Werkcharakter des Archivs | fremde Erinnerungen

Zeitiger als sonst war ich gestern im Atelier, weil ich mit Herrn Schulz, meinem Aussteller zwölf Uhr verabredet war. Ich stellte fest, dass es immer mehr Konzentration bedarf, um die Komplexität der Arbeit jemandem zu erklären, der noch nichts davon gehört hat. Drei Tafeln des KRAFTFELDES legte ich draußen unter das Dach vor dem Atelier, damit er sie anschauen kann und sieht, was an Gestaltung auf ihn zukommt. Ich versuchte die Ebenen möglichst anschaulich aufzufächern und zu erläutern, woher die Zusammenhänge stammen. Auf die Frage nach Texten, die das Ganze etwas hinterleuchten, zeigte ich ihm mein aktuelles handschriftliches Tagebuch und erzählte von der Datei, die ich teilweise für die Ausstellung ausdrucken will. Klaus-Ludwig Schulz ist der erste Vorsitzende der Frankfurter Künstlergesellschaft, die schon 1857 gegründet worden ist.

Es ist spannend für mich, dass nun erstmalig das Tagebuch Gegenstand einer Ausstellung wird, somit den Sprung vom Archiv zum Werk vollzogen wird.

Nach unserer Begegnung habe ich an das Erinnerungsbild von M., einer Puppe ohne Arme gezeichnet. Ich merkte, dass das Aufnehmen und Verarbeiten fremder Erinnerungen weitaus schwieriger ist, als bei einer solchen Arbeit auf einen eigenen Fundus zurückgreifen zu können, wie ich das bisher mit meinen Transparentpapierrollenbildern gemacht habe. Allerdings schließen sich nun mit den neuen Figuren auch neue Welten auf. Als nächste steht eine Lichtkathedrale aus Leuchtstoffröhren auf dem Programm. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich mit den Gesträuchen umgehen soll, die die Motive umgeben. Sie zu reduzieren würde die Überlagerungen der Einzelmotive einfacher machen.

Nach der zweiten Stufe der Arbeit am Erinnerungsbild wendete ich mich dem Diagramm aus der Commerzbank zu. Dabei begann ich in bewährter Weise rollend Ornamentbänder zu zeichnen. Die ersten zwei sollen „Vertrauen“ und „Beschreiben“ als Zeichen wiedergeben. In der nächsten Phase werden sie nicht nur waagerecht verdichtet, sondern auch senkrecht überlagert, wo sie sich kreuzen. Diesen ersten Ansatz muss ich nun über eine zeit verfolgen, um herauszubekommen, wie sich die Vorgehensweise bewährt. Es gibt genügend Möglichkeiten, neue Ansätze zum Zeichnen zu finden. Ich bin auf das fertige A3-Blatt aus Transparentpapier gespannt, das über der Tabelle liegen wird.