. Küche – Ort des Geschirrs, das ich seit sechsundfünfzig Jahren abwasche. Ich tue das immer noch gern. Es gab Spülschüsseln, die in einem Gestell saßen, das aus dem Spültisch gezogen werden konnte. Am unteren Ende der Füße, in Schlitze eingelassen, befanden sich kleine Räder, die das Herausziehen erleichterten. Später gab es zweiteilige Spülbecken aus Porzellan oder emailliertem Blech an den Wänden. Das einzige Spülmittel, das es gab, hieß „Fit“.

Erst jetzt, da die Bäume die Blätter ganz austreiben, die gelbgrünen Blüten schon wie ein Teppich am Boden lagen, fällt mir ein Raum auf, der neu durch die Beschneidung des Baumes vor meinem Fenster  entstanden ist. Das wäre ein guter Platz für ein Dreiecksgitterobjekt mit eingelassenen Glasfiberreliefs. Ein Raum im Raum – einfach zu bewerkstelligendes schönes Element für die Allee.

Im Atelier formte ich gestern fleißig Reliefs aus. Ich arbeite drauflos und zähle nicht mehr. Irgendwann nehme ich das ganze Material und probiere im „Balken“ die Konstellationen aus.

Carola Schlüter hat zu einem Gesangsabend heute in Offenbach eingeladen. Es geht um Schönberg, Britten und Messiaen. Mich interessiert besonders der Messiaen, sein Impressionismus.

Pflanzenraum

Krishnababy zeigt auf:

„Sie gewährten ihm einen Blick in eine geheimnisvolle Geometrie des Raumes, die ihn einsehen ließ, dass die Konturen eines Dings in der Richtung eigener gegeneinander geneigter Ebenen sich ordnen müsse, damit dieses Ding vom Raume wirklich aufgenommen, gleichsam von ihm anerkannt sei in seiner kosmischen Selbständigkeit.“

Aus „Auguste Rodin – Zweiter Teil / Ein Vortrag / (1907)“ von Rilke.

Weil viel Regen angesagt war, stellte ich nun alle Pflanzen, außer den großen Ficus, hinaus. Das Gärtchen richtete ich so ein, dass es mehr zum Rolltor hin ausgerichtet ist, anders als in den vergangenen Jahren. Jetzt habe ich das Sammelsurium der vielen verschiedenen Pflanzen auch aus dem Atelier hinaus besser im Blick.

Während des Räumens bin ich ganz durchnässt worden und bin zu keiner anderen Arbeit gekommen.

In dieser Woche habe ich zwei Anträge auf Förderung losgeschickt. Vorgestern ging der an das Amt für multikulturelle Angelegenheiten raus, und gestern schickte ich den neuen Antrag an die Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft auf elektronischem Weg ab.

Mit Gitta sprach ich am Weinstand über die Wissensvernetzungsarbeit im Gegensatz zur Produktion. Immer mehr Menschen arbeiten virtuellen Ergebnissen zu. Wirkliche Produktion fertigt oft genug Dinge, die sofort wieder recycelt werden, weil die Gesellschaft mit dem Konsum nicht nachkommt.

Gelöschte Linien | verfestigte Erinnerung

Schnell kam gestern eine Zusage für eine Förderung vom Kulturamt. Sie ist für die Ausstellung bestimmt, die das Projekt „Module – FRANKFURTER KRAFTFELD“ begleitet. Ab Anfang Mai werde ich dazu im „Balken“ arbeiten. Für viele Reliefexemplare, die ich nun schon ausgeformt habe, müssen noch Holzrahmen gebaut werden. Aber mit der Kreissäge und der Arbeitsfläche unter dem Vordach kann ich das wohl bewerkstelligen und die Späne fliegen lassen.

