Die Vornamen meiner Großmütter waren für mich, genau wie die Vornamen meiner Eltern, nicht in Gebrauch. Ich hörte höchst selten, dass jemand zur Mutter meiner Mutter Erna sagte. Auch den Namen meiner anderen Großmutter, Gertrud, sagte keiner. Die Ehemänner waren tot, abgehauen oder geschieden. Großväter bleiben also nebulös und ihre Namen weit entfernt: Paul, Oskar … Die alten Kriegersäulenmütter standen in einem neutralen Raum, in unförmigen Mänteln. Am liebsten hätte ich sie in der dritten Person angesprochen, so fremd waren sie mir. Dennoch scheint ihr Einfluss auf mein Leben weit zu reichen.
Das Haus, in das wir uns in der Pfalz ab und zu einmieten, ist von einer Karolina gebaut worden, die Schneiderin war und allein stehend, wie die Mutter meiner Mutter. Erna flüchtete hochschwanger mit den zwei Töchtern, gebar einen Sohn, der als Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR keine vierzig Jahre alt geworden ist. Strahlende Fernmeldetechnik, Krebs und schneller Tod. Seiner freiwilligen Verpflichtung, als vaterloser Sechzehnjähriger zum Zeitsoldaten, stellte sich niemand aus der Familie in den Weg. Mit etwas Nachdruck hätte man das rückgängig machen können.
Die Linien des vierten Reliefs zeichnete ich gestern auf eine Folie und richtete die Projektion ein, um die Vorzeichnung auf eine passende glatt gespachtelte Platte zu bringen. Abstand, Winkel und Größe stimmten, bevor ich die Projektionslampe einschaltete. Es gibt keine Markierungen für die Staffelei, auf der die Grundfläche für das Relief steht oder den Projektor. Nur Intuition und Routine.