Während eines Gespräches mit Mandy, der Grafikdesignerin, hatte ich die Idee, mit Kartierungen zu arbeiten, die Wege zeigen, die Demenzkranke vor ihrem Leiden täglich gegangen sind. Die GPS-Aufzeichnungen könnten in Ornamente fließen, die weiter zu verarbeiten wären.

Währenddessen begann ich mit einer weiteren Ausformung vom Kreuzstabträgerrelief, die ich bis zum Abend mit Unterbrechungen fertig stellte.

Meine Blicke zum Himmel in den letzten Tagen haben sich gelohnt, weil ich gestern die ersten Mauersegler sichtete. Ein kleiner Schwarm kreuzte seine geschwungenen Bahnen.

Ich erinnere mich an die Ankunft eines größeren Schwarms in Heidelberg, der sich in einer Spirale verdichtete und dann, wie auf ein Kommando, in alle Richtungen auseinander stob. Wie so oft, habe ich diese Beobachtung als exemplarisch angenommen, in diesem Fall als den Zeitpunkt der Ankunft der Vögel. Eine automatische Vereinfachung, die das vergleichende Gehirn anstrebt und in den folgenden Wiederholungen der Erinnerung verfestigt.

Gespräch im Black | tiefe Spuren

Ohne mich überwinterten alle meine Gestalten am Hang, zu dem ich mich mit etwas bangem Herzen gestern aufmachte. Die Plätze, Wege und Geflechte verharren im Frost und Schnee wie festgebacken. Das weiß ich aus Erfahrung. Im oberen Drittel aber ist Holz geschlagen worden. Die Maschinen haben tiefe Spuren hinterlassen, und viele Dinge sind zerstört worden. Aber um meinen Rundbau haben die Forstarbeiter einen großen Bogen gemacht, haben Bäume so gefällt, dass sie ihn nicht zerstörten und organisierten auch den Abtransport der Stämme mit Respekt vor diesem Bauwerk. Trotz aller Zerstörungen stimmte mich die erneute Begegnung froh. Das heruntergefallene Material konnte leicht auf die Seite des Pfades geschoben werden. Eine kleine von selbst gewachsene Baumgruppe, eine Art Unterholz und Versteck am Ende des zweiten Drittels wurde dem Erdboden gleich gemacht. Dort in der Nähe sind auch weitere, vom Borkenkäfer befallene Stämme angezeichnet, die inmitten von meinem Weg stehen. Dort wird also auch alles zerfurcht werden. Diese Vorgänge setzen etwas Neues in Gang.

Auf meinem oberen Platz auf der Lichtung habe ich eine kleine Kiefer eingepflanzt. Sie sitzt in einem Mikroklimaraum, den ich im Herbst eingerichtet hatte, geschützt und sonnenzugewandt.

Am Abend waren wir im Mousonturm zu einer Vorstellung eines Tanztheaterabends von Xavier Le Roy mit dem Titel „low pieces“. Der Choreograph dreht vieles herum – das Künstlergespräch gibt es am Anfang, die Programmhefte zum Schluss. Die Blacks völliger Finsternis dauern im längsten Fall fünfzehn Minuten. An Schluss reden die Tänzer in dieser Dunkelheit mit dem Publikum. Eine andere Gesprächskultur entsteht. Schöner, dichter Abend.

Erwartete Ankunft | Kalngvolumen

Zeitig ist der blassblaue Himmel von einem dichten Kondensstreifennetz überzogen. Schon bekommen die Kanzeln der Kräne Licht und mein Blick gleitet immer öfter zum Himmel, um die Ankunft der Mauersegler nicht zu verpassen. Als tauchte man einen satt grünen Pinsel in ein klares Wasserglas, drängen nun die Blätter in den Raum.

Zutraulich gesellte sich der Sohn von Deniz zu mir und meiner Arbeit, als ich ein weiteres Relief ausformte. Er ist nun seit einiger Zeit in Deutschland, spricht schon ganz gut unsere Sprache und half mir etwas bei meiner Arbeit.

So nahe bei mir hat die Gitarre die Eigenschaft, die Schwingungen direkt in den Körper zu transportieren. Sicherlich ist das ein Grund, dass ich nachts die Akkorde spüre und mir vorstelle, wie ich mit schnellen Griffwechseln mehr abwechslungsreiches Klangvolumen herstelle. Noch ist das alles weit entfernt von meinen Zeichnungen – aber ich übe täglich.

Ich nahm mir vor, ab heute wieder auf meinen Pfad im Wald zu gehen. Das habe ich den Winter über nicht gemacht. Der ist nun aber vorbei und ich bin gespannt, wie abgeschliffen meine ganzen Bauten nun erscheinen. Schon während der letzten Begehungen überlegte ich mir, diese Veränderungen und Reduktionen mit einzubeziehen. Es ist spannend, nach so langer Zeit wieder an meinen vertrauten Ort zu kommen.

Schleierwolkenschichten | Förderungen

Kühl im Atelier nach einer kalten Nacht, mit dem Rücken an der Heizung. An der sonnenbeschienenen gegenüberliegenden Wand saß ich gestern lange bei der Ausformung des Kreuzstabträgerreliefs. Das dauerte deswegen länger als sonst, weil die Konsistenz der Ausformmasse nicht mehr so geeignet war. Je feiner und trockner das Ganze ist, umso besser lässt es sich verarbeiten. Ich weiß nicht, wie viele Exemplare ich schaffen werde. Ich dachte, dass ich etwa um die hundert benötige. – Gerade zählte ich, die bisher entstandenen durch und kam dabei auf einundvierzig.

Gestern verabredete ich mich mit Frau Budde von Architekturmuseum. Ich möchte die Arbeit mit dem Museum mit den anderen Förderungen verbinden und darüber auch neue finden.

Außerdem beschäftigte mich ein Paradigmenwechsel innerhalb der Politik des Integrationsdezernates. Er wirkt sich auf einen Antrag aus, den ich mit Ziel der Förderung des Projektes FRANKFURTER KRAFTFELD stelle. An diesem Texten arbeitete ich gestern eine Weile. Der Integrationsbegriff wird weiter gefasst. Wie weit sie dabei gehen, kann sich während eines Gespräches mit dem neuen Amtsleiter ergeben.

Einige Wolkenschichten schieben sich übereinander und verhindern, dass eine milchig weiße Sonne die Luft richtig erwärmt. Auch im Atelier bleibt es nächtlich kalt.

Krishna | sizilianische Bruchstücke

Eine große Kette umhüllt Krishnababy fast ganz. Auf ihr sind sizilianische Bruchstücke aus Muscheln und leichtem durchbrochenem Tuffstein aufgereiht. Seine Hand weist auf den Satz:

„Und wusste noch jemand von dieser ganzen Skala der Schatten bis hinauf zu jenem leicht verscheuchten Dunkel, wie es manchmal um den Nabel kleiner Antiken huscht und das wir nurmehr aus der Rundung hohler Rosenblätter kannten?“

Es ist als wolle Rilke Rodin ein weiteres Element hinzufügen und als werbe er um die Gunst der Werke.

Drüben am Rand der kleinen Quäkerwiese stehen die Ginkobäume in einem Spitzengrün, sehen darin aus wie Lärchen. Im Gras ganze Büschel von Taubenfedern – Mord überall.

Gestern Nachmittag besuchten wir Brigitte in ihrem kleinen Restaurant in Darmstadt. Dort kocht sie pensionärinnenglücklich deftige Sachen. Unweit von dort besichtigten wir die Anlage der Mathildenhöhe, die mir etwas heruntergekommen vorkam. Ein Relief mit eigenartig malaiischen Figuren war einem Krishnatext zugeordnet. Wir blickten über die zart blühenden Hügel und freuten uns über den Anblick des Frühlings.

Ich fragte mich, wo heute die Anlagen entstehen, die künftig von unserer Zeit erzählen werden. Materialität scheint immer weniger wichtig zu sein. Temporäre Kunstwerke allenthalben aus Vergänglichem. Digitale Werke verschwinden im Orkus der nicht mehr kompatiblen Speichermedien. Was wird bleiben…

Tanzfehlstelle

Die Formen im Atelier waren zu pflegen, und einige Zeit hatte ich mir dafür zu nehmen, gestern als die Temperaturen wieder so weit gesunken waren, dass das Tor nicht hochgezogen werden konnte. Zwar ist der wieder aufgekommene Ostwind zehn Grad wärmer als in den letzten Monaten, dennoch unangenehm kalt für die Frühlingskleider.

Auf der kleinen Wiese gegenüber, dem Quäkerflecken, watscheln die Ringeltauben hintereinander her, wie das Zentralkomitee der marxistisch – leninistischen Partei Deutschland, das sich allmorgendlich im Nordic Walking übt.

Gestern Abend im Mousonturm ein Tanzabend mit Foudres, einer kanadischen Company. Sportlich prekäre Handlungsformen nackter Körper in langatmigen Wiederholungen. Dramaturgische Fehlstellen, keine Präzision des Lichtes, der Pausen, des tänzerischen Handwerks, die Musik ein schwülstiger Schwampf – katholisch-berserkerhafter Kitschhammer. Das Bier danach hat gut getan.

Carola berichtete von der Verschiebung unseres Delhivorhabens. Ich dachte die ganze Zeit überhaupt nicht mehr daran, muss es mir eher mühsam in Erinnerung rufen.

Immer Konkreter hingegen gestaltet sich das FRANKFURTER KRAFTFELD. Es hält viel Variationsbandbreite, Arbeit und Vergnügen bereit.

Schichten

In einer verfügbaren Welt erscheint die Frage:„Wo sind wir gerade?“ unwichtig zu werden. Die Frage kommt von der Generation, die die Mauer und das Leben mit ihr noch kennen gelernt hat. Mit dem Smartphone habe ich diese Unsicherheit nicht mehr. Verloren erscheinen wir im neuen öffentlichen Raum, den jeder in seiner Hand vor Augen hat.

Krishnababy zeigt auf einen Rilketext: „Denn ob etwas ein Leben werden kann, das hängt nicht von den großen Ideen ab, sonder davon, ob man sich aus ihnen ein Handwerk schafft, ein Tägliches, Etwas, was bei einem Aushält bis ans Ende.“

Östlicher Wind greift in die hellgrünen Ahornblütenbaumkronen. Noch sind die Blätter nicht heraus, beginnen sich erst zu entfalten.

Die neue Beschichtung der Kreuzstabträgerform hat nicht gehalten, weil unter ihr noch zu viel Wachs saß. Ich werde sie ganz mit Lösungsmitteln auswaschen müssen, um die Trennschicht zu erneuern.

Gestern zeigte ich den Damen Vom Planungsamt meine täglichen Zeichnungen und Abbildungen des Impulsgebers Gerhard Richter. Sie interessierten sich für das Frankfurter Kraftfeld, für Möglichkeiten im öffentlichen Raum. Ich sagte, dass ich es nicht mehr forcieren muss, mit meiner Arbeit im Stadtraum zu erscheinen. Wenn jemand etwas will, muss er kommen und zahlen.

Die Atmosphärenschichten sind ganz durcheinander gewirbelt. Die Wolken kommen je nach Höhe aus verschiedenen Richtungen. Manche stehen still. Am Boden herrscht derweil ein kräftiger Wind.

Planung | Spannung

Arbeiten im offenen Rolltor. Ab und zu trage ich einen Pflanztopf nach draußen.

Ab Mai ist der Projektraum frei, wo ich an Wandbildvarianten arbeiten kann. Deswegen habe ich derzeit mit Pappmacheherstellung und der Produktion von Reliefrohlingen zutun. Die Arbeit kann langsam wachsen. Es geht um Kontraste der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der Liniengeflechte. Es geht darum, Ornamente aufzusprengen und die neuen Figurationen den entgegenzustellen. Es geht um Spannung. Dazu gehört Zeit und ein Hängesystem, wo alle Dreiecke verschieden platziert werden können.

Ich bremse mich bei der Arbeit an den Objekten für die Sommerausstellung in der Stadt. Bisher gibt es noch kein Zeichen, das den Grund für einen Start an dieser Arbeit hergäbe.

Für Anfang Juli habe ich schon eine Woche mit der Hindemithschule ins Auge gefasst, treffe mich in vierzehn Tagen noch mal deswegen mit Alexander Klett. Den Stand unserer Planung kann ich nun auch an das Architekturmuseum weitergeben.

Besuch von den Damen des Planungsamtes. Ich berichtete ihnen von neuen Entwicklungen auf dem Gelände. Gleichzeitig sprachen wir über unsere ursprünglichen Pläne der Nutzung des Areals und darüber, wie diese wieder neu und weiter verwirklicht werden können.

Eidechse und Falke

Die Kreuzstabträgerform habe ich noch einmal mit Schelllack beschichtet. So lassen sich die kleinen Fehlstellen schließen, die an den Stegen die Schwachpunkte bilden. Die filigrane Form ist nun stabiler.

Außerdem veränderte ich die Rezeptur des Pappmaches so, dass ich weniger Tapetenleim einmische, um das Schrumpfen des Reliefs bei der Trocknung geringer ausfallen zu lassen. Die Exemplare werden nicht so steinhart, was die Verletzung der Form noch einmal begünstigt.

Während der Arbeit draußen vor dem Tor entdeckte ich eine Eidechse, die im Unterholz meines Gärtchens und an meinen Holzfiguren herumkletterte. Ich bewegte mich ganz langsam, machte eine Serie von Fotos und überlegte, wie ich mit kleinkrümligem Futter eine Beziehung zu dem possierlichen Tierchen aufbauen kann. Während ich aber Roland vor seiner Ateliertür davon erzählte und wir noch den Artenreichtum an Vögeln an unseren Bahnhang bewunderten, schoss ein Falke aus mittlerer Höhe die Strasse entlang, landete im Winkel, wo unsere Mauer auf den Boden trifft, der unausweichlichen Fluchtlinie unserer Mitbewohnerin und schnappte sich mit vorgestreckten Krallen die Eidechse. Nie habe ich auf einen Raubvogel geschimpft, wie auf diesen. Und wir standen daneben und konnten nichts tun!

Am Morgen habe ich ein erstes Wandbildelement aus sechs Teilen mit sechs Dreiecksholzrahmen versehen – eine kompakte Angelegenheit. Von allem benötige ich nun mehr: die Hundertstundenwochen brechen an

Siebenhundert Jahre Einwanderung nach Frankfurt


Siebenhundert Jahre Einwanderung nach Frankfurt – eine Buchvorstellung mit Podiumsveranstaltung. Im Verlauf der Veranstaltung wurde die Sonderstellung der migrantischen Kulturen in Frage gestellt. Bei einer Stadtbevölkerung mit fast fünfzig Prozent von Menschen mit Migrationshintergrund (klingt wie eine Krankheit), leben wir in einer Migrationsgesellschaft und haben uns täglich mit diesen Kulturen auseinander zu setzen.

Diese These vertrat ich schon in abgewandelter Form in den Neunzigerjahren, als ich mein Projekt TRIXEL PLANET auf die Stadtgesellschaft von Frankfurt übertrug.

Vom Amtsleiter des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten erfuhr ich, dass es auf Post von mir wartet. Das ist mir neu. Ich erwartete einen Terminvorschlag, wo ich ihm das Projekt vorstellen kann, wollte es ja ohne Kommentar nicht abliefern. Nun also so herum – ist mir auch recht.

Gestern schrieb ich an der Ergänzung des Sachberichtes für die Polytechnische Gesellschaft weiter. Morgen Nachmittag treffe ich mich wegen FRANKFURTER KRAFTFELD mit Alexander Klett von der Hindemithschule. Ich suche bei ihm eine Dreieckszusammenarbeit: Zwischenraum, PHS und Architekturmuseum. Dann müssen schnellstens Anträge gestellt werden…

Restauration | Ateliergarten

Jetzt habe ich begonnen meine Pflanzen vors Atelier zu stellen. Das geschieht nicht mit der Endgültigkeit, wie es Mitte Mai passieren würde, aber Oliven Zitronen und Geranien kann ich schnell, falls es noch mal Frost geben sollte, wieder hereinräumen.

Vormittags beschäftigte ich mich mit dem Text für Daphne Lipp. Die Rückschau hat ergeben, dass ich etwa dreihundertzwanzig Stunden Workshops gemacht habe. Alle Inhalte habe ich in Stichworten notiert. Dazu entstand ein kurzer Text über Akquise und die Atmosphäre beim Labyrinthzeichen, wie ich sie gestern schon beschrieben habe

Langsam werden die Formen durch die häufige Benutzung brüchig. Eine Restauration gebrochener Stege und eine Lack- und Wachsschicht wird notwendig, wenn ich damit noch die Gießharzausformungen machen möchte. Besonders betroffen ist der Kreuzstabträger, dessen Stege vereinzelt brechen, weil sie besonders hoch geworden sind und auch ziemlich schmal.

Nach dem Abendessen ging ich noch mal ins Atelier, um ein zweites Relief auszuformen. Ich habe das Gefühl, dass mir die Zeit etwas wegrennt. Frau Manolopoulou hat sich noch nicht gemeldet. Auch hier verschiebt sich dadurch ein möglicher Arbeitsbeginn nach hinten.

Goldbergvariationen | Kampfhunde

Zwei Gärtner lockern den Boden unter den großen Ahornbäumen vor dem Cafe, zupfen Unkraut, mähen den Rasen und wässern die bunten, blühenden Beete. Plötzlich ist es nun warm geworden, und mit der angekündigten Feuchtigkeit wird es eine Grünexplosion geben.

Öfter dachte ich am Wochenende über meine Erfahrungen mit den Jugendlichen innerhalb des FRANKFURTER KRAFTFELDES nach. Die Stichworte, die mir dazu einfallen, führen mir regelmäßig extreme Situationen vor Augen.

Beispielsweise die meditative Atmosphäre beim Zeichnen von Labyrinthen mit Feder und Tusche. Währenddessen halblaute Gespräche über Russenmafia, Dogen- und Waffenhandel, Prostitution und Kampfhunde. Währenddessen liefen die Goldbergvariationen, von Glenn Gould gespielt.

Oder die Mädchenbandentendenz mit Hang zur Gewalt. Eine Kombination aus aggressivem Auftreten, provozierender Kleidung, degenerierter Halbsprache und Kampfsport.

In meinem Schreiben an die Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft möchte ich gerne mehr von dieser Welt und meinen Ganztagsworkshops erzählen. Diese gestrandeten Menschen sind in der Kunstwelt meines Ateliers in einem kulturellen Schutzraum. Nur innerhalb einer kontinuierlichen Zusammenarbeit konnte ich wirklich Vertrauen aufbauen. Ich kann es nur einlösen, wenn ich weitermache.

Needcompany| Architekturmuseum

Ein kleiner Junge wird von seinem ganz kleinen Hund, den er an einer schweren Leine hat geführt und an den Stellen festgehalten, an denen er interessiert ist. Das geht so lange, bis er das Tier nimmt und fort trägt.

Irgendwann, Anfang des Jahres versprach ich mir, dieses Frühjahr genau zu beobachten. Schnell gehen jetzt an manchen Bäumen die Knospen auf. Aus Leibeskräften singt eine Amsel, als wolle sie die verlorenen drei Wochen aufholen. Das breite Band der Gesangsvariationen ist von Molltönen dominiert. Das Geläut und die Rufe der Ringeltauben weben den sonntäglichen Klangteppich noch etwas fadenscheinig, aber feierlich.

Im Mousonturm war gestern die flämische Needcompany zu sehen. Ein Weiler hat durch eine Explosion auf einem gemeinsamen Fest vierundzwanzig Menschen verloren. Die Verursacherin, die Metzgersfrau, hat querschnittsgelähmt überlebt. Die Erinnerungen der Beteiligten verstricken sich zu einem kollektiven Trauma, dem darauf begründet weitere gewaltsame Tode folgen. Irgendwie bleibt die Gemeinschaft aber bestehen und geht mit der wachsenden Anzahl ihrer Toten weiter durch eine vielschichtiger werdende sehr menschliche Existenz.

Im Foyer traf ich Frau Budde, mit der ich im Architekturmuseum zusammengearbeitet habe. Wie haben verabredet, über ein weiteres gemeinsames Projekt nachzudenken.

Berufswunsch Scharfschütze

Interessantes Gespräch mit der Stiftung der Polytechnischen über meinen Bericht zum Projekt „Frankfurter Kraftfeld“. Grundsätzlich berichte ich zu viel über die künstlerischen Aspekte und die soziale Seite der Arbeit kommt weniger zum Tragen. Ganz gerne würde ich in einem Text über das Verhältnis von künstlerischer Qualität und Sozialarbeit meine Haltung dazu klar machen. Die Partnerschaft zwischen Workshopteilnehmern und mir kann nur tief und erfolgreich sein, wenn das von der Substanz der Arbeit her möglich gemacht wird. Dennoch geht es in unserer Zusammenarbeit in erster Linie um das Kunstwerk. Erziehung ist ein Derivat innerhalb des künstlerischen Prozesses. Die Ausstellungen zeigen das Kunstwerk, an dem Menschen außer mir beteiligt sein durften.

Unter dem Titel „Berufswunsch Scharfschütze“ könnte ich unter noch größerem Aufwand  an vielen kleinen Beispielen zeigen, welche Situationen sich im Atelier ergeben, aus denen sich Erkenntnisse entwickeln könnten. Das Schulhafte und Abrechenbare kommt zu Recht zu kurz.

Außerdem würde ich gerne über das Verhältnis von veranschlagten Mitteln und den tatsächlich bereitgestellten schreiben, über den Aufwand an Konzeption, Antragstellung, Planung und Dokumentation, Abrechnung und Sachbericht, der alleine schon die Fördermittel auffrisst.

Leise Zurückhaltung gestern im Schauspiel. Andrea Breth inszenierte „John Gabriel Borkman“ von Ibsen. Auch hier wird die Wirkung erst später einsetzen, weil die Arbeit von vielschichtiger Dichte zeugt und erst nach Wochen vielleicht wieder auftauchend in der Straßenbahn…

Werkzeuge | Geschichten

Als uns in Mamallapuram vor gut einem Jahr ein Bildhauer eine Steinkugel und die Motive auf ihrer Oberfläche erklärte, wusste er sehr genau, welch große Rolle die Geschichten spielen, die den Hintergrund seines Werks bilden. Sie schaffen emotionale Nähe. Die Reliefs auf der Kugel zeigen Gegenstände, die während des großen Tsunamis vor neun Jahren, seine Ladenstraße hinauf schwammen oder an seinem inneren Auge vorbei, als er, seinen Laden im Stich lassend, vor den Fluten floh. Jetzt liegt die Kugel auf meinem Schreibtisch. Wir haben sie gekauft, damit sie uns an diese Geschichte und an die Begegnung erinnert.

Auch Pflanzen, Werkzeuge und Räume halten Geschichten bereit. Gestern waren das die Geschichten eines kürzlich gestorbenen zweiundneunzigjährigen Schreiners. Helga zeigte mir ihr altes, in Jahrhunderten zusammengestückeltes Elternhaus mit der dazugehörigen Werkstatt. Sehr emotional berührten mich die in langer Zeit zusammengetragenen Dinge, das alte Gebälk der Fachwerkhäuschen mit den kleinen niedrigen Stuben. Noch intensiver aber traf mich die Werkstatt, die gegenüber den Wohnräumen luftig und groß war.

Helga bot mir nun an, mir Dinge auszusuchen, die ich gebrauchen könnte. Und so fuhren wir mit einer Kiste Bücher, Zeichenmaterial und mit einigem Werkzeug wieder zurück. Ein ganzer Satz Schnitzwerkzeuge in einer schönen Holzkiste steht nun in meinem Atelier und wartet darauf, benutzt zu werden. Nun soll ich mir noch Dinge für einen größeren Transport aussuchen – eine Hobelbank, ein gefüllter Werkzeugschrank und Schraubzwingen. Der Himmel auf Erden! Ich bin sehr dankbar.

Blickachse

Ein viereckiger Taschenspiegel auf meinem Schreibtisch, der mir ansonsten zur Kommunikation mit den Krähen dient, zeigt das kahle Geäst unter dem Regenband draußen. Krishnababy zeigt mit seiner stützenden Hand auf diesen Vorgang, während seine Augen der Blickachse über die Butterkugel in der anderen Hand auf einen Rilketext über Zeichnungen von Rodin gerichtet sind:

„Alle Bewegung legt sich, wird Kontur, und aus vergangener und künftiger Zeit, schließt sich ein Dauerndes: Der Raum, die große Beruhigung der zu nichts gedrängten Dinge.“

Währenddessen hält das Atelier nur Vervielfältigungen für mich bereit, gestern das Blutkreislauf-Figuren-Relief.

Während der Beschäftigung mit dem Rilketext und beim Anschauen der Fragmente von Rodin, reizt es mich, meine Reliefs manchmal etwas plastischer werden zu lassen.

Gestern machte ich mich noch mal auf die Suche nach einer Katze, die ich der indischen Schlange hinzugesellen kann. Das nächste Motiv spricht schon eine ganze Weile mit mir, ist nur noch nicht soweit.

Gestern einige Verabredungen, bei denen es um die Arbeit und Finanzierung des FRANKFURTER KRAFTFELDES gehen wird.

Innere Uhr der Samen | Lichtkoordinaten

Die innere Uhr der Samen, die ich auf Reisen gesammelt habe, blieb mir zumeist unsichtbar. So weiß ich nicht, wann ich sie aussäen kann. Wegen dieser Unsicherheit bleiben sie in der Schale auf meinem Fensterbrett liegen und werden langsam mehr.

Auf die längeren Lichtphasen reagieren meine Pflanzen im Atelier mit gut sichtbarem Wachstum. Die Fülle reizt mich, sie bald hinaus zu stellen. Zunächst kann ich das mit dem Olivenbaum machen, dann vielleicht die alte Zitrone, von der ich kürzlich versehentlich einen jungen, noch weichen, stark duftenden Ast abbrach.

Das Erscheinen eigener Dreidimensionalität verleiht einer Romanfigur, die ich am Morgen lesend kennen lernte eine versöhnliche Festigkeit am Ende des Textes. Zuvor schien ihr Dasein ohne innere Koordinaten plasmatisch in eine Hoffnungslosigkeit zu fallen. Die Anerkennung der Realität führt da zu einem Neuanfang. Die eigene Existenz ist keine virtuelle Figur mehr, auch kein Videobild.

Das Erscheinen der Dreidimensionalität ist das Stichwort für den Start der Arbeit an den Kraftfeldobjekten.